· Personalkosten
Arbeitgeber übernimmt Berufshaftpflicht, beA & Co. ‒ Ist das Arbeitslohn?

von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage
| Alle Anwälte müssen eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, auch angestellte Anwälte. Wird der Beitrag in diesem Fall, wie so oft, vom Arbeitgeber übernommen, stellt sich die Frage, ob es sich um steuer- und beitragspflichtigen Arbeitslohn handelt. Gleiches gilt für übernommene Beiträge zum beA, zur Rechtsanwaltskammer und zum Anwaltsverein. AK bringt Licht ins Dunkel und beleuchtet die steuerlichen Rahmenbedingungen auf der Ebene des Arbeitgebers und auf der Ebene des angestellten Anwalts. |
Gretchenfrage: Überwiegend eigenbetriebliches Interesse, oder nicht?
Immer wenn ein Arbeitgeber, also die Anwaltskanzlei, Aufwendungen für einen Arbeitnehmer trägt, stellt sich die Frage, inwieweit daraus steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn entsteht. Die Entscheidung hängt davon ab, ob der Kostentragung ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers zugrunde liegt, oder eben nicht. Denn ohne ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers ergibt sich Arbeitslohn ‒ mit diesem hingegen nicht.
Beitrag für die Berufshaftpflichtversicherung
Arbeitgeber übernimmt die Beiträge
Alle Rechtsanwälte sind dazu verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer der Zulassung aufrechtzuerhalten (§ 51 BRAO). Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der Entfernung aus dem Beruf (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO) sanktioniert. Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist damit zwingend erforderlich, um den Beruf als Rechtsanwalt überhaupt ausüben zu können.
Das Besondere ist aber, dass die erforderliche Versicherung personen- und nicht tätigkeitsbezogen ist. Eine Versicherung, welche nur bestimmte anwaltliche Tätigkeiten abdeckt, genügt den Anforderungen nicht. Aus diesem Grund trifft die Versicherungspflicht auch einen angestellten Anwalt, obwohl für angestellte Anwälte gemäß § 278 BGB grundsätzlich der Arbeitgeber haftet. Übernimmt nun der Arbeitgeber für einen angestellten Anwalt die von der Versicherung geforderte Versicherungsprämie, ergibt sich aus dieser Kostenübernahme steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn. Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers liegt nicht vor, weil das Interesse des angestellten Anwalts im Vordergrund steht. Dieser sich ergebende Arbeitslohn ist auch nicht steuerfrei, weil das EStG hierfür keine Steuerbefreiungsnorm enthält (R 19.3 Abs. 3 LStR).
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Rechtsanwalt R ist in einer Sozietät angestellt und hat eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die dafür anfallenden Prämien übernimmt sein Arbeitgeber, die Sozietät.
Lösung: Durch die Kostenübernahme ergibt sich steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn, welcher auf der Lohnabrechnung des Anwalts auszuweisen ist. |
Arbeitgeber schließt die Berufshaftpflichtversicherung selbst ab
Verschafft direkt der Arbeitgeber dem angestellten Anwalt den erforderlichen Versicherungsschutz, kommt es auf die Haftung an. Haftet der angestellte Anwalt im Außenverhältnis für eine Pflichtverletzung gegenüber dem Mandanten, handelt es sich also um einen Scheinsozius, dann führt die Verschaffung des Versicherungsschutzes wie bisher zu steuer- und beitragspflichtigem Arbeitslohn.
Diese Außenhaftung ist in der Praxis aber die absolute Ausnahme. Viel häufiger haftet der angestellte Anwalt im Außenverhältnis nicht für eine anwaltliche Pflichtverletzung und für diese hat nur der Arbeitgeber bzw. die Sozietät einzustehen. Doch auch in dieser Variante kann sich durch die Verschaffung des Versicherungsschutzes Arbeitslohn ergeben. Dies ist konkret immer der Fall, wenn der angestellte Anwalt nicht selbst über eine eigene Versicherung verfügt und sich deshalb durch die Einbeziehung in die Versicherung des Arbeitgebers eigene Aufwendungen für die Pflichtversicherung erspart.
Arbeitslohn ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH (1.10.20, VI R 11/18 und VI R 12/18) sowie des BSG (28.6.22, B 12 R 1/20 R) aber nur insoweit, wie die Versicherungsprämie auf die vorgeschriebene Mindestversicherungssumme entfällt. Das sind gemäß § 51 Abs. 4 BRAO derzeit für den Einzelanwalt 250.000 EUR für jeden Versicherungsfall. Denn schließt der Arbeitgeber eine darüber hinausgehende Versicherung ab, ist diese Höherversicherung nicht durch den angestellten Anwalt, sondern durch ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers infolge der ansonsten drohenden Unterdeckung veranlasst. Zwar ist es Fakt, dass der angestellte Anwalt im Falle von Anwaltstätigkeiten außerhalb des Arbeitsverhältnisses bzw. außerhalb der Sozietät natürlich ebenfalls von der Höherversicherung profitiert. Das ist nach Auffassung der Gerichte aber lediglich ein unbedeutender Nebeneffekt, welcher nicht zum Zufluss von Arbeitslohn führt.
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Rechtsanwalt R ist in einer Sozietät angestellt. Er hat eine eigene Berufshaftpflichtversicherung im Umfang der Mindestversicherungssumme abgeschlossen. Auch über die Sozietät besteht eine Berufshaftpflichtversicherung, in welcher auch der angestellte Anwalt abgesichert wird.
Lösung: Obwohl R über die Sozietät abgesichert wird, fließt ihm kein steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn zu. Denn er hat sich selbst ebenfalls Versicherungsschutz verschafft und damit keine Aufwendungen erspart. |
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Rechtsanwalt R hat keine eigene Versicherung abgeschlossen und die Versicherung der Sozietät deckt nur die erforderliche Mindestversicherungssumme ab.
Lösung: Weil sich R eigene Aufwendungen erspart, führt die Verschaffung des Versicherungsschutzes zu steuer- und beitragspflichtigem Arbeitslohn. Die Höhe ergibt sich, indem die Versicherungsprämie auf alle versicherten Anwälte verteilt wird (Verteilung nach Köpfen). |
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Wie Abwandlung 1, jedoch hat die Sozietät eine über die Mindestversicherungssumme hinausgehende Höherversicherung abgeschlossen.
Lösung: Auch hier ergibt sich für R steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn. Für die Höhe ist zu ermitteln, welcher Anteil an der Versicherungsprämie auf die Mindestversicherungssumme entfällt. Nur dieser Betrag ist nach Köpfen auf die versicherten Anwälte zu verteilen. Die Prämie für die von der Sozietät gewünschte Höherversicherung bleibt unberücksichtigt. |
Beachten Sie | Ergibt sich die Aufteilung der Prämie in Mindestversicherungssumme und Höherversicherung nicht aus der Versicherungspolice, muss die Aufteilung beim Versicherer erfragt werden.
Arbeitslohn auch bei einer Rechtsanwalts-GmbH?
Manche Kanzleien werden in der Rechtsform einer GmbH geführt. Das Besondere dabei ist, dass die GmbH gemäß § 59n BRAO eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abschließen muss. Weil diese Versicherung nur die eigene Berufstätigkeit der Gesellschaft abdeckt, ergibt sich insoweit für die angestellten Rechtsanwälte kein Arbeitslohn. Das liegt daran, dass sich die bei der GmbH angestellten Anwälte weiterhin gemäß § 51 BRAO selbst um Versicherungsschutz kümmern müssen (BFH 19.11.2015, VI R 74/14). Schließt die Rechtsanwalts-GmbH jedoch für die angestellten Anwälte diese gemäß § 51 BRAO erforderliche Versicherung ab bzw. übernimmt sie die geforderten Prämien, gelten die oben beschriebenen Rechtsfolgen und es kann sich Arbeitslohn ergeben.
Beitrag für beA, Rechtsanwaltskammer & Anwaltverein
In der Praxis übernehmen Arbeitgeber für angestellte Anwälte häufig auch die Beiträge zur Rechtsanwaltskammer und zum Anwaltverein sowie die Kosten für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Auch bei dieser Kostenübernahme ergibt sich für den angestellten Anwalt steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn (BFH 1.10.20, VI R 11/18):
- 1. Die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer ist gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1 BRAO für jeden Anwalt verpflichtend. Damit steht die Mitgliedschaft ähnlich wie die Berufshaftpflichtversicherung im eigenen Interesse des Arbeitnehmers, weil die Mitgliedschaft unabdingbar für die Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt ist. Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Kostenübernahme liegt nicht vor.
- 2. Gleiches gilt für die Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft eines angestellten Rechtsanwalts im Anwaltverein, weil auch hier regelmäßig kein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers vorliegt. Ob und inwieweit der angestellte Anwalt als Vereinsmitglied die aus der Mitgliedschaft resultierenden Vorteile tatsächlich in Anspruch nimmt, ist für den BFH unerheblich (BFH 12.2.09, VI R 32/08).
- 3. Auch das besondere elektronische Anwaltspostfach dient der Berufsausübung, weil die Kosten gemäß § 31a BRAO unabhängig von der Anstellung anfallen. Damit liegt die Kostenübernahme auch hier nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse, sodass sich Arbeitslohn ergibt.
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Rechtsanwalt R ist bei einer Sozietät angestellt. Die Sozietät erstattet R die Beiträge für die Rechtsanwaltskammer und dem Anwaltverein sowie die Kosten des beA.
Lösung: Die erstatteten Kosten führen bei R zu einem Zufluss von steuer- und beitragspflichtigem Arbeitslohn. |
Arbeitslohn ja ‒ aber Werbungskostenabzug zulässig
Ergibt sich in den oben genannten Fällen für den angestellten Anwalt steuer- und beitragspflichtiger Arbeitslohn, geht damit naturgemäß eine Belastung einher. Diese ist in der Praxis aber oft nicht von Dauer. Zunächst ist zu beachten, dass bei angestellten Anwälten der Arbeitslohn häufig ohnehin oberhalb der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenzen liegt. Die Grenzen liegen im Jahr 2025 bei der Kranken- und Pflegeversicherung bei 5.512,50 EUR pro Monat (66.150 EUR pro Jahr) und bei der Renten- sowie Arbeitslosenversicherung bei 8.050 EUR pro Monat (96.600 EUR pro Jahr). Das gilt vor allem bei einer Vollzeitbeschäftigung. Wenn die Beitragsbemessungsgrenze bereits überschritten wird, handelt es sich bei dem hinzukommenden Arbeitslohn zwar um beitragspflichtigen Arbeitslohn. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialabgaben fallen infolge der Höchstgrenzen jedoch nicht an.
Und auch das Dilemma mit der Besteuerung lässt sich oft lösen. Wenn der Arbeitgeber Kosten trägt und der angestellte Anwalt diese versteuern muss, handelt es sich effektiv um einen abgekürzten Zahlungsweg. Aus diesem Grund kann der angestellte Anwalt die vom Arbeitgeber steuerpflichtig übernommenen Kosten selbst nach den allgemeinen Grundsätzen des § 9 EStG als Werbungskosten absetzen (R 9.1 Abs. 4 S. 2 LStR). Sollten nun die Werbungskosten des angestellten Anwalts ohnehin den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von derzeit 1.230 EUR übersteigen (§ 9a Nr. 1a EStG), ergibt sich im Ergebnis durch die steuerpflichtige Kostenübernahme ebenfalls keine steuerliche Mehrbelastung. Denn die über den steuerpflichtigen Arbeitslohn einbehaltenen Steuern werden im Rahmen der privaten Einkommensteuerfestsetzung durch den Werbungskostenabzug erstattet. Insoweit, wie die Werbungskosten jedoch unterhalb des Pauschbetrags von 1.230 EUR liegen, ist die Steuerbelastung durch die Besteuerung als Arbeitslohn definitiv.