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  • 27.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229932

    Arbeitsgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 01.04.2022 – 24 Ca 7293/21

    Eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischnischen Gründen iSd § 46g Satz 3 ArbGG liegt nicht vor, wenn ein rechtsanwalt pauschal behauptet, er sei, obwohl rechtzeitig beantragt, nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden.


    ArbG Frankfurt 24 Ca 7293
    21. Fachkammer

    01.04.2022


    Tenor

    Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Januar 2022 — 24 Ca 7293/21 — wird als unzulässig verworfen.

    Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.892,79 EUR festgesetzt.

    Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach den gesetzlich gesondert geregelten Fällen bleibt hiervon unberührt.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Vergütung.

    Mit Schriftsatz vom 12. November 2021 — bei Gericht eingegangen am 22. November 2021 — hat die Klägerin Klage auf Zahlung von Vergütung iHv. insgesamt 1.892,79 EUR brutto erhoben.

    Dem Gütetermin am 21. Januar 2022 ist die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt ferngeblieben. Auf Antrag der Beklagten ist am Schluss der Sitzung ein klageabweisendes Versäumnisurteil verkündet worden, welches der Klägerin am 16. Februar 2022 zugestellt worden ist. Mit handschriftlich unterschriebenem und postalisch übersandtem Anwaltsschriftsatz vom 20. Februar 2022 — bei Gericht eingegangen am 22. Februar 2022 — hat die Klägerin Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und mitgeteilt, der Einspruch erfolge nicht per beA, da der Unterzeichnende, obwohl rechtzeitig beantragt, bis heute nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden sei.

    Mit Schreiben vom 1. März 2022 (81. 18 d.A.) hat die Kammer den Parteien mitgeteilt, dass der nicht als elektronisches Dokument eingereichte Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil am 22. Februar 2022 bei Gericht eingegangen und dem Vorsitzenden am 24. Februar 2022 vorgelegt worden ist, demgemäß binnen der einwöchigen Einspruchsfrist gemäß § 59 Satz 1 ArbGG kein formgerechter Einspruch durch Schriftsatz gemäß § 46g Satz 1 ArbGG erfolgt sei und die Voraussetzungen des § 46g Satz 3 und 4 ArbGG u.a. mit Blick auf die Gesetzesbegründung hier nicht vorliegen dürften. Es bestünden insbesondere erhebliche Bedenken im Hinblick auf eine „vorübergehende Unmöglichkeit'. Vor diesem Hintergrund sei beabsichtigt, den Einspruch durch Urteil durch den Vorsitzenden allein ohne mündliche Verhandlung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4a, Abs. 2 Satz 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen. Die Parteien haben diesbezüglich rechtliches Gehör mit Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

    In Ergänzung des Sach- und Streitstandes, der Beweisanträge sowie der weiteren Rechtsausführungen der Parteien wird Bezug genommen auf ihr weiteres schriftsätzliches Vorbringen sowie die zu den Akten gereichten Anlagen und das Sitzungsprotokoll, soweit dies noch nicht ausdrücklich erfolgt ist.

    Entscheidungsgründe

    Der Einspruch der Klägerin vom 20. Februar 2022 gegen Versäumnisurteil vom 21. Januar 2022 war nach Gewährung rechtlichen Gehörs als unzulässig zu verwerfen, da er innerhalb der einwöchigen Einspruchsfrist gemäß § 59 Satz 1 ArbGG seit Zustellung des Versäumnisurteils nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

    Die Klägerin hat ihren Einspruch nicht in der gesetzlichen Form eingelegt.

    1. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind gemäß § 46g Satz 1 ArbGG seit dem 1. Januar 2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (Satz 3). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (Satz 4 Halbs. 1).

    Bestimmende Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden, sind unwirksam. Die Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Der Gegner kann auf die Einhaltung weder verzichten noch sich rügelos einlassen (BT-Drs. 17/12634, 27 zu § 130d ZPO; BeckOK ArbR/Hamacher, 63. Ed. 1.3.2022, ArbGG § 46g Rn. 4, mwN.).

    2. Hiernach war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Unabhängig von der Frage einer ausreichenden unverzüglichen Glaubhaftmachung fehlt es bereits an einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen — hierunter fällt etwa ein Serverausfall (BT-Drs. 17/12634, 27) — als elektronisches Dokument. Das beA wurde bereits im Jahr 2016 in Betrieb genommen. Die passive Nutzungspflicht für Rechtsanwälte gemäß § 31a Abs. 6 BRAO besteht bereits seit dem 1. Januar 2018. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen" und „vorübergehend" wird klargestellt, dass professionelle Einreicher hierdurch nicht von der Notwendigkeit entbunden sind,' die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (BR-Drs. 812/12, 36). Die pauschale Darlegung des Klägervertreters, der Einspruch erfolge nicht per beA, da er, obwohl rechtzeitig beantragt, bis heute nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden sei, genügt diesen Voraussetzungen offenkundig nicht. Ihr lässt sich überdies bereits nicht entnehmen, wann die „rechtzeitige" Beantragung erfolgt sein soll.

    II. Die Kostentragungspflicht der Klägerin hinsichtlich der weiteren Kosten des Rechtsstreits findet ihre rechtliche Grundlage in § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 97 ZPO analog. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Wert des Streitgegenstandes entspricht der Summe der Klageforderungen. Der Ausspruch über die Statthaftigkeit der Berufung beruht auf § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG. Gründe, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen, liegen nicht vor.

    III. Die Entscheidung erging gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4a, Abs. 2 Satz 1 ArbGG durch den Vorsitzenden allein ohne mündliche Verhandlung. Die Verkündung des Urteils wird durch seine Zustellung ersetzt (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 310 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

    RechtsgebietElektronischer RechtsverkehrVorschriften§ 46g S. 3 ArbGG