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  • · Fachbeitrag · Testamentserrichtung

    Unwirksame Erbeinsetzung wegen Bezugnahme auf nicht die Testamentsform wahrende Anlage

    von RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

    | Der BGH hatte sich mit der Wirksamkeit eines privatschriftlichen Testaments, dem eine nicht handschriftlich verfasste Anlage zur Bestimmung der Erben beigefügt war, zu beschäftigen. Er ist seiner bisherigen Linie treu geblieben und hat der Andeutungstheorie Grenzen gesetzt. |

    Sachverhalt

    Die Beteiligten stritten darüber, ob die Beteiligten zu 1 und 2 Miterben des Erblassers geworden sind. Die Beteiligte zu 3 ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe. Der Erblasser und seine zweite Ehefrau (im Folgenden: Ehefrau) errichteten ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament, das von beiden unterzeichnet wurde. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Weiter heißt es unter anderem:

     

    • Auszug Testament

    Unser gemeinsam erarbeitetes Kapital ist in zwei Ländern angelegt in Deutschland und in Italien mit in etwa gleicher Wertigkeit. Deswegen geben wir einegenaue Anweisung für die Nach/Schlusserben.

     

    Erbteil W. an (…) (die Bet. zu 3) Erbteil P./I. fällt an eine Erbengemeinschaft aus 5 befreundeten Familien, da (…) (die Ehefrau) außer ihrem Ehemann keine Erben hat (…) Namen und Adressen für das Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben.

     

    In einer maschinengeschriebenen „ANLAGE Gemeinschafts-TESTAMENT NAMENSLISTE der ERBENGEMEINSCHAFT“ sind durch Querstriche getrennt fünf Paare, darunter die Beteiligten zu 1 und 2, mit ihren jeweiligen Namen, Adressen und Kontaktdaten aufgeführt, wobei in mehreren Fällen die Namen den jeweiligen Paaren zugeordneter weiterer Personen mit aufgeführt sind. Die Anlage ist handschriftlich auf den 10.3.11 datiert und vom Erblasser und seiner Ehefrau unterschrieben. Nachdem diese verstorben war, errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die Beteiligte zu 3 alsAlleinerbin einsetzte.

     

    Nach dem Tod des Erblassers haben die Beteiligten zu 1 und 2 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erben zu je 1/20 ausweist. Das Nachlassgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde wurde diese Entscheidung aufgehoben.

    Entscheidungsgründe

    Die gegen die Aufhebung zugelassene Rechtsbeschwerde hat der BGH (10.11.21, IV ZB 30/20, Abruf-Nr. 226751) zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht habe zu Recht angenommen, dass die Beteiligten zu 1 und 2 nicht Miterben des Erblassers aufgrund des Testaments geworden sind, da sie in diesem nicht formwirksam zu Erben eingesetzt worden seien. Würden ‒ wie hier ‒ die konkreten Erben in einem eigenhändigen Testament erst durch dieBezugnahme auf eine nicht die Testamentsform (§§ 2247, 2267 BGB) wahrende Anlage und nicht bereits allein durch den Wortlaut des Testaments individualisierbar bestimmt, liege eine wirksame Erbeinsetzung insgesamt nicht vor.

     

    Die in dem eigenhändigen Testament hinsichtlich des „Erbteils P./I.“ getroffene letztwillige Verfügung sei nicht hinreichend bestimmt und damit unvollständig. Denn ihr allein ließen sich die Erben ‒ ohne Rückgriff auf die Anlage ‒ nicht im Einzelnen entnehmen.

     

    Die streitgegenständliche Erbeinsetzung „für das Erbteil Italia“ habe auch nicht dadurch vervollständigt werden können, dass in dem gemeinschaftlichen Testament auf die Namen und Adressen in der maschinengeschriebenen Anlage verwiesen wurde. Die Bezugnahme in einem eigenhändigen Testament auf ein nicht der Testamentsform entsprechendes Schriftstück könne nicht dazu führen, dass die nicht formwirksame Anlage gleichsam zumBestandteil der formgültigen letztwilligen Verfügung werde. Dies folge unmittelbar aus der Formvorschrift des § 2247 BGB.

     

    Zwar könnten, wenn der Wortlaut eines Testaments mehrere Deutungenzulasse, zur Klärung des innerhalb des Wortlauts liegenden Auslegungsspielraums auch außerhalb des Testaments liegende Umstände herangezogen werden, wozu auch nicht der Testamentsform genügende Schriftstücke zählten. Wenn der (mögliche) Wille des Erblassers in dem Testament aber auch nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen sei, sei der unterstellte, aber nicht formgerecht erklärte Wille des Erblassers unbeachtlich (BGH NJW 19, 2317). Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet sei, ermangele der gesetzlich vorgeschriebenen Form und sei daher gem. § 125 S. 1 BGB nichtig (BGH NJW 19, 2317).

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung des BGH präzisiert einmal mehr das Merkmal der Eigenhändigkeit i. S. d. §§ 2247 Abs. 1, 2267 BGB und setzt der Auslegung eines Testaments durch außerhalb der Urkunde liegende Umstände (sog. Andeutungstheorie) Grenzen. Dabei betont der BGH, dass „ein bestimmter Erblasserwille nicht bereits dadurch angedeutet ist, dass dessen Wortlaut überhaupt auslegungsbedürftig ist und sich die generelle Willensrichtung aus dem Wortlaut herleiten lässt“ (BGH NJW 19, 2317). Würde man eine derartige Auslegung zulassen, wäre das Formbedürfnis aus § 2247 Abs. 1 BGB „Makulatur“. Für die Beratungspraxis bedeutet dies, dass bei privatschriftlichen TestamentenAnlagen, die zur Bestimmung der Erben bzw. anderen erbrechtlichen Zwecken (wie z. B. Vermächtnis, Auflage, Rechtswahl nach EuErbVO) dienen und nicht der Form des § 2247 Abs. 1 BGB entsprechen, tunlichst zu vermeiden sind.

     

    PRAXISTIPP | Hätten die Eheleute das gemeinsame Testament in einem offenen oder verschlossenen Umschlag dem Notar nach § 2232 Alt. 2 BGB übergeben, wäre das Testament als öffentliches Testament wirksam gewesen (siehe hierzu EE 22, 61).

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 76 | ID 48110397