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  • 16.08.2013

    Landesarbeitsgericht: Urteil vom 18.12.2012 – 8 Sa 1296/12


    Tenor:

    1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 01.06.2012 - Az. 3 Ca 2059/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    2.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung der Beklagten.

    Der 56 Jahre alte, verheiratete Kläger ist seit dem 01.04.2004 bei der Beklagten, die seinerzeit noch unter der Bezeichnung E. Exportverpackung GmbH firmierte, als "Chefsyndikus der Unternehmensgruppe" beschäftigt. Ausweislich des schriftlichen Anstellungsvertrages der Parteien vom 30.04.2003, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 58 der Akte verwiesen wird, umfasste der Tätigkeitsbereich des Klägers insbesondere die Betreuung der Unternehmensgruppe in allen rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Fragen. In § 2 "Arbeitszeit" des Vertrages ist unter Ziffer 3 bestimmt:

    "1. Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich.

    2. Die Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Regelungen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Anordnung des Arbeitgebers Mehrarbeits- und Überstunden sowie Samstags-, Sonntag- und Feiertagsarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang zu leisten.

    3. Herr H. verpflichtet sich, seine ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einzusetzen und auch im Fall der Erforderlichkeit über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus zu arbeiten."

    Bei der Unternehmensgruppe handelt es sich um die dem E.-U.-Konzern angehörigen Firmen, deren Geschäftsgegenstand unter anderem das Anbieten von Dienstleistungen im (Industriegüter-) Verpackungsbereich war. Der Kläger bezog zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von 9.200,00 €. Die Beklagte beschäftigt rund 250 Arbeitnehmer.

    Der damalige Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten, Herr N. X., erteilte dem Kläger unter dem 20.10.2004 gegenüber der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf die Genehmigung, neben seiner Tätigkeit für die Beklagte den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Der Kläger nahm in der Folge, jedenfalls zum Teil gemeinsam mit Herrn X., Geschäftsführungs-, Vorstands- und Aufsichtsratstätigkeiten für die F.-Software-AG, die n. AG, die Q1 Carrier AG, die A. T. maschinen GmbH und die J. Wohnungsbau GmbH wahr; bei diesen Unternehmen handelt es sich nicht um Wettbewerber der Beklagten.

    Daneben fungierte der Kläger zeitweise und ohne weitere Vergütung als Geschäftsführer dreier dem E.-U.-Konzern angehöriger Unternehmen. Unter anderem war der Kläger bis zum 22.11.2011 gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer der E. Süd GmbH (zuvor Deutsche U. Industrie Service GmbH, im Folgenden E.), die am Standort I./Pfalz Versandholzkisten produziert. Das Betriebsgelände wurde von der Firma N. Grundstücks Projekt GmbH angemietet (im Folgenden N., wegen des Inhalts des Mietvertrages vom Oktober 2004 wird auf Blatt 72 ff. der Akte verwiesen) und durch ein auf einem Nachbargrundstück befindliches Heizkraftwerk mit Wärmeenergie versorgt. Dieses Grundstück gehörte der J. Vermietungs- und Handelsgesellschaft GmbH (im Folgenden J.), einer Schwesterfirma der N.. An der J. ist Herr X. gesellschaftsrechtlich beteiligt. Das Heizkraftwerk wurde von Herrn F. G. betrieben, der sich gegenüber der J. zur Belieferung der E. mit Heizdampf verpflichtet hatte und mit einem eigenen Unternehmen als Untermieter am Standort der E. aus deren Produktionsresten Kaminholz herstellte. Wegen des Inhalts des Vertrags zwischen der J. und Herrn G. wird auf Blatt 154 ff. der Akte Bezug genommen. Nachdem die Verträge der J. und der E. gegenüber Herrn G. im Jahre 2007 gekündigt worden waren, mietete die E. am 18.12.2007 das Heizkraftwerk und 5 Holztrockenkammern selbst von der J. an. Wegen des Inhalts des vom Kläger mitunterzeichneten Mietvertrags wird auf Blatt 80 ff. der Akte verwiesen. Mit Wirkung zum 01.04.2008 vermietete die E. 3 Holztrockenkammern an Herrn G. unter, dieser übernahm zugleich den Betrieb des Heizkraftwerks. Den Mietvertrag vom 28.04.2008 nebst Anlagen (Blatt 91 ff. der Akte) unterzeichnete auf Seiten der E. der Kläger alleine. In den Jahren 2008 bis 2011 trug die E. Reparaturkosten in Höhe von mindestens 140.000,00 € für das Heizkraftwerk.

    Ab dem 06.08.2007 fungierte der Kläger weiterhin gemeinsam mit Herrn N. B. als Geschäftsführer der H. Gefahrgutzentrum G. GmbH (im Folgenden H.). Deren Betriebsgebäude waren im Jahre 1995 vom damaligen Betriebsinhaber als Gefahrgutlager geplant und gebaut worden, ohne dass die für die Inbetriebnahme erforderliche Genehmigung nach dem BImSchG vorlag. Im Rahmen eines im Jahre 1998 von der H. eingeleiteten Genehmigungsverfahrens bemängelte die Stadt G. zwar die bauliche Situation der Räumlichkeiten im Hinblick auf den Brandschutz, untersagte in der Folge aber weder den Betrieb des Gefahrgutlagers noch erteilte sie die beantragte Genehmigung. Im Jahre 2009 beauftragte die H. die Firma Dr. I. A. T., Gesellschaft für Anlagen- und Betriebssicherheit mbH (im Folgenden S-GmbH) mit der Erstellung einer Gutachtens zur Genehmigungsfähigkeit und Eignung des Gefahrgutlagers. Bei einem Treffen am 22.01.2010 kritisierte der Vertreter der Stadt G., Herr M., zwar weiterhin fehlende Brandschutzeinrichtungen, stellte aber bei Installierung der bereits im Jahre 1998 geforderten stationären Löschanlage die Genehmigungsfähigkeit des Gefahrgutlagers nicht in Frage. Wegen des Ergebnisses des Gutachtens der S-GmbH vom 22.01.2010 wird auf Blatt 101 ff. der Akte Bezug genommen. Am 24.11.2010 sandte der Betriebsleiter E. der H. eine E-Mail an die Herren B. C., E. I., U. G. und E. I., in der er auf das Fehlen einer behördlichen Genehmigung für das Gefahrgutzentrum und dessen behördliche Duldung hinwies; der E-Mail war das Gutachten der S-GmbH angehängt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob und wie der Kläger gegenüber Herrn A., dem Geschäftsführer der I. M. GmbH als Makler des Vertragsgebäudeversicherers B., den Genehmigungszustand der Räumlichkeiten beschrieb. Die H. stellte am 13.09.2012 einen Insolvenzantrag.

    Am 14.09.2011 wurde Herr N. A. X. als Geschäftsführer der Beklagten und der Deutschen U. GmbH abberufen. Nach einem Gespräch mit dem Kläger am 30.11.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 06.12.2011 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 29.02.2012. Die E. AG als Muttergesellschaft des E.-U.-Konzerns erhob unter dem 27.06.2012 Klage beim Landgericht Frankfurt am Main, mit der sie diverse ehemalige Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer von Gesellschaften konzernangehöriger Unternehmen, darunter den Kläger, Herrn N. A. X., Herrn B. C., Herrn U. G. und Herrn N. B. auf Schadensersatzzahlung in Millionenhöhe in Anspruch nimmt. Wegen des Inhalts der Klageschrift wird auf Blatt 275 ff. der Akte, wegen des Inhalts der Klageerwiderung des Klägers auf Blatt 457 ff. der Akte Bezug genommen.

    Mit der vorliegenden, am 13.12.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses begehrt. Er hat das Fehlen eines (wichtigen) Kündigungsgrundes gerügt.

    Der Kläger hat beantragt,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 06.12.2011 nicht zum 29.02.2012 aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Vertragsbedingungen über den 29.02.2012 hinaus fortbesteht.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, schon die fristlose, jedenfalls aber die fristgerechte Kündigung vom 06.12.2011 seien rechtswirksam, weil es ihr aus Gründen im Verhalten des Klägers nicht mehr möglich sei, mit diesem zusammenzuarbeiten. Hierzu hat sie behauptet: Zum einen habe der Kläger ungenehmigte und nicht einmal bekannte Nebentätigkeiten in diversen Unternehmen außerhalb des E.-U.-Konzerns ausgeübt, obwohl er nach Maßgabe seines Anstellungsvertrages der Beklagten die Zurverfügungstellung seiner gesamten Arbeitskraft schulde. Die massiven Nebentätigkeiten hätten nichts mit einer parallelen Anwaltstätigkeit des Klägers zu tun; abgesehen davon habe die Freistellungserklärung vom 20.10.2004 nur den Zweck gehabt, dem Kläger die Anwaltszulassung zu erhalten. Zum zweiten habe sich der Kläger vorsätzliche und konzernschädigende Unregelmäßigkeiten in seiner Funktion als Geschäftsführer der E. und der H. zuschulden kommen lassen, die das Vertrauen der Beklagten in ihn als Chefsyndikus unwiederbringlich zerstört hätten. So sei die Anmietung des Heizkraftwerks in I. wegen des bestehenden Wärmeversorgungsanspruchs gegenüber der N. generell überflüssig gewesen; zudem weise der Vertrag ein viel zu lange Laufzeit auf. Abgesehen davon liege der vereinbarte Mietzins um 38% über der ortsüblichen Miete. Für die Anmietung der Trockenkammern habe es keinen Bedarf gegeben, diese dienten lediglich als Lager- und Stauraum. Die Verpflichtung, die anfallenden Reparaturkosten für das Kraftwerk übernehmen zu müssen, habe durch eine ordnungsgemäße Prüfung des Bauzustandes vermieden werden können. Finanziell schädlich sei schließlich der Untermietvertrag mit Herrn G., den der Kläger noch dazu im Alleingang ohne Kenntnis des Mitgeschäftsführers B. abgeschlossen habe. Insgesamt hätten die Verantwortlichen des E.-U.-Konzerns von den Vertragskonstruktionen, die letztlich nur der Bereicherung des Herrn X. gedient hätte, weder gewusst noch diese gar gebilligt. Alles sei erst im Rahmen einer anwaltlichen Prüfung am 22./25.11.2011 aufgedeckt worden. In seiner Funktion als Geschäftsführer der H. habe der Kläger es versäumt, das Gutachten der S-GmbH an die B. bzw. Herrn A. weiterzugeben, die bei Kenntnis von dessen Inhalt keinen Versicherungsschutz gewährt hätten. Stattdessen habe der Kläger gegenüber Herrn A. wahrheitswidrig behauptet, es liege eine Duldungsgenehmigung der zuständigen Behörde vor. Im Rahmen einer Befragung vor der Kündigung am 30.11.2011 habe der Kläger sogar behauptet, diese müsse schriftlich vorliegen. Neben diesen Lügen sei dem Kläger vorzuwerfen, dass er durch sein Verhalten die Gesundheit der Mitarbeiter und das Vermögen der H. gefährdet habe. Wegen der Schwere des Fehlverhaltens des Klägers sei eine Abmahnung entbehrlich gewesen und falle die Interessenabwägung zu seinen Lasten aus.

    Dem hat der Kläger entgegen gehalten: Sämtliche Kündigungsgründe seien konstruiert, er werde Opfer einer beabsichtigten Generalbereinigung im E.-U.-Konzern, weil er der Personengruppe um Herrn X. zugerechnet werde. Seine Nebentätigkeiten in verschiedenen Gesellschaften seien bekannt gewesen und stünden im Zusammenhang mit Mandaten aus seiner erlaubten Anwaltstätigkeit. Die Vorwürfe wegen des behaupteten Fehlverhaltens als Geschäftsführer der E. und der H. könnten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aus Rechtsgründen nicht durchschlagen. Abgesehen davon träfen die Vorwürfe auch nicht zu. So sei der Mietvertrag über das Heizkraftwerk I. deshalb abgeschlossen worden, weil seinerzeit wegen der Kündigung des Betreibervertrages zwischen der J. und Herrn G. die dringend erforderliche Wärmeversorgung des Betriebs der E. gefährdet gewesen sei. Die N. sei als Vermieterin des Betriebsgeländes gerade nicht verpflichtet gewesen, die E. mit Heizdampf zu versorgen. Alle Alternativen zum Weiterbetrieb des Heizkraftwerks, nämlich der Anschluss an die öffentliche Versorgung bzw. der Neubau einer Gas- oder Ölheizung hätten deutlich höhere Kosten verursacht. Die Trockenkammern seien für die Herstellung von Exportverpackungen, die über einen besonderen Trockenheitsgrad verfügen müssten, unverzichtbar gewesen. In die Kalkulation aller Kosten, die den Gesellschaftern der Beklagten und Herrn B. bekannt gewesen seien, seien anfallende Renovierungskosten bereits einbezogen worden. Die Untervermietung dreier Trockenkammern an Herrn G., der sich für den Kläger unerwartet auf dem zuvor der J. gehörenden Grundstück niedergelassen habe, sei gleich doppelt vorteilhaft für die E. gewesen. Herr G. habe nicht nur den Betrieb des Heizkraftwerks mit eigenem Personal übernommen und so die E. entlastet, er habe vielmehr auch als Abnehmer der bei der Produktion der Exportverpackungen entstehenden Restholzbestände fungiert, die ansonsten teuer extern hätten entsorgt werden müssen. Diese Umstände seien in die Kalkulation des Mietzinses mit eingeflossen. All das habe Herr B. im Übrigen gewusst, was erkläre, weswegen die Verträge über Jahre beanstandungslos gelebt worden seien. Einen Schaden gebe es nicht. Völlig falsch seien schließlich die Vorwürfe in Bezug auf den Betrieb des H. G.. So sei es der Kläger gewesen, der das Gutachten der S-GmbH erst in Auftrag gegeben habe. Dessen Ergebnisse habe er sodann unverzüglich Herrn A. mitgeteilt, der aber keinen Handlungsbedarf erkannt habe. Der Kläger habe den Sachverhalt in einer Aktennotiz zusammengefasst und diese im November 2011 dem zuständigen Vorstandsmitglied C. zugeleitet. Gegenüber dem seinerzeit für Immobilien verantwortlichen Vorstand Herrn G. habe er sogar mehrfach die Schließung des Gefahrgutzentrums angeregt. Die E. habe dieses nicht einmal nach der Kündigung des Klägers im Dezember 2011 für nötig befunden.

    Mit Urteil vom 01.06.2012 hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung seien wegen Fehlens eines Kündigungsgrundes unwirksam. Mangels Darstellung des Umfangs der Nebentätigkeiten des Klägers sei nicht erkennbar, warum diese nicht genehmigungsfähig gewesen seien. Dass der Kläger nicht auf eine solche Genehmigung hingewirkt habe, sei als einfacher Pflichtenverstoß abmahnfähig gewesen. Das gelte im Ergebnis auch für das gerügte Fehlverhalten des Klägers bei Abschluss der Mietverträge I., bei dem es sich um eine Schlechtleistung gehandelt habe. Die Alleinunterzeichnung des Mietvertrags mit Herrn G. belege nicht hinreichend, dass der Kläger vorsätzlich seine Kompetenzen überschritten habe. Abmahnfähig sei schließlich ein etwaiges Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Brandschutzproblematik im H. G. gewesen. In der Sache seien die Mängel leicht abstellbar und die fehlende Genehmigung zu erwirken gewesen. Der Zustand sei über Jahre unverändert gewesen. Eine Aufklärungspflicht der E. gegenüber der Versicherung B. - durch Vorlage des Gutachtens der S-GmbH - sei nicht zu erkennen, schließlich habe diese den Versicherungsvertrag ja auch ohne Vorzeigen der Betriebsgenehmigung zuvor abgeschlossen. Im äußersten Falle hätte die Beklagte dem Kläger gegenüber eine Änderungskündigung aussprechen können.

    Gegen das ihr am 22.06.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem am 19.07.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.09.2012 - mit einem weiteren, am 24.09.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz auch begründet.

    Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für rechtsfehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe die Dimension des Fehlverhaltens des Klägers ersichtlich unterbewertet. Der Kläger habe aufgrund seiner juristischen Kenntnisse genau gewusst, was er tue; und seine Position zu Lasten seines Arbeitgebers bzw. den sonstigen Unternehmen der E.-U.-Gruppe und zum eigenen Nutzen bzw. demjenigen des Herrn X. missbraucht. So hätte der Kläger niemals eine Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Geschäftsführungs- oder Aufsichtsratstätigkeit in gleich fünf Unternehmen erhalten. Vielmehr stelle die Duldung dieser Nebentätigkeiten offensichtlich eine Gegenleistung für ein Entgegenkommen des Klägers gegenüber Herrn X. an anderer Stelle dar, so dass sich der Kläger auf dessen Kenntnis nicht berufen könne. Allem Anschein nach hätten die Nebentätigkeiten einen erheblichen Zeitaufwand mit sich gebracht; der Kläger sei vor seiner Kündigung praktisch kaum zu erreichen gewesen. Für das Gegenteil habe der Kläger nichts vorgetragen. Die Dreistigkeit seines Vorgehens mache eine Abmahnung entbehrlich. Im Hinblick auf die Mietverträge I. sei dem Kläger Betrug und Untreue und nicht nur eine Schlechtleistung vorzuwerfen. Wegen der juristischen Kenntnisse des Klägers, dessen zumindest teilweise eigenmächtigen Vorgehens und der gleichzeitigen Förderung von Vermögensinteressen des Herrn X. sei von einer vorsätzlichen Schädigung der E. auszugehen. Die Unterzeichnung von Nachträgen zum Mietvertrag mit der Firma N. im Jahre 2009 habe zur bis zum Jahre 2019 währenden Verpflichtung geführt, monatlich einen um 1.750,00 € über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Mietzins zu entrichten. Der eingetretene Schaden insgesamt betrage mehr als 450.000,00 €. Zumindest bestehe ein entsprechender Verdacht, worauf sich die Beklagte wegen der der Kündigung vorangegangenen Anhörung des Klägers am 30.11.2011 kündigungsrechtlich auch berufen könne. Rechtsfehlerhaft sei schließlich die Bewertung des Fehlverhaltens des Klägers als Geschäftsführer der H.. Der Kläger habe jahrelang eine inakzeptable Gefahrenlage geduldet und eine in Anbetracht der Brandschutzmängel weit überhöhte Miete nicht gemindert. Überdies habe er die Herren Dr. C. und A. belogen. Etwa Mitte 2011 habe der Kläger - so die Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 11.12.2012 - sogar behauptet, es läge eine schriftliche Duldungserklärung für das Gefahrgutzentrum vor. Jedenfalls in der Gesamtschau rechtfertigten die Pflichtverletzungen des Klägers eine außerordentliche Kündigung. Da es sich um ein Konzernarbeitsverhältnis gehandelt habe, schade nicht, dass sich diese im Rahmen der Tätigkeit des Klägers für andere Konzerngesellschaften ereignet hätten.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen (Az. 3 Ca 2059/11) vom 01.06.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

    Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter ergänzender Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ihm werde im Ergebnis die unstreitig sehr enge Beziehung zu Herrn X. zum Vorwurf gemacht, was offensichtlich durch eine von der Familie I. als nachteilig empfundene Auseinandersetzung der früheren Mitgesellschafter des E.-U.-Konzerns motiviert sei. Diese Streitigkeiten gingen aber nicht zu Lasten des Klägers, der alle seine Nebentätigkeiten mit Billigung von Herrn X. ausgeübt habe; dies müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Ansonsten seien alle Vorgänge, die dem Kläger nunmehr zur Last gelegt würden, im Konzern bekannt gewesen. So habe der Vorstand der Muttergesellschaft etwa alle Mietverträge für die Immobilie I. im Jahre 2010 angefordert, erhalten und intern auf einem Server abgelegt. In Unternehmensberichten sei die Marktüblichkeit der Mietkonditionen anerkannt worden. Die Gefährdungslage für das Gefahrgutzentrum werde von der Beklagten übertrieben dargestellt. Sämtliche Vorwürfe im Zusammenhang mit Geschäftsführungstätigkeiten in Konzerngesellschaften könnten schon aus Rechtsgründen nicht auf den Arbeitsvertrag der Parteien durchschlagen. Er habe dort lediglich eine entgeltlose "Ausputzerrolle" eingenommen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    A.

    Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nämlich an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), gemäß § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG zulässig sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG) und begründet worden (§§ 520 Abs. 1 bis 3 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

    B.

    Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung, auf die das Gericht gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug nimmt, erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 06.12.2011 noch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung vom selben Tage aufgelöst worden ist. Es liegt weder ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB noch ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG vor. Darauf kann sich der Kläger auch berufen, denn er hat die gemäß §§ 4 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu beachtende dreiwöchige Klagefrist durch Erhebung der vorliegenden Kündigungsschutzklage am siebten Tage nach Ausspruch der Kündigungen unzweifelhaft gewahrt.

    I.

    Die dem Kläger vorgehaltenen ungenehmigten Nebentätigkeiten in den Firmen F.-Software-AG, n. AG, Q1 Carrier AG, A. Stickmaschinen GmbH und J. Wohnungsbau GmbH rechtfertigen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht.

    1.

    Nebentätigkeiten, das heißt solche Tätigkeiten, in der der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses entgeltlich oder unentgeltlich aufgrund eines Dienst-, Werk- oder Arbeitsvertrages dem eigenen Arbeitgeber oder einem Dritten zur Verfügung stellt, bedürfen in der Privatwirtschaft nicht ohne weiteres der Genehmigung des Hauptarbeitgebers. Per se verboten sind lediglich Konkurrenztätigkeiten für einen Wettbewerber des Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung (vgl. § 60 HGB) und solche Arbeiten, die zu einer Vernachlässigung der Arbeitspflichten im Hauptarbeitsverhältnis führen. Darüber hinaus ist der Arbeitnehmer schon aufgrund seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht verpflichtet, dem Hauptarbeitgeber eine Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit dessen berechtigte Interessen hiervon tangiert werden (vgl. hierzu etwa BAG, Urteil vom 18.01.1996 - 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41). Zulässig ist es, durch eine entsprechende Vertragsklausel in einem Formulararbeitsvertrag die Ausübung einer Nebentätigkeit von der Genehmigung des Hauptarbeitgebers abhängig zu machen. Der Hauptarbeitgeber ist dann zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet, wenn die Aufnahme der Nebentätigkeit betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt (BAG, Urteil vom 11.12.2001 - 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965). Holt der Arbeitnehmer eine danach erforderliche Genehmigung nicht ein oder verletzt er durch die Nebentätigkeit auf andere Weise seine Pflichten aus dem Hauptarbeitsverhältnis, kann - gegebenenfalls nach vorhergehender Abmahnung - eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Insbesondere im öffentlichen Dienst, in dem Nebentätigkeiten zusätzlich geeignet sein können, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung eines Beschäftigten zu erschüttern, kommt unter Umständen sogar der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung in Betracht, nämlich wenn es sich um die fortgesetzte und vorsätzliche Ausübung offensichtlich nicht genehmigungsfähiger Nebentätigkeiten in Unkenntnis des Arbeitgebers handelt (BAG, Urteil vom 18.09.2008 - 2 AZR 827/06, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 24, für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ebenso BAG, Urteil vom 19.04.2007 - 2 AZR 180/06, AP Nr. 20 zu § 174 BGB). Wegen der allgemeinen Grundsätze der Prüfung einer außerordentlichen Kündigung am Maßstab des § 626 Abs. 1 BGB und der Erforderlichkeit bzw. Entbehrlichkeit einer kündigungsvorbereitenden Abmahnung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I.1.a. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

    2.

    Nach diesen Grundsätzen stellen die Nebentätigkeiten des Klägers in den besagten Unternehmen gleich aus mehreren Gründen keinen tauglichen Kündigungsgrund dar.

    a.

    Die Kammer vermochte schon nicht zu erkennen, dass der Kläger überhaupt vertraglich verpflichtet war, ungeachtet der Umstände des Einzelfalls jede Nebentätigkeit der Beklagten anzuzeigen bzw. sich diese genehmigen zu lassen. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält keinen ausdrücklichen Genehmigungsvorbehalt, geschweige denn ein generelles Nebentätigkeitsverbot. Derartiges folgt auch nicht aus der in § 2 Nr. 3 des Anstellungsvertrages geregelten Verpflichtung des Klägers, seine ganze Arbeitskraft im Interesse des Arbeitgebers einzusetzen, denn diese Bestimmung ist unwirksam. Da es sich bei der Vertragsklausel nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrem Inhalt um eine AGB handelt (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 01.03.2006 - 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746) und die Beklagte nicht einmal behauptet hat, diese sei zwischen den Parteien ausgehandelt worden, finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung. Dem danach zu beachtenden Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB trägt § 2 Nr. 3 des Anstellungsvertrages nicht hinreichend Rechnung: Es bleibt unklar, wie sich die Bestimmung zu den Regelungen in § 2 Nr. 1 und Nr. 2 verhält. Nach § 2 Nr. 1 beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden. § 2 Nr. 2 verpflichtet den Kläger darüber hinaus zur Ableistung von Überstunden im gesetzlich zulässigen Rahmen (den es nicht einmal gibt, weil das ArbZG gemäß seinem § 18 Abs. 1 Nr. 1 auf den Kläger als leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG keine Anwendung findet, vgl. § 1 Nr. 3 des Anstellungsvertrages). Soll daraus - unter Berücksichtigung auch des zweiten Satzteils von § 2 Nr. 3 - im Rahmen einer Gesamtschau nun zu folgern sein, dass der Anspruch der Beklagten auf Zurverfügungstellung der gesamten Arbeitskraft sich auf den vertraglich zulässigen Arbeitsumfang des Klägers beschränkt? Soll dem Kläger gleich jede Nebentätigkeit verboten sein? Oder soll es so sein, dass der Kläger sich eine Nebentätigkeit genehmigen lassen kann und darauf gegebenenfalls sogar einen Anspruch hat? - Im Ergebnis ist aufgrund der Vertragsgestaltung für den Kläger nicht erkennbar, auf welche Verhaltenspflichten er sich mit dieser Regelung eingelassen hat.

    b.

    Der Kläger handelte auch nicht ohne Genehmigung. Vielmehr hat der bis ins Jahr 2011 amtierende Geschäftsführer X. der Beklagten von den Nebentätigkeiten des Klägers gewusst und diese zumindest konkludent genehmigt, indem er offensichtlich über Jahre gemeinsam mit dem Kläger in vergleichbarer Funktion für die besagten Drittunternehmen tätig war und dessen dortiges Handeln geduldet hat. Eine derart erteilte Genehmigung ist nicht aus Rechtsgründen unbeachtlich und für die Beklagte unverbindlich. Daran ändert die Behauptung der Beklagten nichts, der Kläger habe schließlich gemeinsam mit Herrn X. den E.-Konzern über Jahre geschädigt. Selbst wenn dem so sein sollte, handelte der Kläger bei einer Berufung auf die Nebentätigkeitsgenehmigung des Herrn X. jedenfalls solange nicht rechtsmissbräuchlich, als die Schädigung nicht gerade in der Ausübung der Nebentätigkeiten bestand. Dafür indes hat die Beklagte nichts vorgetragen. Ihre Auffassung, die Erlaubnis der Nebentätigkeiten stelle "offenbar" so etwas wie "eine Belohnung oder Prämie für die zuvor ausgeübten schädigenden Handlungen", wird durch keinerlei Tatsachenvortrag gestützt. Es wird nicht einmal deutlich, ob es überhaupt um eine vorhergehende Schädigung gehen kann, weil sich die Beklagte mit keinem Wort dazu verhalten hat, seit wann und in welchem Zeitraum der Kläger welche der in Rede stehenden Nebentätigkeiten verrichtet haben soll.

    c.

    Unterstellte man zugunsten der Beklagten, dass es eine Genehmigungspflicht für Nebentätigkeiten des Klägers gab und eine Genehmigung nicht vorlag, könnte das Fehlverhalten des Klägers gleichwohl eine Kündigung nicht rechtfertigen. Es wöge nämlich, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht so schwer, dass auf den Ausspruch einer kündigungsvorbereitenden Abmahnung verzichtet werden könnte. Unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vortrags der Parteien musste der Kläger nicht davon ausgehen, die Nebentätigkeiten in den besagten Firmen seien nicht genehmigungsfähig und ihre Erbringung ein so gravierender Pflichtenverstoß, dass ohne weiteres mit einer (fristlosen) Kündigung zu rechnen war. Unstreitig hat der Kläger keinerlei Konkurrenztätigkeiten bei einem Wettbewerber der Beklagten verrichtet. Der Kläger hat auch nicht fortgesetzt, vorsätzlich und in einem solchen Umfang Nebentätigkeiten verrichtet, dass hierdurch seine gegenüber der Beklagten bestehende Arbeitspflicht verletzt worden wäre.

    (1)Die für das Vorliegen der Kündigungsgründe darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) hat nicht vorgetragen, welchen Zeitaufwand die Nebentätigkeiten des Klägers verursacht haben. Sie hat weiterhin nicht - nicht einmal ansatzweise - dargelegt, dass und wann es zu Beeinträchtigungen der Arbeitsleistung des Klägers in qualitativer oder quantitativer Hinsicht gekommen ist, die kausal auf eine Nebentätigkeit des Klägers zurückgeführt werden könnten. Die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2012 erhobene Behauptung des Parteivertreters Dr. C., er habe im Jahre 2011 wiederholt Schwierigkeiten gehabt, den Kläger (telefonisch) zu erreichen, lässt nicht nur jegliche Substanz vermissen, sondern hängt mangels näherem Vortrags zu vorgegebenen Erreichbarkeitspflichten oder Präsenzzeiten des Klägers völlig in der Luft.

    (2)Entgegen der Meinung der Beklagten kann wegen des Umstands, dass der Kläger in vier oder fünf Drittunternehmen leitende Tätigkeiten ausgeführt hat, kein mit der Arbeitspflicht gegenüber der Beklagten unvereinbarer Nebentätigkeitsanfall vermutet werden mit der Folge, dass nunmehr die Darlegungslast auf den Kläger übergegangen wäre. Mag eine solche Vermutung grundsätzlich auch in Betracht kommen, liegen ihre Voraussetzungen hier keinesfalls vor. Das fängt schon damit an, dass unklar bleibt, ob die Nebentätigkeiten überhaupt zeitgleich ausgeübt worden sind, denn die Beklagte hat - wie bereits erwähnt - nicht dargelegt, wann der Kläger für die einzelnen Firmen aktiv geworden ist. Zudem gibt es so etwas wie einen "Norm- oder Mindestzeitumfang" für Geschäftsführungs- und Vorstandstätigkeiten nicht, erst Recht nicht für Aufsichtsratstätigkeiten. Schließlich ist der Kläger im Gegensatz zu anderen Arbeitnehmern eben nicht gehindert, Arbeitsleistungen im Umfang von weit über 40 bzw. 48 Stunden pro Woche zu erbringen, weil das ArbGZG wegen seinem § 18 Abs. 1 Nr. 1 auf die Person des Klägers nicht anwendbar ist. Wenn er will, kann der Kläger auch 70 Stunden in der Woche arbeiten, wahlweise nachts, an Wochenenden oder Feiertagen.

    II.

    Der Kläger hat in seiner Funktion als Geschäftsführer der E. bzw. der H. keine Pflichtverletzungen begangen, die die Beklagte zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien berechtigten. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf einen dahingehenden Verdacht stützen.

    1.

    Einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien steht nicht generell entgegen, dass sich die Beklagte zu ihrer Begründung auf ein behauptetes Fehlverhalten des Klägers beruft, welches zwar nicht zur Schädigung der Beklagten selbst, aber eines anderem dem E.-U.-Konzern angehörenden Unternehmens geführt hat.

    a.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vermag ein erhebliches Fehlverhalten eines Arbeitnehmers gegenüber einem anderen, mit dem Arbeitgeber konzernrechtlich verbundenen Unternehmen dann eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund "an sich" rechtfertigen, wenn das Arbeitsverhältnis durch das Fehlverhalten konkret und erheblich beeinträchtigt wird. Soweit sich das Verhalten des Arbeitnehmers im Verhältnis zu dem anderen Konzernunternehmen zugleich im Arbeitsverhältnis als schwerwiegende Vertragsverletzung darstellt, kann ein die fristlose Kündigung an sich rechtfertigender, verhaltensbedingter Grund in Betracht kommen. Auch kann das Verhalten für die Frage der Eignung des Arbeitnehmers erheblich werden. Es kann sich im Fall grober Verfehlungen dahin auswirken, dass der Arbeitgeber nicht mehr mit einer sachgerechten Arbeitsvertragserfüllung durch den Arbeitnehmer rechnen kann. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers nicht bereits durch die Konzernbindung des Arbeitgebers als solche berührt werden. Begründet der Arbeitnehmer neben dem mit seinem Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnis ein weiteres Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit einem anderen, rechtlich selbständigen Konzernunternehmen, stellen sich Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers in dem anderen Rechtsverhältnis nicht schon aufgrund der Konzernbindung der Unternehmen als Vertragsverletzungen in seinem (Stamm-)Arbeitsverhältnis dar. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn das Tätigwerden des Arbeitnehmers bei verschiedenen Konzernunternehmen, beispielsweise aufgrund entsprechender arbeitsvertraglicher Pflichtenumschreibung, Anrechnungsabreden und dergleichen, in einem Zusammenhang steht. Besteht eine derartige Verknüpfung, hängt es in erster Linie von dem Inhalt der getroffenen Vereinbarungen ab, ob und inwieweit ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers im Verhältnis zu einem mit seinem (Stamm-)Arbeitgeber verbundenen anderen Konzernunternehmen als Arbeitsvertragsverletzung im (Stamm-)Arbeitsverhältnis kündigungsrelevant werden kann (BAG, Urteil vom 27.11.2008 - 2 AZR 193/07, NZA 2009, 671 unter Hinweis auf die Urteile vom 20.09.1984 - 2 AZR 233/83, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 14, vom 17.02.1982 - 7 AZR 663/79; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, S. 152).

    b.

    Danach war der Kläger vorliegend sicherlich arbeitsvertraglich auch gegenüber der Beklagten verpflichtet, bewusste Schädigungen von Unternehmen der E.-U.-Gruppe zu unterlassen. Das Wohl und Wehe von Firmen, deren Betreuung der Arbeitnehmer - wie hier der Kläger - in allen rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Fragen schuldet, steht der Erfüllung des Vertragszwecks der Parteien deutlich näher, als wenn es sich um irgendein beliebiges Drittunternehmen handelte. Andererseits sieht der Anstellungsvertrag vom 30.04.2003 keine Verpflichtung des Klägers vor, gegenüber der Funktion des Chefsyndikus höherwertige Geschäftsführertätigkeiten in anderen Konzernunternehmen (vgl. § 613 Satz 2 BGB) auszuüben, schon gar nicht in solchen, die - worauf der Kläger zurecht hingewiesen hat - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem Konzern nicht einmal angehört haben. Ein "Betreuer" und "Berater" ist etwas anderes als ein "Entscheider", und letzteren trifft ein ungleich höheres Haftungsrisiko als ersten. Wenn der Kläger trotzdem als Geschäftsführer der E. und der H. fungierte, mag darin eine konkludente Änderung und Ausweitung des Tätigkeitsbereichs des ursprünglichen Anstellungsvertrages liegen, unter Umständen auch die Neubegründung eines parallelen zweiten Dienstvertrages, vielleicht aber auch nur eine Gefälligkeit des Klägers gegenüber Herrn X. und den sonstigen Gesellschaftern der Unternehmensgruppe. Näheres hat die Beklagte hierzu nicht vorgetragen. Ohne weiteres kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger in Erfüllung vertraglicher Pflichten gegenüber der Beklagten für die E. und die H. tätig wurde. Das wiederum bedeutet, dass die bloß fahrlässige Verletzung von Geschäftsführerdienstpflichten allenfalls dann auf das Arbeitsverhältnis der Parteien durchschlagen kann, wenn hierin zugleich ein "Betreuungsfehler" zu erkennen ist, der die Eignung des Klägers als Chefsyndikus in Frage zu stellen geeignet ist.

    2.

    Einer Kündigung des Klägers - sei es außerordentlich oder ordentlich verhaltensbedingt - steht nach diesen Grundsätzen entgegen, dass im strafrechtlichen Bereich anzusiedelnde und das Vertrauensverhältnis auch der Parteien massiv beeinträchtigende Pflichtverletzungen des Klägers als Geschäftsführer der E. und/oder der H. bzw. ein dahin gehender Verdacht zwar nicht gänzlich auszuschließen sind, solche von der Beklagten aber nicht zur Überzeugung der Kammer dargelegt sind. Wenn überhaupt, sind dem Kläger Schlechtleistungen und die Verletzung von Sorgfaltspflichten vorzuwerfen, der die Beklagte durch nicht hinreichend untermauerte Vermutungen über ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit Herrn X. zum Schaden der E.-U.-Gruppe ein Gewicht zu verleihen versucht, das sie tatsächlich nicht besitzen.

    a.

    Das gilt insbesondere für die Vorgänge um die Mietverträge für das Werk I./Pfalz der E..

    aa.

    Das Gericht vermag bereits die dem Kläger von der Beklagten insoweit vorgehaltenen Pflichtverletzungen nur begrenzt nachzuvollziehen.

    (1)Die Anmietung des Heizkraftwerks als solchem mit Vertrag vom 18.12.2007 zwischen der E. und der J. begegnet keinen Bedenken. Sie diente der Sicherstellung der Energieversorgung des Betriebsgrundstücks der E. im Industriegebiet in I. nach Kündigung des Vertrags zwischen der J. und Herrn G.. Zur Lieferung von Heizenergie war die N. aufgrund des Mietvertrages von Oktober 2004 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verpflichtet. Abgesehen davon, dass die N. nicht Eigentümerin des Heizkraftwerks war und daher rechtlich die Belieferung mit Heizdampf gar nicht garantieren konnte, findet sich ein entsprechender Passus im Mietvertrag auch nicht. Dort ist in § 5 vielmehr davon die Rede, dass die E. alle Nebenkosten wie die für die "Heizung" selbst zu tragen und direkt zu bezahlen hatte. Wie der Mietvertrag zwischen der J. und Herrn G. nahelegt (§ 3 (1) c)), rechnete Herr G. die der E. zur Verfügung gestellte Energie dann tatsächlich auch auf Basis eines "gesonderten Vertrages" mit dieser ab. Schied Herr G. in der Folge wegen der Kündigung aller mit ihm geschlossenen Verträge als Betreiber des Heizkraftwerks aus, stand die E. rechtlich und vor allem tatsächlich ohne die benötigte Energieversorgung da. Wen sollte der Kläger in dieser Situation in Anspruch nehmen? Wie hätte der Betrieb bis zur juristischen Klärung der Angelegenheit aufrecht erhalten werden sollen? - Nach Auffassung der Kammer befand sich der Kläger in dieser Situation in einer zeitlichen wie finanziellen Zwangslage, für deren "kollusives Heraufbeschwören" durch die Herren X. und G. gemeinsam mit dem Klägers die Beklagte keine stichhaltigen Ansatzpunkte geliefert hat. Der Behauptung des Klägers, die Alternativen der Anbindung an das öffentliche Fernwärmenetz und der Anbau einer Öl- und Gasheizung hätten hohe Bau- und Energieeinkaufskosten zur Folge gehabt, so dass sich die Anmietung des Heizkraftwerks rechnete, ist die Beklagte nicht entgegen getreten.

    (2)Gleiches gilt für die Anmietung der Trockenkammern. Nach dem nicht widerlegten Vortrag des Klägers wurden die Trockenkammern von der E. seinerzeit für die Herstellung von Exportverpackungen aus Holz, die über einen bestimmten Trockenheitsgrad verfügen mussten, betrieblich benötigt. Dies hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten, obwohl ihr nach der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzverfahren die Beibringung qualifizierten Gegenvortrags und dessen Nachweis oblegen hätte und dieser auch möglich gewesen wäre. Dass für die Trockenräume später keine hinreichende Verwendung mehr bestand, schließt die Sinnhaftigkeit ihrer Anmietung Ende 2007 nicht aus. Abgesehen davon hat die Beklagte sich auch nicht dazu verhalten, ob eine Anmietung des Heizkraftwerks ohne die Trockenkammern überhaupt möglich war. Nach Maßgabe des Mietvertrags zwischen der J. und Herrn G. aus dem Jahre 2004 wurde beides als "Sachgesamtheit" vermietet.

    (3)Auch die überteuerte bzw. in den Augen der Beklagten zu langfristige Anmietung von Heizkraftwerk und Trockenkammern kann dem Kläger kündigungsrechtlich nicht angelastet werden. Auf Basis des Vortrags der Beklagten kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger seine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der E. verletzt und zu deren Lasten - gar vorsätzlich - einen Schaden verursacht hat.

    Nach Auffassung der Kammer greift die von der Beklagten angestellte Betrachtung zu kurz, die Miete für das Heizkraftwerk und die Trockenkammern lägen um 38% über dem ortsüblichen Mietzins (Wie ermittelt sich die ortsübliche Miete für eine derartige Einrichtung in der pfälzischen Provinz?) bzw. weit über dem, was Herr G. zuvor an Miete gezahlt habe (Woher sollte der Kläger das wissen?). Zum einen befand sich die Firma E. Ende 2007 wegen der Kündigung des Vertrags der J. mit Herrn G. wie bereits beschrieben in einer Zwangslage, was die künftige Sicherstellung der Energieversorgung anbetraf und die J. in eine starke Verhandlungsposition brachte. Was in der konkreten Situation günstig war, musste der Kläger in erster Linie mit Blick auf die Kosten für die alternativen Energieversorgungswege beurteilen. Was im Übrigen gegenüber der J. wegen des Drückens des Mietzinses möglich war, kann ohne Darstellung des Ablaufs der Verhandlungen nicht beurteilt werden. Zum zweiten stellt die Höhe des Mietzinses nur eine Komponente aus einem ganzen Konglomerat an kostenrelevanten Faktoren und gegenläufigen Synergien dar, die erst in ihrer Gesamtheit ein Urteil erlauben, ob das Vorgehen des Klägers der E. geschadet hat oder nicht. Das gilt - um die Argumentation der Beklagten aufzugreifen - gerade dann, wenn man den Abschluss des Untermietvertrages mit Herrn G. in die Betrachtung mit einbezieht. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen: Durch den Eigenbetrieb des Heizkraftwerks eingesparte Energiekosten der E., vermiedene Kosten durch einen Betriebsstillstand wegen Ausfalls der Energieversorgung, Erlöse aus der Untervermietung an Herrn G., eingesparte Kosten der Holzentsorgung durch die Abnahme des Restholzes durch Herrn G.. An dieser Stelle möchte die Kammer betonen, dass sie dem Kläger keineswegs attestieren möchte, alles richtig gemacht zu haben. Natürlich kann es sein, dass der Kläger die Gegebenheiten nicht richtig geprüft oder Verträge nicht mit dem nötigen Nachdruck verhandelt hat. Nur lässt sich das am Inhalt des Mietvertrags mit der J. alleine nicht festmachen.

    (4)Im Hinblick auf die Untervermietung des Heizkraftwerks und eines Teils der Trockenkammern an Herrn G. sowie die vertragliche Übernahme der Reparaturkosten für das Kraftwerk gelten die oben unter (3) gemachten Ausführungen entsprechend. Die Untervermietung kann sich gerechnet haben, wenn man die ansonsten für den Betrieb durch die E. anfallenden Personalkosten und die eingesparten Holzentsorgungskosten mit berücksichtigt. Dass und welche Reparaturkosten für das Kraftwerk andererseits bei Abschluss des Vertrages abzusehen waren, die auf einen nicht näher beschriebenen "Investitionsrückstau" zurückzuführen waren, schildert die Beklagte nicht. Immerhin fielen die dem Kläger angekreideten 140.000,00 € Reparaturkosten erst Ende 2011 und damit fast vier Jahre nach Weiterbetrieb des Kraftwerks an. Ebenso wenig wird klar, inwieweit der Kläger eine abweichende Vertragsgestaltung zu Lasten der J. hätte durchsetzen können und ob etwaige (niedrigere) Reparaturkosten - wie vom Kläger behauptet - nicht in die Berechnung des Mietzinses bereits "eingepreist" waren.

    (5)Eine Pflichtverletzung hat der Kläger begangen, indem er den Untermietvertrag mit Herrn G. alleine unterzeichnete. Daran ändert nichts, dass er sich auf entsprechende Absprachen mit den Herren G., B. und T. berufen hat, denn der dahin gehende Vortrag (Blatt 7 des Schriftsatzes vom 24.04.2012) ist unsubstantiiert und nicht geeignet, eine entsprechende Widerlegungslast der Beklagten auszulösen. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der Untermietvertrag nicht notwendig zu einer Schädigung der E. geführt hat. Abgesehen davon handelt es sich um eine Pflichtverletzung, die dem Kläger allein deswegen unterlaufen konnte, weil er als Geschäftsführer tätig wurde (vgl. oben 1.b.). In seiner angestammten Funktion als Chefjustitiar besteht keine Wiederholungsgefahr.

    (6)Schließlich lassen die vom Kläger unterzeichneten Modifizierungen der Mietvertragsbedingungen für das Produktionsgrundstücks I. im Jahre 2009 (Erhöhung der Miete auf netto 19.975,64 €/Monat, Verlängerung der Laufzeit bis 2019) ein Fehlverhalten des Klägers nicht erkennen. Wie der Kläger vorgetragen hat, wurde der Monatsmietzins seinerzeit von knapp 18.000,00 € um etwa 2.000,00 € erhöht, weil der Bürotrakt ausgebaut und Investitionen vorgenommen wurden. Dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten des Dr. L. (Anlage B21 zum Schriftsatz vom 11.12.2012) ist zu entnehmen, dass letzteres den Tatsachen entspricht, denn das Bürogebäude wurde seinerzeit um eine Etage aufgestockt und die Bürofläche dadurch verdoppelt. Ein Anlass für die Erhöhung der Miete war also durchaus gegeben. Der Vorwurf, dass hierdurch die E. zur Zahlung einer um 1.750,00 € über dem Marktüblichen liegenden Miete verpflichtet wurde, verfängt gleichfalls nicht. Denn

    (a)beträgt die vermeintliche Überhöhung nicht einmal 10% und ist daher nicht so beschaffen, dass sie einem - auch sorgfältig prüfenden - Geschäftsführer zwingend auffallen musste, zumal das Gutachten von Herrn Dr. L. keine Aussage dazu trifft, ob die Miete nicht schon vor 2009 überhöht war,

    (b)liegen der gutachterlichen Einschätzung für die Angemessenheit des Mietzinses Mittelwerte für den jeweiligen Quadratmeter zugrunde (Bsp: 1,00 € pro qm für eine "großflächige offene Lagerhalle" bei einem Vergleichsbereich von 0,50 € bis 1,50 € pro qm); würde man hier einen Ansatz nur geringfügig oberhalb des Mittelwertes wählen, erschiene die vereinbarte Miete sofort als angemessen und

    (c)berücksichtigt das Gutachten insbesondere die bereits oben behandelte Anmietung des Heizkraftwerks und der Trockenkammern ab dem Jahre 2007 mit, die in die monatliche Mietzinszahlung mit eingeflossen sind. Kann dem Kläger dies aber aus den Erwägungen unter oben (3) nicht vorgehalten werden und rechnete man den auf das Heizkraftwerk und die Trockenkammern entfallenden Mietzins heraus (3.600,00 € netto als laut Gutachter angemessen; 8.000,00 € netto tatsächlich auf Basis des Mietvertrages vom 18.12.2007 - Anlage B7 - gezahlt), bleibt als Ergebnis allein, dass die Anmietung des restlichen Betriebsgeländes durchgehend zu überaus günstigen Konditionen erfolgte.

    bb.

    Um eine nicht belegte Unterstellung handelt es sich bei der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe all die besagten Pflichtverletzung zwecks Schädigung des E.-U.-Konzern und der spiegelbildlichen Bereicherung seiner Person bzw. der des Herrn X. begangen.

    (1)Direkte Anhaltspunkte, wie etwa auf die Begünstigung der N. und der J. als "X.-Unternehmungen" abzielende Absprachen oder dahin gehende Äußerungen der Beteiligten, hat die Beklagte nicht behauptet. Das gilt insbesondere für die Annahme der Beklagten, die E. habe wie von vornherein geplant die Position des Heizkraftwerkbetreibers übernommen, um der J. den Verkauf eines Nachbargrundstücks an den finanziell klammen Herrn G. zu ermöglichen bzw. dieser einen finanziell potenten Mieter für das Kraftwerk zu bescheren. Soweit die Beklagte insoweit ein Gespräch zwischen Herrn G. und Herr T. von der J. von "Ende 2007" anführt, lässt dies keine weitergehenden Schlüsse zu, weil der Mietvertrag des Herrn G. zu diesem Zeitpunkt schon gekündigt war. Zudem belegt der Inhalt der Mietverträge zwischen der N. und der J. einerseits sowie der E. andererseits insgesamt gerade nicht, dass Vertragskonditionen generell so gestaltet wurden, dass die E. zugunsten von "X.-Unternehmungen" "abkassiert" wurde (vgl. oben aa. (6)(c)).

    (2)Aus der Position des Klägers als "Chefjustiziar" folgt ebenfalls nicht, dass dieser in Anbetracht der Fülle seiner vertraglichen Tätigkeiten den Überblick über alles gehabt und jede auftauchende rechtliche und finanzielle Problemstellung immer zutreffend beurteilt haben muss mit der Folge, dass eine (angeblich) nachteilige Vertragsgestaltung bewusst gewählt worden sein muss. Ohne weiteres muss es dabei verbleiben, dass der Kläger auch nur ein Mensch ist, dem im Laufe seiner Tätigkeit Fehler unterlaufen. Das mag dann fahrlässiges Verhalten sein, vorsätzlich oder gar strafbar ist es nicht.

    Schließlich erlaubt sich das Gericht noch den Hinweis darauf, dass alle Vorwürfe gegenüber dem Kläger aus einer Zeit stammen, in der das Verhältnis der Familien X. und I. noch nicht belastet war. Warum der Kläger seinerzeit Anlass gehabt haben sollte, die Rolle des Herrn X. als (mittelbar) auf beiden Seiten eines Vertrages stehender Partei zu hinterfragen, solche Verträge besonders kritisch zu prüfen und im Zweifel gar deren Unterzeichnung abzulehnen, erschließt sich nicht. Konsequenz wäre lediglich gewesen, dass sich der Kläger sich dem berechtigten Vorwurf der Illoyalität gegenüber seinem als Geschäftsführer der Beklagten tätigen Vorgesetzten X. ausgesetzt hätte. Gerade wenn der Kläger die Geschäftsführung der E. auf Basis seines Arbeitsvertrages mit der Beklagten ausübte, hätte Herrn X. den Kläger doch schlicht anweisen können, bestimmte Handlungen für die E. vorzunehmen.

    cc.

    Wegen der Vorgänge um den Betrieb I. der E. kann sich Beklagte auch nicht auf den Verdacht strafbarer Handlungen oder sonstiger schwerwiegender Pflichtverletzungen zu Lasten der E. als eigenständigem Grund für die streitgegenständliche fristlose wie fristgerechte Kündigung berufen. Dem steht schon entgegen, dass nach den obigen Ausführungen kein dringender Tatverdacht zu Lasten des Klägers bestand. Darüber hinaus scheiterte eine Verdachtskündigung tatbestandlich auch daran, dass die Beklagte nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen hat (vgl. zu den Anforderungen an eine Verdachtskündigung zuletzt etwa BAG, Urteil vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137). Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass Herr G. als zentraler Beteiligter (oder auch Herr T. von der Firma J.) zu den Hintergründen der Abschlüsse der Mietverträge befragt worden ist.

    b.

    Für überzogen hält die Kammer weiterhin die Vorwürfe, die die Beklagte gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der H. erhebt.

    (1)Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger durch den Weiterbetrieb des Gefahrgutlagers in Kenntnis des Gutachtens der S-GmbH vom 22.01.2010 eine nennenswerte Gefährdung für die Gesundheit der Betriebsangehörigen oder bedeutende Vermögenswerte der H. in Kauf genommen hat. Das Gefahrgutlager wurde zu diesem Zeitpunkt bereits seit rund 15 Jahren ohne den für die Erteilung einer (ausdrücklichen) Genehmigung nach dem BImSchG erforderlichen Brandschutz betrieben. Der Zustand war nicht nur den vormaligen Betreiber der Räumlichkeiten, sondern insbesondere auch der Stadt G. als Genehmigungsbehörde bekannt. Herr M. als Vertreter der Stadt war zudem in die Erstellung des Gutachtens der S-GmbH eingebunden und erklärte noch am 22.01.2010 (vgl. Zu 3 auf Seite 4 des Gutachtens), es werde - wie gehabt - eine stationäre Löschanlage für das Obergeschoß gefordert, alle anderen Bedenken (zu kleine Rauchwärmeabzugsflächen, Löschwasserversorgung) würden zurückgestellt. Genau darauf will der Kläger im Übrigen mit einer Außerbetriebnahme der oberen Etage reagiert haben (vgl. Blatt 9 des Schriftsatzes vom 24.04.2012). Von einer Fristsetzung der Stadt für die Beseitigung der Mängel oder gar der Androhung einer Stillegungsverfügung im Rahmen der Gefahrenabwehr - die bei einer tatsächlichen Gefahr für Leib und Leben zu erwarten gewesen wäre - war zu keinem Zeitpunkt die Rede. Auch das Gutachten der S-GmbH selbst spricht eine solche Empfehlung nicht aus, sondern regt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Vermieter des Grundstücks, wer die Kosten der Nachrüstung des Brandschutzes zu tragen habe. Eine Überprüfung durch die Stadt G. nach Januar 2010 fand nicht statt. All das muss in den Augen eines Nichtfachmanns auf dem Gebiet des Brandschutzes den Eindruck erzeugen, dass es so dringend nicht gewesen sein kann.

    (2)Der gesamte Vorgang ist von den vor Ort agierenden Personen, nämlich dem Kläger und dem Betriebsleiter E., keinesfalls verheimlicht worden, sondern offen gegenüber den Verantwortlichen und Gesellschaftern der Unternehmensgruppe kommuniziert worden. Spätestens ein Jahr vor der Kündigung musste der Konzernleitung - auch den Herren I. - aufgrund der E-Mail von Herrn E. vom 24.11.2010 die Situation des Gefahrgutlagers und insbesondere die Existenz und der Inhalt des Gutachtens der S-GmbH bekannt sein. Dass Herr E. auf seine ausdrückliche Frage, wie nun mit dem Mietverhältnis weiter zu verfahren sei (Fiel diese Klärung in seinen Verantwortungsbereich und daher vielleicht nicht in denjenigen des Klägers?), irgendeine Antwort bekommen hätte, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Das wiederum lässt aus Sicht der Kammer allein den Schluss zu, dass der Stellenwert von Nachverhandlungen zwecks Reduzierung des Mietzinses kein hoher gewesen sein kann und einschlägige Versäumnisse des Klägers, sofern es sie überhaupt gegeben hat, als einfache Schlechtleistung ohne vorhergehende Abmahnung keinesfalls eine arbeitgeberseitige Kündigung zu rechtfertigen vermögen.

    (3)Es ist auch nicht nachvollziehbar, wodurch der Kläger Herrn C. oder den Versicherungsmakler A. belogen oder bewusst getäuscht haben sollte, und auch nicht, warum er das getan haben sollte.

    (a)Soweit der Kläger gegenüber Herrn A. im Sommer 2011 von einer "Duldungsgenehmigung" für das Gefahrgutlager gesprochen hat (die es im verwaltungsrechtlichen Sinne nicht gibt, allenfalls kommt eine "genehmigungsgleiche Duldung" durch die Aufsichtsbehörden in Betracht, vgl. Blatt 19 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.12.2012), stellt dies nicht mehr als eine aus Sicht des Klägers zutreffende und mindestens vertretbare Würdigung des unter oben (1) skizzierten Sachverhaltes dar. Die Stadt G. hat trotz Kenntnis des Fehlens einer stationären Löschanlage über eineinhalb Jahrzehnte keine weiteren Auflagen für den Betrieb des Gefahrgutlagers gemacht.

    (b)Der weitergehende Vorwurf, der Kläger habe Herrn A. sogar von einer "schriftlich erstellten Duldungserklärung" berichtet, verfängt ebenfalls nicht. Zum einen kann durchaus zutreffen, dass der Kläger bei einer solchen Erklärung die bereits erstinstanzlich als Anlage zum Schriftsatz vom 24.04.2012 vorgelegte Erklärung der Stadt G. vom 22.07.2008 im Hinterkopf gehabt hat, mag diese auch objektiv einen anderen Inhalt besessen haben als eine schriftliche Duldungserklärung". Zum zweiten ist der dahin gehende Vortrag so erstmals mit Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2012 (dort Blatt 19) in den Rechtsstreit eingeführt worden, und damit gemäß § 67 Abs. 4 ArbGG verspätet. Zuvor hatte die Beklagte lediglich von einer "Duldungsgenehmigung" (Blatt 9 des Schriftsatzes vom 10.02.2012, Blatt 13 der Berufungsbegründung vom 24.09.2012) bzw. "Duldungsgenehmigung" und der "Existenz diesbezüglicher Unterlagen der Stadt" (Blatt 10 des Schriftsatzes vom 02.04.2012) gesprochen. Das ist nicht dasselbe. Es macht einen Unterschied, ob eine Aufsichtsbehörde ausdrücklich erklärt, sie werde einen bestimmten rechtswidrigen Zustand tolerieren, oder es Unterlagen gibt, die eine behördliche Duldung - wie hier etwa die Verwaltungsvorgänge seit 1995 - nur nahelegen. Da der Kläger den Vortrag der Beklagten bestritten hat (im Hinblick auf die Äußerungen gegenüber Herrn A. sogar generell, vgl. Blatt 6 seines Schriftsatzes vom 05.03.2012), hätte das Gericht die Behauptung der Beklagte durch die angebotene Vernehmung des Zeugen A. klären müssen, was wiederum erst in einem neuen Termin hätte geschehen können und zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätte.

    (c)Kündigungsrechtlich irrelevant ist weiterhin, dass der Kläger Herrn A. das Gutachten der S-GmbH anlässlich seiner Nachfrage nach dem Bestehen von Versicherungsschutz nicht vorgelegt hat. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass es sich hierbei um ein schuldhaftes Unterlassen und damit eine Pflichtverletzung des Klägers gehandelt hat. Diese ist jedoch im Fahrlässigkeitsbereich anzusiedeln und wiegt nicht schwer, weil sich dem Kläger die Notwendigkeit einer solchen Vorlage nicht aufdrängen musste und erst Recht nicht von einer bewussten Täuschung des Herrn A. die Rede sein kann: Einerseits durfte der Kläger, wie oben ausgeführt, von einer genehmigungsgleichen Duldung der Stadt G. im Hinblick auf die bestehenden Brandschutzmaßnahmen ausgehen; auch Herr A. hat sich ja mit der bloßen Auskunft, es gebe eine solche (schriftliche) Erklärung, zufrieden gegeben, ohne sich weitere Unterlagen vorlegen zu lassen. Anderseits handelte es sich, da das Betriebsgelände ja schon seit 1995 genutzt wurde und die Gebäudeversicherung bei der Firma B. offensichtlich schon bestand (vgl. Blatt 19 des Schriftsatzes der Beklagten vom 11.12.2012: "... fragte der Kläger bei Herrn A. nach, wie die Versicherungssituation sei."), gerade nicht um einen von § 19 VVG geregelten Neuabschluss eines Versicherungsvertrages. Dann aber durfte der Kläger davon ausgehen, dass die die gesamte Zeit über unveränderte Genehmigungslage des Gefahrgutlagers für Herrn A. und die Firma B. entweder nicht von besonderer Relevanz oder diesen grundsätzlich bekannt war. Die Kammer erlaubt sich in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass bei Betrachtung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 VVG die Firma B. wohl kaum darum herum gekommen wäre, der H. im Schadensfalle Versicherungsschutz zu gewähren. Ein Rücktrittsrecht vom Vertrag wäre für den Versicherer nämlich nur dann gegeben gewesen, wenn bereits bei Vertragsschluss nach der Genehmigungssituation des Gefahrgutlagers in Textform gefragt worden ist, die dann bestehende Anzeigepflicht (vom Vorgänger des Klägers als Geschäftsführer) vorsätzlich oder fahrlässig verletzt wurde und der Versicherer in Textform auf die möglichen Folgen dieser Pflichtverletzung - das Rücktrittsrecht nach § 19 Abs. 2 VVG - hingewiesen hatte. Zu all dem hat die Beklagte sich nicht verhalten.

    (d)Nicht nachvollziehbar ist schließlich der Vorwurf, der Kläger habe im Gespräch mit Herrn Dr. C. am 30.11.2011 diesen angelogen und die Gelegenheit versäumt, "reinen Tisch zu machen". Nach den obigen Ausführungen konnte der Kläger vielmehr guten Glaubens davon ausgehen und gegenüber Herrn Dr. C. behaupten, dass eine genehmigungsgleiche Duldung des Gefahrgutlagers gegeben war, Herr A. vom Fehlen einer (ausdrücklichen) Betriebsgenehmigung wusste (eben weil der Zustand nur geduldet wurde) und der Versicherungsschutz durch den Versicherer B. tatsächlich bestand. Abgesehen davon gab es überhaupt keine Veranlassung, "reinen Tisch zu machen", weil die Situation des Gefahrgutlagers zuvor vom Kläger und Herrn E. gegenüber den verantwortlichen Vorständen der E.-U.- Gruppe offen gelegt worden war (oben (2)). Dass diese Informationen vom Vorgänger des Herrn Dr. C. bzw. den Herren I. nicht zur Kenntnis genommen oder nicht an Herrn Dr. C. weitergeleitet wurden, kann dem Kläger nicht angelastet werden.

    Im Ergebnis wiegen etwaige Pflichtverletzungen des Klägers als Geschäftsführer der E. wie auch H., soweit es sie überhaupt gibt, weder schwer noch stellen sie die Eignung des Klägers als Chef-Justitiar der Beklagten grundsätzlich in Frage. Mit dem Arbeitsgericht ist anzunehmen, dass allenfalls eine Abmahnung, nicht aber eine Kündigung des Klägers in Betracht kam. Überdies hat die Kammer den Eindruck gewonnen, dem Kläger würden im Zusammenhang mit der fehlenden Genehmigung des Gefahrgutlagers Versäumnisse vorgehalten, die weit eher Dritten als dem erstmals im Jahre 2009 mit der Situation konfrontierten Kläger anzulasten wären.

    III.

    Die streitgegenständlichen Kündigungen sind schließlich nicht gerechtfertigt, wenn man die zur Begründung herangezogenen Sachverhalte einer Gesamtwürdigung unterzieht.

    Nach der Rechtsprechung des BAG ist dann, wenn einzelne von mehreren Kündigungssachverhalten für sich allein nicht geeignet sind, die Kündigung zu begründen, eine Gesamtbetrachtung anzustellen (etwa Urteil vom 17.06.1998 - 2 AZR 599/97, [...]). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass erst die Kumulation von Kündigungssachverhalten einem Arbeitgeber die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen kann. In die Gesamtwürdigung sind jedenfalls gleichartige, also etwa mehrere verhaltensbedingte Kündigungsgründe einzubeziehen (BAG, Urteil vom 17.06.1998, aaO).

    Nach den obigen Ausführungen lassen sich dem Kläger im Zusammenhang mit der Ausübung von Nebentätigkeiten keine Pflichtverletzung seines Anstellungsvertrages, in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der E. und der H. allenfalls fahrlässige und als solche abmahnfähige Pflichtverletzungen vorwerfen. Letztere gewinnen auch in ihrer Kumulation kündigungsrechtlich kein anderes Gewicht als bei isolierter Betrachtung. Es bleibt bei vereinzelten Schlechtleistungen, die zu keinem nachvollziehbaren Schaden der Beklagten, der E. oder der H. geführt haben.

    C.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Grund für die Zulassung der Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben.

    VorschriftenBImSchG, § 64 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG, §§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 520 Abs. 1 bis 3 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG