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  • 25.08.2020 · IWW-Abrufnummer 217531

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 27.07.2020 – 15 WF 158/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Brandenburg

    Beschluss vom 27.07.2020


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengerichts - Potsdam vom 19.05.2020 - 440 F 143/19 sein Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Amtsgericht Lange für begründet erklärt.


    Gründe

    Die gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

    Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. In Betracht kommen dabei objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden dagegen aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist auch, ob er sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1220 [BGH 14.03.2003 - IXa ZB 27/03]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 42, Rn. 9). Das ist hier der Fall.

    Dem Amtsgericht ist zwar darin zuzustimmen, dass die Ablehnung eines Antrages auf Terminsverlegung nicht grundsätzlich und in jedem Fall Anlass bietet, an der Unparteilichkeit eines Richters zu zweifeln. Anders liegt es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre, deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (BGH, NJW 2006, 2492 [BGH 06.04.2006 - V ZB 194/05]; Zöller/Vollkommer, a. a. O., m. w. N.).

    Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Gemäß § 227 ZPO kann aus erheblichen Gründen auf Antrag oder von Amts wegen ein Termin aufgehoben oder verlegt werden. Bei der Entscheidung bleibt dem Gericht kein Ermessensspielraum, wenn die Vertagung zur Gewährung rechtlichen Gehörs notwendig ist. Dies ist hier der Fall. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet es, dem um Verfahrenskostenhilfe Nachsuchenden eine angemessene Frist zur Überlegung einzuräumen, ob und inwieweit er ein Kostenrisiko tragen muss (vgl. OLG Celle, FamRZ 2014, 588, OLG Zweibrücken, FamRZ 2004, 35). Über ein Verfahrenskostenhilfegesuch, das rechtzeitig angebracht wird, ist daher möglichst frühzeitig, vor oder jedenfalls zugleich mit der Terminsbestimmung zu entscheiden, damit der Bedürftige in der Lage ist, sein prozessuales Verhalten darauf einzustellen (OLG Celle, a. a. O.; OLG Jena, FamRZ 2017, 723). Ein bedürftiger Beteiligter kann ein Zuwarten mit dem Fortgang des Hauptsacheverfahrens jedenfalls dann beanspruchen, wenn gerade die Mittellosigkeit ihm die Vornahme der zur Wahrung seiner Rechtsposition erforderlichen Verfahrenshandlungen, wie sie einem bemittelten Beteiligten in der jeweiligen Verfahrenssituation zu Gebote stünden, verwehren oder unverhältnismäßig erschweren würde (BGH, FamRZ 2016, 1768, unter Hinweis auf BVerfG, NJW 2010, 2567). Der Antragsgegner hat hier bereits mit seiner Beschwerde vom 05.08.2019 gegen die Zurückweisung seines Verfahrenskostenhilfeantrags unter Hinweis auf seine Mittellosigkeit die Verlegung des auf den 19.08.2019 anberaumten Termins beantragt, sofern bis dahin nicht über die Beschwerde entschieden worden sei. Mit Fax vom 19.08.2019, das um 8:00 Uhr beim Amtsgericht eingegangen ist, hat er nochmals ausdrücklich um eine Vertagung gebeten und betont, dass er sich die Kosten der Vertretung durch einen Anwalt im Termin nicht leisten könne und deshalb weder er noch sein Verfahrensbevollmächtigter zum Termin erscheinen werde.

    Unter den gegebenen Umständen lagen auf Seiten des Antragsgegners erhebliche Gründe im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO vor, die angesichts der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör eine Rechtspflicht des Gerichts zur Vertagung begründeten. Die hier gleichwohl erfolgte Ablehnung der Terminsverlegung rechtfertigt das Befangenheitsgesuch. Ausgehend von der Gesamtheit des richterlichen Verhaltens der abgelehnten Richterin, kann sich nämlich dem Antragsgegner der Eindruck aufdrängen, die abgelehnte Richterin achte seine Interessen nur gering und benachteilige ihn deshalb durch Beeinträchtigung seines Rechts auf rechtliches Gehör. Der Senat verkennt bei dieser Beurteilung nicht, dass die große Arbeitslast der Amtsgerichte grundsätzlich eine konsequente Beachtung der Beschleunigungsmaxime erfordert. Das darf aber nicht dazu führen, dass bei einem Beteiligten der Eindruck entstehen kann, dass der Einhaltung der auf Verfahrensbeschleunigung gerichteten Maßgaben höhere Bedeutung beigemessen wird als der gebotenen Gewährung rechtlichen Gehörs.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. Zöller/Vollkommer, a. a. O, § 46, Rn. 8).

    RechtsgebieteZivilrecht, Prozessrecht, PKH, VKHVorschriften§ 227 ZPO