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  • · Fachbeitrag · Erbbaurecht

    Faktoren für die Bemessung des Erbbauzinses

    von RA Dr. Stephan Arens, Koblenz/Bonn

    • 1.Maßgebende Faktoren für die Bemessung des Erbbauzinses können die Art der Bebauung, die Nutzung des Grundstücks und dessen Ertragswert sowie die Finanzierung des Projekts einschließlich der Höhe etwaiger Fördermittel sein. Die Vertragspartner können von diesen Faktoren Abstand nehmen und vereinbaren, dass der Erbbauzins nur bei einer Änderung der „allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse“ oder des Grundstückswerts auf Verlangen eines Vertragspartners vorzunehmen ist, soweit dies nicht unbillig erscheint.
    • 2.Die Nichtgewährung einer Anschlussförderung stellt keine Änderung der „allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse“ dar. Allgemein anerkannter Maßstab dafür ist der Mittelwert der Einkommen der Arbeiter und Angestellten einerseits und der Lebenshaltungskosten beziehungsweise Verbraucherpreise andererseits.

    (KG 2.11.12, 7 U 231/11, n.v., Abruf-Nr. 132725)

     

    Sachverhalt

    Die Rechtsvorgänger der Parteien schlossen 1992 einen Erbbaurechtsvertrag. Mit der Klage wurde vor dem LG erfolglos ein Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses wegen der Nichtgewährung der Anschlussförderung für den auf dem Erbbaugrundstück vertragsgemäß errichteten Wohnungsbau geltend gemacht. Die Berufung der Klägerin K ist ohne Erfolg geblieben.

     

    Entscheidungsgründe

    K hat keinen Anspruch auf eine Anpassung des Erbbauzinses. Die für die Bemessung des Zinses maßgeblichen Faktoren wurden im notariellen Vertrag bestimmt. Die Parteien regelten die Voraussetzungen für eine Erhöhung oder Senkung. Die Höhe des Zinses sollte sich nur nach dem Verkehrswert des Grundstücks richten. Da bei Vertragsschluss bekannt war, dass der Erbbauberechtigte auf dem Grundstück öffentlich geförderte Wohnungen mit Tiefgarage errichten musste, lag auch keine Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse oder des Grundstückswerts vor. Die Nichtgewährung der Anschlussförderung stellt keine entsprechende Änderung dar.

     

    K hat auch keinen Anspruch nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) auf eine Senkung des Erbbauzinses. Eine Geschäftsgrundlage kann kein Vertragsbestandteil sein. Laut Vertrag sollte die Frage der Förderung und Anschlussförderung für die Höhe des Erbbauzinses keine Rolle spielen. Die Vereinbarung über die Höhe des Zinses war abschließend. § 313 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. Selbst wenn § 313 Abs. 1 BGB anwendbar wäre, könnte K daraus keine Ansprüche herleiten. Nach den Regelungen/Wertungen des Vertrags sollte K das Finanzierungs- und Rentabilitätsrisiko tragen. Verwirklicht sich ein Risiko, das eine Partei zu tragen hat, führt dies nicht zur Anpassung des Vertrags (BGH NJW 02, 2384).

     

    Die Höhe des Erbbauzinses ist auch nicht aus Gründen der Äquivalenzstörung abzuändern. Zwar gehört bei gegenseitigen Verträgen der Gedanke der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zur objektiven Geschäftsgrundlage. Eine die Unzumutbarkeitsgrenze überschreitende Äquivalenzstörung, die zu einer Anpassung führen würde, liegt aber nicht vor. Der Erbbauzins bestimmt sich vertragsgemäß nach dem Verkehrswert von Grund und Boden. Eine Abhängigkeit von der Höhe und Dauer der Förderung ergibt sich aus dem Vertrag ebenso wenig wie eine Verknüpfung der Förderung mit der vorgegebenen Nutzung des Erbbaugrundstücks zu Wohnzwecken.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil zeigt, dass bei der Vertragsgestaltung besondere Sorgfalt hinsichtlich der Formulierung der Vertragsanpassungsklauseln nötig ist. Finden sich die genauen Umstände nicht im Vertrag, ist eine Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nahezu ausgeschlossen. Ausnahmsweise wurde eine Anpassung bejaht, wenn

    • das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung so stark gestört ist, dass die Grenze des übernommenen Risikos überschritten und das Interesse einer Partei nicht mehr annähernd gewahrt ist (BGHZ 77, 198),
    • die Lebenshaltungskosten um 150 Prozent gestiegen sind und eine Entwertung von 60 Prozent eingetreten ist (Erbbauzins, BGHZ 111, 214),
    • ein langfristiger Mietvertrag vorliegt (Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 313 BGB Rn. 27).

     

    Neben einer individuellen Anpassung sollte daher ein „Inflationsschutz“ im Wege einer Wertsicherungsklausel vertraglich geregelt werden. Eine Vertragsanpassung wegen einer Geldentwertung wird nämlich grundsätzlich in der Rechtsprechung verneint (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 313 Rn. 26). Es bietet sich folgende Formulierung an:

     

    Musterformulierung / Vertragsanpassungsklausel

    Die Beteiligten verpflichten sich bei Veränderung des vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden berechneten Verbraucherpreisindexes für Deutschland unter den im Folgenden genannten Bedingungen, den Erbbauzins neu festzusetzen. Diese Verpflichtung tritt ein, wenn sich der auf der Basis von 100 Zahleneinheiten im Jahr 2005 berechnete Index gegenüber dem Indexstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses um mehr als 10 Prozent erhöht oder ermäßigt und die Voraussetzungen mindestens für einen Zeitraum von drei Monaten ununterbrochen gegeben sind. Zu diesem Zweck finden unverzüglich Verhandlungen statt, sobald ein Beteiligter dies verlangt. Falls keine Einigung der Beteiligten zustande kommt, wird der Erbbauzins verbindlich durch drei Schiedsgutachter festgesetzt.

     

    Für den Fall, dass sich bei der Neufestsetzung des Erbbauzinses ein Betrag ergibt, der höher ist als der im Grundbuch eingetragene Erbbauzins, verpflichtet sich der Erbbauberechtigte, den Differenzbetrag durch Eintragung einer Reallast im Grundbuch dinglich zu sichern. In diesem Fall bewilligt und beantragt der Erbbauberechtigte zu Gunsten des Eigentümers die Eintragung einer Vormerkung nach § 883 BGB am Erbbaurecht zur Sicherung des Anspruchs des Grundstückseigentümers auf Eintragung der Reallast für die sich etwa bei der Neufestsetzung des Erbbauzinses ergebenden Differenzbeträge.

     

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 148 | ID 39846260