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  • 20.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200219

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 15.02.2018 – I ZB 51/17


    Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Februar 2018 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
    beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Limburg a. d. Lahn - 3. Zivilkammer - vom 13. April 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

    Beschwerdewert: 4.694,79 €



    Gründe

    1


    I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung, Feststellung und Auskunftserteilung in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die von der Beklagten gegen dieses Urteil fristgerecht eingelegte Berufung mit Beschluss vom 13. April 2017 unter Zurückweisung des Antrags der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung als unzulässig verworfen.


    2


    Gegen diesen Beschluss richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt. Die Rechtsbeschwerde wendet sich dabei nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die bis zum 27. Dezember 2016 verlängerte Frist zur Begründung der Berufung versäumt, weil die Berufungsbegründung sowohl im Original als auch als - von der Beklagten fälschlicherweise an das Amtsgericht gerichtete, dort ausgedruckte und dann dem Berufungsgericht zugeleitete - Faxkopie erst am 28. Dezember 2016 beim Berufungsgericht eingegangen sei. Sie macht vielmehr allein geltend, das Berufungsgericht habe den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtsfehlerhaft zurückgewiesen.


    3


    II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 238 Abs. 2 Satz 1 , § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.


    4


    1. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 236 ZPO müssen alle für seine Zulässigkeit und Begründetheit erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen angeführt werden. Daher müssen insbesondere die für die Wahrung der Frist des § 234 ZPO erforderlichen Angaben zum Wegfall des Hindernisses gemacht werden, sofern diese Frist nicht nach Aktenlage offensichtlich gewahrt ist (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 236 Rn. 6 mwN). Außerdem müssen die Umstände, aus denen sich ergibt, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist, durch eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden. Dazu müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht werden; nach dem Ablauf der Frist dürfen nur erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, erläutert oder vervollständigt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2013 - I ZB 76/11 , AnwBl 2013, 233 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12 , juris Rn. 9; Beschluss vom 14. Juli 2015 - I ZB 27/14,FamRZ 2015, 1715Rn. 13; Beschluss vom 16. August 2016 - V ZB 19/16, NJW 2016, 3312 Rn. 7).


    5


    2. Diesen Anforderungen genügte der von der Beklagten gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 27. Januar 2017, der am selben Tag als Telefax beim Berufungsgericht eingegangen ist, nicht.


    6


    a) Die Darstellung der Umstände, die nach den Angaben der Beklagten zur Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung geführt hatten, entsprachen nicht den Anforderungen, die insoweit an eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe zu stellen sind.


    7


    aa) Die Beklagte hat in dem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 zur Begründung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung zunächst ausgeführt, der durch die Post möglicherweise verspätet ausgelieferte Schriftsatz, mit dem die Berufung begründet worden sei, sei unter dem 23. Dezember 2016 in die Post gegeben worden. Da aber der zur Glaubhaftmachung dieses Sachverhalts angeführte Auszug aus dem elektronischen Postausgangsbuch der Beklagtenvertreter vom 23. Dezember 2016 dem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 nicht - wie dort angegeben - als Anlage MD I beilag, war unklar, was in diesem Zusammenhang unter den Begriffen "unter dem 23. Dezember 2016" und "in die Post geben" zu verstehen war.


    8


    bb) Da der Auszug aus dem elektronischen Postausgangsbuch der Beklagtenvertreter nicht vorlag, war auch nicht dargetan, zumindest aber nicht glaubhaft gemacht, dass und inwiefern die Mitarbeiterin der Beklagtenvertreter G. H. am 23. Dezember 2016 bei diesen für die ordnungsgemäße Bearbeitung des Postausgangs zuständig war. Weil auch die in dem Schriftsatz vom 27. Januar 2017 angesprochene eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin H. gemäß Anlage MD II mit diesem Schriftsatz nicht - wie dort angegeben - vorgelegt wurde, lag ebenfalls keine Bestätigung für den Vortrag der Beklagten vor, diese Mitarbeiterin habe die Berufungsbegründung postfertig gemacht und der Ausgangspost zugefügt.


    9


    cc) Dasselbe galt für den weiteren im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Januar 2017 enthaltenen und ebenfalls durch die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin H. zu bestätigenden Sachverhalt, die Ausgangspost werde bei den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht in einen Briefkasten eingeworfen oder durch Mitarbeiter zu einer regulären Poststelle verbracht, sondern durch die Deutsche Post im Rahmen eines Bring- und Abholservice unmittelbar in das zuständige Verteilzentrum gebracht. Vor allem fehlten in dieser Hinsicht jegliche Angaben zu den näheren Einzelheiten dieses Services wie insbesondere zu den Abhol- und Lieferintervallen, insbesondere vor und nach größeren Festen.


    10


    b) Die im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 27. Januar 2017 angesprochenen und von diesen nach gerichtlicher Aufforderung mit Schriftsatz vom 30. März 2017 nachgereichten Glaubhaftmachungsmittel rechtfertigten keine von dem Vorstehenden abweichende Beurteilung.


    11


    aa) Der nachgereichte Auszug aus dem elektronischen Postausgangsbuch der Beklagtenvertreter vom 23. Dezember 2016 (Anlage MD I) lässt erkennen, dass bei den Beklagtenvertretern seinerzeit eine an das Berufungsgericht adressierte Sendung ausgegangen ist, die mit dem von den Beklagtenvertretern in der vorliegenden Sache verwendeten kanzleiinternen Aktenzeichen versehen war, wobei Porto in Höhe von 1,45 € angefallen ist. Aufschlüsse darüber, wann bei dieser Sendung im Hinblick auf den von den Beklagtenvertretern genutzten Geschäftskunden-Service der Deutschen Post und unter Berücksichtigung dessen, dass die Sendung unmittelbar vor den Weihnachtstagen in den Auslauf gegeben worden ist, mit einer Abholung und Beförderung durch die Deutsche Post gerechnet werden konnte, ließ sich diesem Dokument nicht entnehmen.


    12


    bb) Entsprechendes galt für die mit dem Schriftsatz vom 30. März 2017 nachgereichte eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin H. der Beklagtenvertreter vom 27. Januar 2017 (Anlage MD II).


    13


    Danach hatte die Mitarbeiterin H. die Berufungsbegründung in dieser Sache zwar unter dem 23. Dezember 2016 postfertig gemacht und der Ausgangspost zugeführt. Es fehlten in der eidesstattlichen Versicherung aber Angaben zu den weiteren Versandschritten bei dem von den Beklagtenvertretern gewählten Bring- und Abholservice der Deutschen Post. Die Angabe der Mitarbeiterin H. , ihrer Kenntnis und Erfahrung nach würden die durch die Deutsche Post abgeholten Sendungen unmittelbar in das zuständige Verteilzentrum gebracht, wo die entsprechende Weiterverteilung und Auslieferung erfolge, reichte nicht aus, um es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen zu lassen, dass die von den Beklagtenvertretern hier gewählte Versandart unter normalen Umständen gewährleistete, dass der am 23. Dezember 2016 zur Versendung gebrachte Schriftsatz innerhalb der am 28. Dezember 2016 endenden Frist zur Begründung der Berufung beim Berufungsgericht einging.


    14


    3. Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht hätte die Beklagte gemäß § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihm deren Vortrag zum Ausgang der Briefsendung bei ihren Prozessbevollmächtigten als nicht ausreichend erschien, und die Beklagte hätte daraufhin eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, in der die Mitarbeiterin H. ihrer Prozessbevollmächtigten bestätigt hätte, dass die Sendung am 23. Dezember 2016 von der Deutschen Post im Rahmen des Bring- und Abholdienstes abgeholt worden sei. Das Berufungsgericht war zu einem solchen weiteren Hinweis nicht verpflichtet. Die auf seinen ersten Hinweis hin vorgelegte eidesstattliche Versicherung war in dieser Hinsicht weder unklar noch ergänzungsbedürftig, sondern lückenhaft und unvollständig. Im Übrigen hätte eine solche weitergehende Glaubhaftmachung nichts daran geändert, dass es weiterhin an einem für die begehrte Wiedereinsetzung erforderlichen Vortrag nebst Glaubhaftmachung hinsichtlich der weiteren Versandschritte fehlte. Mangels näherer Angaben dazu, wie der Service im Einzelnen ausgestaltet war, war nicht glaubhaft gemacht, dass die Beklagtenvertreter bei seiner Inanspruchnahme ebenso wie bei einem Einwurf der Berufungsbegründung in einen Briefkasten oder bei deren Einlieferung in einer Poststelle (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - V ZB 187/12 , juris Rn. 9; Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 19/16 , NJW 2016, 3312 Rn. 5, jeweils mwN) darauf vertrauen durften, dass die Sendung am folgenden Werktag ausgeliefert werden würde.


    15


    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .


    Koch
    Schaffert
    Löffler
    Schwonke
    Feddersen

    Vorschriften§ 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, § 236 ZPO, § 234 ZPO, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 139 ZPO, § 139 Abs. 1 ZPO, § 97 Abs. 1 ZPO