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  • 13.03.2018 · IWW-Abrufnummer 200123

    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg: Beschluss vom 01.12.2017 – 1 S 1484/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

    Beschl. v. 01.12.2017

    Az.: 1 S 1484/17

    In der Verwaltungsrechtssache
    - Kläger -
    - Berufungskläger -
    prozessbevollmächtigt:
    gegen
    Land Baden-Württemberg,
    vertreten durch das Landesarchiv Baden-Württemberg,
    vertreten durch den Präsidenten,
    Eugenstraße 7, 70182 Stuttgart
    - Beklagter -
    - Berufungsbeklagter -
    prozessbevollmächtigt:

    wegen Einsicht in Archivgut

    hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
    am 6. Dezember 2017
    beschlossen:

    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2016 - 11 K 1508/15 - wird verworfen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,-- EUR festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Senat hat mit Beschluss vom 27.06.2017 - 1 S 1470/16 - auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.06.2016 - 11 K 1508/15 - zugelassen. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 04.07.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Bis zum 04.08.2017 ging eine Berufungsbegründung nicht ein. Hierauf und auf die Möglichkeit der Verwerfung der Berufung durch Beschluss nach § 125 Abs. 2 VwGO wurden die Beteiligten mit per Fax am 08.08.2017 übermittelter Verfügung des Berichterstatters vom 07.08.2017 hingewiesen.

    Ausweislich des Aktenvermerks der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle T. rief der Prozessbevollmächtigte des Klägers aufgrund des Telefaxes vom 08.08.2017 an diesem Tag in der Geschäftsstelle des Senats an. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Berufung innerhalb eines Monats zu begründen sei. Er teilte danach in diesem Telefonat mit, dass eine ausführliche Begründung schon beim Antrag auf Zulassung der Berufung eingereicht wurde. Mit am 10.08.2017 per Telefax übersandten Schriftsatz vom 08.08.2017 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung trug der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, er habe am 04.07.2017 auf dem Beschluss des Senats vom 27.06.2017 folgendes verfügt:

    "1. Kopie Mandant

    2. neues Aktenzeichen notieren

    3. Begründungsfrist 4.8.2017 notieren

    4. WV sofort"

    Anschließend habe er den Beschluss mit der übrigen am 04.07.2017 in der Kanzlei eingegangenen Post seiner Rechtsanwaltsgehilfin N. zur weiteren Bearbeitung gegeben. Diese habe eine Kopie des Beschlusses dem Mandanten zugeleitet und hinter das Eingangsschreiben ein "notiert" gesetzt. Sie habe aber aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, wohl weil sie in der Arbeit unterbrochen worden sei, die Frist nicht notiert und den Vorgang nicht wieder vorgelegt, sondern in der Akte des Verfahrens 1 S 1470/16 abgeheftet. Von der Fristversäumnis habe er, der Prozessbevollmächtigte am 08.08.2017 Kenntnis erhalten durch das Schreiben des Gerichts und das Telefonat mit der Geschäftsstelle, da die Kanzlei das neue Aktenzeichen gar nicht habe zuordnen können. Die ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin N. sei seit einem Jahr in der Kanzlei tätig.

    Sie sei angewiesen, alle eingehende Post nach den Anweisungen des Prozessbevollmächtigten am selben Tag zu bearbeiten und alle Fristen in einen Fristenkalender und RA Micro, was vom Prozessbevollmächtigten täglich kontrolliert werden, einzutragen. Sie habe sich auch unter starker Beanspruchung als sehr zuverlässig erwiesen. Die vom Prozessbevollmächtigten wiederholt durchgeführten Kontrollen hätten zu keiner Beanstandung geführt.

    Der Aktenvermerk der Urkundsbeamtin T. wurde den Beteiligten durch Verfügung vom 11.08.2017 übermittelt. Die Beklagte ist dem Wiedereinsetzungsantrag im Schriftsatz vom 04.09.2017 mit der Begründung entgegengetreten, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers offensichtlich davon ausgegangen sei, dass eine weitere Begründung der Berufung nicht notwendig sei, und dass hierin ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden liege.

    II.

    1. Die Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 125 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 VwGO).

    Der Senat entscheidet entgegen dem Begehren des Klägers nicht vorab über den Wiedereinsetzungsantrag, sondern über den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung zusammen. Dabei kann offen bleiben, ob die Norm des § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO, nach der die Berufung durch Beschluss zu verwerfen ist, die Vorschriften über das Verfahren der Wiedereinsetzung nach § 173 Satz 1 VwGO, § 238 Abs. 1 ZPO verdrängt und daher eine isolierte Ablehnung eines Wiedereinsetzungsantrags ausschließt (so wohl BVerwG, Beschl. v. 26.06.1986 - 3 C 46/84 - BVerwGE 74, 289, 290, zur Parallelvorschrift des § 144 Abs. 1 VwGO). Jedenfalls sieht § 173 Satz 1 VwGO, § 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO als Regelfall vor, dass das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag mit dem Verfahren über die versäumte Prozesshandlung zu verbinden und daher im Fall eines versäumten Rechtsmittels oder einer versäumten Rechtsmittelbegründung über Wiedereinsetzungsantrag und Rechtsmittel zusammen entschieden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.04.1991 - 2 C 32/90 - NJW 1991, 2096; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 60 Rn. 136).

    Hiervon abweichend ausnahmsweise nach § 173 Satz 1 VwGO, § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorab über die Wiedereinsetzung zu entscheiden (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 60 Rn. 72 ), sieht der Senat keinen Anlass. Gründe des effektiven Rechtsschutzes des Klägers liegen insoweit nicht vor. Ein isolierter Beschluss über die Versagung der Wiedereinsetzung wäre nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar; erst die die Instanz abschließende Entscheidung wäre anfechtbar. Ein erneuter Wiedereinsetzungsantrag im Anschluss an eine Vorabentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wäre nicht anders als der vorliegende zu beurteilen. Die Geltendmachung neuer Wiedereinsetzungsgründe wäre durch die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen, da ein Nachschieben neuer Gründe nach Fristablauf nicht möglich ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 04.04.2001 - XII ZB 51/01 - [...]). Andere, für eine Vorabentscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag sprechende Gründe vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Er übt ein gegebenenfalls bestehendes richterliches Ermessen nach § 173 Satz 1 VwGO, § 238 Abs. 1 ZPO daher dahin aus, über den Wiedereinsetzungsantrag und die Berufung zusammen zu entscheiden.

    2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.06.2016 ist als unzulässig zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO), weil sie nicht fristgemäß begründet worden ist (a). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Begründungsfrist kann nicht gewährt werden (b).

    a) aa) Gemäß § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Dies erfordert stets eine besondere Begründungsschrift. Zwar kann dem Erfordernis einer ausreichenden Berufungsbegründung in der Monatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO durch die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren genügt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.10.1988 - 9 C 37/88 - BVerwGE 80, 321; Urt. v. 30.06.1998 - 9 C 6.98 - BVerwGE 107, 113; Beschl. v. 23.09.1999 - 9 B 372/99, 9 PKH 102.99 - NVwZ 2000, 67; Beschl. v. 02.10.2003 - 1 B 33/03 - DVBl. 2004, 125; Beschl. v. 10.03.2011 - 2 B 37/10 - [...]). Es bedarf hierfür jedoch in jedem Fall der Einreichung eines gesonderten Schriftsatzes an das Berufungsgericht, dem sich eindeutig entnehmen lässt, dass der Berufungsführer nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt und weshalb er sie für begründet hält (ganz h.M., vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.05.1999 - 4 B 35.99 - NVwZ 2000, 65 [BVerwG 14.07.1999 - BVerwG 6 C 7/98]; Urt. v. 08.03.2004 - 4 C 6/03 - NVwZ-RR 2004, 541; OVG NRW, Beschl. v. 27.10.1998 - 10 A 3602/98 - NVwZ 1999, 208; Beschl. v. 18.01.1999 - 10 A 4712/98 - DVBl. 1999, 997).

    Der Auffassung, dass eine gesonderte Begründung nicht erforderlich sei, wenn das zur Begründung Erforderliche bereits im Zulassungsantrag ausgeführt worden sei, und dass es in diesem Fall sehr formalistisch sei, eine besondere Begründungsschrift zu verlangen (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 124a Rn. 148 ), vermag der Senat nicht zu folgen. Der eindeutige Wortlaut des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO verlangt eine gesonderte Berufungsbegründung. Dies ist keine bloße Förmelei. Mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift soll der Berufungskläger nämlich eindeutig zu erkennen geben, dass er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998, a.a.O., S. 120; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124a Rn. 351 f.). Auch der 9. Senat des Bundesverwaltungsgericht hat seine Auffassung, dass sich eine Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO a.F. erübrige, wenn sich die Berufungsgründe bereits dem Zulassungsantrag entnehmen ließen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.1997 - 9 B 690/97 - DVBl. 1997, 1325 = [...] Rn. 3), seit geraumer Zeit ausdrücklich aufgegeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.06.1998, a.a.O.).

    bb) Eine § 124a Abs. 6 Satz 1 entsprechende, fristgerechte Berufungsbegründung hat der Kläger nicht vorgelegt.

    Der Zulassungsbeschluss des Senats vom 27.06.2017 - 1 S 1470/16 - wurde dem Vertreter des Klägers am 04.07.2017 ordnungsgemäß zugestellt. Er hatte eine gemäß § 58 Abs. 1 VwGO zutreffende Rechtsmittelbelehrung. Diese enthielt einen § 124a Abs. 6 VwGO vollständig entsprechenden Hinweis, dass die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses zu begründen und die Begründung beim Verwaltungsgerichtshof einzureichen ist und einen bestimmten Antrag sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten muss.

    Folglich wurde die Berufungsbegründungsfrist von einem Monat in Lauf gesetzt. Sie lief am Freitag, den 04.08.2017 ab (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). In dieser Frist hat der Kläger keine Berufungsbegründung vorgelegt.

    b) Der auf den diesbezüglichen Hinweis des Senats vom 07.08.2017 innerhalb der Frist des § 60 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Schriftsatz vom 08.08.2017 hat keinen Erfolg.

    Es fehlt an einer unverschuldeten Versäumung der Rechtshandlung im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat es verschuldet unterlassen, fristgerecht eine Berufungsbegründung vorzulegen. Der Kläger muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 05.05.1999, a.a.O.; W.R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 60 Rn. 20 m.w.N.).

    aa) Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers liegt darin, dass er eine Kontrolle der zutreffenden Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender durch die Rechtsanwaltsgehilfin N. unterließ, obwohl ihm die Akte entgegen seiner Verfügung nicht sofort wieder vorgelegt wurde.

    Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangt zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen müssen zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorgenommen werden (BGH, Beschl. v. 08.02.2010 - II ZB 10/09 - MDR 2010, 533; Beschl. v. 22.03.2011 - II ZB 19/09 - NJW 2011, 1598; Beschl. v. 24.01.2012 - II ZB 3/11 - NJW-RR 2012, 747).

    Ein Rechtsanwalt, dem ein Urteil zugestellt wird und der das Empfangsbekenntnis erteilt, bevor ein Vermerk über den Ablauf der Rechtsmittelfrist in den Handakten niedergelegt und im Fristenkalender eingetragen ist, hat besonders sorgfältig darauf bedacht zu sein, dass die durch die Zustellung in Gang gesetzte Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist nicht versäumt wird (BVerfG, Beschl. v. 25.11.1994 - 2 BvR 852/93 - NJW 1995, 711; BGH, Beschl. v. 03.11.1965 - VIII ZB 24/65 - NJW 1966, 548, m.w.N.; Beschl. v. 05.11.2002 - VI ZR 399/01 - NJW 2003, 435; Beschl. v. 12.01.2010 - VI ZB 64/09 - NJW-RR 2010, 417; BSG, Beschl. v. 26.11.1996 - 6 Ka 61/96 - [...] Rn. 6). Zwar darf ein Rechtsanwalt bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses die nachfolgende Notierung der Berufungsbegründungsfrist einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen, wenn er die Frist selbst berechnet und notiert sowie durch schriftliche Einzelanweisung die Eintragung der Begründungsfrist sicherstellt (so wohl BGH, Beschl. v. 05.05.1993 - XII ZR 44/92 - NJW-RR 1993, 1213; Beschl. v. 30.11.1994 - XII ZB 197/94 - [...] Rn. 9; Beschl. v. 05.11.2002, a.a.O.). Hiernach ist es zwar nicht erforderlich, dass das Empfangsbekenntnis erst nach vollständiger Fristensicherung in den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Rechtsanwalts und von dort an das zustellende Gericht zurückgegeben wird. Entschließt sich ein Rechtsanwalt aber, das Empfangsbekenntnis vor vollständiger Fristensicherung zurückzugeben, so trifft ihn eine besondere Sorgfaltspflicht (BGH, Beschl. v. 13.02.2003 - V ZR 422/02 - VersR 2004, 397).

    Hier bestand für den Prozessbevollmächtigten des Klägers Anlass zur anwaltlichen Kontrolle, ob seine Verfügung, insbesondere die Notierung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender durch die Angestellte N., ordnungsgemäß ausgeführt worden ist. Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern. Jedoch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos (st. Rspr., BGH, Beschl. v. 22.06.2004 - VI ZB 10/04 - NJW-RR 2004, 1361; Beschl. v. 02.04.2008 - XII ZB 189/07 - NJW 2008, 2589 [BGH 02.04.2008 - XII ZB 189/07]). Der Rechtsanwalt ist daher zu einer anwaltlichen Gegenkontrolle verpflichtet, wenn hierzu ausnahmsweise Anlass besteht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.04.2017 - 12 U 45/17 - NJW-RR 2017, 1271 [OLG Hamm 30.05.2017 - 28 U 125/16], m.w.N.).

    So liegt der Fall hier. Die Pflicht zur Gegenkontrolle ergibt sich hier bereits aus dem Zusammenwirken der Umstände, dass - wie ausgeführt - eine besondere Sorgfaltspflicht bestand, auf die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist zu achten, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und in den Geschäftsgang gegeben hatte, bevor die Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender eingetragen war, und dass sich ihm Zweifel an der Erfassung der Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender aufdrängen mussten, da weisungswidrig die verfügte "sofortige" Wiedervorlage unterblieb. Für ihn waren damit Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass auch die zugleich verfügte Eintragung der Berufungsbegründungsfrist vergessen worden sein könnte. Diese Anhaltspunkte traten auch innerhalb einer Zeitspanne auf, binnen derer - da er "sofortige" Wiedervorlage verfügt hatte - erwartet werden konnte, dass er seine Aufmerksamkeit dieser Angelegenheit zuwendet (ebenso in einem vergleichbaren Fall OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.04.2017, a.a.O.). Denn bei ordnungsgemäßer Erledigung müssen Eintragungen von Fristen jeglichen anderen Geschäften vorgezogen werden.

    Hinzu kommt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Vorkehrungen für die Eintragung einer Vorfrist traf (s. sogleich unter bb), was seine Sorgfaltspflicht, auf die ordnungsgemäße Eintragung der Berufungsbegründungsfrist und die sofortige Wiedervorlage zu achten, nochmals steigerte.

    bb) Unabhängig davon liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers darin, dass er es unterließ, eine Vorfrist zur Berufungsbegründungsfrist im Fristenkalender eintragen zu lassen.

    Die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist ist nach ständiger Rechtsprechung - im Gegensatz zur Berufungsfrist - nicht nur durch die Eintragung der Hauptfrist, sondern zusätzlich durch eine ausreichende Vorfrist zu gewährleisten. Die Vorfrist dient dazu, sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt (BGH, Beschl. v. 15.08.2007 - XII ZB 82/07 - NJW-RR 2008, 76; Beschl. v. 17.02.2009 - VI ZB 33/07 - [...]; Beschl. v. 24.01.2012, a.a.O.; vgl. auch allg. zur besonderen Bedeutung von Rechtsmittelbegründungsfristen: BVerwG, Beschl. v. 08.04.1991, a.a.O.; Beschl. v. 07.03.1995 - 9 C 390/94 - NJW 1995, 2122; BFH, Beschl. v. 03.08.2016 - IX R 15/16 - [...] Rn. 13, jeweils zur Revisionsbegründungsfrist).

    Der Kläger hat innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist - und auch danach - nicht vorgetragen, dass sein Prozessbevollmächtigter die in seinem Büro für das Fristenwesen verantwortlichen Mitarbeiter angewiesen hat, bei Rechtsmittelbegründungen außer dem Datum des Ablaufs der Begründungsfrist eine Vorfrist zu notieren. Es bestand für den Senat auch keine Pflicht, den anwaltlich vertretenen Kläger auf die nicht ausreichende Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hinzuweisen. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine wirksame Kontrolle der Berufungsbegründungsfrist stellt, sind bekannt und müssen einem Anwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Tragen die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags gemachten Angaben diesen Anforderungen nicht Rechnung, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken des Vortrags, die aufzuklären oder zu füllen wären, sondern erlaubt den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (so BGH, Beschl v. 24.01.2002, a.a.O., zur Vorfrist; ebenso allg. BGH, Beschl. v. 25.02.2016 - III ZB 42/15 - [...] Rn. 12, m.w.N.).

    Ein Fall, dass ausnahmsweise aufgrund einer anderweitigen ausreichenden Kanzleiorganisation die Eintragung einer Vorfrist entbehrlich wäre (erwogen, aber offen gelassen von BGH, Beschl. v. 12.04.1988 - VI ZB 5/88 - VersR 1988, 941; Beschl. v. 06.07.1994 - VIII ZB 26/94 - NJW 1994, 2551), liegt nicht vor. Der Kläger macht nicht geltend, dass und aufgrund welcher Umstände in seiner Kanzlei eine solche Konstellation gegeben sein soll.

    Die mangelhafte Organisation des Fristenwesens war für die Fristversäumung ursächlich. Wäre die Vorfrist im Fristenkalender eingetragen worden, so hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bei ansonsten pflichtgemäßem Verhalten die Berufungsbegründungsfrist gewahrt. Die Eintragung der Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist. Es kann nicht unterstellt werden, dass die Kanzleiangestellte des Prozessbevollmächtigten des Klägers bei bestehender Anweisung auch vergessen hätte, eine Vorfrist einzutragen.

    Für die Beurteilung, ob ein Organisationsfehler für die Versäumung der Frist ursächlich geworden ist, ist von einem ansonsten pflichtgemäßen Verhalten auszugehen und darf kein weiterer Fehler hinzugedacht werden (BGH, Beschl. v. 24.01.2012, a.a.O.).

    cc) Schließlich kommt eine Wiedereinsetzung auch deswegen nicht in Betracht, weil das Vorbringen des Klägers hierzu lückenhaft ist.

    Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller innerhalb der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist. Bleibt nach dem Sachvortrag zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (BGH, Beschl. v. 03.07.2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501; BFH, Urt. v. 17.11.1987 - IX R 56/83 - BFH/NV 1988, 317; Beschl. v. 09.02.2004 - VIII R 56/03 - [...] Rn. 22).

    Das Vorbringen des Klägers zur Wiedereinsetzung ist lückenhaft, da er sich zum Anruf des klägerischen Prozessbevollmächtigten auf der Geschäftsstelle des Senats am 08.08.2017 nicht ausreichend verhält. Im Anschluss an die Übersendung des Aktenvermerks durch die gerichtliche Verfügung vom 11.08.2017 - und auch nach dem Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 04.09.2017, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte durch den Anruf zu erkennen gegeben habe, dass er davon ausgegangen sei, dass eine weitere Begründung der Berufung nicht notwendig sei - hat der Kläger sich nicht ergänzend zu diesem Telefonat erklärt. Eine Erklärung hierzu hätte sich jedoch geradezu aufgedrängt. Nach dem Aktenvermerk der Urkundsbeamtin T. äußerte der Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Telefonat, dass eine Begründung mit dem Zulassungsantrag bereits vorgelegt wurde. Daher sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass eine rechtzeitige Berufungsbegründung aufgrund eines Rechtsirrtums des klägerischen Prozessbevollmächtigten über die Notwendigkeit einer eigenständigen Berufungsbegründung - der mangels Vorliegen besonderer Umstände ein Verschulden i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO begründen würde (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 17.02.1989 - 5 ER 612/89 - NVwZ-RR 1989, 665; Urt. v. 24.10.1995 - 1 C 29/94 - NJW 1996, 1687; je m.w.N.) - unterblieb. Unklar und offen bleibt daher, wie sich diese gewichtigen Anhaltspunkte für einen verschuldeten Rechtsirrtum mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag widerspruchsfrei vereinbaren lassen sollen.

    Auf diese Lückenhaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrags musste der Senat den Kläger nicht besonders hinweisen. Zwar ist dem Wiedereinsetzung Begehrenden bei einem lückenhaften Vorbringen im Wiedereinsetzungsgesuch in der Regel vom Gericht Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag zu geben (BGH, Beschl. v. 03.11.2010 - XII ZB 197/10 - NJW 2011, 386; Beschl. v. 17.01.2012 - VIII ZB 42/11 - [...] Rn. 8).

    Hier gilt dies jedoch ausnahmsweise nicht. Die Lückenhaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrags ist aufgrund des Aktenvermerks der Urkundsbeamtin T. vom 11.08.2017 offensichtlich. Auch ohne Hinweis des Gerichts musste für den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf der Hand liegen, dass es ergänzenden Vortrags bedarf. Zudem war ein Hinweis des Senats entbehrlich, da der Wiedereinsetzungsantrag bereits aus den unter aa) und bb) dargelegten, je selbständig tragenden Gründen keinen Erfolg haben kann.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist (§ 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG.

    Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung unanfechtbar.

    RechtsgebieteVwGO, ZPOVorschriften§ 60 Abs. 1 VwGO § 124a Abs. 6 VwGO § 125 Abs. 2 VwGO § 173 S. 1 VwGO § 238 Abs. 1 ZPO