26.02.2015 · IWW-Abrufnummer 175120
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 09.12.2014 – 6 Sa 436/14
In dem Rechtsstreit
C, C-Straße, C-Stadt
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte D., D-Straße, S-Stadt
gegen
A., A-Straße, A-Stadt
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2014 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Friedrichs als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter Murr und die ehrenamtliche Richterin Mathes als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. Mai 2014 - 3 Ca 369/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen und um die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der bei Kündigungsausspruch 52-jährige, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 01. Juli 1990 hauptberuflich beim Beklagten als Rettungsassistent beschäftigt, zuletzt zu einer durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung von 3.200,00 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag ASB (im Folgenden: MTV ASB) Anwendung, ausweislich dessen § 40 Abs. 4 der Kläger ordentlich nicht kündbar ist.
Der Beklagte, eine große in Orts- und Kreisverbände gegliederte Wohltätigkeitsorganisation, erbringt als hoheitliche Aufgabe auf der Grundlage des Rettungsdienstgesetzes Rheinland-Pfalz und des Landesrettungsdienstplans RheinlandPfalz (LRettDP RP) im Kreisverband K Dienstleistungen für Menschen ua. im Rettungsdienst. Der Rettungsdienst wird über die Rettungsleitstelle disponiert. Für Einsätze im Rettungsdienst unterhält der Beklagte beim Kreisverband K entsprechend C IV 1 LRettDP RP folgende Krankenkraftwagen als bodengebundene Rettungsmittel: Rettungstransportkrankenwagen (RTW), Krankentransportwagen (KTW) und Notfallkrankenwagen (im Folgenden: NKTW). Grundsätzlich in der Notfallrettung einzusetzende RTW sind für den Transport, die erweiterte Behandlung und Überwachung von Patienten konstruiert und ausgerüstet (C IV 1.1.1. LRettDP RP). Bei Notfallkrankenwagen handelt es sich um zur Schaffung einer Redundanzebene für die Vorhaltung der Notfallrettung höherwertig ausgestattete und personell höherwertig besetzte Krankentransportwagen (KTW) mit der Besetzung eines Fahrers (wie KTW) und eines Rettungsassistenten als Beifahrer; sie sind uneingeschränkt zum Krankentransport einsetzbar und können im Ausnahmefall -zur Verkürzung der Eintreffzeit - auch im Notfalltransport eingesetzt werden (C IV 1.1.2. LRettDP RP). Für Krankentransporte sind gemäß C IV 1.1.3. LRettDP RP KTW einzusetzen. Krankentransporte sind nach dem LRettDP RP unter Berücksichtigung der Belange einer effizienten Routenplanung zu disponieren.
Die Einsatzleitstelle erteilte dem Kläger am 21. März 2013 nach Eingang eines Notrufs einen Einsatzauftrag für den Transport eines verunfallten Patienten mit Kopfverletzung. Der Kläger wies den Leitstellendisponenten darauf hin, dass es sich beim verunfallten Patienten um einen ihm bekannten "Krampfer" (dh. einen Patienten mit Krampfanfallsleiden, zB Epilepsie) handele und somit ein Notfall vorliege. Daraufhin teilte die Einsatzleitstelle dem Kläger mit, er solle dann eben "mit", dh. unter Verwendung von Sonderrechten beim Einsatz des NKTW, fahren. Der Kläger erklärte gegenüber dem Disponenten der Leitstelle, das mache er nicht, dann solle der Disponent einen RTW schicken, er fahre jetzt normal zum Auftragsort oder gar nicht. In der Folge führte der Kläger, in dessen Zuständigkeitsbereich die Fahrt mit dem RTW nicht gefallen wäre, den Einsatzauftrag ohne Verwendung von Sonderrechten aus und traf eine Minute vor Ablauf der gesetzlichen Hilfeleistungsfrist am Notfallort ein.
Der Beklagte erteilte dem Kläger nach Anhörung unter dem 10. Mai 2013 wegen des Vorfalls vom 21. März 2013 eine Abmahnung, wegen deren konkreter Formulierung auf Bl. 48 und 49 der Akte verwiesen wird. Der Kläger erhob unter dem Aktenzeichen 2 Ca 1235/13 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat am 23. Januar 2014 Klage abweisendes Urteil verkündet. Die hiergegen gerichtete Berufung - Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - 6 Sa 161/14 - hat der Kläger nach Beweisaufnahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2014 zurückgenommen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
Unter dem 13. Februar 2014 richtete eine Kollegin des Klägers, die Rettungsassistentin M, ein Schreiben an die Beklagte, in dem sie sich darüber beklagte, dass in letzter Zeit eine korrekte Einsatzabwicklung mit dem Kläger kaum noch möglich sei und schilderte verschiedene Begebenheiten aus ihrer Sicht. Die Zeugin M warf dem Kläger ua. vor, er habe am 26. Dezember 2013 die Absicht gehabt, die bei der Beklagten gültigen sog. Standard Operating Procedures (SOP) nicht zu beachten, nach denen die Verpflichtung besteht, Patienten nach der Durchführung sog. "erweiterter Versorgungsmaßnahmen" - dh. bei Vornahme eigentlich ärztlicher Maßnahmen im Notfall durch Rettungsassistenten - im Anschluss einem Arzt vorzustellen; nur durch ihre Intervention sei die betroffene Patientin, der wegen eines akuten Asthmaanfalls Medikamente verabreicht worden waren, zu einem Arzt verbracht worden; der Kläger habe hingegen zuvor die Auffassung vertreten, wegen des verbesserten Gesundheitszustandes könne die Patientin ihre ca. einstündige Heimfahrt ohne weiteres im Privat-PKW antreten. Weiter teilte die Zeugin M mit, der Kläger habe sich am 12. Februar 2014 anlässlich der Verlegungsfahrt eines Patienten mit fraglichem Hintergrund bezüglich einer MRSA-Infektion (Methicillin-resistenter Staphylococcus Aureus) geweigert, die einschlägigen Vorschriften des "Rahmenhygieneplan Notfallrettung und Krankentransport Rheinland-Pfalz" einzuhalten; am gleichen Tag habe der Kläger gegen die bestehende Anweisung, den im Winter täglich außen zu säubernden KTW zu waschen, verstoßen und den KTW nicht verschlossen, obwohl es die Anweisung (vgl. Bl. 92 d. A.) gebe, diesen bei jedem Verlassen zu verschließen. Die Zeugin beklagte weiter, der Kläger habe sich am 25. und 26. Dezember 2013 geweigert, sog. RTW-Scheine auszustellen; ebenso habe er sich am 26. Dezember 2013 geweigert, nach Durchführung erweiterter Versorgungsmaßnahmen ein EMF (Einsatzmeldeformular) zu erstellen mit der Begründung, er habe die nie erstellt. Gleichermaßen habe der Kläger sich am 12. Februar 2014 geweigert, ein sog. DIVI-Protokoll vollständig auszufüllen und erklärt, es lese ohnehin kein Mensch die KTW-Protokolle. Wegen der Einzelheiten des Anschreibens der Zeugin M wird auf Bl. 59 f. d. A. Bezug genommen. Wann die Beklagte Kenntnis von den überwiegend vom Kläger bestrittenen Vorfällen erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Beklagte hörte den Kläger zu den Vorfällen am 18. Februar 2014 an. Wegen des Inhalts des von der Beklagten gefertigten Anhörungsprotokolls wird auf Bl. 61 d. A. Bezug genommen.
Im Januar 2014 ging ein unter dem 14. Januar 2014 datiertes anonymes Schreiben bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern ein, in dem der Beklagte beschuldigt wurde, als gemeinnützige Hilfsorganisation Steuern- und Sozialabgaben zu hinterziehen. ZDF und SWR wurden anonym informiert und dem Vorstand des ASB Kreisverbandes K wurde die anonyme Strafanzeige mit einem am 31. Januar 2014 abgestempeltem Brief zugestellt. Zudem erhielten die städtische Berufsfeuerwehr K und der Malteser Hilfsdienst eine Abschrift der anonymen Anzeige.
Der Beklagte beauftragte wegen der zeitlichen Nähe zum Kammertermin vom 23. Januar 2014 im wegen der Abmahnung vom 10. Mai 2013 vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern geführten Rechtsstreit 2 Ca 1235/13 und weil er zuvor mehrere Beschwerdeschreiben des Klägers erhalten hatte, ein urkundentechnisches Gutachten zur Ermittlung der Urheberschaft des anonymen Schreibens. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens vom 18. Februar 2014 wird auf Bl. 96 ff. d. A. Bezug genommen.
Am 24. Februar 2014 hörte der Beklagte den Kläger zu den Vorgängen um das anonyme Schreiben an. Der Kläger verneinte, Verfasser/Urheber des Schreibens zu sein. Wegen der Einzelheiten des vom Beklagten erstellten Anhörungsprotokolls wird auf Bl. 101 f. d. A. verwiesen.
Nach im Einzelnen streitiger Anhörung des Betriebsrates kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis jeweils außerordentlich und fristlos mit Schreiben vom 25. Februar 2014 wegen beharrlichen Widersetzens gegen klar bestehende Vorgaben und Weisungen und mit Schreiben vom 28. Februar 2014 vorsorglich erneut wegen des dringenden Verdachts, das an die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern gerichtete anonyme Schreiben an den Malteser Hilfsdienst übermittelt zu haben.
Der Kläger hat am 07. März 2014 Klage Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhoben und zuletzt auch seine Weiterbeschäftigung verlangt.
Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Kündigung vom 25. Februar 2014 sei nicht wegen der Vorwürfe der nur zeitweise als Praktikantin beim Beklagten beschäftigten und von seinem Ausscheiden objektiv profitierenden Kollegin M gerechtfertigt, es liege keine Arbeitsverweigerung vor. Er halte die SOPs ein und nicht er, sondern die betroffene Patientin selbst habe am 26. Dezember 2013 die Notwendigkeit in Frage gestellt, einem Arzt vorgestellt zu werden. Auf seine Empfehlung und die der Kollegin M sei sie dann letztlich doch vorgestellt worden. Beim Verlegungstransport vom 12. Februar 2014 habe keine gesicherte MRSA-Infektion bestanden, die Rettungsleitstelle und die Besetzung des zunächst eingesetzten KTW hätten das Gegenteil mitgeteilt. In der Tat habe er am 12. Februar 2014 keine Veranlassung gesehen, das wegen einer Reinigung am Vortag saubere Fahrzeug zu waschen. Das Nichtabschließen des Fahrzeuges stelle einen isolierten Vorfall dar, er habe die Zeitverzögerung nicht in Kauf nehmen wollen, zumal der Ehemann der Patientin am Fahrzeug verblieben sei, während man noch den Rollstuhl geholt habe. Er habe sich nicht grundsätzlich geweigert, RTW-Scheine auszufüllen, sondern fülle diese aus, wenn die Voraussetzungen vorlägen. Ein EMF sei am 26. Dezember 2013 nicht auszufüllen gewesen, richtig sei allerdings, dass er wie eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer auch, nicht in der Lage sei, das erforderliche - häufig nicht funktionierende - Computerprogramm zu bedienen. Ein DIVI-Protokoll sei mangels Rettungsdienstes beim bloßen Krankentransport am12. Februar 2014 nicht zu erstellen gewesen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, hinsichtlich der Kündigung vom 28. Februar 2014 gebe es keine hinreichenden Verdachtsmomente für ein Fehlverhalten, er habe keine anonymen Schreiben verfasst oder abgeschickt oder veranlasst. Der Kläger hat hinsichtlich beider Kündigungen die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ger ügt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
Der Beklagte hat beantragt,
Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Kündigung vom 25. Februar 2014 sei gerechtfertigt, weil der Kläger sich die Abmahnung vom 10. Mai 2013 nicht habe zur Warnung gereichen lassen, sondern sich auch weiterhin bewusst und nachhaltig weigere, Anweisungen Folge zu leisten und seine Entscheidungen über staatliche Anordnungen im Rettungsdienst als auch über konkrete Arbeitsanweisungen des Beklagten stelle. Der Beklagte hat im Einzelnen zu den Vorwürfen der Zeugin M im Schreiben vom 13. Februar 2014 näher ausgeführt. Des Weiteren hat er die Auffassung vertreten, angesichts des zeitlichen Zusammenhangs der anonymen Schreiben mit dem Kammertermin im Abmahnungsprozess und den näher erläuterten Beschwerdeschreiben des Klägers und aufgrund der Feststellung des Gutachters, die seltene und auffällige Öko-Papierqualität der klägerischen Schreiben sei übereinstimmend mit dem anonymen Schreiben, bestehe der dringende Verdacht, dass der Kläger die (falschen) Betriebsinterna der Presse, einem Konkurrenzunternehmen und weiteren Außenstehenden mitgeteilt habe, um das Ansehen des Beklagten zu beeinträchtigen. Der Betriebsrat sei zu beiden Kündigungen aus im Einzelnen dargestellten Gründen ordnungsgemäß angehört worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 22. Mai 2014, wegen dessen Tatbestand auf Bl. 126 bis 130 d. A. verwiesen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 25. Februar 2014 sei unwirksam, da es an einer einschlägigen Abmahnung fehle. Die Abmahnung (gemeint: wegen des Vorfalls) vom 21. März 2013 sei erteilt worden, weil der Kläger einer Weisung der Einsatzleitstelle nicht Folge geleistet habe, während es bei den Kündigungsvorwürfen um arbeitgeberseitige Weisungen im Rahmen des Direktionsrechts gegangen sei. Auch die Kündigung vom 25. Februar 2014 (gemeint: 28. Februar 2014) könne keinen Bestand haben, da kein dringender Tatverdacht bestehe, dass der Kläger Urheber des Schreibens sei. Der zeitliche Zusammenhang zum Kammertermin könne allenfalls ein Indiz sein, aber auch jeder Dritte hätte zufällig zum selben Zeitpunkt die Anzeige erstatten können. Auch das vom Beklagten vorgelegte urkundentechnische Gutachten ergebe keinen dringenden Tatverdacht: Nach den Bekundungen des Gutachters seien weder aufgrund der elektrostatischen Untersuchung, noch infolge drucktechnischer Sichtung ein Hinweis auf den Anonymus oder Herstellungszusammenhänge feststellbar gewesen. Soweit der Gutachter davon ausgehe, dass sowohl das vom Kläger verwendete, als auch das Papier des anonymen Schreibens "ein durchaus auffälliges" Papier sei und sich hieraus "durchaus ein Hinweis auf den anonymen Schreiber ableiten" lasse, fehle es diesen nebulösen Andeutungen an Substanz. Wenn es sich lediglich um "Umweltpapier" gehandelt habe, sei nicht ersichtlich, warum dieses nicht überall vom Kläger oder dem anonymen Schreiber hätte bezogen werden können. Der Beklagte sei zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 130 bis 137 d. A. verwiesen.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 02. Juli 2014 zugestellte Urteil mit am 23. Juli 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 16. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.
Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 16. September 2014 (Bl. 160 ff. A.) und seines Schriftsatzes vom 04. Dezember 2014 (Bl. 213 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
der Kläger habe sich in acht erneut dargelegten Fällen der beharrlichen Arbeitsverweigerung schuldig gemacht. Hinsichtlich der erweiterten Maßnahmen bei der Asthma-Patientin habe der Kläger noch im Anhörungsgespräch vom 18. Februar 2014 erklärt, man könne nicht immer vom Schlimmsten ausgehen, wenn man nichts gemacht hätte, wäre auch nichts passiert. Bei der Verlegungsfahrt des MRSA-Patienten sei - auch wenn möglicherweise das Pflegeheim etwas anderes mitgeteilt habe - jedenfalls laut Einsatzbericht der Rettungsleitstelle (Bl. 219 d. A.) von einer MRSA-Infektion auszugehen gewesen. Auch die Anweisungen zum Abschließen des Fahrzeuges und dessen täglicher Reinigung im Winter, des Ausfüllens von RTW-Scheinen bei Einsatz eines NKTW und der DIVI-Protokolle befolge der Kläger nicht, weil er sie inhaltlich für falsch halte. Mit seiner Einlassung, er sei nicht in der Lage, Einsatzmeldeformulare auszufüllen, könne er angesichts zahlreicher Fortbildungen im Rahmen der FRRP nicht gehört werden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe es einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung vom 25. Februar 2014 nicht bedurft, weil eine Verhaltensänderung des Klägers angesichts der erneut dargestellten acht Fälle beharrlicher Arbeitsverweigerung in Zukunft nicht zu erwarten stehe, was durch die nach Berufungsrücknahme des Klägers rechtskräftig wirksame Abmahnung vom 10. Mai 2013 und das Personalgespräch im Vorfeld bewiesen werde. Allen Vorfällen liege stets zugrunde, dass der Kläger seine eigene Auffassung über die Durchführung eines "richtigen" Rettungsdienstes den Vorgaben anderer vorgezogen habe. Hierbei spiele es entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Ansicht keine Rolle, ob es sich um Vorgaben des weisungsberechtigten Arbeitgebers oder des weisungsberechtigten Leitstellendisponenten oder des weisungsberechtigten Leiters des ärztlichen Rettungsdienstes Rheinland-Pfalz - niedergelegt in den SOPs - handele. Das Arbeitsgericht verkenne auch den Begriff der Einschlägigkeit der Abmahnung, da der erforderliche innere Zusammenhang zwischen abgemahntem Verhalten und den Kündigungsvorwürfen gegeben sei. Angesichts der Beharrlichkeit des Klägers und der Tatsache, dass ihre Zuverlässigkeit als Unternehmen des Sanitätsdienstes gegenüber dem kommunalen Träger gefährdet sei, müsse auch die Interessenabwägung zu Lasten des Klägers ausgehen. Hinsichtlich der Kündigung vom 28. Februar 2014 verkenne das Arbeitsgericht den Begriff des erforderlichen Verdachts im Rahmen der Verdachtskündigung.
Der Beklagte beantragt zuletzt,
Der Kläger beantragt,
Der Kläger verteidigt das vom Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 20. November 2014, auf die Bezug genommen wird (Bl. 205 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,
der Kündigung vom 25. Februar 2014 fehle es an einer einschlägigen Abmahnung. Es fehle an einem inneren Zusammenhang, da es für den vom Beklagten konstruierten vermeintlichen inneren Zusammenhang, der Kläger sei notorisch uneinsichtig, keinen sachlichen Ansatz gebe. Dass er nicht beharrlich darauf aus, sei, sich Anweisungen oä. hinwegzusetzen, wenn er sie für unrichtig halte, zeige schon der Umstand, dass er seit 1990 vollschichtig beim Beklagten im Einsatz sei, zuvor bereits rund 10 Jahre in verschiedenen Funktionen, teilweise unentgeltlich für den Kreisverband K, und ihm erstmals und einzig am 10. Mai 2013 eine Abmahnung ausgesprochen worden sei. Sämtliche Vorwürfe der Beklagten beträfen allenfalls eine Schlechtleistung, da es einen wesentlichen Unterschied mache, ob ein Arbeitnehmer sich einer konkreten Aufforderung im Einzelfall widersetze oder sich möglicherweise nicht peinlich an allgemein bestehende Arbeitsanweisungen halte, wobei sich möglicherweise in Bezug auf das Reinigen des Fahrzeuges oder dessen Abschließen allgemein eine gewisse Nachlässigkeit eingestellt habe. Wolle der Arbeitgeber - berechtigt - wieder zur strikten Einhaltung der Anweisungen zurückkehren, könne er - selbst wenn man die Vorfälle als zutreffend unterstelle - ohne Abmahnung nicht sofort zur (auch noch fristlosen) Kündigung greifen. Jedenfalls sei vor dem Hintergrund des Ultima-Ratio-Prinzips auch bei tatsächlicher Abmahnung eine nochmalige Abmahnung erforderlich gewesen, zumal ein Einsatzteam immer aus zwei gleichberechtigten Mitgliedern bestehe. Nachdem der Kläger in der Berufungserwiderung zunächst vorgetragen hatte, (allein) die beiden Vorgänge des Nichtreinigens des Fahrzeuges und das Nichtabschließen der Einsatzfahrzeuge seien unstreitig, hat er in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 09. Dezember 2014 - vom Beklagten als verspätet gerügt - einen Aushang Rettungswache vom 17. Dezember 2010 hinsichtlich einer Dienstanweisung zur "witterungsbedingten" Reinigung in Kopie zur Akte gereicht (Bl. 227 d. A.), der nach seiner Auffassung belegen solle, dass es keine eindeutige Anweisung zur täglichen Reinigung der Fahrzeuge gegeben habe. Auch die weitere Kündigung sei - wie vom Arbeitsgericht zutreffend gesehen - mangels ausreichenden Verdachtes unwirksam.
Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 02. Juli 2014 mit am 23. Juli 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. Juli 2014 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 16. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).
II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten ausgesprochenen Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet haben und dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Weiterbeschäftigung zusteht.
1. Die gemäß §§ 4 Satz 1, 5, 7, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG, 256 Abs. 1 ZPO zulässige Kündigungsschutzklage ist auch in der Sache erfolgreich. Weder die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. Februar 2014, noch die außerordentliche Kündigung vom 28. Februar 2014 hat das Arbeitsverhältnis des nach § 40 Abs. 4 MTV ASB ordentlich unkündbaren Klägers zum Beklagten beendet, da ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB jeweils nicht vorgelegen hat.
1.1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, jeweils zitiert nach [...]).
1.2. Die Kündigung vom 25. Februar 2014 beruht nicht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.
1.2.1. Es kann offen bleiben, ob das Verhalten des Klägers "an sich" eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.
a) Der Kläger hat sich arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen schuldig gemacht.
aa) Er hat am 12. Februar 2014 gegen die Anweisung des Leiters Rettungsdienst vom 21. Dezember 2011 (Bl. 92 d. A.), wegen des vermehrten Verschwindens von Gegenständen alle Fahrzeuge ua. an der Einsatzstelle zu verschließen, versto ßen. Jedenfalls nach seiner Einlassung im Anhörungstermin vom 18. Februar 2014, er kenne die Anweisung, halte ein Abschließen allerdings für nicht notwendig, wenn "noch fünf Autos mit hundert Leuten drum herum stehen", ist davon auszugehen, dass der Kläger sich über die Anweisung bewusst hinweg gesetzt hat, weil er sie in derartigen Fällen für nicht nachvollziehbar hält. Dementsprechend hat der Kläger sich auch im vorliegenden Prozess dahingehend eingelassen, das Fahrzeug nicht abgeschlossen zu haben, da der Ehemann der Patientin während Restarbeiten des Einsatzteams am KTW verblieben sei. Damit liegt eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vor. Es obliegt nicht dem Kläger, - vorliegend aus Sicherheitsgründen ergangene - Qualitätssicherungssicherungsmaßnahmen des Beklagten eigenmächtig in Frage zu stellen und infolgedessen zu missachten.
bb) Weiter hat der Kläger am 12. Februar 2014 gegen die Dienstanweisung des Beklagten verstoßen, im Winter die Einsatzfahrzeuge täglich zu waschen. Die Berufungskammer geht vom Bestand einer derartigen Anweisung aus, was der Kläger weder im Rahmen seiner Anhörung vom 18. Februar 2014 noch im Rechtsstreit bis zur mündlichen Verhandlung vom 09. Dezember 2014 vor der Berufungskammer bestritten hat. Der von ihm zuletzt vorgelegte Aushang Rettungswache vom 17. Dezember 2010 (Bl. 227 d. A.) ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht geeignet, die Anweisung zur täglichen Fahrzeugwäsche im Winter in Frage zu stellen. Soweit dort die Rede davon ist, die Fahrzeuge müssten "witterungsbedingt" gereinigt werden, rechtfertigt dies nicht zwangsläufig den Schluss, nur bei Verschmutzung müsse die Reinigung erfolgen. Dass eine tägliche Reinigung angewiesen war, zeigt vielmehr die Empfehlung einer "abendlichen" Reinigung von außen ohne Hinweis auf konkrete Erforderlichkeit. Es bedarf daher keiner Beurteilung, ob der zu diesem Punkt unvermittelt wechselnde Vortrag des Klägers bei anderer Betrachtung wegen Widersprüchlichkeit unbeachtlich oder aber als verspätet zurückzuweisen gewesen wäre. Der Kläger hat sich unstreitig geweigert, den Dienstwagen am 12. Februar 2014 zu waschen, weil das Fahrzeug nach seiner Ansicht sauber war. Es gilt auch hier das zum Abschließen des Fahrzeugs bereits Dargelegte.
b) Die Berufungskammer lässt dahinstehen, ob dem Kläger - wie der Beklagte meint - weitere Vertragsverstöße und eine an sich zur außerordentlichen Kündigung berechtigende beharrliche Arbeitsverweigerung vorzuwerfen sind. Ein Arbeitnehmer verweigert die angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 23. Mai 2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 39; 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 15; jeweils zitiert nach [...]). Ob diese Grenze vorliegend - auch wenn man sämtliche vom Beklagten herangezogenen Kündigungsvorwürfe zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellt - überschritten ist, bedarf keiner Entscheidung.
1.2.2. Die außerordentliche Kündigung vom 25. Februar 2014 ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht gerechtfertigt.
a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34; jeweils zitiert nach [...]). Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -Rn. 34, 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; jeweils zitiert nach [...]). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO, 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, zitiert nach [...]; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).
b) Das vom Beklagten behauptete Fehlverhalten des Klägers rechtfertigt - auch wenn man die Vorwürfe insgesamt als gerechtfertigt unterstellt - trotz der dem Kläger unter dem 10. Mai 2013 erteilten Abmahnung keine negative Prognose hinsichtlich des künftig vom Kläger zu erwartenden Verhaltens.
aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen. Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (BAG 09. Juni 2011 -2 AZR 323/10 - Rn. 31 mwN, zitiert nach [...]).
bb) Nach diesen Grundsätzen kommt der Abmahnung vom 10. Mai 2013 hinsichtlich der vorliegend in Frage stehenden Pflichtverletzungen eine ausreichende Warnfunktion nicht zu.
(1) Der Beklagte hat dem Kläger ausweislich des Abmahnungstextes vom 10. Mai 2013 im Hinblick auf den Vorfall vom 21. März 2013 vorgeworfen, er habe sich der eindeutigen und unmissverständlichen Weisung, einen Einsatz unter Verwendung von Sonderrechten auszuführen, widersetzt. Der Beklagte hat betont, da ein Notfalltransport akute Gefahr von Leib und Leben, also höchste Eile, bedeute, sei bei einem derartigen Einsatzanlass auch die Strecke zum Einsatzort schnellstmöglich, auch unter Einsatz von Sondersignalen, zu überwinden, während der Kläger in Kauf genommen habe, dass der Notfallpatient aufgrund der zeitlichen Verzögerung länger Schmerzen erleide bzw. länger medizinisch unversorgt bleibe, als nötig.
(2) Der Kläger musste angesichts dieser Abmahnung nach Auffassung der Berufungskammer nicht davon ausgehen, dass der Beklagte sein vorliegend beanstandetes Verhalten zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nehmen würde. Dies ergibt sich - insoweit entgegen der vom Arbeitsgericht vertretenen Auffassung - nicht bereits daraus, dass die Weisung vom 21. März 2013 von der Einsatzleitstelle stammte, die vorliegend in Frage stehenden Anweisungen jedoch vom Beklagten selbst. Der Kläger ist in Notfällen wegen der Frage, ob ein RTW oder ein NKTW mit Sonderrechten gemäß § 35 Abs. 5a StVO zum Einsatz gelangt, aufgrund seines Arbeitsvertrages als Rettungsassistent grundsätzlich gehalten, Weisungen der Einsatzleitstelle Folge zu leisten. Ein Unterschied zu konkreten arbeitgeberseitigen Weisungen im Rahmen des Direktionsrechts besteht insoweit nicht. Dennoch kommt dem abgemahnten Pflichtenverstoß eine andere Qualität zu als die Vorwürfe, mit denen der Beklagte vorliegend die Kündigung begründet. Die Warnfunktion der Abmahnung vom 10. Mai 2013 umfasst die zur Kündigungsbegründung herangezogenen Pflichtverletzungen nicht. Während die erteilte Abmahnung eine konkrete Arbeitsverweigerung im Notfall betrifft, beanstandet der Beklagte nun erstmals Verstöße des Klägers gegen allgemein bestehende Dienstanweisungen, die zwar insgesamt der Qualitätssicherung im Rettungsdienst des Beklagten dienen, gegen die der Kläger jedoch nicht in akuten Gefahrsituationen für Gesundheit oder Leben verstoßen hat bzw. haben soll. Der Kläger konnte angesichts der Abmahnung vom 10. Mai 2013 nicht erkennen, dass der Beklagte sein als zutreffend unterstelltes Verhalten in verschiedenen Fällen, den KTW nicht zu waschen, selbigen nicht abzuschließen, eine nach erweiterten Versorgungsmaßnahmen stabilisierte Patientin keinem Arzt vorstellen zu wollen, den "Rahmenhygieneplan Notfallrettung und Krankentransport Rheinland-Pfalz" nicht zu beachten und Dokumentationspflichten nicht nachzukommen, ohne weitere Vorwarnung zum Anlass für eine Kündigung nehmen würde.
cc) Vor diesem Hintergrund war dem Beklagten zuzumuten, eine (weitere) Abmahnung auszusprechen. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Entbehrlichkeit der Abmahnung bestehen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht. Das Ausmaß der vom Beklagten behaupteten Pflichtverstöße ist nicht so gravierend, als dass der Kläger hätte annehmen müssen, dass dieser sein zuvor nicht beanstandetes Verhalten schlichtweg nicht dulden würde. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass der (bestrittene) Kernvorwurf des Beklagten, der Kläger beachte nur Weisungen, die er für richtig halte, und lege eine gewisse Nachlässigkeit bei der Beachtung von Vorschriften an den Tag, in allen Fällen eine Rolle gespielt hat, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger den Ausspruch einer Abmahnung nicht zum Anlass genommen hätte, sein Verhalten zu ändern, sich künftig an die Dienstanweisungen des Beklagten zu halten und sich die vorliegend in Streit stehenden Vorfälle zur Warnung dienen zu lassen.
c) Eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Übrigen ergibt ebenfalls, dass dem Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers zumutbar war. Auch wenn die Berufungskammer zu Gunsten des Beklagten nicht verkennt, dass Verstöße gegen Dienstanweisungen des im Rettungsdienst tätigen Beklagten grundsätzlich Gefahr für Leib und Leben von Patienten mit sich bringen können und deshalb Regeltreue der Mitarbeiter besonders wichtig ist, spricht die Tatsache, dass vorliegend Schäden bei den unterstellt wahren Pflichtverstößen des Klägers nicht eingetreten sind, für den Kläger. Da auch dessen Alter und der - bis auf den Vorfall vom 21. März 2013 - soweit ersichtlich störungsfreie Verlauf des seit 1990 bestehenden Arbeitsverhältnisses des ordentlich unkündbaren Klägers zu dessen Gunsten zu berücksichtigen sind, musste das Interesse des Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückstehen.
1.3. In Ergebnis und Begründung zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass auch die weitere außerordentliche Kündigung vom 28. Februar 2014 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Anforderungen für die Wirksamkeit einer vom Beklagten ausgesprochenen Verdachtskündigung liegen nicht vor.
1.3.1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20 f., 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17, jeweils zitiert nach [...]).
1.3.2. Gemessen hieran ist das Arbeitsgericht mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass kein dringender Tatverdacht gegenüber dem Kläger besteht, dass er das anonyme Schreiben an die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 14. Januar 2014 mit den gegenüber dem Beklagten erhobenen Vorwurf der Hinterziehung von Steuern- und Sozialversicherungsabgaben, an den Konkurrenten des Beklagten übermittelt hat, wobei klargestellt wird, dass dies auch für weitere Dritte gilt. Die Berufungskammer schließt sich gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Arbeitsgerichts vollumfänglich an. Zur Vermeidung von Wiederholungen macht sich das Berufungsgericht ausdrücklich die Erwägungen des Arbeitsgerichts zu Eigen und verweist auf die Entscheidungsgründe unter II 3 (Bl. 134 f. d. A.). Die Berufungsbegründung des Beklagten zeigt keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte auf. Sie beinhaltet lediglich eine Zusammenfassung und Vertiefung der bereits erstinstanzlich vertretenen Rechtsansicht des Beklagten zum Vorliegen eines dringenden Verdachts. Soweit die Begründung bemängelt, das erstinstanzliche Gericht habe nicht ausreichend zwischen - für eine Verdachtskündigung ausreichenden - Indizien und eine Tatkündigung begründenden Tatsachen unterschieden, ergibt sich aus den Ausführungen des Arbeitsgerichts mit erforderlicher Klarheit, dass dieses davon ausgeht, dass die - allenfalls - vorliegenden Indizien - zeitlicher Zusammenhang zwischen Schreiben und Beschwerdeschreiben des Klägers und Verwendung des gleichen, jedoch nicht einzigartigen Papiers - zur Begründung eines dringenden Tatverdachts nicht ausreichen. Dem schließt sich die Berufungskammer an.
2. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 27. Februar 1985 - GS 1/84 -, zitiert nach [...]) hat der mit seinem Kündigungsschutzantrag obsiegende Kläger einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens. Entgegenstehende überwiegende schutzwerte Interessen hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.
Murr
Mathes
Verkündet am: 09.12.2014