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  • · Fachbeitrag · Wiedereinsetzung

    Ist der Kurierdienst langsam ... trifft den Anwalt keine Schuld

    | Viele Kanzleien lassen fristgebundene Schriftsätze durch Kuriere zustellen. Der Anwalt muss jedoch zuverlässige Dienstleister beauftragen und diese müssen genug Zeit für die Auslieferung haben. Stellt der Kurierdienst trotzdem verspätet zu, trifft den Anwalt kein Verschulden, sagt das OVG Lüneburg. Er muss den Schriftsatz auch nicht sicherheitshalber zusätzlich faxen. |

     

    Sachverhalt

    Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erhielt am 22.10.18 das Urteil des Verwaltungsgerichts zugestellt. Er beantragte bei Gericht fristwahrend, die Berufung zuzulassen. Sein Schriftsatz ging am 22.11.18 beim Verwaltungsgericht ein. Da der 22.12.18 ein Sonntag war, fiel der letzte Tag der Begründungsfrist auf den 24.12.18. An diesem Tag hätte die Begründungsschrift beim zuständigen OVG eingehen müssen (Zwei-Monats-Frist; § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO).

     

    Der Bevollmächtigte beauftragte am 20.12.18 einen Kurierdienst, die Begründungsschrift an das Gericht zu liefern. Dieser bestätigte den Auftrag und holte den Schriftsatz am 21.12.18 in der Kanzlei ab. Erst auf Hinweis des Gerichts stellte sich heraus, dass der Schriftsatz entgegen den Angaben des Kurierdienstes nicht am 24.12., sondern am 27.12.18 von der Wachtmeisterei des OVG entgegengenommen wurde. Erst dann wurde bekannt, dass der Kurierdienst den Auftrag an einen Subunternehmer vergeben hatte. Dieser hatte erfolglos versucht, den Schriftsatz am 24.12. zuzustellen, tatsächlich ging er allerdings erst am 27.12.18 und damit verfristet bei Gericht ein.

     

    Entscheidungsgründe

    In diesem Fall muss sich der Anwalt kein eigenes Verschulden zurechnen lassen, so das OVG Lüneburg (1.3.19, 7 LA 94/18, Abruf-Nr. 208831).

     

    Dass der Subunternehmer des Kurierdienstes die Postsendung nicht in den leicht erkennbaren Briefkasten des Gerichts einwarf, ist eine Nachlässigkeit, für die die Beklagtenvertreter nicht verantwortlich sind. Der Anwalt hatte hier keine Zustellanweisung gegeben, die Briefsendung ausschließlich einer Gerichtsperson auszuhändigen und keinesfalls in den Briefkasten einzuwerfen.

     

    Im Gegenteil: Mit einer eidesstattlichen Versicherung erklärte der Anwalt, der Kurierdienst sei beauftragt worden, den Schriftsatz ordnungsgemäß und fristwahrend am 24.12.18 zuzustellen, wenn nicht durch Übergabe dann hilfsweise durch Einwurf in den Briefkasten. So sei dies auch bei früheren Aufträgen mit dem Kurierdienst vereinbart worden. Seit über 15 Jahren habe er stets zuverlässig für die Kanzlei deutschlandweit fristgebundene Gerichtspost zugestellt. Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Grund daran zu zweifeln, dass der Kurierdienst nicht zuverlässig ist. Für den Transport vom Ort der Anwaltskanzlei bis zum Gericht in Lüneburg stand dem Kurierdienst ab dem erteilten Auftrag ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung.

     

    Der Anwalt muss den Schriftsatz in solchen Fällen auch nicht vorsorglich vorab per Telefax versenden. Denn erscheint der gewählte Weg der Übermittlung (hier Kurierdienst) als hinreichend sicher, sind zusätzlich flankierende Maßnahmen wie ein Telefaxversand nicht erforderlich (vgl. BVerwG 27.3.17, 4 BN 33.16).

     

    Relevanz für die Praxis

    Arbeitet Ihre Kanzlei mit einem zuverlässigen Kurierdienst zusammen, dürfen Sie stets auf eine fristwahrende Zustellung vertrauen. Allerdings müssen Sie im Falle eines Fristversäumnisses auch glaubhaft machen können, wie Sie den Kurierdienst konkret angewiesen haben, die fristgebundene Post zuzustellen (schriftliche Auftragserteilung). Langjährige Verlässlichkeit oder sonstige Merkmale, die signalisieren, dass für den Anwalt keine Zweifel an der Zuverlässigkeit oder Professionalität des Dienstleisters bestanden, sollten Sie dem Gericht vortragen. Dadurch wird Ihre Argumentation gestärkt.

     

    Außerdem müssen Sie dem Kurier einen ausreichenden Zeitraum verschaffen (hier: dem Gericht genügte eine Zeitspanne vom 21.12. [Freitag] bis zum 24.12. [Montag]).

     

    Sie sind in einem solchen Fall schließlich auch nicht verpflichtet, sich bei Gericht zu erkundigen, ob der Schriftsatz eingegangen ist.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kurierdienste für Anwälte sind praktisch, aber … AK 17, 165
    • Wiedereinsetzung bei verloren gegangener Post, AK 16, 73
    Quelle: Ausgabe 06 / 2019 | Seite 96 | ID 45903056