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  • · Fachbeitrag · Sozialversicherung

    Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte: Eckpunkte-Papier des BMJV

    von RA U.W. Hauskötter, Dortmund

    | Am 13.1.15 hat der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas auf dem Neujahrsempfang des Deutschen Anwaltvereins (DAV) sein Eckpunkte-Papier für die Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälte vorgestellt. Demnach soll es eine berufsrechtliche Regelung für die Tätigkeit von in Unternehmen angestellten Rechtsanwälten geben. |

    1. Anwaltsberuf: Tätigkeit als Syndikusanwalt genügt

    Unter anderem soll genau beschrieben werden, was die Tätigkeit eines Syndikusanwalts ausmacht. Es soll in einer Gesetzesänderung klargestellt werden, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die des Syndikusanwalts beschränken kann. Auch soll sich das prozessuale Vertretungsverbot, also die Vertretung des Arbeitgebers (ArbG) durch den Syndikusanwalt vor Gericht, künftig nur noch auf zivil- und arbeitsrechtliche Verfahren mit Anwaltszwang (LG, OLG, BGH, LAG, BAG) beschränken. Sollte das Eckpunkte-Papier des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in absehbarer Zeit durch Gesetzesänderung umgesetzt werden, wäre zumindest künftig die Tätigkeit eines Syndikus als anwaltliche Tätigkeit gesichert.

    2. Eckpunkte: Hintergrundinformationen und Folgen

    Das Eckpunkte-Papier ist in vollem Wortlaut abrufbar unter iww.de/sl584. Einige Überlegungen ziehen unmittelbar Anschlussfragen nach sich, z.B. wie einzelne Formulierungen zu verstehen sind oder welche Alternativen für eine Gesetzesänderung in Betracht kommen. Wir haben die Eckpunkte (Stand 13.1.15) in der Reihenfolge der 13 Abschnitte für Sie zusammengefasst und erläutert, da die Ausführungen des Eckpunkte-Papiers ohne Hintergrundinformationen nicht problemlos nachvollziehbar sind:

     

    • Eckpunkte Nr. 1 und 2: Das BMJV will erstmals berufsrechtlich eine Regelung für die Tätigkeit angestellter Rechtsanwälte schaffen, die der bestehenden Regelung für Steuerberater in § 58 StBerG inhaltlich ähnelt. Eckpunkt Nr. 2 enthält eine Selbstverständlichkeit, nämlich dass der Rechtsanwaltsberuf auch als Angestellter in einer Anwaltskanzlei, bei einem sozietätsfähigen Berufsangehörigen oder einer Berufsausübungsgemeinschaft ausgeübt werden darf. Dies ist seit Langem alltägliche Praxis und wurde bislang auch nicht weiter problematisiert.

     

    • Eckpunkt Nr. 3 enthält eine der Kernaussagen des gesamten Papiers: Die Doppelberufstheorie soll aufgegeben werden. Auch Syndikusanwälte üben bei ihrer Tätigkeit für einen nicht-anwaltlichen ArbG den Rechtsanwaltsberuf als Angestellte aus und sind anwaltlich tätig. Hier soll der Syndikusanwalt legal definiert werden. Dessen Rechtsberatungsbefugnis beschränkt sich auf die Beratung und Vertretung seines ArbG.

     

    • Eckpunkt Nr. 4 greift eine ursprüngliche Überlegung aus einem Vorschlag des BRAO-Ausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) auf, in dem eine anwaltliche Tätigkeit eines Unternehmensjuristen für seinen ArbG als zulassungspflichtig und mit der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer (Voraussetzung für die Befreiungsmöglichkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung) verbunden definiert wird. Die Anwaltszulassung soll sich also auch ausdrücklich auf die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses für einen nichtanwaltlichen Dienstherren erstrecken. Dies soll kein anderer Beruf als der Rechtsanwaltsberuf mehr sein (Aufgabe der Doppelberufstheorie).

     

    • Eckpunkt Nr. 5 sieht vor, dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Tätigkeit als Syndikusanwalt beschränken kann. Eine ‒ zusätzlich und daneben ausgeübte ‒ Tätigkeit als niedergelassener Rechtsanwalt ist zwar noch zulässig, aber für die Wirksamkeit der Rechtsanwaltszulassung nicht mehr erforderlich (Aufgabe der Doppelberufstheorie).

     

    • Eckpunkt Nr. 6 umschreibt den Bereich der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusanwalts. Umfasst sind davon die Beratung und die Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten des ArbG ‒ mit Ausnahme der unter den Eckpunkten 10 und 11 genannten Bereiche. Ob darunter auch die Beratung von Mitgliedern oder Kunden des Dienstherren fällt, wird nicht deutlich. Wenn die Rechtsberatung von Mitgliedern oder Kunden eine Rechtsangelegenheit auch des ArbG ist, dürfte dies für die Syndici eine zulässige anwaltliche Tätigkeit sein. Die Anwendbarkeit des Gebührenrechts wird ausgeschlossen. Ein für seinen ArbG prozessual als Rechtsanwalt tätiger Syndikusanwalt kann daher im Fall des Obsiegens keinen Kostenerstattungsanspruch für seinen Auftraggeber (den ArbG) stellen im Hinblick auf die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren.

     

    • Eckpunkt Nr. 7 stellt klar, dass ein Syndikusanwalt sowohl im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses als auch außerhalb des Syndikus-Anstellungsverhältnisses nach den allgemeinen Grundsätzen der § 7 Nr. 8 und § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO eine zweitberufliche Tätigkeit ausüben darf, sofern mit der Anwaltszulassung vereinbar. Ein Syndikusanwalt, der in der Rechtsabteilung anwaltliche Tätigkeit ausübt, darf zusätzlich nicht-anwaltliche Managementaufgaben in diesem Unternehmen wahrnehmen. Diese Tätigkeiten gelten dann nicht als anwaltliche Tätigkeit. Zusätzlich dürfte ein Syndikusanwalt auch außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses nicht-anwaltliche Tätigkeiten ausüben, z.B. als Mediator oder als Taxifahrer berufstätig sein.

     

    • Eckpunkt Nr. 8 formuliert eine neue Regel für die in Kanzleien und bei nicht-anwaltlichen ArbG angestellten Rechtsanwälte: Die anwaltliche Unabhängigkeit darf durch das Weisungsrecht des ArbG nicht beeinträchtigt werden. Es wird also ein Vorrang der anwaltlichen Unabhängigkeit vor dem ArbG-Direktionsrecht vorgesehen. Dies dürfte in der Praxis und im Einzelfall nicht einfach zu handhaben sein. Der Begriff der anwaltlichen Unabhängigkeit ist einer der schillerndsten Begriffe im Berufsrecht. Er ist durch die Kasuistik nur in Ansätzen und keinesfalls einheitlich definiert.

     

    • So wäre zu überlegen, wer im Streitfall die Entscheidungsbefugnis haben soll, wenn es zwischen anwaltlicher Unabhängigkeit und Weisungsrecht des ArbG einen Wertungswiderspruch gibt: der ArbG oder der betroffene angestellte Rechtsanwalt? Oder ein drittes, neutrales Gremium?

     

    • Eckpunkt Nr. 9 sieht eine zwingende Vorlage des Anstellungsvertrags mit dem Zulassungsantrag des Syndikusanwalts vor. Bereits im Anstellungsvertrag muss die Gewährleistung der anwaltlichen Unabhängigkeit (Nr. 8) vertraglich gesichert seien. Im Grunde kann die vertragliche Formulierung dazu nicht anders lauten, als das in Eckpunkt Nr. 8 formulierte Postulat. Alternativ könnte versucht werden, im Anstellungsvertrag auch die Gewährleistung der anwaltlichen Unabhängigkeit im Detail und durch konkrete Formulierungen für konkrete Fälle zu beschreiben. Offen bleibt, ob auch die bereits zur Anwaltschaft zugelassenen Syndikusanwälte einen derartigen Anstellungsvertrag bei der Rechtsanwaltskammer nachreichen müssen oder ob hier Vertrauensschutz besteht. Muss die Zulassung erneut beantragt werden nach den neuen Konditionen? Zusätzlich sieht Eckpunkt Nr. 9 vor, dass die Zulassung als Syndikusanwalt im Rechtsanwaltsverzeichnis erfasst wird. Dies wäre in gewisser Weise eine Art von „Sonderzulassung“, da bislang die im Zusammenhang mit der Anwaltszulassung ausgeübte Syndikustätigkeit nicht im bundesweiten Rechtsanwaltsregister erfasst und veröffentlicht wurde. Im Einzelnen werden sich auch zu diesen Überlegungen des BMJV eine Reihe von Fragen zeigen.

     

    • Eckpunkt Nr. 10 enthält eine besonders wichtige Neuerung für das Rechtsverhältnis von Syndikusanwälten. Das bislang durch § 46 S. 1 Nr. 1 BRAO generell ausgeschlossene gerichtliche Vertretungsverbot in Angelegenheiten des Dienstherren soll nach dem Eckpunkte-Papier künftig nur noch für solche zivil- und arbeitsrechtliche Verfahren gelten, für die ein Anwaltszwang besteht (LG, OLG, BGH, LAG und BAG). Die zivil- und arbeitsrechtlichen Verfahren vor dem AG und vor dem ArbG wären dagegen künftig geöffnet für eine anwaltliche prozessuale Vertretung des Dienstherren durch seinen Syndikusanwalt. Dass dies ein kritischer Punkt der Eckpunkte ist, belegt bereits die ausführliche Begründung im Papier. Hingewiesen wird darauf, dass insbesondere die faktische Lage in zivil- und arbeitsrechtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang es schon heute erlaubt, dass sich eine Streitpartei in einem Gerichtsverfahren durch einen Angestellten als Parteivertreter vertreten lassen kann. Neu ist dagegen, dass die prozessuale Vertretung des ArbG durch Anwälte in verwaltungs-, finanz- und sozialgerichtlichen Verfahren zulässig sein soll. Das BMJV argumentiert insoweit damit, dass die für zivil- und arbeitsgerichtliche Verfahren vorgenommene Differenzierung zwischen Verfahren mit und ohne Anwaltszwang hier nicht vorgenommen werden könne. Auch müsse ein Ungleichgewicht aufgehoben werden, da sich Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts bereits heute durch eigene Beschäftigte vertreten lassen können.

     

    • Auf jeden Fall soll das RVG für solche Fälle nicht anwendbar sein, weil es auf die selbstständige Tätigkeit eines niedergelassenen Rechtsanwalts abstellt, die der Syndikusanwalt nicht ausübt.

     

    • Eckpunkt Nr. 11 schränkt die berufsrechtliche Gleichstellung der Syndikusanwälte ein. Für die Verteidigung in Straf- und Bußgeldverfahren, die gegen seine ArbG oder Mitarbeiter des Unternehmens in Unternehmensangelegenheiten geführt werden, soll der Syndikusanwalt ein generelles Vertretungsverbot bekommen, also auch nicht in seiner Funktion als niedergelassener Anwalt vertretend tätig werden können. Dieser Regelungsvorschlag ist relativ eindeutig und wenig erklärungsbedürftig. Auch seine Intention ist gut nachvollziehbar.

     

    • Eckpunkt Nr. 12 statuiert die Geltung der Berufspflichten im Hinblick auf die allgemeinen Regelungen, also die Kernberufspflichten wie Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, Berufshaftpflichtversicherung, Handakten oder Fachanwaltschaftsthemen. Bereichsspezifische Konkretisierungen soll die Satzungsversammlung bei der BRAK durch eine Änderung der BORA vornehmen dürfen. Hier wäre das verfassungsrechtliche Gebot einzuhalten, wonach der Gesetzgeber die wesentlichen Aspekte einer Regelung formulieren muss und dies nicht einer nachgeordneten Körperschaft des öffentlichen Rechts überlassen darf. Insofern sind die Überlegungen zu diesem Eckpunkt noch konkretisierungsbedürftig.

     

    • Auch Eckpunkt Nr. 13 wirft eine interessante Fragestellung auf. Syndikusanwälte sollen im Rahmen ihrer Dienstleistung für den Dienstherren die strafprozessualen Privilegien für Rechtsanwälte nicht wahrnehmen dürfen. Ausgeschlossen werden sollen also das Zeugnisverweigerungsrecht, Beschlagnahmeverbot, Verbot der Wohnraumüberwachung und die Einschränkung von Ermittlungsmaßnahmen nach der StPO. Hier wird dem verfassungsrechtlichen Verbot einer effektiven Strafverfolgung Vorrang eingeräumt vor dem Schutz der Mandanteninteressen oder dem Recht und der Pflicht zur Verschwiegenheit des Syndikusanwalts im Hinblick auf rechtliche Angelegenheiten seines Dienstherren. Schwierig werden dürfte die Abgrenzung zwischen der Berufspflicht zur Verschwiegenheit und der Aussagepflicht in straf- und bußgeldrechtlichen Verfahren. Für niedergelassene Rechtsanwälte ist das mit den strafrechtlichen Sanktionen aus § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und den strafprozessualen Schutzmechanismen in einem geschlossenen System gesichert. Für Syndikusanwälte würde ein Bruch entstehen, sofern es zu straf- oder bußgeldrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt. Dann hätte die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Syndikusanwalts keinen Bestand mehr.

     

    FAZIT | Als Eckpunkte-Papier eines Bundesministeriums ist die Verlautbarung zunächst als politische Absichtserklärung zu werten. Das Papier ist noch keine Vorstufe für einen förmlichen Gesetzesvorschlag. Insoweit ist auch hinnehmbar, dass bei einigen Punkten noch deutlicher Konkretisierungsbedarf besteht. Insgesamt geht das Eckpunkte-Papier in die von den Syndikusanwälten selbst bevorzugte Richtung einer berufsrechtlichen Gleichstellung mit den niedergelassenen Rechtsanwälten. Ob die Eckpunkte des BMJV auch von der gesamten Anwaltschaft Zustimmung erfahren, werden die nächsten Monate zeigen. Der DAV und der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) haben sich in Presseerklärungen bereits grundsätzlich positiv geäußert. Die BRAK dagegen lässt in einer Pressemitteilung deutliche Vorbehalte erkennen.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 25 | ID 43172269