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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 29.04.2004 – VI 179/02

    Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist kann nicht gewährt werden, wenn kein Postausgangsbuch geführt wird und keine angemessene Organisation die Abgabe zur Post kontrollierbar macht.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren ist.

    Die Klägerin ist seit dem 01.11.1998 durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der ... (G) GmbH (im Folgenden GmbH). Im April 2000 fand eine abgekürzte Außenprüfung bei der GmbH betreffend Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer sowie Feststellung nach § 47 KStG statt. Der BP-Bericht datiert vom 17.11.2000. Auf Grund der Feststellungen der BP erließ der Beklagte Änderungsbescheide (Körperschaftsteuerbescheid 1998, Bescheid auf den 31.10.1998 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs, Bescheid zum 31.10.1998 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG sowie Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.10.1998), die am 11.01.2001 mit einfachem Brief zur Post gegeben wurden. Adressiert waren sie an die seinerzeitigen Bevollmächtigten, die ... (S) Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden S).

    Nachdem neue steuerliche Bevollmächtigte der Klägerin während einer weiteren Außenprüfung am 11.09.2001 Kenntnis davon erlangt hatten, dass Einsprüche gegen die Änderungsbescheide beim Beklagten nicht eingegangen waren, legte die S mit Schriftsatz vom 12.09.2001, am selben Tage beim Beklagten eingegangen, nunmehr Einspruch gegen die geänderten Bescheide ein und stellte zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist. Die Bescheide seien erst am 16.01.2001 zugegangen. Die Einspruchsfrist sei durch das elektronisch geführte Posteingangsbuch/Fristenkontrollbuch der DATEV eingetragen und überwacht worden. Die Bearbeitung der Einsprüche sei am 09.02. 2001 aufgenommen worden. Nachdem die Schriftsätze an die stets zuverlässige Sekretariatskraft Frau A zur Versendung bzw. zur Ablage je einer Kopie im Ausgangsordner und in der BP-Akte des Mandanten übergeben worden seien, seien die Fristen gestrichen worden. Es sprächen sämtliche Anzeichen dafür, dass die Rechtsbehelfe ordnungsgemäß am 12.02.2001 postalisch versandt worden und dann möglicherweise auf dem Postweg verloren gegangen seien. Falls das Einspruchsschreiben nicht auf dem Postweg verloren gegangen sei, müsse ein trotz sämtlicher organisatorischer Maßnahmen nicht auszuschließendes Büroversehen vorliegen, das dem Mandanten und dem Bevollmächtigten nicht zuzurechnen sei.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig, weil sie nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen seien. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht erfüllt, weil keine verlässliche Ausgangskontrolle für die Absendung des fristgebundenen Schreibens stattgefunden habe (wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen). Hiergegen richtet sich die Klage vom 21.8.2002. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt habe.

    Im gerichtlichen Verfahren hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherung ihres ehemaligen Bevollmächtigten, des Steuerberaters B von der S vom 02.12.2002 zur Akte gereicht (Anlage K 4), in der es unter anderem heißt:

    „Im Rahmen des Beratungsmandates waren u.a. die Änderungsbescheide des Finanzamtes Hamburg-... vom 11.01.2001 betreffend Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG 1998 sowie über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer, die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG und des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.10.1998 zu überprüfen. Die Sachbearbeitung habe ich selbst übernommen. Mit der Fristüberwachung habe ich unsere langjährige ehemalige Mitarbeiterin, Frau ... (A), beauftragt. Diese hat mir die genannten Bescheide am 06.02.2001 zur Überprüfung und Bearbeitung vorgelegt. Ich habe die Bescheide dann am 09.02.2001 überprüft, ein Einspruchsschreiben auf Tonträger abdiktiert und diesen Frau ... (A) zum Schreiben übergeben. Frau ... (A) hat am 12.02.2001 das Einspruchsschreiben erstellt und mir am selben Tag zur Unterschrift vorgelegt. Nach Durchsicht und Unterschrift habe ich es Frau ... (A) zur Postabfertigung zurückgegeben. Ich konnte davon ausgehen, und tue das auch heute noch, dass Frau ... (A) die Postabfertigung ordnungsgemäß vorgenommen hat, d.h. das Einspruchsschreiben adressiert, kuvertiert, frankiert und zur Post gebracht hat. Frau ... (A) war eine sehr zuverlässige Mitarbeiterin, die seitens der ... (S) sorgfältig eingearbeitet und auf die besondere Bedeutung von Rechtsmittelsachen hingewiesen worden ist. Die Einhaltung dieser Anweisung ist seitens der ... (S) gelegentlich kontrolliert worden. Frau ... (A) ist stets nach Anweisung vorgegangen, so dass es zu keinen Beanstandungen gekommen ist. Infolgedessen gehe ich davon aus, dass sie sich auch im Fall ... (G) GmbH & Co. KG entsprechend der beschriebenen Routine verhalten hat. Die Fristaustragung habe ich in der Gewissheit der Aufgabe der Einsprüche zur Post am 12. und 14.02.2001 eigenhändig vorgenommen.”

    Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass im Streitfall die Fristenüberwachung durch die erfahrene und langjährige Sekretärin Frau A erfolgt sei, während die Sachbearbeitung Steuerberater B übernommen habe. Nach Diktat des Einspruchsschreibens habe Frau A dieses am 12.02. erstellt und Herrn B zur Unterschrift vorgelegt, der dieses unterschrieben habe. Das Schreiben sei dann offensichtlich von Frau A auch postalisch abgefertigt worden. Wie an anderen Tagen auch habe Frau A die von Steuerberater B unterschriebenen Einsprüche versandfertig gemacht, kuvertiert und frankiert. Eine Kopie habe sie in den Ordner „Tageskopien” gelegt, eine weitere in den Betriebsprüfungsordner der Klägerin. Die Austräge im Fristenkontrollbuch seien am 12.02. und 14.02.2001 eigenhändig von Herrn B vorgenommen worden, wobei sich nicht mehr klären lasse, warum dies an unterschiedlichen Tagen geschehen sei.

    Die Anforderungen des Beklagten an eine Fristenüberwachung seien demgegenüber überzogen. Nach der neueren Rechtsprechung, insbesondere auch des BGH, müsse kein Fristenausgangsbuch geführt werden. Ein Nachweis dafür, dass das Schriftstück in den Postlauf gelangt sei, sei ebenso wenig zu fordern, wie die Darlegung, wann und wie ein Schriftstück verloren gegangen sei. Gefordert werde nur, dass anderweitig sichergestellt sei, dass der fristwahrende Schriftsatz zur Absendung bereitgelegt und auf den Postweg gebracht worden sei. Im Büro habe die Anweisung bestanden, Tagespost noch am selben Tage abzusenden. Die Sekretärin habe die Kuvertierung und Frankierung der Schriftsätze veranlasst und Tageskopien abgelegt. Die Sekretärin habe das Büro regelmäßig um 17.30 Uhr verlassen und die Post aus dem Postausgangsfach zum Briefkasten gebracht.

    Frau A sei auch stets zuverlässig gewesen, ihr sei die besondere Relevanz der Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen bekannt gewesen. Die Bürointerna seien stets ordnungsgemäß von Frau A erfüllt worden (Beweis: Zeugnis Frau A). Ergänzend beruft sich die Klägerin auch auf das Zeugnis von Steuerberater B.

    Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 aufzuheben

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen,

    und nimmt auf seine Einspruchsentscheidung Bezug. Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass der seinerzeitige Bevollmächtigte unstreitig nicht über ein elektronisches Postausgangsbuch verfügt habe, vielmehr sei der Postausgang überhaupt nicht dokumentiert worden. Aus diesem Grunde habe auch nicht kontrolliert werden können, ob ein geschriebener Brief je abgeschickt werde. Diese mangelhafte Organisation müsse durch eine „vergleichbare Büroverwaltung” ausgeglichen werden. Das Fehlen jeglicher schriftlicher Ausgangskontrolle stelle aber gerade keine vergleichbare Büroorganisation dar. Der BFH sehe die tatsächliche Absendung eines Schriftstückes auch nur dann als sichergestellt an, wenn ein und die selbe Person den gesamten fristgebundenen Vorgang bis zum tatsächlichen Postausgang überwache.

    Die die Klägerin betreffenden Körperschaftsteuer-, Gewerbesteuer- und Bilanzakten nebst BP- und Rechtsbehelfsakten zur Steuernummer ... haben vorgelegen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift über die Senatssitzung vom 29.04.2004 Bezug genommen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Der Beklagte hat zu Recht die Einsprüche als unzulässig verworfen und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist abgelehnt.

    1. Die Einsprüche vom 12.09.2001 gegen die Bescheide vom 11.01.2001 sind verspätet nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist beim Beklagten eingegangen.

    Nach § 357 Abs.1 AO ist ein Rechtsbehelf schriftlich innerhalb eines Monats einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Dabei handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung entsprechend § 130 BGB, die mit ihrem Zugang beim Empfänger wirksam wird. Sie geht zu, wenn sie in dessen Machtbereich gelangt, so dass er Kenntnis nehmen kann (vgl. BFH vom 3.08.1978, VI R 73/78, BStBl II 1978, 649, 650; FG Hamburg vom 26.11.1975, VI 98/75, EFG 1976, 253, FG Hamburg vom 7.05.1996, II 100/95, EFG 1996, 959). Kann nicht bewiesen werden, dass das Einspruchsschreiben beim Finanzamt eingegangen ist, ist auch bei Wahrscheinlichkeit eines Verlustes auf dem Postweg kein Einspruch eingelegt, weil grundsätzlich der Einspruchsführer für die Übermittlung zu sorgen hat, auch wenn er auf den Postweg nicht einwirken kann (vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 19.10.1992, 5 K 2234/91, EFG 1993, 64).

    Im Streitfall ist innerhalb der einmonatigen Frist ein Einspruchsschreiben bei dem Beklagten nachweisbar nicht eingegangen. Eine etwaige Beweisvorsorge durch die Nutzung bestimmter Versendungsformen wurde durch die Klägerin bzw. ihre Vertreterin nicht getroffen. Die verbleibende Unsicherheit, ob und wann ein Einspruch versandt wurde bzw. weshalb dieser ggf. nicht bei dem Beklagten auffindbar ist, geht zu Lasten der Klägerin (vgl. BFH vom 18.01.1993, X R 82/92, BFH/NV 1993, 610, 611; BFH vom 18.01.1993, X R 83/91, BFH/NV 1993 427; FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550).

    2. Der Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO abgelehnt.

    Gemäß § 110 Abs. 1 AO ist demjenigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, der ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist verhindert war. Das Verschulden eines Vertreters ist hierbei dem Vertretenen zuzurechnen. Ausreichend ist insofern bereits einfache Fahrlässigkeit (vgl. BFH vom 24.09.1985, III B 3/85, BFH/NV 1986, 190, 190; BFH vom 4.03.1998, XI R 44/97, BFH/NV 1998, 1056, 1057). Einfache Fahrlässigkeit bei einer Fristversäumung ist zu verneinen, wenn die Fristversäumung durch die den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (vgl. BFH vom 14.04.1976, IV R 43-45/75, BStBl II 1976, 624, 625; BFH vom 11.08.1993, II R 6/91, BFH/NV 1994, 440, 441; BFH vom 13.07.1995, V R 51/94, BFH/NV 1996, 193, 194; BFH vom 27.08.1998, III R 47/95, BStBl II 1999, 65, 66). Von einer angemessener Sorgfalt entsprechenden Fristenkontrolle ist auszugehen, wenn schlüssig und damit lückenlos geschildert wird, welche Person, zu welcher Zeit, in welcher Weise den Brief aufgegeben hat und zudem auch präsente Beweismittel vorgelegt werden, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf die Richtigkeit des zur Entschuldigung Vorgetragenen zulassen (vgl. BFH vom 7.02.1997, III B 146/96, BFH/NV 1997, 674, 674f.; BFH vom 19.06.1996, I R 13/96, BFH/NV 1997, 120, 121; BFH vom 26.11.1993, VIII R 53/93, BFH/NV 1994, 644, 645; BFH vom 4.11.1999, X B 81/99, BFH/NV 2000, 546, 547; BFH vom 27.07.2001, XI B 69/00, BFH/NV 2002, 9; BFH vom 13.12.2001, XR 42/01, BFH/NV 2002, 533). Zur Wahrung der Rechtsweggarantie des Art 19 Abs. 4 GG und des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dürfen die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung aber nicht überspannt werden. Insoweit darf der Zugang zum Gericht nicht in unzumutbarer, sachlich nicht gerechtfertigter Art und Weise erschwert werden (vgl. BVerfG vom 11.01.1991, 1 BvR 1435/89, NJW 1992, 38, 38; BVerfG vom 1.08.1996, 1 BvR 121/95, NJW 1996, 2857 m.w.N.). Verbleibende Zweifel auf Grund mangelnder Beweisvorsorge muss sich die Klägerin jedoch zurechnen lassen (vgl. BFH vom 9.04.1987, III R 132/84, BFH/NV 1987, 792; BFH vom 4.11.1999, X B 81/99, BFH/NV 2000, 546, 547).

    Die Tatsachen, aus denen sich eine schuldlose Verhinderung der rechtzeitigen Einspruchserhebung ergeben soll, müssen innerhalb eines Monats nach Kenntnis von der Fristversäumnis substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Glaubhaft gemacht ist ein Sachverhalt, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die behaupteten Tatsachen spricht und unter Vorlage präsenter Beweismittel der gesamte Geschehensablauf eingehend dargestellt wurde (vgl. BFH vom 20.07.1983, II R 211/81, BStBl II 1983, 681, 682; BFH vom 28.01.1986, VIII R 9/84, BFH/NV 1986, 417, 417f.; BFH vom 17.11.1987, IX R 56/83, BFH/NV 1988, 317, 318).

    Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

    Die Klägerin hat zwar fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt, sie hat aber nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Einspruchsschreiben fristgerecht abgesandt wurde bzw. die nicht fristgerechte Absendung auf einem nicht zurechenbaren Büroversehen beruhte. Vielmehr kann ein nach § 110 Abs.1 S. 2 AO der Klägerin zurechenbarer Organisationsmangel ihres seinerzeitigen Bevollmächtigten nicht ausgeschlossen werden. Diese verbleibende Unsicherheit in der Frage des anwaltlichen Organisationsverschuldens geht zu Lasten des Betroffenen (vgl. BFH vom 18.01.1993, X R 82/92, BFH/NV 1993, 610, 611; BFH vom 18.01.1993, X R 83/91, BFH/NV 1993 427; FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550).

    Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin war der Bürobetrieb nicht so organisiert, dass ein Fristversäumnis ausgeschlossen werden kann (vgl. BFH vom 5.11.1998, I R 90/97; BFH/NV 1999, 512, 513), insbesondere ist eine angemessene Fristen- und Postausgangskontrolle nicht hinreichend dargelegt bzw. glaubhaft gemacht worden. So lässt die Darlegung der Fristenkontrolle einschließlich der Ausgangskontrolle im konkreten Fall keine geeignete Büroorganisation erkennen, bei der ein bloßes Büroversehen der Mitarbeiter dem Bevollmächtigten nicht als Verschulden anzulasten ist und daher nicht der Klägerin zugerechnet werden kann (vgl. BFH vom 22.10.1992, VII ZB 15/91, HFR 1993, 599; BFH vom 22.11.1991, IX B 44/90, BFH/NV 1992, 329, 330; FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550, 551).

    Nach ständiger Rechtsprechung muss ein (Prozess-)Bevollmächtigter dafür sorgen, dass ein fristgebundenen Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei der zuständigen Stelle eingeht. Im Rahmen der dafür erforderlichen Fristenkontrolle muss durch organisatorische Maßnahmen auch gewährleitstet sein, dass für den Postversand vorgesehene Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Die Organisation der Fristenkontrolle hat sich folglich nicht nur auf die rechtzeitige Fertigung der Schriftsätze, sondern auch auf deren rechtzeitiges Absenden und damit eine Ausgangskontrolle zu erstrecken (vgl. FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550). Diese Ausgangskontrolle ist grundsätzlich so zu organisieren, dass die ablaufenden Fristen im Fristenkontrollbuch erst auf Grund der Eintragung in einem gesondert zu führenden Postausgangsbuch gelöscht werden oder der Postausgang auf andere Art und Weise sichergestellt werden kann. Letzteres ist regelmäßig der Fall, wenn eine bestimmte Person den gesamten fristgebundenen Vorgang bis zum tatsächlichen Postausgang überwacht (vgl. BFH vom 7.12.1988, X R 80/87, BStBl II 1989, 266, 268; BFH vom 18.01.1993, X R 82/92, BFH/NV 1993, 610, 611; BFH vom 17.02.1993, VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614, 615; BFH vom 20.05.1988, VI R 170/87, BFH/NV 1989, 116, 117; FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550, 551). Die Aufgabenübertragung auf verschiedene Personen ist hingegen als Unsicherheitsquelle zu bewerten. Dies gilt insbesondere, wenn nicht der Postausgang an sich kontrolliert wird, sondern auf Grund einer allgemeinen Anweisung auf die Versendung durch die damit betraute Person vertraut wird (vgl. BFH vom 7.12.1982, VIII R 77/79, BStBl II 1983, 229, 230; BFH vom 7.02.1984, VI R 130/83 - nv; BFH vom 12.02.1992, XI R 19/91, BFH/NV 1992, 534; BFH vom 17.02.1993, VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614, 615). Denn es bestehen nach der allgemeinen Lebenserfahrung diverse Möglichkeiten dafür, dass ein Schriftstück nach Unterzeichnung und vor Abfertigung durch die mit dem Postausgang betraute Person verloren oder fehlgeleitet bzw. nicht abgesandt wird (vgl. BFH vom 17.02.1993, VIII R 61/91; BFH/NV 1993, 614, 615).

    Diesen Anforderungen wird die Fristenkontrolle der seinerzeitigen Bevollmächtigten der Klägerin nicht gerecht, daher ist wegen der verbleibenden Unsicherheiten von einem durch einfache Fahrlässigkeit verursachten Organisationsmangel auszugehen.

    Ein Postausgangskontrollbuch ist nicht geführt worden, das Fristenkontrollprogramm der DATEV wurde nur für den Fristeingang verwandt. Der Absendetag ist aber auch nicht auf andere Art und Weise vermerkt worden. Die bloße Ablage in der Betriebsprüfungsakte und dem Ordner für Tageskopien reicht insofern nicht aus. Abgesehen davon, dass eine derartige Ablage beliebig manipulierbar ist, birgt dieses Vorgehen auch die Gefahr, dass irrtümlich ein Original abgelegt wird oder das Schriftstück auf anderem Wege verloren geht. Darüber hinaus erfolgt der Austrag im Rahmen der Fristenkontrolle allein auf Grund von Vermutungen des zuständigen Sachbearbeiters nach Unterschreiben des Dokuments und ohne Ablage desselben in einem Postausgangsfach durch ihn selbst (vgl. BGH vom 9.09.1997, IX ZB 80/97, NJW 1997, 3446; BGH vom 11.01.2001, III ZR 148/00, NJW 2001, 1577, 1578). Wie ungewiss die Fristenaustragung und wie losgelöst sie von konkreten, feststellbaren Arbeitsschritten bei der Postversendung erfolgte, zeigt sich auch daran, dass sich nicht klären ließ, warum die Fristen an unterschiedlichen Tagen gestrichen wurden, obwohl Einspruch nur durch einen einzigen Schriftsatz eingelegt worden sein soll und der am Tage des Verfassens zur Post gegeben sein soll. Ferner ist der sachbearbeitende Verfasser weder für die Versendung zuständig, noch prüft er vor dem Austragen der Frist aus dem Fristenkalender die Tagesablage oder die jeweilige Akte.

    Eine Kontrolle der Versendung fand auch nicht auf andere Art und Weise statt und war nach der Büroorganisation auch nicht vorgesehen gewesen, obwohl dies den Berater weder unverhältnismäßig in seiner Arbeitskraft einschränken, noch die Anforderungen an eine Ausgangskontrolle überspannen würde. Eine weitere Kontrolle wäre hier aber auf Grund des Verzichts auf ein Postausgangsbuch geboten gewesen (vgl. FG Hamburg vom 10.12.1993, I 38/92, EFG 1994, 550, 551; BFH vom 13.12.2001, XR 42/01, BFH/NV 2002, 533). Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob auf ein Postausgangsbuch verzichtet werden kann (so BGH vom 11.01.2001, III ZR 148/00, NJW 2001, 1577, 1578 der für diesen Fall aber verlangt, dass durch die Kanzleiorganisation sichergestellt wird, dass der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach der Kanzlei als „letzter Station auf dem Weg zum Adressaten” eingelegt und von dort unmittelbar zum Briefkasten gebracht wird) oder nicht (so BFH vom 27.07.2001, XI B 69/00, BFH/NV 2002, 9).

    Es hat auch nicht eine bestimmte Person den gesamten fristgebundenen Vorgang bis zur Versendung überwacht, wenn schon auf die Führung eines Postausgangsbuchs verzichtet wurde. Hier ist grundsätzlich für die Fristüberwachung die Mitarbeiterin des Büropersonals zuständig gewesen, die auch die Versendung vornehmen sollte. Die Austragung aus dem Fristenkontrollprogramm wurde aber ohne ihre Mitwirkung von dem Sachbearbeiter vorgenommen. Diese Aufgabenteilung ohne Überwachung durch eine den ganzen Vorgang beaufsichtigende Person birgt die Gefahr einer irrtümlichen Austragung einer Fristsache, weil sie gewissermaßen „auf Verdacht” erfolgt. Dies muss erst recht gelten, wenn wie hier auf jegliche begleitende Kontrolle verzichtet wurde, um etwaigen Beweisschwierigkeiten entgegenzuwirken. Dies hätte beispielsweise dadurch geschehen können, dass das Absendedatum ebenfalls in dem Computerprogramm erfasst worden wäre oder die fristwahrenden Schriftstücke in einem besonderen Verfahren gesondert erfasst oder versendet würden. Auf derartige Maßnahmen ist verzichtet worden.

    An einer sorgfältigen Bearbeitung der Fristsache und Erfassung der entscheidenden Daten durch den zuständigen Sachbearbeiter bestehen auch deswegen Zweifel, weil gegen sämtliche Bescheide mit einem einzigen Schreiben Einspruch eingelegt wurde, der Austrag aber an verschiedenen Tagen, nämlich dem 12. und 14.2.2001, erfolgte. Wann die Postversendung genau erfolgt sein soll, ist unter diesen Umständen unklar geblieben. Trotz der fehlerhaften Fristenkontrolle kann auch nicht ausnahmsweise deshalb ein nur unbeachtliches Büroversehen angenommen werden, weil eine eindeutige und ausdrückliche Einzelanweisung an die mit der Versendung betraute Person vorgelegen hätte, das Schriftstück zur Post zu bringen. Eine derartige ausdrückliche Einzelanweisung ist nach dem Vortrag der Klägerin nicht ergangen. Vielmehr sollte die Versendung im Rahmen der üblichen Vorgehensweise erfolgen.

    Unter diesen Umständen bedurfte es auch nicht der Vernehmung von Frau A als Zeugin. Ebenso wenig bedurfte es der Vernehmung von Steuerberater B, weil seine Angaben zum tatsächlichen Geschehen, insbesondere in der eidesstattlichen Versicherung vom 02.12.2002, vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen und der Entscheidung zugrunde gelegt worden sind.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

    VorschriftenAO § 110