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  • 09.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205332

    Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 01.08.2018 – L 6 SF 2/18 EK SB

    1. Ein Kostenfestsetzungsverfahren ist ein Gerichtsverfahren im Sinne des Abs. 1 S. 1 GVG.

    2. Soweit es lediglich um die Höhe der zu erstattenden Kosten geht, liegt grundsätzlich eine nur untergeordnete Bedeutung für den Kläger vor.

    3. Im Regelfall ist dann eine Wiedergutmachung durch die Feststellung der Überlänge ausreichend. Eine Entschädigung in Geld kommt hingegen nicht in Betracht.


    Landessozialgericht Hessen

    Urt. v. 01.08.2018


    Tenor:

    I.
    Die unangemessene Dauer des beim Sozialgericht Gießen unter dem Aktenzeichen S 23 SF 68/15 E geführten Verfahrens wird festgestellt.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    II.
    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4 zu tragen.

    III.
    Die Revision wird nicht zugelassen.

    IV.
    Der Streitwert wird auf 3.200,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Der Kläger begehrt eine Entschädigung für die Dauer eines Kostenfestsetzungsverfahrens vor dem Sozialgericht Gießen (Az.: S 23 SF 68/15 E). In der Sache stritten die Beteiligten um die Erstattungsfähigkeit von Kopierkosten.

    Am 13. Februar 2014 erhob der Kläger eine Klage vor dem Sozialgericht Gießen (Az.: S 16 SB 54/14) und beantragte, ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 zuzuerkennen. Nachdem mehrere Befundberichte vorgelegt wurden, erkannte das beklagte Land Hessen mit Bescheid vom 27. Oktober 2014 einen Grad der Behinderung von 60 an. Der Kläger erklärte das Verfahren daraufhin für erledigt und beantragte, dem beklagten Land Hessen, die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Mit Schriftsatz vom 27. November 2014 erklärte sich das beklagte Land Hessen bereit, die außergerichtlichen Kosten dem Grund nach zu erstatten. Das Gericht teilte dem Kläger daraufhin mit, dass es eine gerichtliche Kostengrundentscheidung für entbehrlich halte, da ein volles Obsiegen der Klägerseite vorliege und von der Annahme des Kostengrundanerkenntnisses ausgegangen werde. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2015 teilte das beklagte Land Hessen im Hinblick auf die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte Gebührenrechnung in Höhe von insgesamt 770,88 € mit, dass es mit den geltend gemachten Kosten der Höhe nach nicht einverstanden sei. Ausweislich der Kostenrechnung veranschlage der Prozessbevollmächtigte einen Betrag von insgesamt 47,80 € für die Anfertigung von 202 Fotokopien, obwohl die Akte nur 101 Seiten gehabt habe. Auf Nachfrage des Gerichts teilte der Bevollmächtigte am 8. Januar 2015 mit, dass er die Akte doppelt kopiert habe, um dem Kläger einen Satz aushändigen und den Sachverhalt mit ihm besprechen zu können.

    Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Oktober 2015 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom beklagten Land zu erstattenden Kosten auf insgesamt 740,78 € fest, wobei er die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Vergütungsverzeichnis zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte- Rechtsanwaltsvergütungsgesetz- (VV RVG) mit 32,50 € in Ansatz brachte. Zur Begründung führte er aus, dass die Fertigung eines zweiten Satzes Fotokopien nicht erforderlich gewesen sei.

    Gegen den ihm am 12. November 2015 zugestellten Beschluss stellte der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20. November 2015 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hinsichtlich der Absetzung der geltend gemachten restlichen Kopierkosten. Der Urkundebeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab und legte der Kostenkammer des Sozialgerichts Gießen das Verfahren am 25. November 2015 zur Entscheidung vor.

    Nachdem das Land Hessen als Erinnerungsgegner mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 ausgeführt hatte, ein einmaliges Kopieren der Akte werde als ausreichend erachtet, verfügte der Kammervorsitzende das Verfahren am 23. Dezember 2015 zum "Beschlussfach". Weiterer Schriftverkehr erfolgte nicht. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2. Februar 2017 rügte der Kläger eine überlange Verfahrensdauer. Es seien weder schwierige Rechtsfragen zu klären, noch bedürfe es einer Bearbeitungszeit von über einem Jahr, um über die angemessenen Kosten zu entscheiden. Daraufhin verfügte der Vorsitzende am 3. Februar 2017 "Wiedervorlage mit Akte". Mit Schreiben vom 20. November 2017 erkundigte sich der Erinnerungsgegner nach dem Sachstand. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2017 wies das Sozialgericht Gießen die Erinnerung des Entschädigungsklägers zurück.

    Am 4. Januar 2018 hat der Kläger eine Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben. Er meint, das Verfahren vor dem Sozialgericht Gießen sei unangemessen verzögert worden, da 32 Monate der Untätigkeit vorlägen. Es stehe ihm daher eine Entschädigung in Höhe von 3.200,- € zu. Das Kostenfestsetzungsverfahren sei für ihn auch nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen, da die generelle Kostentragung des beklagten Landes noch nicht festgestellt gewesen sei und er daher habe fürchten müssen, die volle Summe von 770,88 € an seinen Prozessbevollmächtigten zahlen zu müssen.

    Er beantragt sinngemäß,

    den Beklagten zu verurteilen,

    an ihn als Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens S 23 SF 68/15 E (Sozialgericht Gießen) eine Entschädigung in Höhe von 3.200,00 € zu zahlen,

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er ist der Ansicht, dass eine Entschädigung schon deshalb nicht in Betracht komme, da das Verfahren für den Kläger von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Es habe lediglich noch die Erstattung von Kopierkosten in Höhe von 15,30 € in Streit gestanden. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass ein Kostenfestsetzungsverfahren für den Kläger des Ausgangsverfahrens generell relativ uninteressant sei, da es nur um die Höhe der dem Anwalt zu erstattenden Kosten gehe. Insoweit habe allein der Prozessbevollmächtigte ein finanzielles Interesse an der Klärung der Kostenhöhe, nicht aber der Kläger. Auch sei der Kläger nicht im Ungewissen über die Kostentragung gewesen, da das beklagte Land ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben habe. Es erschließe sich auch nicht, inwiefern der Kläger immateriell benachteiligt sein könnte. Allerdings sei zu konstatieren, dass das Gericht tatsächlich 32 Monate untätig gewesen sei, wobei allenfalls eine Feststellung der überlangen Dauer in Betracht komme.

    Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung waren.

    Gründe

    Der Senat konnte den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 201 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Verbindung mit § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.

    Das Landessozialgericht ist für die erhobene Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 10, § 202 Satz 2 SGG i.V.m. den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

    Die auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage ist zulässig.

    Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs. 5 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL- juris; Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R - juris; BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 2/14 R - juris) und - nach Abschluss des Ausgangsverfahrens - auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Einlegungsfrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GVG, wonach die Klage spätestens sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, erhoben werden muss, hat der Kläger eingehalten, wobei der Beschluss vom 8. Dezember 2017, mit welchem die Erinnerung des Klägers im Kostenfestsetzungsverfahren zurückgewiesen wurde, als verfahrensbeendigender Beschluss zu verstehen ist. Die Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, wurde ebenfalls eingehalten. Bei Erhebung der Entschädigungsklage am 4. Januar 2018 war die Sechsmonatsfrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG bezogen auf die am 2. Februar 2017 angebrachte Verzögerungsrüge bereits abgelaufen und die Klage damit nicht verfrüht erhoben.

    Die zulässige Entschädigungsklage ist auch im tenorierten Umfang begründet.

    Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.

    Der Kläger begehrt die Entschädigung allein für Verzögerungen, die nach Erledigung der Hauptsache im Rahmen der noch zu treffenden Kostenfestsetzung des zuletzt unter dem Aktenzeichen S 23 SF 68/15 E geführten Rechtsstreits eingetreten sind. Dies steht der Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches im Rahmen einer Entschädigungsklage nicht entgegen. Dieses, sich an die Erledigung der Hauptsache anschließende Kostenverfahren nach § 197 SGG stellt ein eigenständiges Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG dar (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - juris; Röhl in Schlegel/Voelzke, JurisPK- SGG Kommentar, 1. Auflage 2017, Stand Mai 2018 Rn. 21) und nicht bloß einen unselbstständigen Annex zum vorangegangenen, abgeschlossenen Hauptsacheverfahren.

    Für ein weites Verständnis der Norm, das auch ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren einschließt, spricht bereits der Wortlaut des Gesetzes. Dort ist ausdrücklich "jedes" Verfahren als potentiell entschädigungspflichtig benannt. Mit dem - in § 198 GVG durchgängig verwendeten - Begriff des Gerichtsverfahrens ist auch keine Beschränkung auf Verfahren verbunden, die mit einer richterlichen Entscheidung abgeschlossen werden.

    Die Formulierung zur zeitlichen Begrenzung der (sodann auf ihre Angemessenheit zu untersuchenden) Verfahrensdauer in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG spricht ebenfalls nicht für ein engeres Verständnis des Anwendungsbereichs der Entschädigungspflicht. Maßgebend ist insofern der Zeitraum "von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss". Darunter ist die formelle Rechtskraft einer Entscheidung zu verstehen, sodass in die Verfahrensdauer auch der Zeitraum bis zur Zustellung des Urteils oder einer anderen das Verfahren abschließenden Entscheidung einbezogen ist (vgl BSG, Urteil vom 21.2.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris m.w.N.). Das Kostenfestsetzungsverfahren wird nach § 197 SGG auf Antrag eines Beteiligten oder seines Bevollmächtigten eingeleitet. Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ergehen aufgrund eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens und sind der Rechtskraft fähig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 197 Rn. 6, 9d). Diese tritt spätestens aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Sozialgerichts im ggf. anschließenden Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs. 2 SGG i.V.m. § 178 SGG ein.

    Das Kostenfestsetzungsverfahren ist damit ein Verfahren im Sinne des §198 Abs. 1 GVG.

    Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2013 - B 10 ÜG 9/13 B - juris).

    Die Verzögerungsrüge kann jedoch erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird (§ 198 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 GVG). Das Verfahren war zum Zeitpunkt der Verzögerungsrüge bereits 14 Monate anhängig und damit als verzögert anzusehen, da während dieses Zeitraums 12 Monate an inaktiven Zeiten des Gerichts vorlagen.

    Der die Zeit von der Erhebung der Erinnerung bis zum Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens umfassende Zeitraum stellt auch eine unangemessene Verfahrensdauer dar.

    Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

    Ausgangspunkt und erster Schritt der Angemessenheitsprüfung bildet die Feststellung der in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierten Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Kleinste im Geltungsbereich des ÜGG relevante Zeiteinheit ist hierbei der Monat.

    Das Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht Gießen begann mit dem Festsetzungsgesuch des beklagten Landes am 5. Januar 2015 und endete durch gerichtlichen Beschluss am 8. Dezember 2017. Es erreichte damit eine Gesamtdauer von 34 Monaten.

    In einem zweiten Schritt ist der Ablauf des Verfahrens an den von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten Kriterien zu messen. Bei der Feststellung der Tatsachen, die zur Ausfüllung der von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG genannten unbestimmten Rechtsbegriffe erforderlich sind, kommt dem Entschädigungsgericht ein erheblicher tatrichterlicher Beurteilungsspielraum zu (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 3. September 2014 B 10 ÜG 2/13 R -juris).

    Ob ein Verfahren als unangemessen lang zu bewerten ist, richtet sich demnach nicht nach starren Fristen, sondern nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

    Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss vom 30. August 2016 - 2 BvC 26/14 - Vz 1/16; BVerfG, Beschluss vom 27. September 2011 - 1 BvR 232/11), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (BGH, Urteil vom 14. November 2013 - III ZR 376/12 - juris Rn. 29; Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind.

    Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebenso wenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - juris.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 - a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 - 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 - 36853/05 Rn. 45 m.w.N.).

    Beurteilungsmaßstab für die Verfahrensdauer ist mit Blick auf die - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellende - Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Denn Gegenstand des jeweiligen Ausgangsverfahrens ist ein vom Kläger geltend gemachter prozessualer Anspruch, über den - so von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird - nicht in nur einer Instanz geurteilt wird. Ist das entschädigungsrelevante Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedoch das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren insgesamt abgeschlossen ist. Insofern ist es durchaus denkbar, dass eine verzögerte Bearbeitung in der einen Instanz durch eine besonders zügige Bearbeitung in einer anderen (teilweise) kompensiert wird. Allerdings wird eine noch so schnelle Bearbeitung in einer Instanz kaum geeignet sein, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014 - III ZR 37/13 - juris, der auf die Gesamtverfahrensdauer abstellt).

    Vorliegend sind die Schwierigkeit und die Bedeutung des Ausgangsverfahrens als deutlich unterdurchschnittlich anzusehen. Die für die Beurteilung der Verfahrensdauer relevante Bedeutung des Verfahrens ergibt sich aus der allgemeinen Tragweite der Entscheidung für die materiellen und ideellen Interessen der Beteiligten. Zur Bedeutung der Sache im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG trägt dabei im Kontext des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz maßgeblich das Interesse des Betroffenen gerade an einer raschen Entscheidung bei. Entscheidend ist deshalb auch, ob und wie sich der Zeitablauf nachteilig auf die Verfahrensposition des Klägers und das geltend gemachte materielle Recht sowie möglicherweise auf seine weiteren geschützten Interessen auswirkt (BSG, Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/13 - juris RdNr. 29).

    Rechtliche Schwierigkeiten sind dann anzunehmen, wenn grundsätzliche Rechtsfragen zu beantworten sind, für die noch keine höchstrichterliche Judikatur existiert, und die das Gericht daher nicht ohne intensive Auswertung der Fachliteratur beantworten kann. Die Beantwortung auch schwieriger Rechtsfragen gehört allerdings zu den originären Aufgaben des Gerichts. Der Tatrichter muss sich also - nach Lektüre der einschlägigen Literatur - zu einer Auffassung durchringen und diese in seiner Entscheidung knapp, aber nachvollziehbar begründen. Das kann nur in seltenen Ausnahmefällen eine mehrmonatige Verzögerung rechtfertigen, wenn etwa über mehrere komplexe Rechtsfragen gleichzeitig entschieden werden muss. Tatsächlich schwierig kann ein Verfahren sein, wenn die zu klärenden Sachfragen eine komplizierte und lang andauernde Beweisaufnahme erforderlich machen (Roderfeld, Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, GVG § 198 Rn. 8 ff.). Welche Verfahrenslänge tolerierbar ist, hängt ferner auch davon ab, welche Bedeutung dem Verfahren für die Verfahrensbeteiligten oder die Allgemeinheit zukommt. Für die Praxis der Verfahrensbearbeitung bedeutet dies, dass das Gericht nicht jedes eingehende Verfahren schematisch gleich behandeln kann, sondern Verfahren mit besonderer Bedeutung - möglicherweise auch zulasten anderer, früher eingegangener Verfahren - bevorzugt und beschleunigt bearbeiten muss. Die Tatsache, dass eine Partei die Sache für wichtig oder bedeutend hält, kann freilich für sich allein betrachtet noch kein besonderes Beschleunigungsbedürfnis auslösen.

    Vielmehr muss es darauf ankommen, ob vom Standpunkt eines objektiven Beobachters, der die Lebenssituation der Klagepartei kennt, eine besondere, die Verfahrensbeschleunigung erfordernde Bedeutung vorliegt (Roderfeld, Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, GVG § 198 Rn. 11).

    Bei dem Ausgangsverfahren handelte es sich um ein Kostenfestsetzungsverfahren mit dem Ziel, die außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers feststellen zu lassen. Von besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten war für das Ausgangsverfahren nicht auszugehen. Die Bedeutung des Rechtsstreits war aus Sicht eines objektiven Beobachters in Kenntnis der Lebenssituation des Klägers ebenfalls unterdurchschnittlich.

    Im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile ist ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung (vgl., BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - L 8 SF 128/12 EK - juris). Besondere Umstände, die gegen diese Erwägung im Allgemeinen sprechen, liegen hier nicht vor.

    Zwar handelt es sich bei den geltend gemachten Gebühren in Höhe von insgesamt 770,88 € um einen erheblichen Geldbetrag. Allerdings darf dabei nicht außer Betracht bleiben, dass das beklagte Land bereits ein Kostengrundanerkenntnis abgebeben hatte und der Kläger daher nicht mehr im Ungewissen über die Kostentragungspflicht des beklagten Landes war. Selbst wenn noch diesbezügliche Zweifel bestanden hätten, wäre es dem Kläger möglich gewesen auf das gerichtliche Schreiben vom 2. Dezember 2014 zu antworten und eine gerichtliche Kostengrundentscheidung einzufordern. Dass er dies nicht getan hat, zeigt aber, dass er offensichtlich keine Zweifel hatte. Insoweit ging es in dem Kostenfestsetzungsverfahren einzig und allein um die Höhe der zu erstattenden Kosten, was maßgeblich im Interesse des Bevollmächtigten des Klägers lag. Zwar wird man auch hier ein Interesse des Klägers an der Klärung der zu erstattenden Kosten nicht gänzlich verneinen können.

    Allerdings war spätestens mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist in Bezug auf den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 28. Oktober 2015 klar, dass das beklagte Land Kosten in Höhe von 740,78 € zu erstatten hat. Die Erinnerung des Klägers bezog sich auch lediglich auf die Absetzung der Kopierkosten in Höhe von 15,30 € und eine Anschlusserinnerung durch das beklagte Land wurde nicht eingelegt.

    Damit war das materielle Interesse mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist am 12. Dezember 2015 nur noch auf die noch ausstehenden Kosten in Höhe von 15,30 € beschränkt. Immaterielle Interessen des Klägers im Hinblick auf die möglichst zügige Kostenfestsetzung und Entscheidung über die Erinnerungen sind weder dargelegt noch sonst erkennbar.

    Eine über die Interessen des Klägers hinausgehende Bedeutung des Ausgangsverfahrens für die Allgemeinheit ist ebenfalls nicht ersichtlich.

    Neben diesen Faktoren ist in die Betrachtung auch mit einzustellen, dass aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit kein Recht auf sofortige Befassung des Gerichts mit jedem Rechtsschutzbegehren und dessen unverzügliche Erledigung folgt. Bereits aus nachvollziehbaren Gründen der öffentlichen Personalwirtschaft ist es gerichtsorganisatorisch mitunter unvermeidbar, Richtern oder Spruchkörpern einen relativ großen Bestand an Verfahren zuzuweisen. Eine gleichzeitige inhaltlich tiefgehende Bearbeitung sämtlicher Verfahren, die bei einem Gericht anhängig oder einem Spruchkörper bzw. Richter zugewiesen sind, ist insoweit schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich und wird auch von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK nicht verlangt (BFH, Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12). Je nach Bedeutung und Zeitabhängigkeit des Rechtsschutzziels und abhängig von der Schwierigkeit des Rechtsstreits sowie vom Verhalten des Rechtschutzsuchenden sind ihm gewisse Wartezeiten zuzumuten. Grundsätzlich muss dabei jedem Gericht eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen (BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 Rn. 34). Ebenso sind Gerichte - unter Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes - berechtigt, einzelne (ältere und jüngere) Verfahren aus Gründen eines sachlichen, rechtlichen, persönlichen oder organisatorischen Zusammenhangs zu bestimmten Gruppen zusammenzufassen oder die Entscheidung einer bestimmten Sach- oder Rechtsfrage als dringlicher anzusehen als die Entscheidung anderer Fragen, auch wenn eine solche zeitliche "Bevorzugung" einzelner Verfahren jeweils zu einer längeren Dauer anderer Verfahren führt.

    Obwohl die maßgebliche Gesamtabwägung nach den Vorgaben des § 198 Abs. 1 S. 2 GVG in jedem Einzelfall durchzuführen ist und der Gesetzgeber von der Einführung bestimmter Grenzwerte (Fristen) für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen hat (BT-Drucks. 17/3802 S 18: BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL und B 10 ÜG 2/12 KL), lässt es sich zur Gewährleistung möglichst einheitlicher Rechtsanwendung und damit aus Gründen der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit andererseits nicht vermeiden, in Entschädigungssachen zeitraumbezogene Konkretisierungen vorzunehmen. Dies jedenfalls dort, wo derartige Konkretisierungen aufgrund vorgefundener Übereinstimmungen sowohl in der Struktur zahlreicher sozialgerichtlicher Verfahren als auch ihrer Bearbeitung durch die Gerichte vertretbar sind (vgl. dazu BFH, Zwischenurteil vom 7. November 2013 - X K 13/12 Rn. 64). Es ist zu diesem Zweck aufgrund der besonderen Natur sozialgerichtlicher Verfahren in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R) derzeit von folgenden Grundsätzen auszugehen: Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatswechseln etc.) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf. älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht.

    Die systematische Verfehlung dieses Ziels ist der Hauptgrund dafür, dass die für Ausstattung der Gerichte zuständigen Gebietskörperschaften Bund und Land mit den Kosten der Entschädigungszahlungen belastet werden, wenn Gerichtsverfahren eine angemessene Dauer überschreiten. Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung der Klage bzw. die Einlegung der Berufung liegen, in der das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel sorgt und Entscheidungsunterlagen beizieht. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein. Eine gewisse Vorbereitungs- und Bedenkzeit der Gerichte akzeptiert auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung maßgeblich dem Gesetz zugrunde liegt. Wie die Analyse seiner Urteile zeigt, beanstandet der Gerichtshof regelmäßig nicht die Dauer solcher Verfahren, die nicht besonders eilbedürftig sind und die je Instanz nicht länger als zwei Jahre und insgesamt nicht länger als fünf Jahre dauern (so auch BSG, Urteil vom 3. September 2014 B 10 ÜG 12/13 R Rn. 54).

    Schließlich kommt es - auch wenn dies in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG als Kriterium zur Bestimmung der Angemessenheit nicht ausdrücklich erwähnt wird - für eine Verletzung des Art. 6 EMRK durch den Beklagten wesentlich darauf an, ob ihm zurechenbare Verhaltensweisen des Gerichts zur Überlänge des Verfahrens geführt haben. Maßgeblich sind dabei allein Verzögerungen, also sachlich nicht gerechtfertigte Zeiten des Verfahrens, insbesondere aufgrund von Untätigkeit des Gerichts (BSG, Urteil vom 3. September 2014 - B 10 ÜG 12/13 R -, veröffentlicht in Juris). Vor diesem Hintergrund sind die während des Verfahrens aufgetretenen aktiven und inaktiven Zeiten der Bearbeitung konkret zu ermitteln. Kleinste relevante Zeiteinheit ist im Geltungsbereich des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGG) dabei stets der Monat (BSG, Urteile vom 3. September 2014 - a.a.O. -) im Sinne des Kalendermonats (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 - B 10 ÜG 11/13 R -, veröffentlicht in Juris).

    Auf dieser Grundlage ergibt die wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstände, dass die Verfahrensdauer unangemessen lang war.

    Von der Verfahrenslaufzeit am Sozialgericht von insgesamt 34 Monaten sind die Zeiten der aktiven Verfahrensförderung durch das Gericht von hier 2 Monaten in Abzug zu bringen und um die allgemein akzeptierte Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten zu bereinigen, so dass ein Zeitraum von 20 Monaten verbleibt, welcher als Verzögerungszeit in Betracht kommt.

    Anlass, die Zeitspanne von 12 Monaten zu reduzieren, besteht vorliegend nicht, zumal das Verfahren aufgrund der Erinnerung des Klägers in zwei Verfahrensschritte mit unterschiedlichen Entscheidungsträgern unterteilt war. Für eine generelle Reduzierung dieser allgemeinen Vorbereitungs- und Bedenkzeit besteht auch im Hinblick auf die einfach gelagerten Rechtsfragen kein Bedürfnis. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist dem Gericht ein Spielraum zuzubilligen, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 III ZR 141/14 - juris). Es gibt keinen Grund, diesen Gestaltungsspielraum bei einfach gelagerten Fällen - wie sie Erinnerungsverfahren häufig sind - zu verengen und das Gericht für verpflichtet zu erachten, solche Fälle gegenüber rechtlich schwierigeren oder tatsächlich ermittlungs- und damit zeitintensiven Verfahren vorzuziehen. In den Erinnerungsverfahren, welche keine besondere Bedeutung haben gilt dies erst recht, weil keine ihre vordringliche Bearbeitung gebietenden Umstände (objektiv) vorlagen; solche wurden vom Kläger auch nicht in verifizierbarer Art und Weise (subjektiv) geltend gemacht.

    Ausgehend davon liegt eine Verzögerungszeit von 20 Monaten vor.

    Nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer allerdings ausreichend für die erforderliche Wiedergutmachung; ein Entschädigungsanspruch in Geld steht dem Kläger hingegen nicht zu.

    Gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Dies beruht auf der Rechtsprechung des EGMR, der "eine starke, aber widerlegbare Vermutung" dafür annimmt, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht hat (Urteil vom 29.3.2006 - 36813/97 - Juris). Vorliegend ist diese gesetzliche Vermutung als solche nicht widerlegt.

    Ist dies der Fall, ordnet § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Erleiden eines solchen Nichtvermögensnachteils an, dass eine Geldentschädigung "nur beansprucht werden [kann], soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist". Die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer durch das Entschädigungsgericht ist im Gesetz ausdrücklich als eine der Möglichkeiten bezeichnet, Wiedergutmachung auf andere Weise als durch Zuerkennung eines Geldanspruchs zu leisten (§ 198 Abs. 4 Satz 1 GVG).

    Eine Wiedergutmachung des Nichtvermögensschadens auf andere Weise nach § 198 Abs. 4 GVG ist hier ausreichend. Nach § 198 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GVG kann das Entschädigungsgericht die bloße Feststellung der Überlänge des Ausgangsverfahrens aussprechen, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des § 198 Abs. 3 GVG nicht erfüllt sind; davon umfasst sind vor allem die Fälle, in denen eine Entschädigung nicht beansprucht werden kann, weil die Verzögerungsrüge zu früh oder gar nicht erhoben wurde (BT-Drucks. 17/3802, S. 22). Sind dagegen alle Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch erfüllt, kommt eine Kompensation des Nichtvermögensschadens durch die bloße Feststellung der Überlänge ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das Ausgangsverfahren für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat (BSG, Urteil vom 12. Februar 2015 B 10 ÜG 11/13 R - juris; Urteil vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 KL - juris).

    Dies ist hier der Fall.

    Das Ausgangsverfahren, in dem nur noch die Festsetzung geringfügiger Aufwendungen für Kopien gestritten wurde, hatte für den Entschädigungskläger objektiv keine besondere Bedeutung. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zur gänzlich unterdurchschnittlichen und völlig untergeordneten Bedeutung der Ausgangsverfahren verwiesen - zumal Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren nach Erledigung der vorangegangenen Hauptsache für den Beteiligten ohnehin im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung sind und insoweit nach den Umständen des Einzelfalls regelmäßig Wiedergutmachung auf andere Weise ausreichend ist (BSG, Urteil vom 10. Juli 2014 - B 10 ÜG 8/13 R - juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - L 8 SF 128/12 EK - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. November 2016 L 37 SF 247/14 EK KR - juris).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 201 Abs. 4 GVG.

    Nach § 201 Abs. 4 GVG entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen, wenn - wie hier - ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe besteht, aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt wird. Dabei hält der Senat es im konkreten Fall für billig, dass die festgestellte Unangemessenheit der Verfahrensdauer es rechtfertigt, von einem teilweisen Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten auszugehen. Für den Kläger stand offensichtlich ein in Geld zu entschädigender immaterieller Nachteil im Vordergrund seines Klagebegehrens. Die festgestellte Unangemessenheit der Dauer der Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens ist dem gegenüber eher von untergeordneter Bedeutung. Zwar dient der Feststellungsausspruch nach der menschenrechtlichen Konzeption der §§ 198 ff. GVG ebenso der Genugtuung für die erlittenen immateriellen Nachteile eines unangemessen verzögerten Gerichtsverfahrens, ebenso wie auch die Zuerkennung einer Geldentschädigung. Dennoch ist bei der Kostenquote zu beachten, dass der Kläger sein maßgebliches Ziel - die Entschädigung in Geld- nicht erreicht hat. Insoweit hält der Senat eine Kostentragung des Beklagten von 1/4 für gerechtfertigt.

    Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

    Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes.

    RechtsgebietGVGVorschriftenGVG § 198