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  • · Fachbeitrag · Erbvertrag

    In welchen Fällen sich der Verzicht auf Rechte aus dem Erbvertrag auf Abkömmlinge erstreckt

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | In Erbfällen nach dem 1.1.10 erstreckt sich ein Zuwendungsverzicht auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, und zwar auch, wenn der Verzicht vor diesem Datum vereinbart worden ist. Ergibt sich aus dem Inhalt der Urkunde, dass die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgegangen sind, der Zuwendungsverzicht erstrecke sich nicht auf Abkömmlinge des Verzichtenden, führt eine auf den Inhalt der Urkunde gestützte Auslegung des Willens der Beteiligten i. d. R. dazu, dass die Parteien diese Rechtsfolge wollten. Dies hat das OLG Düsseldorf klargestellt. |

     

    Sachverhalt

    Der Erblasser (E) und seine vorverstorbene Frau (F) haben mit ihren drei Kindern einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie diese ersatzweise deren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Teilen zu je 1/3 Anteil berufen haben. 1995 schenkten E und F dem Sohn S eine Immobilie. Dieser erklärte sich für vollständig abgefunden an den künftigen Nachlässen seiner Eltern und verzichtete auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht und auf die Zuwendungen, die ihm im Erbvertrag ausgesetzt worden waren. Weiter heißt es in dem Schenkungsvertrag: „Der amtierende Notar hat darauf hingewiesen, dass dieser Zuwendungsverzicht nicht gilt für die Abkömmlinge (Beteiligte zu 4 und 5) von ... (S), die im Erbvertrag für ihn als Ersatzerben berufen wurden. Der amtierende Notar empfiehlt deshalb den ... (Eltern des S), den Erbvertrag in der Weise zu ändern, dass ...(S) nicht mehr zum Miterben nach dem Ableben des Längstlebenden ... berufen ist.“ Dies wurde aber nicht umgesetzt.

     

    Die Tochter des E (T1 = Beteiligte zu 1) hat einen Erbschein beantragt, der sie und die weitere Tochter (T2 = Beteiligte zu 2) als Erben zu je 1/2 ausweist. Das Nachlassgericht hat den Erlass dieses Erbscheins abgelehnt. Die Beschwerde blieb erfolglos (OLG Düsseldorf 31.8.16, I-3 Wx 192/15, Abruf-Nr. 192129).

     

     

    Entscheidungsgründe

    Die beiden Töchter des E und die beiden Kinder des S sind Erben des E. Der Erbverzicht des S wirkt nicht für seine Kinder.

     

    Bei Erbfällen nach dem 1.1.10 wirkt ein Zuwendungsverzicht grundsätzlich auch zulasten der Abkömmlinge des Verzichtenden, § 2352 S. 3, § 2349 BGB, auch wenn - wie hier - der Zuwendungsverzicht vor dem 1.1.10 vereinbart worden ist (vgl. Staudinger/Schotten, BGB, 2016, 2352 Rn. 45). Dies gilt allerdings nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, § 2349, HS. 2 BGB. Fehlt im Vertrag über den Zuwendungsverzicht jeglicher Hinweis darauf, dass sich die Wirkung des Verzichts nicht auf die Abkömmlinge erstrecken soll, bleibt regelmäßig für eine anderweitige Auslegung kein Raum (Staudinger/Schotten, a.a.O., Rn. 46).

     

    Vorliegend ergibt sich aber aus dem Inhalt der Urkunde, dass die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss davon ausgegangen sind, dass sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. Der Notar hatte im Schenkungsvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen. In solchen Fällen wird eine auf den Inhalt der Urkunde gestützte Auslegung des Willens der Beteiligten i. d. R. dazu führen, dass die Vertragsparteien diese Rechtsfolge - möglicherweise auch notgedrungen - in ihren Willen aufgenommen haben. Anderenfalls hätten sie den Zuwendungsverzicht nicht vereinbaren dürfen (OLG Schleswig NJW-RR 14, 1356; Keim, Anm. zu OLG Schleswig, ZEV 14, 428 ff.; Staudinger/Schotten, a.a.O.).

     

    Relevanz für die Praxis

    Mit dieser Entscheidung hat sich das OLG Düsseldorf der h.M. angeschlossen. Vorher hatte bereits das OLG Schleswig (ZEV 14, 428) in einem vergleichbaren Fall genauso entschieden. Teilweise wurde aber vertreten, dass allein aufgrund des nach der alten Rechtslage zutreffenden Hinweises des beurkundenden Notars nicht ohne weitere Anzeichen ein zur aktuellen Gesetzeslage entgegenstehender Wille hergeleitet werden könne. Dies gelte insbesondere bei Zuwendungsverzichten gegen Abfindung (DNotI-Report 15, 21).

     

    Aber selbst wenn im Anschluss an diese Meinung die Auffassung vertreten wird, bei den nach alter Rechtslage errichteten Testamenten sei der Wille des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln, wenn die notarielle Urkunde neben dem Zuwendungsverzicht einen Hinweis auf die alte Rechtslage enthält, ändert dies regelmäßig nichts am Ergebnis. Denn ein über die alte Rechtslage hinausgehender (Erstreckungs-)Wille des Verzichts kann der notariellen Urkunde regelmäßig nicht entnommen werden. Gerade wenn die Beteiligten trotz eines unmissverständlichen Hinweises des Notars, der Zuwendungsverzicht gelte für die Abkömmlinge gerade nicht, nicht reagieren, ergibt sich aus der Urkunde letztlich eindeutig, dass der Zuwendungsverzicht sich gerade nicht auf die Abkömmlinge erstreckt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Kanzleiter, MittBayNot 15, 50 mit einer Anmerkung zu OLG Schleswig (ZEV 14, 425)
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 57 | ID 44545462