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  • · Verbraucherschutz

    Amtspflichten des beurkundenden Notars bei privaten Grundstücksversteigerungen

    Bild: ©REDPIXEL - stock.adobe.com

    von RAin Wiebke Först, FAin Miet- und WEG-Recht, Dr. Hüsch & Partner, Neuss

    | Je mehr Leistungen im Wege der „Versteigerung“ angeboten werden, desto mehr Verträge müssen auf ihre „Internettauglichkeit“ geprüft werden. Der BGH hat der Idee, auch die Immobilienverträge für moderne Ersteigerungsverfahren und Internetplattformen zugänglich zu machen, eine klare Absage erteilt ‒ mit einleuchtender Begründung. |

    1. Ausgangsproblematik

    Bei Versteigerungen im Internet hat sich das Angebot in den letzten Jahren vervielfacht. Es war daher nur eine Frage der Zeit, dass auch der Immobilienmarkt das Internet für sich entdeckt. Wenn auch hier die Schutzvorschriften zugunsten des Mieters ‒ zurzeit ‒ dazu führen, dass Mietangebote nur durch das Internet einer breiten Masse zugänglich gemacht werden können, ist bei dem Verkauf von Immobilien die Versteigerung für den Veräußerer eine durchaus attraktive Möglichkeit, einen hohen Erlös zu erzielen.

     

    Es stellt sich also die Frage, ob der notarielle Kaufvertrag über eine „Versteigerung“ wirksam abgewickelt werden kann. Bedenken ergeben sich vor allem bei Schutz- und Formvorschriften, die an Fristen geknüpft sind und die daher mit der „1,2,3….meins!“-Philosophie nicht in Einklang zu bringen sind. Maßgeblich ist hierbei auch, welche Form der freiwilligen Versteigerung der Veräußerer in Anspruch nehmen will.

     

    • Der Fall des BGH

    In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um die Berechtigung des Notars, Grundstückskaufverträgen im Anschluss an freiwillige Grundstücksversteigerungen bei Verbraucherverträgen zu beurkunden, ohne den Entwurf der Urkunde an die Urkundsbeteiligten zuzuleiten und ohne die Regelfrist gemäß § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG einzuhalten (BGH 24.11.14, NotSt(Berfg) 3/14, Abruf-Nr. 144726).

     

    Der Kläger ist Notar mit Amtssitz in Dresden. In der Vergangenheit war er regelmäßig von einem Versteigerer mit der Beurkundung von sog. bestätigenden Kaufverträgen nach einem durchgeführten Gebot-Zuschlagsverfahren beauftragt worden. Nach dem Inkrafttreten des durch das „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren“ vom 15.7.13 (BGBl. I S. 2378) geänderten § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG befürchtete er, dass der Beklagte als dienstaufsichtsführende Behörde die Fortführung seiner bisherigen Beurkundungspraxis mit dem Verzicht auf eine zwei Wochen vor dem Beurkundungstermin erfolgende Zuleitung des Urkundenentwurfs an die Urkundsbeteiligten beanstanden würde.

     

    2. Übereilungs- und Überlegungsfrist

    Nach § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG soll bei Verbraucherverträgen der Notar darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, soll dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts vom beurkundenden Notar zur Verfügung gestellt werden. Dies soll im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung erfolgen. Wird diese Frist unterschritten, sollen die Gründe hierfür in der Niederschrift angegeben werden. In diesem Zusammenhang hat der BGH in seinem Urteil eindeutig zur Abdingbarkeit dieser Vorschrift Stellung bezogen. Die zu entscheidende Frage war, ob die zuvor genannten Voraussetzungen „bei der Versteigerung“ von Immobilien verzichtbar sind oder aber, ob bei der Versteigerung ein entsprechender Grund zur Unterschreitung der Frist gegeben ist.

     

    • Das Argument des klagenden Notars

    Hauptargument des klagenden Notars war, dass der Rechtsausschuss des deutschen Bundestags in seiner Beschlussempfehlung (BT-Drucksache 17/ 13137 S. 4) ausgeführt habe, bei „freiwilligen Grundstücksversteigerungen“ liege eine begründete Ausnahme von § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG vor. Mit dieser „freiwilligen Grundstücksversteigerung“ könnte nicht nur die Beurkundung von Zuschlägen nach § 156 BGB gemeint gewesen sein, vielmehr hätten auch Beurkundungen bei abbedungenem § 156 BGB erfasst werden sollen.

     

    3. Versteigerung durch Zuschlag

    § 156 BGB enthält eine Sonderregelung, wonach der Vertrag in einer Versteigerung erst durch den Zuschlag zustande kommt. Mit dieser Regelung hat sich der historische Gesetzgeber dafür entschieden, dass die Veranstaltung einer Versteigerung zunächst nur eine Einladung an die Bieter darstellt ein Vertragsangebot zu machen (invitatio ad offerendum). Dieses kann dann durch den Zuschlag angenommen werden. Kern der Regelung ist somit die Festlegung des Zeitpunkts, ab dem die vertragliche Bindung (frühestens) beginnt.

     

    Unabhängig von dieser zeitlichen Komponente sind jedoch auch bei dem Versteigerungsverfahren die Voraussetzungen des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen. Das heißt: Auch hier muss der Vertrag, um materiell-rechtlich wirksam zu sein, notariell beurkundet sein. Ist dies nicht gegeben, sind die Parteien nicht an die entsprechenden Erklärungen gebunden und der Meistbietende könnte im Nachhinein wieder vom Erwerb ohne rechtliche Sanktion Abstand nehmen. Das Modell „Versteigerung“ wäre nicht möglich. Dem Veräußerer könnte nur damit geholfen werden, wenn ‒ wie in der Entscheidung des BGH von Klägerseite vorgetragen ‒ diese Voraussetzungen entbehrlich sind.

     

    Dieser Auffassung schließt sich der BGH jedoch nicht an. § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG bezwecke einen Übereilungs- und Überlegungsschutz des Verbrauchers, die Einhaltung dieser Frist steht damit nicht zur Disposition der Urkundsbeteiligten (BGH 7.2.13, III ZR 121/12). Der Schutzzweck sei so weitreichend, dass der Notar, falls die Regelfrist von zwei Wochen nicht eingehalten werde und die Zwecke dieser Wartefrist nicht anderweitig erfüllt werden, die Amtspflicht habe, eine Beurkundung abzulehnen; sogar, wenn diese Beurkundung ausdrücklich von den Urkundsbeteiligten gewünscht wird (BGH a.a.O.).

     

    In Betracht käme daher nur eine der zugelassenen Ausnahmen. Ein Abweichen von der Regelfrist des § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG kommt nur in Betracht, wenn im Einzelfall nachvollziehbare Gründe ‒ auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers ‒ es rechtfertigen, die Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Frist ist deshalb ein sachlicher Grund. Der Kläger hatte hier die Möglichkeit ins Feld geführt, ein Muster des später zu beurkundenden Vertrags auf der Homepage des Notars vorzuhalten und individuelle Punkte ‒ wie insbesondere den noch nicht feststehenden Kaufpreis ‒ später dann einzusetzen.

     

    Diese Möglichkeit korrespondiert aber nach Auffassung des BGH nicht mit der Pflicht des Notars, zu überprüfen, ob die Überlegungsfrist tatsächlich eingehalten wurde. Der Notar wird in der Regel nicht nachvollziehen können, wann tatsächlich der spätere Bieter das Vertragsmuster abgerufen hat. Denn die Einstellung des Musters bedeutet nicht tatsächlich, von der Möglichkeit der Kenntnisnahme auch Gebrauch gemacht wurde. Zu befürchten wäre bei einer solchen Beurkundungspraxis auch, dass eine vom Gesetzgeber gewünschte Beratung durch den Notar gerade nicht mehr sichergestellt sei.

    4. Freiwillige Versteigerungsverfahren

    Eine andere Bewertung ergibt sich nach der Auffassung des Senats auch nicht aus der Beschlussempfehlung des Bundestags. Denn zu unterscheiden sind letztlich drei verschiedene Verfahren, das

    • gesetzlich festgelegte und normierte Zwangsversteigerungsverfahren,
    • unter Anwendung des § 156 BGB stattfindende freiwillige Versteigerungsverfahren und
    • freiwillige Versteigerungsverfahren bei dem § 156 BGB ‒ rechtlich zulässig ‒ keine Anwendung findet, da dies von den Parteien ausgeschlossen wird.

     

    In dem Fall des freiwilligen Versteigerungsverfahrens unter Beachtung des § 156 BGB erfüllt der beurkundende Notar seine Beratungs- und Belehrungspflichten bereits während des in seiner Anwesenheit stattfindenden Versteigerungsverfahrens selbst. Denn bei einer freiwilligen Grundstücksversteigerung mit Vertragsschluss nach § 156 S. 1 BGB muss die dementsprechende notarielle Urkunde (auch) von dem Auktionator selbst vorgelesen und von diesem genehmigt und unterschrieben werden (§ 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG).

     

    Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1997 (BGH 24.4.98, V ZR 197/97). Der Notar wird in diesem Verfahren das Zustandekommen eines Vertrags durch Gebot und Zuschlag nach § 156 BGB beurkunden und sich hierbei verfahrensrechtlich an den entsprechenden Vorschriften des Beurkundungsgesetzes orientieren.

     

    Davon zu unterscheiden ist das Versteigerungsverfahren unter Ausschluss von § 156 BGB. Hierbei handelt es sich jedoch letztlich nur um ein vorgeschaltetes Verfahren, um einen höchstmöglichen Kaufpreis zu erzielen. Es werden Angebote abgegeben, danach folgt mit dem Höchstbietenden ein „normaler“ Grundstücksverkauf mit den entsprechenden und gesetzlich vorgegebenen Verbraucherschutzvorschriften.

     

    Vor Abschluss des nachgeschalteten notariellen Kaufvertrags entstehen keine Bindungswirkungen für die Parteien. Der BGH hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass im Sinne des Verbraucherschutzes in dieser Art des Verfahrens eine Wahrung der Warn- und Schutzvorschriften nur durch das Absolvieren des üblichen notariellen Beurkundungsverfahrens möglich ist.

     

    Ergebnis: Eine klare Absage an die Idee, auch die Immobilienverträge für moderne Ersteigerungsverfahren und Internetplattformen zugänglich zu machen.

     

    Quelle: ID 45046583