04.02.2010 · IWW-Abrufnummer 166196
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern: Urteil vom 21.10.2009 – 2 Sa 204/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor: I. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben, weil das Gericht die Revision nicht zugelassen hat. Gegen die Nichtzulassung der Revision steht der unterlegenen Partei das Recht der Beschwerde zu (Nichtzulassungsbeschwerde). Zuständig zur Entscheidung hierüber ist ausschließ-lich das Bundesarbeitsgericht Hugo-Preuß-Platz 1, 99 084 Erfurt Telefax: 0361 / 26 36 - 20 00. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des vorliegenden Urteils beim Bundesarbeitsgericht eingegangen sein. Die Beschwerde muss das vorliegende Urteil nach Gericht, Aktenzeichen und Entscheidungsdatum bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass hiergegen Beschwerde eingelegt werde. Es soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des vorliegenden Urteils beigefügt werden. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist sodann innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des vorliegenden Urteils zu begründen. Die Begründung muss nach § 72a Absatz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) enthalten: 1. die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheb- lichkeit, 2. die Bezeichnung der Entscheidung, von der das vorliegende Urteil abweicht, oder 3. die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheb- lichkeit der Verletzung. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann nur von einer Person eingelegt werden, die nach § 11 Absatz 4 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) vor dem Bundesarbeitsgericht als Bevollmächtigte der Partei auftreten kann. Dieses Recht steht allen Rechtsanwälten zu. Ist die Partei Mitglied einer Gewerk-schaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern, kann sie sich auch durch diese Organisation vertreten lassen, sofern diese durch Personen handelt, die ihrer Ausbildung nach die Befähigung zum Richteramt besitzen. Statt durch die eigene Gewerkschaft oder Vereinigung von Arbeitgebern kann sich die Partei auch (1) durch andere Verbände mit vergleichbarer Ausrichtung, (2) durch Zusammenschlüsse von Gewerkschaften oder Arbeitgebervereinigungen (Spitzenverbänden), denen die eigene Gewerk-schaft oder Vereinigung von Arbeitgebern angehört, sowie (3) durch juristische Personen, die im wirtschaftlichen Eigentum ihrer Gewerkschaft oder Vereinigung von Arbeitgebern oder ihres Spitzenverbandes stehen, wenn diese juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zu-sammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet, vertreten lassen, sofern auch diese durch Personen handeln, die ihrer Ausbildung nach die Befähigung zum Richteramt besitzen. Weitere Hinweise: Das Bundesarbeitsgericht bittet, die Beschwerdeschrift, die Beschwerdebegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Beschwerdeverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten mit einer zusätzlichen Ausfertigung) einzureichen. Das Bundesarbeitsgericht kann auch über das "Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach" (EGVP) erreicht werden. Die näheren Voraussetzungen dieser Form der Rechtsmitteleinlegung sind im Internet unter der Adresse http://www.egvp.de/ beschrieben. Tatbestand: Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung. Hinsichtlich des Sachverhaltes heißt es im Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 05.06.2009 - 1 Ca 227/08 - wie folgt: Der am 17.06.1971 geborene, verheiratete, einem 2-jährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist eingeschriebener Student. Seit März 1998 ist er als Tankwart/Verkäufer in der vom Beklagten übernommenen "Total"-Tankstelle in Stralsund beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 915,35 EUR. Der Beklagte hatte am 15.06.2007 die "Total"-Tankstelle in Stralsund von dem vorherigen Pächter im Rahmen eines Betriebsübergangs übernommen. Der übergebene Pächter, René Jenß, hatte zunächst neben der Stralsunder "Total"-Tankstelle noch eine Tankstelle in Ribnitz-Damgarten betrieben. Diese war bereits zum 01.12.2005 von Frau Birgit Völschow übernommen worden (vgl. "Tankstellen-Änderungsmitteilung", Bl. 228 d. A.). Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Kündigung beschäftigte der Beklagte neben dem Kläger noch drei weitere Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 beschäftigt waren: Petra Kriehn, Martina Schmoz und Ina Bredemann, wobei letztere bereits am 20.10.2007 eine außerordentliche Kündigung erhalten hatte, gegen welche sie sich mittels Kündigungsschutzklage wehrt (Aktenzeichen des Arbeitsgerichts Stralsund 1 Ca 115/07). In Ribnitz-Damgarten arbeiteten zum Kündigungszeitpunkt neben der Pächterin Völschow noch zwei weitere Arbeitnehmerinnen, die schon zum 31.12.2003 beim vorherigen Pächter, René Jenß, beschäftigt waren. Vom 07.02.2008 bis zum 06.04.2008 hatte der Kläger Elternzeit in Anspruch ge-nommen. Nachdem eine Mitarbeiterin des Beklagten Strafantrag wegen Köperverletzung gegen den Kläger infolge einer am 25.07.2007 erfolgten Auseinandersetzung am Arbeits-platz gestellt hatte, wurde dieser von dem Vorwurf mit Urteil des Amtsgerichts Stralsund vom 16.04.2008 (Aktenzeichen 16 Ds 979/07) freigesprochen, da nach der durchgeführten Beweisaufnahme die gesetzliche Unschuldsvermutung nicht widerlegt worden war (Anlage K 4, Bl. 152/153 d. A.). Trotz Anweisung des Beklagten weigerte sich der Kläger zuletzt bei Schichtübergabe, die Geldrollenschublade auszuzählen und den Inhalt zu vermerken und hierfür zu unterzeichnen. Den Defekt an einer Zapfsäule am 28.05.2008 meldete der Kläger nicht. Dieser wurde einen Tag später durch den Beklagten durch ein Hinweisschild an der Zapfsäule beiläufig entdeckt. Unter dem 30.05.2008, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 30.09.2008. Am 31.05.2008 wandte sich der Kläger an den Beklagten. Er schrieb u. a. (Bl. 62/63 d. A.).: "... Bezüglich der Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2008 bitte ich um die Korrektur der Abrechnung im Hinblick auf die noch nicht berücksichtigten Zuschläge für die Sonntags- und Feiertagsarbeit. .... Da meine Frau derzeit nicht berufstätig und ohne jedes Einkommen ist und wir gemeinsam eine Tochter im Alter von einem Jahr zu versorgen haben, bitte ich um eine baldige Korrektur der Abrechnung des Monats Mai 2008. ..." Nachdem das Arbeitsgericht Stralsund durch Versäumnisurteil vom 15.01.2009 die Klage abge-wiesen hatte, hat es in dem vorgenannten Teilurteil das Versäumnisurteil vom 15.01.2009 aufrecht-erhalten hinsichtlich des Antrages aus der Klageschrift vom 19.06.2008. Die Entscheidung über die Kosten hat es dem Schlussurteil vorbehalten. Der Streitwert ist auf 2.746,05 EUR festgesetzt worden. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Die Unwirksamkeit der Kündigung ergebe sich auch nicht aus der vom Kläger behaupteten Missachtung des Mindestgebotes sozialer Rücksichtnahme. Die Kün-digung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsgebot unwirksam. Allein der Umstand, dass gegen den Kläger wegen einer körperlichen Auseinandersetzung mit einer Kollegin Anklage erhoben worden sei, reiche in einem Fall wie dem vorliegenen als subjektive Erwägung für den Ausspruch zumindest einer Verdachtskündigung aus. Auch der Betriebsübergang sei nicht kausal für die Kündigung geworden. Der Kläger könne sich auch nicht auf den besonderen Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG berufen. Der Kündigungsschutz nach § 18 BEEG ende, wenn die Elternzeit beendet sei. Der Kläger habe sich ab dem 06.04.2008 nicht mehr in Elternzeit befunden. Es scheitere der Kündigungsschutz auch an der rechtzeitigen Geltendmachung. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 10.06.2009 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die am 10.07.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem aufgrund eines rechtzeitig eingegangenen Antrages die Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.08.2009 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 22.08.2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Der Kläger ist der Auffassung, er habe sich in Elternzeit befunden. Übe ein Elternteil keine volle Erwerbstätigkeit aus, so sei ohne weitere Prüfung davon auszugehen, dass er sein Kind selbst be-treue und erziehe. Die Teilzeitvereinbarung sei formlos erfolgt. Schriftform sei nicht Voraus-setzung für die wirksame Vereinbarung von Elternteilzeit. Dem Beklagten seien die wesentlichen Umstände für die Elternzeit bekannt gewesen. Der Kläger beantragt, Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Stralsund , 1 Ca 227/08, vom 15.01.2009 in Form des Teil- urteils vom 05.06.2009, d. h. in Bezug auf den Klageantrag vom 19.06.2008, wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 30.05.2008 nicht zum 30.09.2008 beendet worden ist. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Zu den An-griffen der Berufung gilt im Einzelnen Folgendes: 1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Kündigungsschutz nach § 18 BEEG verneint. Es kann auf die Ausführungen Bezug genommen werden. Ergänzend wird ausgeführt: Der Bezug von Elterngeld hat vom 7.2. bis 6.4.2008 angedauert. Ein Kündigungsverbot für die Kündigung vom 30.5.2008 gem. § 18 Abs. 1 BEEG kommt daher nicht in Betracht. Ein Kündigungsverbot gem. § 18 Abs. 2 Ziff. 1 oder 2 würde zunächst voraussetzen, dass der Klä-ger wegen zurzeit der Kündigung sich in einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit bis zu 30 Stunden (vgl. § 15 Abs. 4) befunden hat. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben (S. 2 des Schrift-satzes vom 5.10 2009 (Bl. 474 d. A.) im April 2008 128 Stunden und im Mai 2008 150 Stunden gearbeitet. Daraus ist ein Teilzeitarbeitsverhältnis gem. § 18 Abs. 2 BEEG nicht ableitbar. Weder tatsächlich noch von den Bedingungen des Arbeitsvertrages her ist eine Reduzierung auf 30 Stunden wöchentlich gewollt gewesen. Schwankungen der Arbeitszeit waren üblich und von den Parteien gewollt. So hat der Kläger selbst in der Klageschrift vorgetragen, ein flexibler Einsatz und eine dem Einsatz entsprechende Bezahlung sei von den Parteien bei Vertragsschluss gewollt gewesen. Eine Änderung dieser Vereinbarung ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Der Kläger hat eine derartige Änderung zwar behauptet, trotz Bestreitens des Beklagten aber nicht unter Beweis gestellt. Der Einsatz von 128 Stunden im April ist schon deshalb nicht aussagekräftig, zudem bis zum 6.4. noch Elternzeit bestanden hat. Die Monate nach Ausspruch der Kündigung sind nicht aussagekräftig, da in dieser Zeit der Kläger großteils unstreitig freigestellt war ( Bl. 503 d.A). Die Geltendmachung des Kündigungsschutzes gem. § 18 Abs. 2 BEEG ist darüber hinaus auch verwirkt. Die Kündigung ist am 30.5.2008 ausgesprochen worden. Mit Schriftsatz vom 15.04.2009, also beinahe ein Jahr nach der Kündigung, hat der Kläger sich erstmals auf eine mögliche Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 18 BEEG berufen. Dies ist zu spät. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger studierte und seine Frau im fraglichen Zeitraum nicht berufstätig war, konnte der Beklagte nicht davon ausgehen, eine unterstellte verringerte Arbeitszeit des Klägers hinge mit der Betreuung seines Kindes zusammen. Eine mögliche Unwirksamkeit der Kündigung gem. § 18 BEEG war damit für den Beklagten nicht erkennbar. In derartigen Fallgestaltungen wird allgemein angenommen, dass die elternzeitberechtigte Person sich in analoger Anwendung der Regelungsfrist des § 9 Abs.1 1. Halbs. 2 von 2 Wochen oder unverzüglich darauf berufen muss. Unterlässt der Arbeitnehmer die Mitteilung, verliert er den Kündigungsschutz (vgl. ErfK § 18 BEEG Rn. 9 m. w.N.). 2. Die Unwirksamkeit der Kündigung folgt auch nicht aus einem Verstoß des Beklagten gegen § 242 BGB. Typische Tatbestände einer in diesem Sinne treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein wider-sprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder in ehr-verletzender Form und eine Kündigung die den Arbeitnehmer außerhalb eines besonderen Anwen-dungsbereiches des § 612 a BGB diskriminiert oder auf einer Auswahlentscheidung des Arbeit-gebers beruht, die jede soziale Rücksichtnahme vermissen läßt. Nimmt man allein den zeitlichen Zusammenhang, so könnte man tatsächlich das Schreiben des Kl ägers vom 27.05.2008 als Anlass für die Kündigung sehen mit der Folge, dass diese Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot unwirksam wäre. Der Kläger hat durchaus das Recht, hinsichtlich der Anweisung, den Inhalt der Geldrollenschublade zu prüfen, Einwendungen zu erheben. Der Beklagte hat hierzu jedoch ausführlich und für das Gericht glaubhaft dargelegt, dass er sich im Interesse seiner übrigen Mitarbeiterschaft und im Interesse des Betriebsfriedens von dem Kläger getrennt hat. Der Beklagte konnte sich dabei auch auf den Vorfall mit der Zeugin Wendlandt berufen, obwohl dieser bereits schon längere Zeit zurücklag und der Kläger wegen dieses Sachver-haltes rechtskräftig freigesprochen worden ist. Gleichwohl lassen die Protokolle zu diesem Vorfall B 2 und B 3 (Blatt 58 und 59 d. A.) ein problematisches Licht auf den Kläger fallen. Auch die weiteren Schilderungen unkollegialen Verhaltens des Klägers im April/Mai 2008 in dem Schriftsatz vom 03.09.2008 (Blatt 42 ff. d. A.) sind von einer Farbigkeit, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass sie überhaupt keinen Realitätsbezug haben und lediglich den Zweck haben sollten, eine aus ganz anderen Gründen erfolgte Kündigung zu rechtfertigen. Der Vortrag des Beklagten, die zunehmenden Spannungen mit dem Kläger hätten zur Kündigung geführt, sind für das Gericht nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar. Die besonderen Bedingungen in einem Kleinbetrieb sind gerade der Grund, dass der Arbeitgeber bei Vorliegen von derartigen Spannungen nicht an die Darlegungspflicht wie in einem Arbeits-verhältnis mit Kündigungsschutz gebunden sein soll. Von dieser Erleichterung hat der Beklagte in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG besteht kein Anlass.