· Fachbeitrag · Vorweggenommene Erbfolge
Anschaffungsnaher Aufwand bei teilentgeltlichen Grundstücksübertragungen
von StB Dipl.-Finw. (FH) Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg
| Auch wenn eine Immobilie teilentgeltlich übertragen wird, kann bei Instandsetzungen nach Anschaffung die „Falle“ des anschaffungsnahen Aufwands (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) greifen. Hier gibt es jedoch eine die Anwendung der Vorschrift vermeidende Gestaltungsalternative, auf die nachfolgend eingegangen wird. |
1. Instandsetzungsmaßnahmen nach teilentgeltlichem Erwerb
Wird eine instandsetzungsbedürftige, vermietete Immobilie im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung unter Auszahlung potenzieller Miterben und damit teilentgeltlich übertragen, sollte der Erwerber bei anstehenden Investitionen in die Immobilie die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG möglicherweise ergebenden Rechtsfolgen beachten. Nach dieser Vorschrift sind innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung getätigte Investitionen ggf. als anschaffungsnahe Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln. Dies ist der Fall, wenn die in dem Dreijahreszeitraum getätigten Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes überschreiten.
Bei einem teilentgeltlichen Erwerb besteht die Besonderheit, dass anschaffungsnahe Herstellungskosten nur im Verhältnis zum entgeltlichen Teil des Erwerbsvorgangs vorliegen können (R 6.4 Abs. 1 S. 2 EStR). Denn § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG setzt Gebäudeanschaffungskosten voraus, die nicht gegeben sind, soweit eine Grundstücksübertragung unentgeltlich erfolgt.
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Sohn A erwirbt zum 1.4.25 von seinem Vater V ein vermietetes Einfamilienhaus und führt das Mietverhältnis fort. Das Grundstück hat einen Verkehrswert von 600.000 EUR (Grund- und Bodenanteil 20 v. H.). A zahlt 150.000 EUR an seinen Bruder B und investiert im Jahr 2025 insgesamt 107.100 EUR in die Sanierung von Dach und Fassade. | |
Prüfung der anschaffungsnahen Aufwendungen: | |
Verkehrswert Grundstück: | 600.000 EUR |
Entgelt: | 150.000 EUR |
Entgeltlichkeitsquote: | 25 v. H. |
Anschaffungskosten: Grundstück | 150.000 EUR |
./. Anteil Grund und Boden 20 v. H. | 30.000 EUR |
Anschaffungskosten Gebäude | 120.000 EUR |
15 v. H. | 18.000 EUR |
Instandsetzungsaufwendungen brutto | 107.100 EUR |
Instandsetzungsaufwendungen netto | 90.000 EUR |
Auf den entgeltlich erworbenen Teil entfallend (25 v. H.) | 22.500 EUR |
Von den Instandsetzungsaufwendungen in Höhe von 107.100 EUR müssen ‒ da es sich um anschaffungsnahe Aufwendungen handelt, die im Zusammenhang mit dem teilentgeltlichen Erwerb (zu 25 v. H.) angefallen sind ‒ 25 v. H. = 26.775 EUR der AfA-Bemessungsgrundlage zugerechnet werden, denn die Netto-Instandsetzungsaufwendungen (22.500 EUR) übersteigen den Grenzbetrag von 18.000 EUR. Die restlichen 80.325 EUR (107.100 EUR ./. 26.775 EUR) können dagegen ‒ da sie mit dem unentgeltlich erworbenen Teil in Zusammenhang stehen ‒ sofort als Werbungskosten abgezogen werden.
2. Gestaltungsalternativen
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG greift dann nicht, wenn die Instandsetzung erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums vorgenommen wird. Allerdings können im Einzelfall die Gesamtumstände (z. B. der Zustand des Gebäudes oder der im Zusammenhang mit der Übertragung stattgefundene Auszug der Mieter und damit der Leerstand des Objekts, bei dem sich eine Instandsetzung anbietet) dazu führen, dass die Instandsetzung „drängt“. Hier bietet sich die folgende Gestaltungsalternative auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH an.
Aufwendungen, die der Steuerpflichtige vor der Anschaffung des Grundstücks tätigt, sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen steuerlich zu berücksichtigen (BFH 28.4.20, IX B 121/19, BFH/NV 20, 870; so auch FG Rheinland‒Pfalz 13.11.29, 2 K 2304/17). Denn die einschränkenden Regularien des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gelten nur für solche Aufwendungen, die „innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung“ vom Steuerpflichtigen getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen fallen hingegen nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Vor diesem Hintergrund kann hier der potenzielle Erwerber steuergestaltend tätig werden.
Insbesondere bei nahen Angehörigen, die sich über die anstehende Grundstücksübertragung einig sind, ist es daher vorstellbar, dass der potenzielle Grundstücksübernehmer bereits vor der Grundstücksübertragung Instandsetzungsarbeiten vorzieht, die bei ihm dann als vorweggenommene Werbungskosten abgezogen werden können, ohne mit den Regularien des anschaffungsnahen Aufwands in Konflikt zu kommen.
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Tochter T erwirbt ein Mehrfamilienhaus (Baujahr 1960, Verkehrswert 1.000.000 EUR) zum 31.12.24 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrem Vater B gegen Auszahlung ihres Bruders C mit 500.000 EUR (davon entfallen 80.000 EUR auf den Grund und Boden). Bereits im September 2024 investiert T im Hinblick auf die anstehende Grundstücksübertragung in die Sanierung des Gebäudes 166.600 EUR (netto 140.000 EUR). |
Lösung: T hat das Mehrfamilienhaus mit einem Verkehrswert von 1.000.000 EUR gegen Auszahlung ihres Bruders mit 500.000 EUR und damit zur Hälfte entgeltlich erworben. Bezogen auf den entgeltlich erworbenen Teil des Grundstücks sind Gebäudekosten in Höhe von 500.000 EUR abzüglich Grund und Boden 80.000 EUR = 420.000 EUR entstanden; davon 15 % ergeben einen Grenzbetrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG in Höhe von 63.000 EUR. Hätte T die Dachsanierung im Jahr 2025 nach der Anschaffung getätigt, müsste sie die auf den entgeltlich erworbenen Teil entfallenden hälftigen Kosten (83.300 EUR) als anschaffungsnahe Herstellungskosten behandeln, da die Nettoaufwendungen (70.000 EUR) den Grenzbetrag von 63.000 EUR überschreiten. Da die Instandsetzung jedoch bereits vor Anschaffung im September 2024 durchgeführt worden ist, kann sie die Aufwendungen in Höhe von 166.600 EUR bereits im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2024 als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus § 21 EStG steuermindernd geltend machen. |