12.02.2014
Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 03.12.2013 – 1 TaBV 11/13
1.Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann der Hauptantrag auf Auflösung des Betriebsrats zulässigerweise mit einem Hilfsantrag auf Ausschluss des/der Betriebsratsvorsitzenden verbunden werden, obwohl der/die Vorsitzende formal nicht Beteiligte im Verfahren über den Hauptantrag ist und es sich damit um einen im Zivilprozess regelmäßig unzulässigen Hilfsantrag gegen einen Dritten handelt.
2.In diesem Verfahren ist zwischen den Pflichtverletzungen des Betriebsrats als Gremium und den Pflichtverletzungen des/der Betriebsratsvorsitzenden zu unterscheiden: Nur dem Gremium - etwa aufgrund entsprechender Beschlüsse - zuzurechnende Verstöße gegen das BetrVG können den Antrag auf Auflösung des Betriebsrats begründen, nicht zuzurechnende Pflichtenverstöße des/der Vorsitzenden sind bei der Prüfung des Hilfsantrag zu berücksichtigen, nicht zurechenbare Verstöße weiterer Betriebsratsmitglieder sind unerheblich.
3.Denkbar ist bei Pflichtenverstößen einzelner Betriebsratsmitglieder, dass diese dem Betriebsrat deswegen zugerechnet werden, weil dieser das gesetzwidrige Verhalten einzelner seiner Mitglieder billigt oder unterstützt. Das ist aber vom Antragsteller substantiiert vorzutragen.
4.Bei einem Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG, der von mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer gestellt wird, ist ein Beitritt weiterer Beteiligter in der Beschwerdeinstanz in entsprechender Anwendung des § 533 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig.
Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten
pp.
hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 03.12.2013 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ...als Vorsitzenden den ehrenamtlichen Richter ...und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzer beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 16.11.2012 - 1 BV 44/11 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über Anträge auf Auflösung des Betriebsrats sowie hilfsweise den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.
Die Beteiligte zu 68.) (Arbeitgeberin) betreibt ein Unternehmen im Bereich der Gebäudereinigung mit im Zeitraum des Beschwerdeverfahrens ca. 160 Mitarbeitern. Sie gehört zum D-Verbund und ist überwiegend in der Krankenhausreinigung im D-Krankenhaus in F. tätig. Der Beteiligte zu 67.) ist der für den Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Betriebsrat, die Beteiligte zu 69.) dessen Vorsitzende. Die weiteren Beteiligten (Antragsteller) sind Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin.
In der Vergangenheit erwog das D-Krankenhaus wiederholt aus Rentabilitätsgründen die Kündigung des Reinigungsauftrags der Arbeitgeberin. Diese plante daher Kosteneinsparungen, denen sich der Betriebsrat widersetzte. Eine zuletzt zum 31.12.2013 ausgesprochene Kündigung des Reinigungsauftrags wurde nach Gesprächen zwischen den Unternehmen unter Beteiligung des Betriebsrats wieder aufgehoben. Einer von zwei Vorstandsmitgliedern des Krankenhausträgers ist zugleich Geschäftsführer der Arbeitgeberin.
Die Antragsteller haben in erster Instanz den Betriebsrat und einzelnen seiner Mit-glieder insgesamt 15 Pflichtverletzungen vorgeworfen, mit denen sie ihre Anträge auf Auflösung des Betriebsrats und hilfsweise den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden begründet haben.
Wegen des Sachvortrags der Beteiligten in erster Instanz hierzu wird auf die Seiten 14 - 21 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es lägen zwar teilweise Verstöße gegen betriebsverfassungsrecht-liche Pflichten vor (Sachverhalte 10, 12, evtl. 14 u. 15), diese seien aber nicht so grob, dass sie die Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss der Vorsitzenden recht-fertigen könnten. Im Übrigen seien Verstöße nicht festzustellen (Sachverhalte 1 - 5, 7 - 9, 11 u. 13) oder nicht bewiesen (Sachverhalt 6). Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen diesen am 20.12.2012 zugestellten Beschluss haben die Beteiligten zu 1.) bis 11.), 13.) bis 23.), 25.), 26.), 28.) bis 30.), 32.) bis 39.), 41.) bis 43.), 45.) bis 48.), 50.), 52.), 54.) bis 60.) und 62.) bis 66.) am 21.01.2013, einem Montag, Beschwerde eingelegt. Ebenfalls Beschwerde eingelegt haben die neu in das Verfahren eingetretenen weiteren Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die Beteiligten zu 70.) bis 82.). Die Beschwerde ist nach Verlängerung der Frist zu ihrer Begründung bis zum 20.03.2013 am 15.03.2013 begründet worden.
Die Antragsteller begründen ihre Beschwerde nicht mehr mit den in den Sachverhalten 1 bis 5 und 11 vorgetragenen Verhaltensweisen. Im Übrigen vertiefen sie ihr Vorbringen aus der ersten Instanz und führen einen weiteren Sachverhalt in den Prozess ein.
Im Einzelnen tragen sie vor:
Sachverhalt 6:
Die Beteiligte zu 69.) habe auf der Betriebsversammlung am 28.11.2011 gegenüber den Arbeitnehmern erklärt, der Betriebsrat gehe davon aus, dass Arbeits- und Fehlzeiten der Mitarbeiter durch die Arbeitgeberin nicht ordnungsgemäß erfasst würden. Diese Angelegenheit interessiere auch den Zoll. Zwei Tage nach der Betriebsversammlung habe eine Prüfung des Hauptzollamtes in den Außenhäusern M-Residenz und Ma-Residenz in K. stattgefunden. Dabei hätten sich die Mitarbeiter des Hauptzollamtes gezielt und ausschließlich nach den Arbeitszeiten der Mitarbeiter erkundigt. Das lasse sich nur dahin verstehen, dass der Betriebsrat die Arbeitgeberin beim Hauptzollamt angezeigt habe. Die Prüfung habe ohne Beanstandungen seitens des Hauptzollamtes geendet. Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung zu diesem Sachverhalt die Anforderungen an die Darlegungslast verkannt und es fehlerhaft unterlassen, Beweis zu erheben.
Sachverhalt 7:
Auf der Betriebsversammlung am 28.01.2011 habe die Beteiligte zu 69.) erklärt, die Arbeitgeberin plane für den Fall der Kündigung der Reinigungsverträge durch das Krankenhaus, die Mitarbeiter künftig unterhalb des Tarifvertrags zu entlohnen. Diese falsche Behauptung stelle einen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit dar, sie sei wegen der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags im Gebäudereinigerhandwerk unzutreffend. Das Arbeitsgericht habe diese Ausführungen fehlerhaft nur als Vermutungen bewertet; tatsächlich habe die Beteiligte zu 69.) von einer feststehenden Planung gesprochen. Dabei sei von einer Lohnreduzierung bei allen Informationsveranstaltungen durch die Arbeitgeberin nie die Rede gewesen.
Sachverhalt 8:
Am 05.05.2010 seien die Beteiligte zu 69.) und die für den Betrieb zuständige Gewerkschaftssekretärin der IG-Bau W. am Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin N. (Beteiligte zu 35.) erschienen und hätten diese aufgefordert, in die Gewerkschaft einzutreten. Als diese abgelehnt habe, habe die Beteiligte zu 69.) geäußert, man könne ihr nur dann helfen, wenn sie in die Gewerkschaft eintrete. Dabei sei es nicht um Fragen der Rechtsschutzgewährung durch die Gewerkschaft gegangen, sondern der Betriebsrat habe gegen die Arbeitgeberin vorgehen wollen. Als im Frühjahr 2011 die Arbeitnehmerin B. (Beteiligte zu 48.) den Betriebsrat um Rat gebeten habe, sei ihr mitgeteilt worden, da sie nicht in der Gewerkschaft sei, könne man ihr nicht helfen. Als die Arbeitnehmerin K. sich beim Betriebsrat danach erkundigt habe, ob ihre Eingruppierung zutreffend sei, sei ihr vom Betriebsratsmitglied Frau W. gesagt worden, der Betriebsrat könne ihr nicht helfen, da sie nicht in der Gewerkschaft sei. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege in diesen Verhaltensweisen ein eindeutiger Pflichtenverstoß.
Sachverhalt 9:
Die Betriebsratsmitglieder W., J., Ja. und D., denen es um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberin gegangen sei, seien von den weiteren Betriebsratsmitgliedern zunehmend geschnitten, beleidigt und durch unwahre Unterstellungen gemobbt worden. Hierzu habe sie entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bereits in erster Instanz ausreichend vorgetragen.
Sachverhalt 10:
Der Betriebsrat habe - unstreitig - im Jahr 2010 keine Betriebsversammlung abgehalten und im Jahr 2011 nur zwei. Hierin liege entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ein grober Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Es komme nicht darauf an, dass dies in der Vergangenheit von keiner Seite moniert worden sei. Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 69.) zeigten auch auf andere Art und Weise, dass sie kein Interesse hätten, sich mit den von ihnen vertretenen Arbeitnehmern auseinanderzusetzen und der Kritik zu stellen.
Sachverhalt 12:
Der Betriebsrat habe am 20.02.2012 in seinem Schaukasten einen Beitrag aus einem Kirchenbrief der Ev.-Luth.-Kirchengemeinde ausgehängt (Anlage AST 4, Bl. 111 d. A.). Dieser enthalte unwahre und beleidigende Äußerungen über die Geschäftsleitung. Der Aushang habe zunächst noch im Kopf das Logo der "B.", einer diakonischen Einrichtung, getragen. Nach einigen Tagen habe der Betriebsrat das Logo entfernt und den Beitrag erneut ausgehängt. Spätestens damit habe sich der Betriebsrat die in dem Schreiben enthaltenen Äußerungen in vollem Umfang zu eigen gemacht. Die Tatsache, dass der Aushang im zeitlichen Zusammenhang mit einem Umstrukturierungsprozess stehe, relativiere das Gewicht der Pflichtverletzung nicht, sondern führe vielmehr umgekehrt dazu, dass von einem groben Verstoß auszugehen sei. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin habe die Betriebsratsvorsitzende auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich und die Arbeitgeberin als zu Unrecht diffamiert ansehe und das Logo der "B." nicht verwendet werden dürfe. Darauf sei zwar das Logo entfernt, der Beitrag aber dennoch weiter ausgehängt worden.
Sachverhalt 13:
Durch einen weiteren Aushang (Anlage AST 5, Bl. 136 d. A.) habe der Betriebsrat die Belegschaft bewusst unzutreffend informiert und den Eindruck erweckt, er sei vor dem Arbeitsgericht einigungsbereit gewesen, die Arbeitgeberin hingegen nicht.
Sachverhalt 14:
Das Betriebsratsmitglied W. habe die Arbeitnehmerin H. unzutreffend darüber informiert, dass deren bis zum 30.06.2012 befristeter Arbeitsvertrag nicht verlängert werde. Im Übrigen sei hierzu ein gemeinsames Vorgehen von Betriebsrat und Arbeitgeberin besprochen gewesen. In vergleichbarer Art und Weise seien auch weitere Betriebsratsmitglieder an andere Arbeitnehmer herangetreten. Dabei handele es sich um eine bewusst fehlerhafte Information. Das Arbeitsgericht habe es versäumt aufzuklären, was im Einzelnen zwischen Frau W. und Frau H. besprochen worden sei.
Sachverhalt 15:
Das Betriebsratsmitglied W. sei bis zu ihrer Amtsniederlegung am 01.09.2011 von der Beteiligten zu 69.) nicht mehr zu den Betriebsratssitzungen eingeladen worden. Da Frau We. in der Spätschicht eingesetzt werde, sei abgesprochen gewesen, dass ihr Schriftstücke betreffend die Betriebsratsarbeit über ihre Vorarbeiterin ausgehändigt würden. So sei etwa 4 bis 5 Mal verfahren worden. Danach seien Einladungen und sonstige Benachrichtigungen über die Betriebsratsarbeit ausgeblieben. Dieser Zustand habe sich über mehrere Monate hingezogen. Angerufen worden sei Frau We. nur ein einiges Mal, am 31.08.2011. In diesem Telefonat habe sich Frau We. über die fehlenden Informationen beklagt und ihren Rücktritt angekündigt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts liege ein grober Pflichtenverstoß vor. Die Beteiligte zu 69.) trage die Verantwortung für die Ladung der Betriebsratsmitglieder, die relativierenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zu diesem Pflichtenverstoß seien unzutreffend.
Sachverhalt 16:
Das Betriebsratsmitglied R. habe durch falsche Angaben gegenüber den Beteiligten zu 81.) und 82.) diese versucht dazu zu bewegen, ihre Prozessvollmacht für das vorliegende Rechtsmittelverfahren zurückzuziehen. Nachdem sie eine zunächst abgegebene entsprechende Erklärung zurück verlangt hätten, seien dennoch Kopien der Mandatsniederlegungen von Frau St. und einer weiteren Arbeitnehmerin eingegangen. Durch die - im Einzelnen schriftsätzlich konkretisierten - vor Abgabe der Mandatsniederlegungserklärung von Frau R. gemachten falschen Angaben sei erneut die Geschäftsführung unzulässig diskriminiert worden.
Ihre Anträge seien jedenfalls in einer Gesamtschau aller Pflichtverletzungen begründet. Der Beitritt weiterer Antragsteller im Beschwerdeverfahren sei zulässig.
Die Antragsteller und die Arbeitgeberin beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wie folgt zu entscheiden:
Der Betriebsrat wird aufgelöst,
hilfsweise: Das Betriebsratsmitglied H. P. wird aus dem Betriebsrat ausgeschlossen.
Der Betriebsrat und die Beteiligte zu 69.) beantragen,
die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen.
Sie tragen vor:
Der Beitritt weiterer Arbeitnehmer im Beschwerdeverfahren sei unzulässig. Angebliche Pflichtverletzungen einzelner Betriebsratsmitglieder, die nicht dem Organ zugerechnet werden könnten, könnten den Auflösungsantrag nicht rechtfertigen. Zu den in Rede stehenden Sachverhalten nehmen sie wie folgt Stellung:
Sachverhalt 6:
Auf der Betriebsversammlung am 28.11.2011 habe die Beteiligte zu 69.) nicht mit einer Anzeige beim Hauptzollamt gedroht. Eine solche sei auch weder vom Betriebsrat noch von der Beteiligten zu 69.) erstattet worden.
Sachverhalt 7:
Bei den Erklärungen dazu, was im Fall einer Kündigung der Reinigungsverträge durch das Krankenhaus passiere, habe es sich erkennbar um Vermutungen der Beteiligten zu 69.) gehandelt. Über das, was nach dieser Kündigung passiere, könne erkennbar nur spekuliert werden.
Sachverhalt 8:
Frau N. (Beteiligte zu 35.) und andere Mitarbeiter hätten sich in der Vergangenheit wegen der Kürzung von Arbeitsstunden an Frau W. gewandt und gefragt, ob der Betriebsrat oder die Gewerkschaft helfen könnten. Diese hätten geantwortet, dass die Gewerkschaft Hilfe nur ihren Mitgliedern gewähre. Im Übrigen würden die Arbeitnehmer dann an die Gewerkschaft oder einen Rechtsbeistand verwiesen, wenn sie mit individuellen Fragestellungen an den Betriebsrat heranträten.
Sachverhalt 9:
Der Vorwurf zum Mobbing sei unsubstantiiert und zurückzuweisen.
Sachverhalt 10:
Das Fehlen von Betriebsversammlungen sei in der Vergangenheit nie moniert und für die Zukunft abgestellt worden.
Sachverhalt 12:
Der Aushang des Zeitungsartikels sei nicht geeignet, einen Verstoß gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu begründen.
Sachverhalt 13:
Der Betriebsrat habe nicht die Absicht gehabt, ein Protokoll über die Gerichtsverhandlung zu verfassen, sondern darauf hinweisen wollen, dass er an einer gütlichen Einigung interessiert sei.
Sachverhalt 14:
Es sei der Wertung des Arbeitsgerichts zu folgen, wonach kein grober Verstoß gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten vorliege.
Sachverhalt 15:
Die Einladungen für Frau We. zur Betriebsratssitzung seien zunächst im Betriebsratsbüro bereit gelegt gewesen, wie für alle anderen Betriebsratsmitglieder auch. Als Frau We. diese nicht mehr abgeholt habe, seien ihr die Einladungen über ihre Vorarbeiterin Frau J. zugeleitet worden. Frau We. sei seit dem 02.08.2010 unentschuldigt nicht mehr zu den Betriebsratssitzungen gekommen und habe erklärt, sie wolle nicht zweimal am Tag zur Firma fahren, erst zur Betriebsratssitzung und dann zur Arbeit. Mehrfach sei Frau We. aus der Sitzung telefonisch angerufen worden; sie habe niemals erklärt, keine Einladung erhalten zu haben. Alle anderen Betriebsratsmitglieder holten sich weiterhin ihre Einladung im Betriebsratsbüro ab.
Sachverhalt 16:
Frau R. habe zu keiner Zeit gegenüber den Mitarbeitern St. und So. Drohungen ausgesprochen oder versucht, diese zu beeinflussen. Richtig sei, dass Frau R. diesen beiden Mitarbeitern ihre unterschriebenen Schreiben wieder ausgehändigt habe.
Auch eine Gesamtschau könne weder Haupt- noch Hilfsantrag rechtfertigen.
Die Beteiligten zu 10.), 15.), 32.), 41.) und 50.) haben im Laufe des Verfahrens die Beschwerde zurückgenommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen zum Sachverhalt 6. durch Einholung einer Auskunft des Hauptzollamtes. Ferner sind zum Sachverhalt 8 die Beteiligte zu 35.) und die Beteiligte zu 69.) persönlich angehört worden.
Insoweit wird auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen. Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Akte verwiesen.
B.
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte, form und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat Haupt- und Hilfsantrag zu Recht als unbegründet abgewiesen.
I.
Am Beschwerdeverfahren sind neben den in erster Instanz Verfahrensbeteiligten auch die weiteren Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, die Beteiligten zu 70.) bis 82.) beteiligt.
Entgegen der Auffassung von Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender ist der Beitritt weiterer Beteiligter in zweiter Instanz in einem Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG, das auf die Auflösung des Betriebsrats oder den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat gerichtet ist, zulässig.
Im Gegensatz zum Wahlanfechtungsverfahren können in das Verfahren nach § 23 Abs. 1 für ausscheidende andere wahlberechtigte Arbeitnehmer eintreten, um das erforderlich Mindestquorum zu erhalten. Denn es handelt sich bei dem Verfahren nach § 23 Abs. 1 um eine akute Vertrauenskrise zwischen Arbeitnehmer und Betriebsrat bzw. einzelnem Betriebsratsmitglied und nicht wie bei der Wahlanfechtung um die Bewertung eines in der Vergangenheit liegenden Ereignisses. Außerdem kennt das Verfahren nach § 23 BetrVG im Gegensatz zur Wahlanfechtung keine Ausschlussfrist für die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens (Fitting, BetrVG, 24. Auflage, § 23, Rn 9; aA: GK-BetrVG, 9. Auflage, § 23, Rn 64).
Insbesondere das zweite Argument überzeugt auch die Beschwerdekammer. Da für das Verfahren nach § 23 BetrVG Fristen nicht vorgesehen sind, kann der Antrag jederzeit durch weitere Antragsteller unterstützt werden. Ob dies in der Beschwerdeinstanz zulässig ist, richtet sich ausschließlich nach §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 533 ZPO.
Danach bestehen gegen den Eintritt weiterer Antragsteller in das Verfahren keine prozessualen Bedenken. Die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen vor, da der Eintritt weiterer Beteiligter auf Antragstellerseite sachdienlich und die Ermittlung neuer Tatsachen aufgrund des Beitritts nicht erforderlich ist.
II.
Der Hauptantrag der Antragsteller ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG können mindestens 1/4 der wahlberechtigten Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen.
Die danach erforderliche Zahl wahlberechtigter Arbeitnehmer ist während der gesamten Dauer des Verfahrens erreicht worden.
Nach den Erklärungen der Arbeitgeberin im Beschwerdetermin vom 27.08.2013 beschäftigte die Arbeitgeberin während des Beschwerdeverfahrens 160 Arbeitnehmer. Den vorliegenden Auflösungsantrag gestellt haben insgesamt 63 Arbeitnehmer, nämlich die Beteiligten zu 1.) bis 9.), 11.), 13.), 14.), 16.) bis 23.), 25.), 26.), 28.) bis 30.), 33.) bis 39.), 43.), 45.) bis 48.), 52.), 54.) bis 60.), 62.) bis 66.) sowie 70.) bis 82.). Damit ist die erforderliche Anzahl von 40 Arbeitnehmern deutlich überschritten.
2. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Gründe für die Auflösung des Betriebsrats liegen nicht vor.
a) Ob ein Verstoß des Betriebsrats gegen seine gesetzlichen Pflichten grob ist, richtet sich danach, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auflösung des Betriebsrats eine besonders einschneidende Sanktion ist. Dementsprechend ist ein grober Verstoß des Betriebsrats nur anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint (BAG, Beschluss vom 22.06.1993 - 1 ABR 62/92 -, [...], Rn 53).
Darüber hinaus muss eine Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ vorliegen. Begehen einzelne oder alle Betriebsratsmitglieder parallel Pflichtverletzungen, die nicht auf einem gemeinsamen Beschluss des Betriebsrats als solchem beruhen, kommt nur ein Ausschlussverfahren, nicht die Auflösung des Betriebsrats in Betracht. Dabei kann eine grobe Pflichtverletzung des Betriebsrats als Organ auch gegeben sein, wenn der Betriebsrat gesetzwidriges Verhalten einzelner Mitglieder oder seiner Ausschüsse billigt oder unterstützt. Das konsequente Ausschöpfen der betriebsverfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Befugnisse stellt keine Pflichtverletzung dar (Erfurter Kommentar, 14. Auflage 2014, § 23 BetrVG, Rn 12 mwN).
b) Nach vorstehenden Grundsätzen ist der Auflösungsantrag unbegründet. Hinsicht-lich der einzelnen von den Antragstellern gerügten Sachverhalten gilt Folgendes:
aa) Die Sachverhalten 1 bis 5 und11 sind nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Einwände gegen die Bewertung des Arbeitsgerichts, dass in diesen Fällen betriebsverfassungsrechtliche Verstöße nicht vorliegen, sind nicht erhoben worden und auch nicht ersichtlich.
bb) Der Vorwurf zum Sachverhalt 6 ist durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen worden. Nach Auskunft des Hauptzollamtes K. hat der Betriebsrat (oder die Betriebsratsvorsitzende) keine Anzeige beim Hauptzollamt erstattet. Vielmehr fand die Kontrolle der M-Residenz und Ma-Residenz in K. im Rahmen einer bundesweiteren Schwerpunktprüfung statt. Die Kontrolle wurde nicht durch eine Anzeige initiiert. Das hat das Hauptzollamt auf Nachfragen des Gerichts ausdrücklich schriftlich bestätigt.
cc) In den Äußerungen von Frau P. auf der Betriebsversammlung am 28.01.2011 (Sachverhalt 7) sieht die Beschwerdekammer unabhängig von der Frage, ob diese Äußerungen dem Betriebsrat als Gremium zugerechnet werden kann, keinen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 BetrVG. Unabhängig davon, ob Frau P. ein Absenken des Vergütungsniveaus "unter Tarif" als aus ihrer Sicht feststehende Planung bezeichnet hat oder eine entsprechende Vermutung geäußert hat, ist für alle Teilnehmer auf der Versammlung ersichtlich, dass es sich um eine Spekulation über einen zukünftigen Sachverhalt handelt. Zum Zeitpunkt der Betriebsversammlung war der Reinigungsauftrag des Krankenhauses noch nicht gekündigt worden. Mag auch die Arbeitgeberin zum damaligen Zeitpunkt noch keine Absenkung des Vergütungsniveaus beabsichtigt haben, so konnte zum damaligen Zeitpunkt keiner wissen, was konkret nach einer etwaigen Kündigung des Reinigungsauftrags auf die Mitarbeiter zukommen würde. In diesem Zusammenhang ist auch eine Spekulation im Sinne eines "Worst-Case-Szenarios" erlaubt. Ob ein solches Vorgehen der Arbeitgeberin rechtlich zulässig gewesen wäre, ist wiederum eine andere Frage.
dd) Der Betriebsrat hat in Sachverhalt 8 nicht gegen seine Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung verstoßen (vgl. hierzu Fitting, § 2, Rn 45). Nach dieser Verpflichtung darf der Betriebsrat einen Arbeitnehmer wegen dessen Zugehörigkeit oder Einstellung zu einer Gewerkschaft weder bevorzugen noch benachteiligen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsführung, um etwa den Gewerkschaftsbeitritt gewerkschaftsangehöriger Arbeitnehmer zu erzwingen, ist auch grundsätzlich geeignet, einen Auflösungsantrag zu rechtfertigen (Fitting, § 23, Rn 19).
Ein Verstoß gegen diese Amtspflicht ist jedoch nicht feststellbar.
Am 05.05.2010 hat die Betriebsratsvorsitzende nicht gegenüber Frau N. (Beteiligte zu 35.) gegen ihre Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsausführung verstoßen. Das hat die Anhörung der Beteiligten N. und der Betriebsratsvorsitzenden im Beschwerdetermin ergeben.
Die Beteiligte N. hat ausgeführt, sie sei heftig beleidigt worden, wisse aber Genaueres nicht mehr. Ferner hat sie erklärt, es sei gesagt worden, wenn sie und ihre Kolleginnen nicht in die Gewerkschaft einträten, könne man ihnen auch nicht helfen. Gesagt worden sei auch, dass man so jemanden wie sie gar nicht in der Gewerkschaft haben wolle. Eine genaue Zuordnung, wer welche Äußerung getätigt hat, war Frau N. nicht mehr möglich. Sie hat aber ergänzend ihre am nächsten Tag gefertigte Beschwerde zur Akte gereicht. Aus dieser ergibt sich, dass Frau P. Frau N. davon überzeugen wollte, mit Hilfe der Gewerkschaft gegen die Arbeitgeberin etwas zu unternehmen, während Frau W. erklärt habe, auf solche wie Frau N. können wir in der Gewerkschaft gut verzichten. Weitere Äußerungen von Frau P. bezogen sich auf ein Recht auf bezahlte Pausen.
Konkrete Erklärungen der Betriebsratsvorsitzenden, wonach ohne Eintritt in die Gewerkschaft der Beteiligten in einer konkreten Situation nicht geholfen werden könne, hat die Beteiligte N. nicht bestätigt. Die von der Beteiligten zeitnah, nämlich am nächsten Tag gefertigte Beschwerde belegt etwas ganz anderes. Weder im Termin noch aus der Beschwerde ist an irgendeiner Stelle ersichtlich oder erklärt worden, dass Frau P. das Tätigwerden des Betriebsrats von dem Eintritt von Frau N. in die Gewerkschaft abhängig gemacht hat. Es mag eine erheblich streitige Auseinandersetzung unter den Gesprächsteilnehmern stattgefunden haben. Das belegen sowohl die Erklärungen von Frau N., als auch die Einlassungen von Frau P. im Beschwerdetermin. Nach Einschätzung des Charakters der Beteiligten, den die Beschwerdekammer im Termin gewonnen hat, dürften von beiden Seiten deutliche Worte über die Einschätzung des Gesprächspartners gefallen sein. Einzelne, emotionale Äußerungen, die zudem konkret nicht mehr feststellbar gewesen sind, vermögen aber den gestellten Antrag nicht zu rechtfertigen.
Soweit die Antragsteller in erster Instanz weiter vorgetragen haben, im Frühjahr 2011 habe sich Frau B. um Rat an den Betriebsrat gewandt und nachdem sie gesagt habe, sie sei nicht Mitglied in der Gewerkschaft, sei ihr mitgeteilt worden, man könne ihr nicht helfen, ist der Vortrag der Antragsteller nicht ausreichend konkretisiert. Es ist nicht dargelegt, welches Betriebsratsmitglied diese Äußerung gemacht hat, insbesondere ist nicht vorgetragen, dass eine entsprechende Erklärung von der Betriebsratsvorsitzenden abgegeben wurde.
Der neue Vortrag in der Beschwerdebegründung, wonach der Arbeitnehmerin K. durch Frau W. im Jahr 2012 mitgeteilt worden sei, der Betriebsrat könne ihr nicht helfen, da sie nicht Mitglied der Gewerkschaft sei, ist unschlüssig. Es ist nicht dargelegt oder ersichtlich, dass Frau W. auf Grundlage einer entsprechenden Beschlussfassung des Betriebsrats tätig geworden ist. Eine Grundlage für die Zurechnung dieser Äußerung zum Betriebsrat ist nicht erkennbar. Soweit die Antragsteller auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts vorgetragen haben, es sei angesichts des systematischen Vorgehens der Betriebsratsmitglieder offensichtlich, dass es sich bei den Hinweisen verschiedener Mitglieder gegenüber den Mitarbeitern, man könne ihnen nur helfen, wenn sie in die Gewerkschaft einträten, keinesfalls um eine zufällige Häufung weitgehend identischer Vorkommnisse darstelle, folgt die Beschwerdekammer dem nicht. Für eine Billigung/Unterstützung des etwaigen gesetzeswidrigen Verhaltens einzelner Betriebsratsmitglieder durch den Betriebsrat, sieht das Gericht keine konkreten Anhaltspunkte dargelegt. Die insoweit geäußerte Vermutung, es gebe einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats, ist reine Spekulation. Auch die parallele Auffassung mehrerer Betriebsratsmitglieder, Arbeitnehmern nur zu helfen, wenn sie in der Gewerkschaft sind, macht dies nicht zu einer Haltung des Organs Betriebsrat. Sie kann nicht die Auflösung des Gremiums, sondern entsprechend den dargestellten Grundsätzen nur den Ausschluss einzelner Betriebsratsmitglieder rechtfertigen.
ee) Der Sachverhalt 9 betreffend das von den Antragstellern behauptete systematische Ausgrenzen und Beleidigen von Betriebsratsmitgliedern kann die Auflösung nicht rechtfertigen, weil der Vortrag erkennbar unsubstantiiert ist. Es fehlen jedwede Angaben zu Daten oder konkreten Vorfällen, die eine genauere Eingrenzung der Sachverhalte ermöglichen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts ist eine Vertiefung des Vortrags auch nicht erfolgt.
ff) Der Betriebsrat hat gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen, soweit er im Jahr 2010 keine und im Jahr 2011 nur zwei Betriebsversammlungen durchgeführt hat (Sachverhalt 10).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 hat der Betriebsrat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen. Gegen diese Pflicht ist unstreitig sowohl im Jahr 2010, als auch im Jahr 2011 verstoßen worden.
Dieser Verstoß allein kann die Auflösung des Betriebsrats jedoch nicht rechtfertigen, da er nicht grob im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist (zur Bewertung im Rahmen der Gesamtabwägung vgl. unten ll).
Das Nichtabhalten von Betriebsversammlungen in der Vergangenheit durch den Betriebsrat ist nicht so grob, dass die weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar erscheint. Insoweit ist, wie bereits vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, zu berücksichtigen, dass zu keiner Zeit ein Antrag auf Abhalten einer Betriebsversammlung gestellt worden ist, auch nicht von den antragstellenden Arbeitnehmern dieses Verfahrens (vgl. § 43 Abs. 3 BetrVG zur Antragsberechtigung). Darüber hinaus ist der Verstoß nach entsprechendem Vorhalt sofort vom Betriebsrat abgestellt worden, so dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung die weitere Amtsaufführung des Betriebsrats nicht untragbar erscheint. Zukünftige Verstöße sind nämlich nicht zu befürchten. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass es weit verbreitete Praxis in Betrieben ist, dass nicht alle nach § 43 Abs. 1 BetrVG vorgesehenen Betriebsversammlungen stattfinden.
gg) In dem Aushang eines Beitrags aus der Kirchenzeitung (Sachverhalt 12) im Schaukasten des Betriebsrats sieht die Beschwerdekammer keinen Verstoß gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller und der Arbeitgeberin macht sich der Betriebsrat die entsprechenden Äußerungen in dem Beitrag allein durch den Aushang nicht zu Eigen, auch nicht dadurch, dass er das Logo "B." über dem Artikel entfernt hat. Der Beitrag ist namentlich gekennzeichnet und damit erkennbar eine Stellungnahme des dort genannten Verfassers. Durch den Aushang dieses Artikels gibt der Betriebsrat zu erkennen, dass er die in dem Artikel geäußerte Tendenz unter-stützt, nicht aber zwingend, dass auch jede einzelne dort zitierte Äußerung der Geschäftsleitung vom Betriebsrat als zutreffend wiedergegeben angesehen wird. Unzweifelhaft betrifft der Artikel die Arbeitsbedingungen des Betriebs. Es ist dem Betriebsrat nicht verwehrt, Äußerungen Dritter zu den betrieblichen Umständen der Belegschaft bekanntzugeben. Der Arbeitgeberin bleibt es unbenommen, presserechtlich gegen den Verfasser oder die Kirchenzeitung vorzugehen, soweit sie in dem Artikel falsch zitiert worden ist. Entsprechend kann sie auch die Belegschaft informieren.
hh) Auch die ausgehängte Stellungnahme des Betriebsrats zum Vermittlungsvorschlag des Arbeitsgerichts (Sachverhalt 13) stellt sich nicht als Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten dar. Inhaltlich ist der Aushang unstreitig richtig, allerdings nicht vollständig. Dem Betriebsrat bleibt es aber unbenommen, die Mitarbeiter über die aus seiner Sicht maßgeblichen Dinge des Gerichtsverfahrens zu informieren oder es zu unterlassen. Wenn es ihm darum geht, seine grundsätzliche Einigungsbereitschaft klarzustellen, kann er dies durch einen entsprechenden Aushang tun. Dem Aushang lässt sich auch nicht entnehmen, dass die Arbeitgeberin nicht an einer gütlichen Einigung interessiert war.
ii) Die von den Antragstellern vorgetragene, unzutreffende und absprachewidrige Information der Arbeitnehmerin H. durch das Betriebsratsmitglied W. über die Nichtverlängerung des befristeten Arbeitsvertrags (Sachverhalt 14) vermag den Auflösungsantrag nicht schlüssig zu begründen. Auch insoweit fehlt es an einem Handeln, das dem Organ Betriebsrat zugerechnet werden kann. Hier gilt das bereits zum Sachverhalt 8 betreffend das Betriebsratsmitglied W. Dargelegte entsprechend. Die Auffassung der Antragsteller, die Information beruhe auf einem Beschluss oder einem abgesprochenen Verhalten im Betriebsrat, ist erkennbar Spekulation und jedenfalls durch Fakten nicht belegt.
jj) Der Sachverhalt 15, die Nichteinladung des Betriebsratsmitglieds We. zu Betriebsratssitzungen, betrifft ebenfalls nicht eine Pflichtverletzung des Organs Betriebsrat, sondern ist allein geeignet, den Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Das haben die Antragsteller in der Beschwerdebegründung selbst zutreffend ausgeführt.
kk) Schließlich ist auch der Vortrag zu den behaupteten falschen Erklärungen des Betriebsratsmitglieds R. gegenüber den Beteiligten St. und So. (Sachverhalt 16) unschlüssig. Es gilt hier sinngemäß das, was bereits zum Sachverhalt 14 und zum Sachverhalt 8 ausgeführt wurde, ein Handeln von Frau R., das dem Organ Betriebsrat zugerechnet werden kann, ist nicht dargelegt. Ein Ausschließungsantrag gegen Frau R. ist nicht gestellt.
ll) Damit verbleibt auch im Rahmen einer Gesamtabwürdigung nur der bereits oben abgehandelte Sachverhalt 10, nämlich das Unterlassen von Betriebsversammlungen. Dieses kann, wie bereits ausgeführt, die Auflösung des Betriebsrats nicht rechtfertigen.
III.
Der danach zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag auf Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Nach allgemeiner Auffassung in der betriebsverfassungsrechtlichen Literatur kann neben dem Hauptantrag auf Auflösung des Betriebsrats auch hilfsweise der Antrag auf Ausschluss eines einzelnen Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat gestellt werden (ausführlich GK-BetrVG-Oetker, § 23, Rn 76; ebenso: Richardi, BetrVG, 13. Auflage, § 23, Rn 62, Erf.Komm-Koch, § 23 BetrVG, Rn 10).
Bedenken gegen diese Auffassung bestehen allerdings unter zivilprozessualen Grundsätzen, weil durch den Hilfsantrag die Betriebsratsvorsitzende erstmalig als Beteiligte in das Verfahren eingeführt wird. Nach den Vorschriften der ZPO ist ein Hilfsantrag gegenüber Dritten, bislang nicht am Verfahren beteiligten Parteien, grundsätzlich unzulässig, weil ein Prozessrechtsverhältnis nicht unter einer Bedingung begründet werden kann (vgl. etwa Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Auflage, § 253, Rn 1).
Den zivilprozessualen Bedenken stehen jedoch überwiegende Gründe der Prozessökonomie entgegen, die die Zulässigkeit des Hilfsantrags rechtfertigen. Auch wenn die Beteiligte zu 69.) bislang formal nicht am Verfahren beteiligt war, da sich der Hauptantrag nur gegen den Betriebsrat richtete, ist doch nicht zu verkennen, dass die Beteiligte zu 69.) als Organvertreterin zu den gegenüber dem Betriebsrat und den für sie handelnden Personen, zu denen sie selbst auch zählte, Stellung nehmen konnte und musste.
Auch spielen Fragen der Kostenverteilung, die es etwa rechtfertigen, dass eine zunächst formal nicht am Verfahren beteiligte Person noch keinen Anwalt beauftragen muss und damit auch kein Kostenrisiko eingehen muss, im Beschlussverfahren vor den Arbeitsgerichten keine Rolle.
2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Auch die Betriebsratsvorsitzende hat nicht grob gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstoßen.
a) Hinsichtlich der auch der Betriebsratsvorsitzenden vorgeworfenen Anzeige beim Hauptzollamt ist der Sachvortrag der Antragsteller, wie bereits ausgeführt, nicht bewiesen worden. Auch die Betriebsratsvorsitzende hat eine entsprechende Anzeige nicht erstattet.
b) Soweit im Sachverhalt 7 sich ein Vorwurf gegen die Betriebsratsvorsitzende selbst richtet, ist bereits ausgeführt, dass ein grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten nicht vorliegt.
c) Auch der der Betriebsratsvorsitzenden vorgeworfene Verstoß gegen die Pflicht zur gewerkschaftsneutralen Amtsausübung (Sachverhalt 8) ist nach dem oben Ausgeführten nicht verletzt worden.
d) Die Sachverhalte 9, 10, 12, 13, 14 und 16 wenden sich nicht gegen ein Verhalten der Betriebsratsvorsitzenden.
e) Die Nichtteilnahme des Betriebsratsmitglieds We. an den Betriebsratssitzungen ab August 2010 beruht nicht auf einer groben Pflichtverletzung der Betriebsratsvorsitzenden (Sachverhalt 15).
Die Beschwerdekammer schließt sich insoweit uneingeschränkt der Auffassung des Arbeitsgerichts an, wonach dieser Pflichtenverstoß nicht so schwerwiegend ist, dass er einen Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat rechtfertigt. Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Betriebsratsvorsitzende Frau We. ausgesprochen weit entgegen gekommen ist, wenn sie mit dieser einen Extraweg für die Zustellung der Einladungen vereinbart. Grundsätzlich war es Frau We. zuzumuten, selbst dafür zu sorgen, dass sie die Einladung zur Betriebsratssitzung im Betriebsratsbüro abholt, wie alle weiteren Betriebsratsmitglieder auch. Dass hier ein unzumutbarer Aufwand mit verbunden gewesen wäre, ist nicht feststellbar. So hätte Frau We. nur jeweils mittwochs ihre Arbeitszeit eine halbe Stunde früher aufnehmen müssen. Nach dem Vortrag des Betriebsrats aus dem Schriftsatz vom 28.09.2012, dort Seite 7 (Bl. 228 d. A.), ist das Betriebsratsbüro im fraglichen Zeitraum jeweils mittwochs bis 17.00 Uhr besetzt gewesen. Frau We.s Dienst begann um 17.30 Uhr. Die Beschwerdekammer hält es nicht für unzumutbar, wenn Frau We. sich eine halbe Stunde früher zu ihrem Arbeitsplatz begibt, um sich im Betriebsratsbüro die Einladung abzuholen.
Darüber hinaus führt die unterlassene Einladung zur Betriebsratssitzung auch nicht dazu, dass Frau We. von den Betriebsratssitzungen selbst keine Kenntnis hatte. Die Teilnahme an den Betriebsratssitzungen wäre ihr auch ohne entsprechende Einladung ohne weiteres möglich gewesen. Ggfs. hätten bei unterlassener Einladung dort keine Beschlüsse gefasst werden können, was sich letztlich zum Nachteil des Betriebsrats selbst ausgewirkt hätte. Das Nichterscheinen von Frau We. durfte die Betriebsratsvorsitzende jedenfalls vertretbar auch dahin interpretieren, dass diese an der weiteren Betriebsratsarbeit kein Interesse hatte. Das entbindet zwar die Betriebsratsvorsitzende nicht von der Verpflichtung zur Einladung, mindert aber den ihr vorgeworfenen Verstoß jedenfalls so weit, dass er nicht als grob im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann.
Letztlich entscheidend bei dieser Bewertung war für die Kammer, dass ein planmäßiges Vorgehen gegen Frau We. durch die Vorsitzende mit dem Ziel, diese vorsätzlich von der Teilnahme an Betriebsratssitzungen abzuhalten, nichts zu erkennen war. Nur in diesem Fall wäre die Beschwerdekammer von einem groben Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz ausgegangen.
IV.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Verkündet am 03.12.2013