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  • · Fachbeitrag · Gebührenbestimmung

    Erstberatung eines Verbrauchers: Reines Zeithonorar ist unbillig

    von RA Detlef Burhoff, RiOLD a.D., Münster/Augsburg

    Die anwaltliche Gebührenbestimmung für Vergütungsansprüche einer Erstberatung gegenüber einem Verbraucher entspricht nicht der Billigkeit, wenn sie rein zeitabhängig und ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolgt (AG Stuttgart 20.3.14, 1 C 4057/12, Abruf-Nr. 141670).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte hatte Probleme mit einer Fluggesellschaft, weil sie an diese 331 EUR zusätzlich für einen Rückflug zahlen musste. Per E-Mail hat sie deshalb Kontakt zum Kläger, einem Rechtsanwalt, aufgenommen und diesen um Rat gefragt. Die Beklagte hat den Kläger gebeten, vorab mitzuteilen, ob eine Auskunft Gebühren auslöse, gegebenenfalls in welcher Höhe. Der Kläger nahm telefonisch Kontakt zur Beklagten auf. Der genaue Inhalt dieses Gesprächs ist streitig. Jedenfalls forderte der Kläger die Beklagte auf, weitere Unterlagen hereinzureichen. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Nachdem sie einige Tage später nachfragte, ob der Kläger bereits etwas für sie habe erreichen können, hat dieser mit E-Mail vom gleichen Tag geantwortet. In dieser E-Mail hat er der Beklagten eine Vergütungsvereinbarung über 249 EUR (brutto, einschließlich Auslagenpauschale) nebst Vollmachtserklärung übersandt. Mit E-Mail vom gleichen Tag hatte die Beklagte geantwortet und mitgeteilt, die Sache nicht weiter verfolgen zu wollen. Der Kläger hat der Beklagten für seine Tätigkeit 249 EUR brutto, einschließlich Auslagenpauschale in Rechnung gestellt. Auf diese Rechnung hat die Beklagte 29,45 EUR bezahlt. Der Kläger nimmt die Beklagte auf den Rest in Anspruch. Seine Klage hatte nur geringen Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das AG ist davon ausgegangen, dass der Kläger für die Erstberatung der Beklagten nur 48,20 EUR beanspruchen kann. Die Beklagte ist danach unter Berücksichtigung der Teilzahlung von 29,45 EUR noch zu einer Zahlung von 18,75 EUR verurteilt worden. Für die gegenüber der Beklagten als einem Verbraucher erbrachte Erstberatung kann der Kläger eine Vergütung nur nach Maßgabe der § 34 Abs. 1 S. 3, § 14 RVG in Verbindung mit §§ 612, 315 BGB beanspruchen. Soweit der Kläger eine Gebührenbestimmung in Höhe von 249 EUR vorgenommen hat, liegt darin keine billige Ermessensausübung.

     

    Die gerichtlich bestimmte Gebühr in Höhe von 48,20 EUR tritt an die Stelle der unbilligen Gebührenbestimmung. Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Gebühr ist der Umstand, dass der Gesetzgeber den Gebührentatbestand Nr. 2100 VV RVG a.F. in der bis zum 30.6.06 geltenden Fassung beseitigt und es dem Rechtsanwalt überlassen hat, die angemessene Gebühr zu bestimmen. Ein schlichter Rückgriff auf den durch den Gesetzgeber abgeschafften Gebührentatbestand Nr. 2100 VV RVG a.F. wäre schwerlich mit dem Gesetzgebungswillen vereinbar und erscheint nicht angezeigt.

     

    Ebenso wenig entspricht es aber im Rahmen der Bestimmung der gegenüber einem Verbraucher angemessenen Gebühr der Billigkeit, schlicht ein Zeithonorar von 150 EUR pro Stunde als angemessen anzusehen, auch wenn dies der übliche Stundensatz für die Vergütung eines Rechtsanwalts sein mag. Denn dies lässt außer Betracht, dass gemäß § 14 RVG ein maßgebendes Bewertungskriterium die Bedeutung der Angelegenheit und damit auch der Gegenstandswert ist. Dieser ist zwar regelmäßig im Rahmen der Gebührenbestimmung gemäß § 14 RVG nicht gesondert zu berücksichtigen, da er bereits über die Verknüpfung mit den Wertgebühren in die abzurechnende Gebührenhöhe einfließt. Da dies in den Fällen der vorliegenden Art im Ausgangspunkt jedoch gerade nicht der Fall ist, kommt dem Gegenstandswert eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr zu. Die angemessene Gebühr ist daher in Anlehnung an den Gebührentatbestand der Nr. 2100 VV RVG a.F. zu bestimmen.

     

    Eine Überschreitung der sich hieraus ergebenden Mittelgebühr (0,75) ist im vorliegenden Fall nicht angezeigt. Zwar ist dem Kläger nicht abzusprechen, dass zur sachgerechten Bearbeitung der streitgegenständlichen Angelegenheit Spezialkenntnisse im Bereich der Fluggastrechte erforderlich waren. Dieser Umstand wird jedoch dadurch aufgewogen, dass es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt. Die angemessene Gebühr beträgt demnach 48,20 EUR (0,75 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 331 EUR, zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer).

     

    Praxishinweis

    Die Frage, nach welchen Kriterien die Gebührenbestimmung für eine anwaltliche Erstberatung gegenüber einem Verbraucher im Einzelnen erfolgen muss, ist - soweit ersichtlich - bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur hinreichend geklärt (ebenso Mayer/Kroiß-Teubel/Winkler, RVG, 6. Aufl., § 34 Rn. 107; Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 21. Aufl., § 34 Rn. 47). Ob es allerdings der richtige Weg ist, für die Bestimmung der Gebühr Nr. 2100 VV RVG n.F. (Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels) heranzuziehen, ist zweifelhaft. Denn in § 34 Abs. 1 S. 3 RVG wird ausdrücklich auf § 14 Abs. 1 RVG verwiesen, sodass dessen Kriterien gegeneinander abgewogen werden können. Insoweit kann, was zutreffend vom AG gesehen wird, nicht allein auf den zeitlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit abgestellt werden. Andererseits kann auch nicht entscheidend auf Nr. 2100 VV RVG n.F. abgestellt werden, wie es das AG tut. Dann bekäme der Streitwert bei der Gebührenbestimmung, wie sich anschaulich zeigt, ein zu starkes Gewicht.

     

    Weiterführende Hinweise

    • AK 14, 70 und 81 zu der Gebührenforderung im Mahnverfahren
    • RVG prof. 14, 66 und 82 zur Gebührenbestimmung für die Rahmengebühr
    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 94 | ID 42709717