Liebe Kolleginnen und Kollegen,
immer wieder frage ich mich, wie es sein kann, dass manche Gerichtsverfahren so lange dauern. Ich meine nicht die Verfahren, in denen es um Zeugenaussagen, die Einholung von Sachverständigengutachten oder aber um komplexe Fragen geht. Ich meine die „Alltagsverfahren“. So kämpfe ich immer wieder mit einigen Sozialgerichten, die bei der Klärung von Rechtsfragen nicht terminieren. Auch das Argument, es gäbe noch ältere Verfahren, ist nach der Rechtsprechung zu überlangen Verfahrensdauern kein tragfähiges Argument. Leider hilft eine Verzögerungsrüge nur in den wenigsten Fällen. Oft kommt die Frage zurück, ob man mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden ist. Wenn Sie zustimmen, geht es aber nicht unbedingt schneller. Natürlich gibt es auch viele ‒ gerade ‒ Zivilverfahren, in denen zügig gearbeitet wird. Manchmal habe ich das Gefühl, je kleiner das Gericht ist, desto rascher arbeitet es.
Das Problem der langen Verfahrensdauer scheint auch dem BVerfG Sorge zu bereiten, wie sich aus zwei aktuellen Beschlüssen ergibt. Dies besonders, wenn Eilverfahren betroffen sind, die gerade nicht rasch bearbeitet werden.
Im ersten Fall ging es um ein einstweiliges Anordnungsverfahren in Bezug auf die Veröffentlichung im sog. Lebensmittelpranger (§ 40 Abs. 1a LFGB). Ein Unternehmen wehrte sich gegen die dortige Veröffentlichung der Befunde eines Ordnungsamts. Nach einem Monat hatte das VG Frankfurt a. M. zügig entschieden. Der Hessische VGH wies die Beschwerde erst nach 14 Monaten zurück. Dabei sahen die Richter die vorzunehmende Veröffentlichung noch als unverzüglich an, ohne zu berücksichtigen, was dies für das Unternehmen nach so langer Zeit bedeutet ‒ dies ging dem BVerfG zu weit (28.7.25, 1 BvR 1949/24). Der VGH wäre verpflichtet gewesen zu prüfen, welche Auswirkungen die lange Verfahrensdauer haben könnte, für die nicht die Parteien verantwortlich waren. Dazu hat er nach der Zurückverweisung jetzt Gelegenheit. Darauf hätte auch der VGH selbst kommen können.
Im zweiten Fall hat das BVerfG zwar die Verfassungsbeschwerde eines Verlags nicht zur Entscheidung angenommen (10.4.25, 2 BvR 468/25), aber in den Gründen (die nicht notwendig sind und selten erfolgen) deutliche Worte gefunden. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren rund um eine Verdachtsberichterstattung hatte das LG Hamburg im November 2024 nach mündlicher Verhandlung seine untersagende Verfügung aufrechterhalten. Im März 2025 gab es immer noch keine Urteilsgründe, die eigentlich gem. § 315 Abs. 2 ZPO alsbald vorliegen sollten. Das BVerfG sah zwar nicht, dass dem Kläger dadurch das Berufungsverfahren unmöglich gemacht werde. Die Richter hatten aber verfassungsrechtliche Bedenken „ob ein Ausschöpfen der Fünfmonatsfrist mit der entsprechenden Auslegung des Begriffs „alsbald“ zugrunde liegenden Belangen noch gerecht wird“.
Auch wenn ich wenig Hoffnung habe, aber vielleicht nimmt sich der eine oder andere Richter die Hinweise des BVerfG doch zu Herzen.
Mit besten kollegialen Grüßen
Ihr Martin W. Huff