02.01.2019 · IWW-Abrufnummer 206270
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 13.09.2018 – 6 Sa 150/18
1. Eine (ausdrücklich) an die Rentenberechtigung aufgrund der Schwerbehinderung anknüpfende Pauschalierung der Sozialplanabfindung benachteiligt schwerbehinderte Beschäftigte unmittelbar (wie BAG 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - ).
2. Von einer mittelbaren Benachteiligung schwerbehinderter Beschäftigter ist auszugehen, wenn die Pauschalierung ohne ausdrückliche Erwähnung der Schwerbehinderung an den "frühestmöglichen Renteneintritt" anknüpft - jedenfalls dann, wenn von dieser Regelung im Betrieb nur oder überwiegend schwerbehinderte Beschäftigte betroffen sind.
3. Die "Überbrückungsfunktion der Sozialplanabfindung" eignet sich nicht als Rechtfertigungsgrund für die mittelbare Diskriminierung, weil die Möglichkeit des früheren Renteneintritts gerade den Ausgleich der Nachteile für Behinderte bezweckt. Die Möglichkeit des früheren Renteneintritts ist damit kein objektiver Faktor im Sinne der EuGH-Rechtsprechung (06.12.2012 - C-152/11), nach der eine gesetzliche Regelung zum Ausgleich von Nachteilen kein Grund für eine betriebliche Benachteiligung sein kann.
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.01.2018 - 9 Ca 5075/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.281,01 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2017.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.156,97 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 337,68 EUR brutto seit dem 02.10.2015 und
aus 819,29 EUR seit dem 28.01.2016.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
V. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sozialplanabfindung und um eine mit der Berechnung der Zahlung möglicherweise im Zusammenhang stehende Schwerbehindertendiskriminierung. Des Weiteren streiten sie wie in einer Vielzahl von gleich gelagerten Fällen, über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung.
Der Kläger ist am 06.07.1957 geboren und verheiratet. Seinen Kindern gegenüber ist er nicht mehr unterhaltspflichtig. Er ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Seit dem 25.02.1992 war er für die Beklagte tätig, zuletzt als Prozessprüfer QS. Hier erzielte er ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.800,00 EUR. Kraft beiderseitiger Tarifbindung finden die Tarifverträge für die Chemische Industrie Nordrhein Anwendung. Die Beklagte hatte einen Betrieb in P , in dem der Kläger beschäftigt war. Inzwischen ist dieser Betrieb geschlossen.
Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten vereinbarte die Beklagte bereits am 05.11.2008 mit dem örtlichen Betriebsrat nach Zustimmung der Tarifvertragsparteien eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung unter Bezugnahme auf die entsprechende tarifvertragliche Öffnungsklausel. Eine erneute Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung schlossen die Betriebsparteien unter dem 26.02.2013. Diese Betriebsvereinbarung sieht unter anderem eine Arbeitszeitverlängerung von 37,5 auf 39,5 Stunden/Woche ohne Lohnausgleich vor. Darüber hinaus ist die Nutzung des Entgeltkorridors gemäß § 10 BETV Chemie in Verbindung mit dem Arbeitszeitkorridor nach § 2 Abschnitt 1 Ziffer 3 MTV Chemie ausdrücklich vorgesehen. Weiter ist bestimmt, dass Tariflohnerhöhungen teilweise ausgesetzt werden.
Die durch diese Betriebsvereinbarung vorgesehenen Effekte führten im Zeitraum vom 01.06.2015 bis zum 31.12.2015 zur Auszahlung eines Bruttoentgelts an den Kläger, das - rechnerisch unstreitig - um den Betrag des Klageantrages zu 2 reduziert war. Auszugsweise lautet die Betriebsvereinbarung wie folgt (Einzelheiten Bl. 139):
Mit Schreiben vom 30.06.2015, zugegangen am gleichen Tag, erklärte die Beklagte gegenüber dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland e.V. die Kündigung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit Wirkung zum 31.12.2015, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Auch nach der Kündigungserklärung zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer die Vergütung weiterhin lediglich auf Basis der durch die Betriebsvereinbarung vom 26.02.2013 gekürzten Ansprüche und stellte Arbeitszeiten in die Arbeitszeitkonten weiterhin unter der Annahme einer 39,5-Stunden-Woche ein. Damit war der Kläger wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen nicht einverstanden und vertrat die Auffassung, dass bereits ab dem 01.07.2015 (also "fristlos mit sofortiger Wirkung") wieder die alten Vertragsbedingungen gelten müssten.
Im Jahre 2016 vereinbarten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich/Sozialplan zur Schließung des Standortes P . Mit Schreiben vom 27.02.2017 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung frei. Schließlich kündigte sie das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2017. Der Sozialplan, der mit Spruch der Einigungsstelle vom 16.09.2016 erging (Anlage K1, Bl. 9 fff d.A.), unterscheidet unter den Abfindungsberechtigten Beschäftigten (1.) solche, die das 59. Lebensjahr noch nicht beendet haben, und durch ordentliche Kündigung ausscheiden, weil sie kein Weiterbeschäftigungsangebot erhalten oder ein solches berechtigt abgelehnt haben (Abfindung = Betriebszugehörigkeit x 0,7 Bruttomonatsentgelte); (2.) solche, die unter im Übrigen gleichen Voraussetzungen am Stichtag 31.03.2017 das 59. Lebensjahr bereits vollendet haben, so wie der Kläger (Abfindung = fiktiver Differenzbetrag); und (3.) alle anderen Beschäftigten (Abfindung = Betriebszugehörigkeit x 0,33 Bruttomonatsentgelte). Die für den Kläger einschlägige Berechnungsregelung unter Abschnitt B § 2 Nr. 1.2.1 Abfindung (Bl. 15 ff d.A.) lautet auszugsweise:
Die Beklagte errechnete für den Kläger auf der Grundlage der vorstehenden Regelung eine Sozialplanabfindung in Höhe von 39.718,99 EUR. Dabei berücksichtigte sie die Tatsache, dass der Kläger als Schwerbehinderter mit dem "Datum des frühestmöglichen Renteneintritts" (siehe oben Faktor "(2)") eine deutlich niedrigere Berechnungsbasis gegen sich gelten lassen muss, als nicht Schwerbehinderte mit im Übrigen gleichen Arbeits- und Lebensdaten. In dem mit 39.718,99 EUR errechneten Abfindungsbetrag ist bereits der pauschale Abfindungsbetrag für anerkannte Schwerbehinderte mit einem GdB von 50 in Höhe von 5.000,00 EUR enthalten. Zwischen den Parteien ist rechnerisch unstreitig, dass dem Kläger der von der Betriebsvereinbarung vorgesehene Höchstbetrag, nämlich 100.000,00 EUR, zustünde, wenn seine Abfindung mit Blick auf den frühestmöglichen Rentenbeginn ohne Schwerbehinderung berechnet worden wäre und eben nicht mit Blick auf den für Schwerbehinderte maßgeblichen früheren Renteneintritt.
Mit der seit dem 28.07.2017 anhängigen Klage hat der Kläger weiterhin die Auszahlung der Entgelt-Differenzen und der Zuschläge aus der zweiten Hälfte des Jahres 2015 gefordert. Sodann hat er die Differenz zwischen der bereits ausgezahlten Sozialplanabfindung und dem vom Sozialplan vorgesehenen Höchstbetrag gefordert und schließlich die Vergütung von Mehrarbeit begehrt.
Der Kläger hat vorgetragen, nach seiner Auffassung folge aus dem Austritt der Beklagten aus dem Arbeitgeberverband die sofortige Beendigung der Wirkung der Betriebsvereinbarung. Wenn es in der Betriebsvereinbarung heiße "fristlos mit sofortiger Wirkung" dann sei auch "fristlos mit sofortiger Wirkung" gemeint. Direkt am Tag der Austrittserklärung gegenüber dem Arbeitgeberverband, nämlich am 30.06.2015, habe die Betriebsvereinbarung "fristlos mit sofortiger Wirkung" ihr Ende gefunden und damit ihre Wirkung verloren. Deshalb sei seine Arbeit auch ab diesem Tag wieder nach den ursprünglichen Bedingungen zu vergüten und nicht nach den beschränkten Bedingungen, die der Betriebsvereinbarung gefolgt seien.
Er gehe davon aus, dass ihn die Regelung in Abschnitt B § 2 Ziffer 1.2.1 des Sozialplans als Schwerbehinderten diskriminiere. Er erhalte mit dem für ihn maßgeblichen frühestmöglichen Renteneintritt im Alter von 61 Jahren eine deutlich geringere Abfindung als ein lebensaltersgleicher, nicht schwerbehinderter Kollege, der noch einige Jahre bis zu dem für ihn maßgeblichen frühestmöglichen Rentenbeginn zu arbeiten habe.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Sie hat vorgetragen, nach ihrer Interpretation der Betriebsvereinbarung habe diese nach dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband noch bis zum 31.12.2015 Wirkung entfaltet. Mit "Kündigung" sei nicht der Zeitpunkt der Kündigungserklärung gemeint, sondern der Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist.
Eine behinderungsbedingte Diskriminierung bei der Berechnung der Sozialplanabfindung sei für sie nicht ersichtlich.
Die Vergütung von Mehrarbeit komme nicht in Frage, da der Kläger bis zu Ablauf der Kündigungsfrist von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung unter Anrechnung von Freistellungsansprüchen aus Mehrarbeit freigestellt worden sei. Soweit ein Anspruch bestanden habe, sei dieser jedenfalls durch die Freistellung erfüllt worden.
Mit dem am 17.01.2018 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage teilweise stattgeben, nämlich soweit der Kläger mit ihr die Auszahlung der Differenzen zwischen dem tatsächlich erhaltenem Entgelt und dem nicht durch die Betriebsvereinbarung reduzierten Entgelt im zweiten Halbjahr des Jahres 2015 sowie die Auszahlung der Nacht- und Schichtzulagen geltend gemacht hatte. Soweit der Kläger mit der Klage eine weitere Sozialplanabfindung gefordert hatte, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Eine unmittelbare offene Diskriminierung sei nicht ersichtlich, weil hinsichtlich der Berechnungsgrundlage das Wort "Schwerbehinderung" im Text der Betriebsvereinbarung nicht auftauche. Eine unmittelbare verdeckte Diskriminierung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil nicht nur Schwerbehinderte früher in Rente gehen könnten, sondern auch langjährig Versicherte, arbeitslose Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in Teilzeit unter den Voraussetzungen des § 237 SGB VI, Frauen unter den Voraussetzungen des § 237a SGB VI, langjährig unter Tage Beschäftigte Bergleute etc. Die Regelung in Abschnitt B § 2 Ziffer 1.2.1. des Sozialplans knüpfe daher nicht an die Schwerbehinderung an. Ebenso wenig betreffe die Regelung ausschließlich Träger des Diskriminierungsmerkmals "Behinderung". Im Übrigen stehe der Annahme einer Diskriminierung noch entgegen, dass Schwerbehinderte bei der Berechnung der Sozialplanabfindung einen Erhöhungsbetrag erhielten, im Falle des Klägers 5.000,00 EUR. Ob eine mittelbare Diskriminierung vorliege, sei angesichts der gesonderten im Sozialplan geregelten relativ niedrigen Abfindungserhöhung für schwerbehinderte Beschäftigte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zwar denkbar, könne aber dahinstehen, denn eine etwaige mittelbare Diskriminierung sei jedenfalls gerechtfertigt. Es sei der besondere Zweck von Sozialplänen, diejenigen Nachteile abzumildern, die den Beschäftigten bei Verlust des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft, nämlich bis zum Beginn einer Anschlussbeschäftigung oder bis zu einem Renteneintritt zu befürchten hätten. Mit diesem Regelungszweck sei es zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an die Möglichkeit des frühestmöglichen Bezugs von Altersrente dazu führt, dass schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Menschen nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert würden.
Gegen das ihm am 13.02.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.02.2018 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Frist am 14.05.2018 begründet. Die Beklagte ihrerseits hat gegen das ihr am 14.02.2018 zugestellte Urteil am 09.03.2018 Berufung eingelegt und diese am 13.04.2018 begründet.
Der Kläger wendet sich gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, soweit dieses die Klage auf weitere Sozialplanabfindung abgewiesen hatte mit der Begründung, der Sozialplan bewirke eine verdeckte unmittelbare Diskriminierung, jedenfalls aber eine nicht gerechtfertigte mittelbare. Zwar weise das Arbeitsgericht richtigerweise darauf hin, dass die Regelung auch auf andere Tatbestände Anwendung finden könne, wie langjährig Versicherte, arbeitslose Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in Teilzeit unter den Voraussetzungen des § 237 SGB VI, Frauen unter den Voraussetzungen des § 237a SGB VI, und langjährig unter Tage Beschäftigte Bergleute. Das Arbeitsgericht verkenne aber dabei die Sachlage im hier streitgegenständlichen Betrieb. Dort betreffe die Regelung des Sozialplans nur und ausschließlich Schwerbehinderte. Jedenfalls liege aber eine mittelbare Diskriminierung vor, die - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - nach richtigem Verständnis der Rechtsprechung des EuGH nicht gerechtfertigt sein könne.
Soweit das Arbeitsgericht der Klage mit Blick auf die Lohndifferenzen stattgegeben habe, die aufgrund der durch die Beklagte vorgenommene weitere Anwendung der Betriebsvereinbarung eingetreten seien, verteidigt der Kläger das Urteil des Arbeitsgerichts unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages gegen die Berufung der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Hinsichtlich der vom Arbeitsgericht dem Kläger zugesprochenen Differenzansprüche begründe sie ihre Berufung unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung, wie sie ehedem von der 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln vertreten worden sei und bleibe bei der Auffassung, dass nach pflichtgemäßer Auslegung des Textes der Betriebsvereinbarung "fristlos mit sofortiger Wirkung" eben nicht bedeute, dass die Rechtsfolge im Augenblick der Kündigungserklärung eintrete, sondern erst - dann aber sofort - mit Ablauf der Kündigungsfrist.
Soweit das Arbeitsgericht die Forderung des Klägers auf Zahlung einer höheren Sozialplanabfindung abgewiesen hat, verteidigt die Beklagte die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages gegen die Berufung des Klägers.
Wegen der weiteren Einzelheiten haben die Parteien auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung des Klägers gegen die den Klageantrag zu 1 abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts und die Berufung der Beklagten sind zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden sind (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).
Unzulässig ist allerdings die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Klageabweisung des Antrages zu 3, denn die Berufungsbegründung setzt sich mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts, dem Kläger stehe keine Mehrarbeitsvergütung zu, mit keinem Wort auseinander. In dem Umfang, in dem die hier zu begründende Berufungsentscheidung das arbeitsgerichtliche Urteil abändert, ist deshalb die Klage und dem folgend die Berufung "im Übrigen abzuweisen".
B. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Berufung des Klägers mit Blick auf den erstinstanzlich abgewiesenen Klageantrag zu 2 hatte dagegen Erfolg.
I. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Beklagte zur Zahlung der Differenz zwischen dem tatsächlich an den Kläger geleisteten Entgelt einerseits und dem ursprünglich vertraglich geschuldeten Entgelt andererseits verurteilt. Der Anspruch folgt aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 (§ 611 a Abs. 2) BGB. Die Betriebsvereinbarung vom 26.03.2013 hat für den hier streitigen Zeitraum von Juli 2015 bis Dezember 2015 den Entgeltanspruch des Klägers nicht zu reduzieren vermocht. Hierzu existiert inzwischen eine gefestigte und einheitliche Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln zur Auslegung der hier streitigen Passagen der Betriebsvereinbarung, die beiden Parteien bekannt ist (z.B. 12 Sa 938/16 und 8 Sa 193/18): "fristlos mit sofortiger Wirkung" bedeutet nicht, dass die Rechtsfolge erst bei Ablauf der Kündigungsfrist eintritt, sondern tatsächlich sofort bei Ausspruch der Kündigung. Die erkennende Kammer sah keinen Anlass von dieser einheitlichen Rechtsprechung abzuweichen. Das Arbeitsgericht hat daher zu Recht der Klage mit dem Klageantrag zu 1 in rechnerisch unstreitiger Höhe stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war folglich zurückzuweisen. Die Beklagte hat im Verhandlungstermin vor der erkennenden Kammer am 13.09.2018 nach Hinweis auf die besagte gefestigte Rechtsprechung des LAG Köln und nach Hinweis auf die Absicht der Kammer, von jener Rechtsprechung nicht abzuweichen, auch keine weitere Stellungnahme abgegeben.
II. Dem gegenüber hatte die Berufung des Klägers Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts wendet, die Klage mit dem Antrag zu 1, also hinsichtlich der geforderten höheren Sozialplanabfindung, abzuweisen. Der Berufung des Klägers war daher stattzugeben, das arbeitsgerichtliche Urteil insofern abzuändern und die Beklagte zu einem Restbetrag an Sozialplanabfindung zu verurteilen, dessen Höhe rechnerisch zwischen den Parteien nicht streitig ist.
Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 100.000,00 EUR ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 BGB und in Verbindung mit § 2 des Sozialplans vom 16.09.2016 sowie in Verbindung mit § 75 BetrVG und Art 3 GG.
1. Wenn die Sozialplanabfindung für den Kläger nach Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes dergestalt berechnet wird, dass der "frühestmögliche Renteneintritt" ohne Berücksichtigung der Schwerbehinderung Grundlage der Berechnung ist, so ergibt sich eine Sozialplanabfindung, deren Betrag höher ist als die Kappungsgrenze aus Abschnitt B § 1 Nr. 1.6 des Sozialplans. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.
2. Die durch den Sozialplan vorgenommene Beschränkung des Abfindungsanspruchs durch die Berücksichtigung des "frühestmöglichen Renteneintritts" für Schwerbehinderte ist unwirksam. Der Kläger ist daher so zu stellen, als habe er nicht die Möglichkeit, eine Rente für Schwerbehinderte zu beantragen. Die Regelung in Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes ist somit zur Herstellung der Gleichbehandlung von schwerbehinderten mit nicht schwerbehinderten Beschäftigten so zu lesen, dass für schwerbehinderte Menschen der Faktor 2 "Datum des frühestmöglichen Renteneintritts" stets dem frühestmöglichen Renteneintritt ohne Berücksichtigung einer Schwerbehinderung entspricht.
a. Entgegen der Auffassung der Beklagten und entgegen der durch die Berufung des Klägers angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts findet eine Beschränkung des Abfindungsanspruchs für Schwerbehinderte durch die Regelung in Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes nicht statt, denn sie verstößt nach der durch die erkennenden Kammer vorzunehmenden Rechtmäßigkeitskontrolle gegen das die Schwerbehinderung betreffende Diskriminierungsverbot aus § 7 AGG. Die besagte Sozialplanvorschrift verletzt damit den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG und Art 3 GG und ist deshalb insoweit unwirksam.
(1.) Sozialpläne, wie der hier streitgegenständliche, unterliegen wie alle anderen Betriebsvereinbarungen der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Das gilt auch, wenn sie durch den Spruch der Einigungsstelle zustande gekommen sind. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind (BAG v. 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - 15 ff, Juris; BAG v 09.12.2014 - 1 AZR 102/13 -). Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. Differenziert ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, hat eine damit einhergehender nachteilige Regelung die Diskriminierungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG und § 7 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Dazu gehört auch das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung. Der in § 75 Abs. 1 BetrVG enthaltene Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung richten sich im Übrigen nach den Vorschriften des AGG (BAG v. 07.06.2011 - 1 AZR 34/10 -).
(2.) Ob die Abfindungsregelung in Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes den Kläger wegen seiner Schwerbehinderung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG unmittelbar oder verdeckt unmittelbar benachteiligt, kann offen bleiben, denn in jedem Falle benachteiligt sie ihn mittelbar gemäß § 3 Abs. 2 AGG ohne dass die Benachteiligung durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt wäre.
(aa.) Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes benachteiligt den Kläger behinderungsbedingt mittelbar. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Schwerbehinderte gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Lage schwerbehinderter Arbeitnehmer mit der Lage von nichtschwerbehinderten Arbeitnehmern bei der Berechnung von Sozialplanabfindungen vergleichbar. Ebenso wie diese verliert der schwerbehinderte Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung und dem damit verbundenen Verlust seines Arbeitsplatzes seinen Anspruch auf das bisher gewährte Arbeitsentgelt. Aus dem Umstand der früheren Möglichkeit der Inanspruchnahme einer (vorzeitigen) Altersrente aufgrund seiner Schwerbehinderung folgt nicht, dass seine Situation im Zeitpunkt des Verlusts des Arbeitsplatzes eine andere als die eines nicht schwerbehinderten Arbeitnehmers ist, denn sein Arbeitsverhältnis endet aus demselben Grund und unter denselben Voraussetzungen (BAG v. 17.11. 2015 - 1 AZR 938/13 -; EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar]). Der damaligen Argumentation der Bundesregierung, die beiden Gruppen der Beschäftigten mit unterschiedlichen Renteneintrittsdaten befänden sich in objektiv verschiedenen Ausgangssituationen, hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 06.12.2012 ausdrücklich eine Absage erteilt (EuGH 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 61).
Vorliegend unterscheiden die Betriebsparteien in Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes unter den über 59 Jahre alten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern solche Beschäftigte, die zum regulären Renteneintritt ausscheiden werden, von solchen Beschäftigten, für die ein früherer Renteneintritt gelten wird. Hierbei handelt es sich um eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG, denn es ist - mit Ausnahme des pauschalen Abfindungsbetrages für Schwerbehinderte in Höhe von 1.000,00 EUR je 10 GdB - im Berechnungsweg für die Abfindung nicht von Schwerbehinderung oder einem anderen verpönten Merkmal die Rede.
Die Vorschrift ist aber geeignet, Schwerbehinderte gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen, da sie nur im Betrieb der Beklagten gilt und nur Schwerbehinderte betrifft. Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass - abstrakt betrachtet - "langjährig Versicherte, arbeitslose Arbeitnehmer, Arbeitnehmer in (Alters-)Teilzeit unter den Voraussetzungen des § 237 SGB VI, Frauen unter den Voraussetzungen des § 237a SGB VI und langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute" gleichfalls von der Regelung erfasst werden könnten. Es dürfte aber evident sein, dass "unter Tage beschäftigte Bergleute" im Betrieb der Beklagten nicht in Betracht kommen. Auch "Arbeitslose" spielen bei der Betriebsänderung keine Rolle. Hier geht es um den Verlust der Arbeitsplätze von Beschäftigten, die nach Durchführung der Betriebsänderung vielleicht arbeitslos werden, es aber zum Stichtag noch nicht sind. Im Übrigen gilt nach Abschnitt B § 2 (2) des Sozialplans der 31.03.2017 als Stichtag. Wer also vor dem 31.03.1950 geboren wurde, hatte am Stichtag sein 67. Lebensjahr bereits vollendet. Die Altersrente für Frauen nach § 237 a SGB VI ("vor dem 1. Januar 1952 geboren ...") kommt rein statistisch nur noch für wenige in Betracht. Auch die Voraussetzungen des § 237 SGB VI (Altersrente nach Altersteilzeitarbeit) dürften von den Beschäftigten der Beklagten am Stichtag nicht erfüllbar gewesen sein. So bleiben nur die langjährig Versicherten, über die im Betrieb der Beklagten aber nichts bekannt oder vorgetragen wurde. Schließlich kann dies alles dahin stehen, weil die Darlegung des Klägers in der Berufungsbegründung, die Regelung des Sozialplans zum "frühestmöglichen Renteneintritt" betreffe im Betrieb der Beklagten nur und ausschließlich Schwerbehinderte, von der Beklagten nicht bestritten wurde. Sie gilt daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Der zur Beschränkung der Abfindung führende Grund liegt folglich allein in einer solchen Verrentungsmöglichkeit, die der Kläger nur aufgrund seiner Schwerbehinderung beanspruchen kann.
Bei der Behinderung, worunter die Schwerbehinderung fällt, handelt es sich um ein in § 1 AGG genanntes verpöntes Merkmal. Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes betrifft damit ausschließlich Träger dieses Diskriminierungsmerkmals. Der Grund für die Ungleichbehandlung bei dem Anspruch auf Abfindung steht folglich in einem untrennbaren Zusammenhang mit einer nach § 1 AGG verbotenen Differenzierung wegen einer Behinderung.
Für diese Benachteiligung fehlt es an einem zulässigen Differenzierungsgrund. Es kann bei der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes weder von einer positiven Maßnahme im Sinne des § 5 AGG noch von einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung unter den in §§ 8 bis 10 AGG genannten Voraussetzungen ausgegangen werden.
(bb) Die mittelbare Benachteiligung ist nicht durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt. Der recht weite Begriff der mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG wird auf der zweiten Stufe eingeschränkt: Eine mittelbare Benachteiligung liegt nicht vor, wenn ein sachlicher Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigt und die eingesetzten Mittel erforderlich und angemessen sind. Verlangt wird demnach eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, deren Intensität letztlich für die Wirksamkeit des Verbots maßgeblich ist (so die amtliche Begründung BT-Drucks. 16/1780, 33). Die Anforderungen an eine Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung sind im Übrigen nicht höher als diejenigen an die Rechtfertigung einer unmittelbaren Diskriminierung (BAG, 26.5.2009 - 1 AZR 198/08; Wascher in: Nomos-BR/Ernst/Braunroth/Franke/Wascher AGG AGG §?3 Rn. 8). In diesem Punkt übernimmt das deutsche Recht die parallelen Vorschriften der Antidiskriminierungsrichtlinien wörtlich (vgl. Art 2 Abs. 2 b der Richtlinie 2000/78). Soweit es um die Prüfung einer mittelbaren Diskriminierung durch den Arbeitgeber geht, hat der EuGH in der grundlegenden Entscheidung Bilka (EuGH 170/84, Slg. 1986, 1607 - Bilka) die für die Bewertung einer mittelbaren Diskriminierung zentralen Prüfungsschritte wie folgt festgelegt: Trotz vorliegender Benachteiligung soll es sich nicht um eine unzulässige mittelbare Diskriminierung handeln, wenn eine Regelung oder Maßnahme auf Faktoren beruht, die objektiv gerechtfertigt sind und nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verpönten Merkmals zu tun haben. Um dies beantworten zu können, muss danach gefragt werden, ob (1.) ein objektiver Rechtfertigungsgrund vom Arbeitgeber in Anspruch genommen werden kann, was der Fall ist, wenn die Regelung einem legitimen Bedürfnis oder Ziel des Unternehmens entspricht, (2.) das gewählte Mittel zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist und (3.) das gewählte Mittel erforderlich ist, insbesondere also keine andere Alternative zur Verfügung steht, die nicht oder weniger stark eine diskriminierende Wirkung hat (BeckOK BGB/Fuchs/Baumgärtner AGG § 3 Rn. 8, 9). Das Bundesarbeitsgericht hat auf diese Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH in einem Fall der unmittelbaren Diskriminierung Bezug genommen (BAG v. 17.11.2015 - 1 AZR 938/13). Wird ein wirtschaftlicher Grund als objektives Ziel angeführt, kommt nur ein objektiv gerechtfertigter wirtschaftlicher Grund in Frage. Der für die Ungleichbehandlung angeführte Grund muss einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen. Bei einer tarifvertraglichen Regelung ist bei der Prüfung der Angemessenheit die aus der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie resultierende Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zu beachten (BAG v. 09.12.2015 - 4 AZR 684/12 -). Ähnliches dürfte wegen § 76 Abs. 5 Satz 3 und 4 BetrVG für den Spruch der Einigungsstelle gelten.
Nach den vorgenannten Grundsätzen, kann zu Gunsten der Beklagten auf der ersten Stufe noch von einem objektiven Grund ausgegangen werden und auf der zweiten Stufe von der Geeignetheit der Regelung. Es fehlt aber an der Erforderlichkeit der Differenzierung. Auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kommt es dann nicht mehr an.
Als Tatsache, die die erste Prüfungsstufe, "objektiver Rechtfertigungsgrund als legitimes Bedürfnis oder Ziel des Unternehmens" begründen kann, nennt die Beklagte die "Überbrückungsfunktion der Sozialplanabfindung". Die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten sei also durch den den Schwerbehinderten durch das Rentenrecht gewährten Vorteil gerechtfertigt, der darin bestehe, dass sie ab einem Alter, das um mehrere Jahre niedriger sei als bei nichtbehinderten Arbeitnehmern, eine Altersrente in Anspruch nehmen könnten. Mit den Argumenten des EuGH (EuGH v. 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 67 ff) ist dieser Vorteil aber keine anerkennenswerte Tatsache objektiver Rechtfertigung. Eine Diskriminierung rechtfertigen können nur objektive Faktoren, die nichts mit gerade dieser Diskriminierung zu tun haben (der 4. Senat des BAG nimmt dies mit einer etwas anderen Konnotation auf: "...nicht seinerseits diskriminierend und im Übrigen legal...": BAG v. 09.12. 2015 - 4 AZR 684/12 - Rn. 29). Die Möglichkeit eines früheren Renteneintritts für Behinderte hat aber gerade den Ausgleich der Nachteile für Behinderte als Motiv seiner Regelung. Würde dieser Zirkelschluss zugelassen, so würde die praktische Wirkung der gesetzlichen Regelung, nämlich das frühere Renteneintrittsdatum als Ausgleich für die Benachteiligung, beeinträchtigt (EuGH v. 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 67) mit weiteren Nachweisen zur diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH). Auf dieser ersten Prüfungsstufe des objektiven Rechtfertigungsgrundes kann aber zu Gunsten der Beklagten ein anderes legitimes Ziel angenommen werden, nämlich das, die begrenzten finanziellen Mittel eines Sozialplans so zu verteilen, dass die Verteilung aus dem Blickwinkel der Betroffenen als gerecht erscheint und dabei die zukünftige Existenzsicherung der Beschäftigten durch Dritte berücksichtigt wird.
Die zweite Prüfungsstufe, auf der die Geeignetheit der Maßnahme in Frage steht, kann mit den objektiven Tatsachen im zuletzt angenommenen Sinne mit der Beklagten ebenfalls noch überschritten werden. Die abstrakte Berücksichtigung von Rentennähe, also der Existenzsicherung durch Dritte, ist grundsätzlich geeignet, eine gerechte Aufrechterhaltung des Lebensstandards nach dem Arbeitsplatzverlust zu gewährleisten.
Die Unwirksamkeit der Regelung ergibt sich aber auf der dritten Prüfungsstufe: Das gewählte Mittel ist nicht erforderlich. Insbesondere standen zur Herstellung der angestrebten gerechten Verteilung der begrenzten Sozialplanmittel Alternativen zur Verfügung, die nicht oder weniger stark eine diskriminierende Wirkung gehabt hätten. Spätestens an dieser Stelle ist die oben auf der ersten Prüfungsstufe dargestellte Argumentation des EuGH zu berücksichtigen, der zufolge eine gesetzliche Regelung zum Ausgleich einer Benachteiligung kein Grund für eine betriebliche Benachteiligung sein kann, um den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nicht zu entwerten. Es war zur Erreichung des Ziels einer von den Betroffenen als gerecht empfundenen Existenzsicherung in der Zukunft nicht erforderlich, dem Kläger die streitgegenständlichen gut 60.000,00 EUR und damit 3/5 der den ansonsten vergleichbaren nichtbehinderten Arbeitnehmern zustehende Abfindung vorzuenthalten. Eine Alternative, die eine weniger stark diskriminierende Wirkung gehabt hätte, wäre bei einem gleich hohen Gesamtbetrag eine insgesamt abgesenkte Sozialplanleistung gewesen. Den schlicht datumsmäßig erfassten frühestmöglichen Renteneintritt für Schwerbehinderte der Berechnung zu Grunde zu legen, berücksichtigt die besondere Situation des älteren Schwerbehinderten nicht (in den sinngemäßen Worten des EuGH v. 06.12.2012 - C-152/11 - [Odar], Rn. 69):
- Die Rente der Schwerbehinderten ist wegen des früheren Renteneintritts in der Regel geringer, als die Rente derjenigen, die erst mit dem regulären Renteneintritt in den Ruhestand wechseln;
- die behinderten Arbeitnehmer haben im Allgemeinen höhere Schwierigkeiten, als nichtbehinderte Arbeitnehmer, sich wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und sei es auch nur im Bereich der geringfügigen Beschäftigung;
- diese Schwierigkeit steigt, je näher die behinderten Arbeitnehmer dem Rentenalter sind;
- die behinderten Arbeitnehmer haben spezifische Bedürfnisse sowohl im Zusammenhang mit dem Schutz, den ihr Zustand erfordert, als auch im Zusammenhang mit der Notwendigkeit dessen mögliche Verschlechterung entgegenzuwirken;
- Schwerbehinderten sind der Notwendigkeit finanzieller Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Behinderung ausgesetzt;
- die finanzielle Belastung steigt in der Regel mit dem Lebensalter.
Angesichts all dieser genannten Nachteile ist es nach Überzeugung der erkennenden Kammer und nach der Wertung des § 1 AGG und des § 7 AGG zur Erreichung der als gerecht empfundenen Verteilung keinesfalls erforderlich dem behinderten Arbeitnehmer weniger als die Hälfte der Abfindung zu gewähren, die ihm als nicht behinderter Mensch zustünde. Angesichts der genannten Nachteile ist es vielmehr naheliegend und deshalb erforderlich, dem Behinderten bei der Bemühung um solch ein "gerechtes" Ergebnis trotz der Möglichkeit eines früheren Renteneintritts die gleichen Sozialplanleistungen zu gewähren, wie den Nichtbehinderten.
Da die Wirksamkeit der Sozialplanregelung bereits auf der Prüfungsstufe der Erforderlichkeit scheitert, kommt es auf die Frage der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht mehr an. Unerheblich ist damit auch die Notwendigkeit, die besondere Gestaltungsbefugnis der Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 5 Satz 3 und 4 BetrVG zu berücksichtigen, denn diese findet ihren möglicherweise präjudiziellen Niederschlag im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.
b. Rechtsfolge der unzulässigen Ungleichbehandlung ist, dass der Kläger verlangen kann, wie ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer behandelt zu werden (vgl. BAG 12.11. 2013 - 9 AZR 484/12 - Rn. 11; BAG v. 19.02.2008 - 1 AZR 1004/06 - Rn. 23, 39 ff; BAG v. 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - Rn. 34). Die Regelung in Abschnitt B § 1 Nr. 1.2.1 des Sozialplanes ist somit zur Herstellung der Gleichbehandlung von schwerbehinderten mit nicht schwerbehinderten Beschäftigten so zu lesen, dass für schwerbehinderte Menschen der Faktor 2 "Datum des frühestmöglichen Renteneintritts" stets dem frühestmöglichen Renteneintritt ohne Behinderung entspricht.
III. Als nunmehr vollständig unterliegende Partei - abgesehen von einem geringfügigen Rest, dem Klageantrag zu 3, der betragsmäßig nicht ins Gewicht fällt - ist die Beklagte nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 92 ZPO verpflichtet, die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision war mit Blick auf die dem Kläger zugesprochene zusätzliche Abfindung zuzulassen, da die mittelbare Ungleichbehandlung Schwerbehinderter durch eine Sozialplanregelung, die auf den frühestmöglichen Rentenbeginn abstellt, gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt: Kann eine nur mittelbare Benachteiligung von Schwerbehinderten durch die Regelungen eines Einigungsstellenspruches zum Abschluss eines Sozialplans gerechtfertigt werden mit dem Zweck dieses Sozialplans, die Nachteile der Betroffenen nur für die Zeit bis zum nächsten Arbeitsverhältnis bzw. bis zum frühestmöglichen Renteneintritt zu mildern? Diese Frage wurde bereits vom 1. Senat in der Entscheidung vom 17.11.2015 - 1 AZR 938/13 - sinngemäß verneint, allerdings für den Fall eines Sozialplans, der ausdrücklich Schwerbehinderte von der Abfindungsregelung ausnahm und damit unmittelbar diskriminierend wirkte. Im hier vorliegenden Fall ist ein ausdrücklich geregelter "Systemwechsel" wie in der zitierten Entscheidung des 1. Senats nicht im Sozialplan vorgesehen.