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  • 06.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233545

    Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 12.01.2023 – 18 Sa 909/22

    1. Die elektronische Einreichungspflicht nach § 46g ArbGG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

    2. § 46gS. 3 ArbGG sieht eine Ausnahme von der elektronischen Einreichungspflicht für den Fall vor, dass eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, nicht jedoch bei subjektivem Unvermögen des Prozessbevollmächtigten.

    3. Rechtsanwälte sind nicht nur nach § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, vielmehr müssen sie sich auch die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen aneignen, damit sie die zugestellten Dokumente auch zur Kenntnis nehmen und Schriftsätze im Notfall auch ohne das Sekretariat fristwahrend versenden können. Der Anwalt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er sich mit dieser Anwendung nicht hinreichend auseinandersetzt und blind auf das Funktionieren seines Sekretariats vertraut.


    Tenor:

    Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.



    Gründe



    I.



    Die Parteien streiten nur noch über die Kosten des Rechtsstreits.



    Die Parteien haben erstinstanzlich über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestritten. Mit Schreiben vom 01.04.2022, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.04.2022. Am 19.04.2022 ging bei dem Arbeitsgericht Iserlohn die Kündigungsschutzklage des Klägers ein. Im Kammertermin vom 03.08.2022 erging ein Versäumnisurteil, das dem Beklagtenvertreter am 04.08.2022 übersandt wurde. Das Gericht erinnerte den Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 12.08.2022 und 18.08.2022 an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses. Ausweislich des am 31.08.2022 nachgereichten Empfangsbekenntnisses wurde das Versäumnisurteil dem Beklagtenvertreter erst am 12.08.2022 zugestellt. Dazu trägt der Beklagtenvertreter vor, das Empfangsbekenntnis sei zwischenzeitlich verloren gegangen und habe somit nicht zusammen mit dem Einspruch versandt werden können.



    Der Beklagtenvertreter legte mit Schriftsatz vom 19.08.2022 Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022 ein. Dazu erklärte er wörtlich: "In dem Arbeitsrechtsstreit B gegen A - 3 Ca 623/22 lege ich gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022, übermittelt per Fax vom 04.08.2022, zugegangen beim Unterzeichner am 05.08.2022 - das ursprünglich fehlende Empfangsbekenntnis wird nachgereicht - hiermit Einspruch ein." Den Schriftsatz vom 19.08.2022 übermittelte der Beklagtenvertreter am gleichen Tag um 13:20 Uhr per Fax an das Gericht.



    Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.08.2022 wurde der Beklagtenvertreter darauf hingewiesen, dass die Einspruchsfrist bei einer Zustellung am 05.08.2022 bereits abgelaufen sei und entsprechend § 46g S. 1 ArbGG vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, dass die Übermittlung gemäß § 46g S. 3, 4 ArbGG nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist und auf Anforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen ist.



    Mit Schriftsatz vom 25.08.2022 hat der Beklagtenvertreter vorgetragen, dass das Versäumnisurteil vom 03.08.2022, am 04.08.2022 übermittelt worden und zunächst von der Mitarbeiterin C. mit allen Posteingängen des Beklagtenvertreters und des D. bearbeitet worden sei. Die Mitarbeiterin habe dazu die Einspruchsfrist aus der Rechtsbehelfsbelehrung notiert. Die Vorlage des Versäumnisurteils sei bereits am 05.08.2022 erfolgt. Dies sei in der Weise geschehen, dass die Mitarbeiterin das Versäumnisurteil in Form der Papierakte und das Empfangsbekenntnis an einer speziell dafür vorgesehenen Stelle im Arbeitszimmer des Beklagtenvertreters abgelegt habe. Anschließend habe das Versäumnisurteil nebst Empfangsbekenntnis seit dem 05.08.2022 bei den eiligen Posteingängen gelegen. Angesichts der Arbeitsüberlastung sei es jedoch bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme am 12.08.2022 dort liegen geblieben. Erst als das Arbeitsgericht an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erinnerte, sei die Akte gesucht worden. - Die Einlegung des Einspruchs per Fax am 19.08.2022 hat der Beklagtenvertreter damit begründet, dass das Sekretariat der Kanzlei aufgrund eines Krankheitsfalls seit dem 16.08.2022 überlastet gewesen und ausschließlich von einer Mitarbeiterin geführt worden sei. Da diese Mitarbeiterin am 19.08.2022 bereits um 13:00 Uhr Feierabend gemacht habe, habe er das Einspruchsschreiben ohne das Sekretariat und ohne Kenntnisse bezüglich des Programms RA Micro erstellen müssen. Angesichts des Fehlens des Sekretariats sei die Nutzung der technischen Möglichkeiten des Programms RA Micro und damit die Übersendung der Schriftsätze als elektronische Dokumente nicht möglich gewesen.



    Das Arbeitsgericht teilte mit Schreiben vom 29.08.2022 mit, dass eine vorübergehende technische Störung nicht mit dem Unvermögen des Einreichers gleichzustellen sei.



    Mit Schriftsatz vom 31.08.2022 hat der Beklagtenvertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass in einer arbeitsteilig strukturierten Rechtsanwaltssozietät eine "vorübergehende technische Störung" auch dann bestehe, wenn das Sekretariat der Sozietät aufgrund der Corona-Erkrankung der einen Sekretärin und des Feierabends der zweiten Sekretärin nicht mehr besetzt ist und die Nutzung des Rechtsanwalts-Softwareprogramms dem Rechtsanwalt nicht vertraut war, weil die Nutzung des Programms ausschließlich dem Sekretariat zugewiesen war.



    Mit Urteil vom 05.09.2022 hat das Arbeitsgericht Iserlohn den Einspruch der Beklagten vom 19.08.2022 als unzulässig verworfen. Zur Begründung es im Wesentlichen ausgeführt: Der Einspruch sei nicht formgerecht innerhalb der Frist von einer Woche nach § 339 ZPO i.V.m. § 59 ArbGG eingelegt worden, da der Einspruch nicht gemäß § 46g S. 1 ArbGG als elektronisches Dokument übermittelt worden sei. Eine technische Störung habe nicht vorgelegen. Der Beklagten sei auch nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ihr das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen sei. Der Prozessbevollmächtigte könne sich nicht auf einen ihn entschuldigenden Rechtsirrtum berufen.



    Das Urteil erster Instanz ist dem Beklagtenvertreter am 08.09.2022 zugestellt worden. Die Beklagte hat mit einem Schriftsatz vom 16.09.2022, der am gleichen Tag bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung zugleich begründet.



    Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe die Tragweite des grundgesetzlichen Rechtsgewährleistungsgebotes verkannt. Das Gesetz dürfe den Zugang zu den Gerichten nicht über Gebühr erschweren und demgemäß formale Anforderungen an Schriftsätze nicht überziehen. Das Gesetz sehe zwar eine Ausnahme vom Grundsatz, dass ein Anwalt Schriftsätze als elektronische Dokumente an das Gericht übermitteln müsse, nur für technische Störungen vor. Sinn der Regelung sei aber im Hinblick auf den Rechtsgewährleistungsanspruch eine Ausnahme für Sonderfälle. Es habe ein solcher Sonderfall vorgelegen, da ein vorübergehendes Unvermögen des Beklagtenvertreters vorgelegen habe. Über den Wortlaut des Gesetzes müssten auch solche Sonderfälle mit der Erlaubnis zur Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften akzeptiert werden, wenn ein Unvermögen hinreichend konkretisiert werde, das Unvermögen nicht auf dem Unwillen des Versenders beruhe und ein solches Unvermögen einer vorübergehenden technischen Störung gleichzustellen wäre. In der hoch spezialisierten anwaltlichen Tätigkeit könne nicht erwartet werden, dass Anwälte auch ohne ihre auf die Kanzleimanagementprogramme geschulten Mitarbeiter auskommen könnten. Zudem liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, die darin bestehe, dass die Übermittlung anwaltlicher Schriftsätze bereits seit langem über das besondere elektronische Anwaltspostfach stattfinden müsse, während die Arbeitsgerichte erst später zum elektronischen Schriftverkehr verpflichtet seien.



    Die Beklagte hat zuletzt beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 05.09.2022 - 3 Ca 623/22 die Kündigungsschutzklage abzuweisen. Der Kläger hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Die Parteien schlossen in einem Parallelverfahren, welches aufgrund einer weiteren Kündigung der Beklagten vom 16.09.2022 vor dem Arbeitsgericht Iserlohn unter dem Aktenzeichen 3 Ca 1313/22 geführt wurde, einen Vergleich, der u.a. vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche, fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 16.09.2022 aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.12.2022 sein Ende finden wird und dass eine gerichtliche Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergeht.



    Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt und stellten wechselseitige Kostenanträge gestellt.



    II.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.



    1. Die Kostenentscheidung war durch Beschluss gemäß § 91a ZPO zu treffen, da die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.



    Der Abschluss eines die Kostenfrage offenlassenden gerichtlichen Vergleichs stellt ein Erledigungsereignis im Sinne des § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO dar (BGH, Beschluss v. 08.12.2006 - V ZR 249/05; Vollkommer, in: Zöller, 34. Auflage 2022, § 91a ZPO Rn. 4, 58 Stichwort "Vergleich"). Jedenfalls ist das Gericht an die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien gebunden (BAG, Urteil v. 08.11.2022 - 6 AZR 133/20).



    Einer Entscheidung nach § 91a ZPO steht § 98 S. 2 ZPO nicht entgegen, wonach die Kosten eines Rechtsstreits, der sich - wie hier - durch Vergleich erledigt hat, als gegeneinander aufgehoben anzusehen sin. Denn diese Norm kommt nicht zur Anwendung, wenn die Parteien sie ausgeschlossen und die Kostentragung einer gerichtlichen Entscheidung unterstellt haben (BGH, Beschluss v. 08.12.2006 - V ZR 249/05 m. w. N.). So liegt es hier. Der Vergleich sieht vor, dass eine Kostenentscheidung durch das Gericht ergehen soll.



    2. Nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren die Kosten des Rechtstreits der Beklagten aufzuerlegen.



    Die gerichtliche Entscheidung nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO ist eine Ermessensentscheidung. Da bei der Ausübung des Ermessens der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist, kommt es für die Kostenentscheidung auf den Verfahrensausgang an, der ohne die Erledigung zu erwarten gewesen wäre; in der Regel hat derjenige die Kosten zu tragen, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären (BAG, Beschl. v. 20.04.2005 - 2 AZR 201/04). Das Gericht braucht in rechtlich schwierig gelagerten Fällen nicht jede für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsame Rechtsfrage zu überprüfen; eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ist ausreichend (BAG, Beschl. v. 20.04.2005 - 2 AZR 201/04; Vollkommer, in: Zöller, 34. Aufl. 2022, § 91a ZPO Rn. 26a). Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO sind die näheren Umstände und die Motive, die zur Abgabe der Erledigungserklärung geführt haben, zu berücksichtigen (Vollkommer in: Zöller, § 91a ZPO Rn. 24). Auch der Inhalt eines abgeschlossenen Vergleichs und der Umfang des wechselseitigen Nachgebens kann berücksichtigt werden (BGH, Beschl. v. 08.12.2006 - V ZR 249/05; OLG Schleswig, Beschl. v. 26.05.2005 - 11 U 69/04; Vollkommer, in: Zöller, § 91a ZPO Rn. 58 Stichwort "Vergleich").



    a) Bei summarischer Prüfung der Rechtslage wäre der Kläger auch in der Berufungsinstanz unterlegen gewesen.



    Das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn ist nicht zu beanstanden. Es hat den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022 zu Recht gemäß § 341 ZPO als unzulässig verworfen.



    aa) Die Beklagte hat die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022 versäumt.



    Nach § 59 S. 1 ArbGG beträgt die Frist zur Einlegung des Einspruchs eine Woche ab der Zustellung des Versäumnisurteils. Das Versäumnisurteil ist am 04.08.2022 an die Kanzlei des Beklagtenvertreters übermittelt worden. Für die Wirksamkeit bzw. das Datum der Zustellung an einen Rechtsanwalt kommt es jedoch nicht auf den Eingang in dessen Kanzlei, sondern darauf an, dass der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen (BGH, Beschluss v. 12.01.2010 - VI ZB 64/09; LAG Düsseldorf, Urteil v. 24.04.2006 - 14 Sa 57/06). Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Einspruchsschriftsatz des Beklagtenvertreters vom 19.08.2022 bereits ein Empfangsbekenntnis darstellt, welches eine Zustellung am 05.08.2022 beweist, weil der Beklagtenvertreter sich darin auf das "am 05.08.2022 bei ihm zugegangene" Versäumnisurteil bezieht und somit gleichzeitig seinem Empfangswillen zu diesem Zeitpunkt zum Ausdruck bringt, oder ob nur das am 31.08.2022 von dem Beklagtenvertreter zurückgesandte Empfangsbekenntnis, welches eine Zustellung am 12.08.2022 bekundet, maßgeblich ist, denn jedenfalls wurde der Einspruch nicht formgerecht innerhalb der Frist des § 59 S. 1 ArbGG eingelegt.



    (1) Die Einspruchsfrist endete spätestens mit Ablauf des 19.08.2022.



    Die Frist der §§ 59 ArbGG, 339 ZPO begann selbst bei einer Unterstellung des späteren Zustellungszeitpunktes am 12.08.2022 zu laufen. Die Wochenfrist lief gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 19.08.2022 ab.



    (2) Bis zum 19.08.2022 ist kein formgerechter Einspruch bei dem Arbeitsgericht eingegangen.



    (a) Der Beklagtenvertreter legte den Einspruch mit Fax vom 19.08.2022 bei dem Arbeitsgericht nicht unter Wahrung der technischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und damit formunwirksam ein.



    Der Einspruchsschriftsatz genügt nicht den rechtlichen Anforderungen die an eine prozessual ordnungsgemäße Klageerhebung zu stellen sind, denn er wahrt nicht die rechtlichen Vorgaben des § 46g S. 1 ArbGG. Seit dem 01.01.2022 gilt vor allen nordrheinwestfälischen Arbeitsgerichten § 46g ArbGG. Danach sind durch die in der Norm genannten Personen, insbesondere durch Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Einspruchsschrift der Beklagten vom 19.08.2022 nicht erfüllt. Die Einspruchseinreichung durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Fax erfolgte nicht elektronisch, wie von § 46g ArbGG für Rechtsanwälte zwingend vorgesehen. Bei Nichteinhaltung dieser Form ist die Prozesserklärung unwirksam und der darin enthaltene Sachvortrag nicht zu berücksichtigen (Herberger in: Schwab/Weth, 6. Aufl. 2022, § 46g ArbGG Rn. 34; Tiedemann in: Henssler/Willemsen/Kalb, 10. Aufl. 2022, § 46g ArbGG Rn. 7).



    (b) Die Einreichung per Fax war auch nicht ausnahmsweise nach § 46g S. 3 und 4 ArbGG zulässig.



    § 46g S. 3 ArbGG sieht eine Ausnahme von der elektronischen Einreichungspflicht für den Fall vor, dass eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Allein die vorübergehende technische Störung darf kausal für die Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung sein. Die Gesetzesbegründung nennt insoweit beispielhaft einen Serverausfall (BT-Drs.17/12634, 27). Sinn und Zweck der Norm besteht gerade darin, die Beachtung der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs zu sichern. Eine enge Auslegung der Vorschrift ist zur Verhinderung eines Missbrauchs der Ersatzeinreichung erforderlich.



    Danach ist eine Ersatzeinreichung nur bei der Glaubhaftmachung einer objektiv nachprüfbaren technischen Störung zu gewähren, nicht jedoch bei subjektivem Unvermögen des Prozessbevollmächtigten. Denn die Kanzleiorganisation obliegt der Risikosphäre der Rechtsanwälte und ist von diesen steuerbar. Der Rechtsanwalt ist insoweit weniger schutzwürdig als bei technischen Störungen, die typischerweise plötzlich auftreten und nicht zu beeinflussen sind. Wollte man das "Unvermögen" des Anwalts der technischen Störung gleichstellen, so könnte die umfassende Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs leicht umgangen werden.



    (c) Es bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 46g ArbGG mit der aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Garantie des effektiven Rechtsschutzes und mit dem Justizgewährleistungsanspruch (Art.20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG).



    Die genannten Verfassungsvorschriften geben dem Bürger zwar einen substanziellen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle, verbieten aber nicht die Errichtung jeder Schranke vor dem Zugang zum Gericht. Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung des Rechtswegs darf den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (BVerfG, Beschluss v. 02.12.1987 - 1 BvR 1291/85 zur einwöchigen Rechtsbehelfsfrist). Insbesondere sind Gerichte bei der Auslegung und Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften gehalten, den Grundsatz rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung zu beachten. Bei der Anwendung und Auslegung der prozessrechtlichen Vorschriften, die die Gewährung rechtlichen Gehörs sichern sollen, dürfen die Gerichte keine überspannten Anforderungen stellen (BVerfG, Beschluss v. 04.07.2002 - 2 BvR 2168/00 zum Erfordernis der Schriftform).



    Die elektronische Einreichungspflicht nach § 46g ArbGG begegnet ausgehend von den vorstehenden rechtlichen Maßgaben keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 13.10.2021 - 6 Sa 337/20; vgl. hinsichtlich Art. 12 GG: BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 20.12.2017 - 1 BvR 2233/17). Die Vorschrift verfolgt den legitimen Zweck, einen einheitlichen bundesweiten Standard für das Einreichen von Schriftsätzen zu schaffen. Bei der aktiven Nutzungspflicht handelt es sich um einen unentbehrlichen Baustein zur schrittweiser Einführung des Elektronischen Rechtsverkehrs. § 46g erschwert den Zugang zu den Gerichten nicht in unverhältnismäßiger Weise. Es mag sein, dass elektronische Einreichungspflicht für die Rechtsanwälte zunächst eine Belastung darstellen. Die anfängliche Erschwernis ist hinzunehmen, um einen auf lange Jahre ausgelegten Standard zu erreichen. Der Gesetzgeber hat den elektronischen Rechtsverkehr stufenweise zunächst durch die passive Empfangspflicht, später durch die aktive Nutzungspflicht für professionelle Einreicher wie die Rechtsanwälte eingeführt. Von professionellen Einreichern kann verlangt werden, dass sie sich hinreichend um eine ordnungsgemäße Kommunikation mit dem Gericht kümmern (ArbG Lübeck, Urteil v. 09.06.2020 - 3 Ca 2203/19). Durch die Möglichkeit der Ersatzeinreichung nach § 46g S. 3 und 4 ArbGG und die Heilungsmöglichkeit nach §46c Abs. 6 ArbGG werden die Belastungen für die elektronisch Einreichenden abgemildert. In der arbeitsgerichtlichen Praxis hat § 46g ArbGG bislang nicht zu nennenswerten Schwierigkeiten geführt.



    bb) Der Beklagten ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren.



    Grundsätzlich ist das Wiedereinsetzungsverfahren bei Übermittlungsfehlern sowie bei formellen Einreichungsmängeln anwendbar und wird nicht von § 46c Abs. 6 ArbGG verdrängt. Diese Vorschrift betrifft nur den Spezialfall des zur Bearbeitung durch das Gericht ungeeigneten Dokuments.



    § 233 S. 1 ZPO setzt allerdings voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war. An dieser Voraussetzung fehlt es. Im Streitfall handelte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten schuldhaft. Das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten wird der Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet (BAG, Urteil v. 22.3.2012 - 2 AZR 224/11; BAG, Beschluss v. 12.?9. 2012 - 5 AZN 1743/12).



    Es ist die Pflicht des Rechtsanwalts, für einen ordnungsgemäßen Zustand der aus seiner Kanzlei ausgehenden elektronischen Dokumente zu sorgen (BAG, Urteil v. 30.7.2020 - 2 AZR 43/20). Rechtsanwälte sind nicht nur nach § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, vielmehr müssen sie sich auch die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen aneignen (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 19.9.2019 - 5 Ta 94/19; BVerfG, Beschluss v. 20.12.2017 - 1 BvR 2233/17), damit sie die zugestellten Dokumente auch zur Kenntnis nehmen und Schriftsätze im Notfall auch ohne das Sekretariat fristwahrend versenden können. Der Anwalt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er sich mit dieser Anwendung nicht hinreichend auseinandersetzt und blind auf das Funktionieren seines Sekretariats vertraut.



    Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die ihn insoweit treffenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet. Es ist nicht ersichtlich, dass er das Notwendige unternahm, um sich die erforderlichen Kenntnisse zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs anzueignen und sie zu aktualisieren. Hierzu ist nichts vorgetragen und glaubhaft gemacht worden.



    Es kommt hinzu, dass sich die Sorgfaltspflicht des Prozessbevollmächtigten erhöht, wenn - wie die Beklagte vorgetragen hat - der Personalbestand der Kanzlei krankheitsbedingt vermindert ist (Greger, in: Zöller, § 233 ZPO Rn. 23.13 m.w.N.). Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten insoweit besondere organisatorische Vorkehrungen traf, ist nicht erkennbar. Insbesondere fehlt es an einer Erklärung dafür, dass der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz vom 19.08.2022 am gleichen Tag um 13:20 Uhr per Fax übersandte, nachdem die verbleibende Kanzleikraft um 13:00 Uhr ihren Dienst beendete. Warum es nicht möglich war, den Schriftsatz vor 13:00 Uhr vor dem Arbeitsende der Kanzleikraft zu expedieren, legt die Beklagte nicht dar.



    b) Nach den Umständen, die zur Abgabe der Erledigungserklärungen geführt haben, ist keine hiervon abweichende Kostenentscheidung geboten.



    Vielmehr ist es gerade nach den hier vorliegenden Umständen gerechtfertigt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Ausweislich des vorgesehenen Vergleichs, vor dessen Hintergrund die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, soll das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gerade nicht durch die Kündigung vom 01.04.2022, die hier im Streit stand, beendet werden, sondern durch die später ausgesprochene Kündigung vom 16.09.2022. Die Beklagte hat sich insoweit in die Rolle der Unterlegenen begeben.



    III.



    Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.



    Ergeht eine Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO durch das Landesarbeitsgericht, ist nicht die sofortige Beschwerde nach § 91a Abs. 2 ZPO, sondern lediglich die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 ZPO statthaft; die Rechtsbeschwerde ist an die in § 574 Abs. 1 genannten Voraussetzungen gebunden (BAG, Beschl. v. 21.06.2006 - 3 AZB 65/05). Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Sinne von § 574 Abs. 2 und 3 ZPO liegen nicht vor.

    Vorschriften§ 46g S. 1 ArbGG, § 46g S. 3, 4 ArbGG, § 339 ZPO, § 59 ArbGG, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 91a ZPO, § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO, § 98 S. 2 ZPO, § 341 ZPO, § 59 S. 1 ArbGG, §§ 59 ArbGG, 339 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB, § 46g ArbGG, § 46g S. 3 und 4 ArbGG, § 46g S. 3 ArbGG, Art. 19 Abs. 4 GG, Art.20 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 GG, §46c Abs. 6 ArbGG, § 233 ZPO, § 46c Abs. 6 ArbGG, § 233 S. 1 ZPO, § 85 Abs. 2 ZPO, § 31a Abs. 6 BRAO, § 91a Abs. 2 ZPO, § 574 Abs. 1 ZPO, § 574 Abs. 2, 3 ZPO