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  • · Fachbeitrag · Personal

    Alles eine Frage der richtigen Deeskalation: Von Konfliktsituationen profitieren

    von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht

    | Egal, ob es um unzufriedene oder schwierige Mandanten, Streitigkeiten im Kanzleiteam, Probleme mit Kollegen, IT- oder Marketingdienstleistern geht ‒ Konflikte sind unangenehm. Sie tragen aber oft die Chance für grundlegende zukünftige Verbesserungen in sich. Um diese Möglichkeit zu nutzen, sollte der Konflikt stufenweise abgebaut bzw. verhindert werden und die Deeskalation gut überlegt angegangen werden. |

    1. Konflikte als Chance

    Ein Konflikt ist ‒ nüchtern betrachtet ‒ ein Zeichen dafür, dass ein Missstand vorliegt. Wie bei einer akuten Krankheit liegt sein Vorteil darin, dass der Auslöser erkennbar ist. So hat man einen Ansatzpunkt für die „Behandlung“. Bei dauerhaft unterschwelligen Problemen ist dies meistens nicht der Fall. Sie können aber durch einen akuten Konflikt zum Vorschein kommen. Auch darüber hinaus können Konflikte von Nutzen sein:

     

    • Sie zwingen dazu, eingefahrene Routinen zu überdenken und zu verändern.
    • Sie erfordern eine intensivere Kommunikation untereinander und können zu neuen Möglichkeiten des Austauschs führen.
    • Gemeinsam konstruktiv gelöste Konflikte stärken den Zusammenhalt. Sie verbessern die internen und externen Beziehungen.

    2. Grundlagen der Deeskalation

    Bevor Sie aktiv werden, sollten Sie eine solide Basis für Ihre Deeskalationsmaßnahmen schaffen. Ermitteln Sie Hintergründe, Umstände und Bedingungen des Konflikts, holen Sie Informationen über die Konfliktparteien und ihre Motivation ein.

     

    a) Schließen Sie sich selbst in die Analyse ein

    Betrachten Sie möglichst sachlich Ihren eigenen Anteil am Problem. Es verzerrt die Sicht, wenn man von vornherein die anderen verantwortlich macht.

     

    b) Nicht vorschnell handeln

    Eine Deeskalation sollte niemals „aus dem Bauch heraus“ und spontan erfolgen. Denn bisweilen schwelen unter einem akuten Konflikt grundlegende, verborgene Zerwürfnisse ‒ dann kann das Problem bei mangelnder Vorbereitung leicht unbeherrschbar werden. Auf der anderen Seite überschätzt man einen Konflikt gelegentlich auch: Wenn er in Wirklichkeit gar keine Auseinandersetzung wert ist, bringt ein Deeskalationsversuch nur unnötige Unruhe in die Angelegenheit. Es lohnt sich also, die berühmte „Nacht darüber zu schlafen“.

     

    c) Wer schreibt, erinnert sich

    Falls es in Ihrem Arbeitsumfeld häufiger zu Konflikten kommt, zahlt es sich aus, „Konflikt-Notizen“ zu machen. Dazu können Sie u. a. das Datum, den konkreten Auslöser, den Ablauf und die Folgen des Konflikts notieren. Nur allzu schnell vergisst man sonst die Details, die in der Rückschau für ein umfassendes Bild unabdingbar sind.

     

    MERKE | Eine Auseinandersetzung anzugehen, sollte eine ganz bewusste Entscheidung sein. Eine zu schnelle oder oberflächliche Korrektur verhindert oft eine wirklich konstruktive Lösung.

     

    3. Regeln für das Konfliktgespräch

    Bei der Vorbereitung des Konfliktgesprächs sollten Sie sich bewusst machen: Schweigen hilft niemandem weiter, Zurückschlagen oder Machtdemonstrationen ebenfalls nicht. Versuchen Sie, vorab eine neutrale Beziehung zum Gesprächspartner aufzubauen und sich auf ihn einzustellen, damit eine offene, konstruktive Kommunikation möglich ist. Auch wenn Sie im Konfliktgespräch Ihr Gegenüber „zur Ordnung rufen“ müssen, sollte das auf eine faire und kompromissbereite Art und Weise geschehen. Die folgenden Tipps helfen dabei.

     

    a) Tipp 1: Ich-Botschaften richtig formulieren

    Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass es in Konfliktgesprächen wichtig ist, nicht einfach Vorwürfe auszutauschen, sondern in sog. Ich-Botschaften zu sprechen. Ich-Botschaften fördern Interesse bzw. Kooperation. Viele stellen sich unter solchen Ich-Botschaften aber immer noch etwas Falsches vor und wundern sich, dass diese Technik bei ihnen nicht funktioniert. Vergleichen Sie deshalb einfach einmal folgende Formulierungen:

     

    • Beispiele

    A: „Ich habe das Gefühl, dass Sie in letzter Zeit versuchen, sich vor Arbeiten am Empfang zu drücken, und der Kollegin die ganze Arbeit zuschieben.“

     

    B: „Mir ist aufgefallen, dass Sie den Empfang gestern dreimal verlassen haben, um eine Pause zu machen. Die nötigen Terminverlegungen waren abends erst zur Hälfte erledigt. Ich ärgere mich darüber, wenn die Arbeit morgens nachgeholt werden muss.“

     

    Variante A ist nur scheinbar eine Ich-Botschaft. Sie beginnt zwar mit dem eigenen Gefühl, geht dann aber direkt in Vorwürfe über. Variante B enthält demgegenüber nur reine Ich- und Sachaussagen. Sie drückt Ihr eigenes Gefühl aus, benennt das Problem und zeigt, wie Sie es wahrnehmen ‒ so sieht eine richtige Ich-Botschaft aus.

     

    b) Tipp 2: Keine Vorwürfe machen

    Statt einem Mitarbeiter sein Verhalten vorzuwerfen, versuchen Sie, Fragen zu stellen. Anstelle von „Immer haben Sie an der Arbeitsaufteilung etwas auszusetzen!“, könnten Sie fragen „Was genau gefällt Ihnen an der Arbeitsaufteilung nicht?“ Statt „Dauernd spielen Sie sich in den Vordergrund“ könnten Sie „Fühlen Sie sich übergangen?“ oder einfach nur „Was ist los?“ fragen.

     

    c) Tipp 3: Die Sicht des Gegenübers schildern lassen

    Geben Sie Ihrem Gegenüber die Gelegenheit, das Problem aus seiner Perspektive zu schildern, und widersprechen Sie nicht. Zu einem Konflikt gehören immer mehrere Personen und die haben naturgemäß eine unterschiedliche Sicht auf die Situation ‒ sonst wäre es ja nicht zum Konflikt gekommen. Manchmal ergeben sich auf diese Weise ganz neue Aspekte und Lösungsansätze. Auf jeden Fall aber dient dieser Teil des Gesprächs dazu, Wertschätzung auszudrücken. Und Gesprächspartner, die sich ernst genommen und angehört fühlen, sind zum Entgegenkommen eher bereit als solche, die meinen, in die Verteidigungsposition gehen zu müssen.

     

    d) Tipp 4: Gemeinsamkeit herstellen

    Sofern Sie mit einem Problem schon früher Erfahrungen gemacht haben, berichten Sie kurz davon. Arbeitet Ihr neuer Kollege beispielsweise sehr langsam, könnten Sie erzählen, dass auch andere (oder Sie selbst) am Anfang Schwierigkeiten hatten und wie Sie diese bewältigt haben. Einem Mitarbeiter, der seit Kurzem viel zu oft privat telefoniert, könnte beispielsweise versichert werden, dass man Probleme mit der Familie aus eigener Erfahrung nur allzu gut kennt.

     

    MERKE | Es ist gut, in einem Konfliktgespräch von Zeit zu Zeit gemeinsame Berührungspunkte oder Interessen hervorzuheben.

     

    e) Tipp 5: Hilfe anbieten

    Verlangen Sie nicht alle Aktivitäten nur von Ihrem Gesprächspartner ‒ bieten Sie konkrete Hilfe an. Damit ist nicht gemeint, dass Sie die Arbeit des anderen nun offiziell an Dritte delegieren. Aber Sie könnten dem hoffnungslos unorganisierten Mitarbeiter einen Kurs zum Selbst- und Zeitmanagement heraussuchen oder den Kollegen mit Familienproblemen für einen Monat flexibler einteilen. Auch hier gilt: Kleine Gesten bewirken oft eine deutlich höhere Kooperationsbereitschaft.

     

    f) Tipp 6: Pause machen

    Ihr Gegenüber muss das Gehörte vermutlich erst einmal „verdauen“. Es ist nicht nötig, am Ende des ersten Gesprächs eine endgültige und verbindliche Lösung gefunden zu haben. Räumen Sie Zeit ein, das Besprochene sacken zu lassen. Wenn Sie keine Verhaltensänderung wahrnehmen, können Sie in den nächsten Tagen erneut nachfragen, ob Ihr Mitarbeiter schon über das Gespräch nachdenken konnte und ob Sie sich noch einmal zusammensetzen sollen. Dann ist immer noch Zeit, verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Und schließlich: Ist der Konflikt beigelegt, ist er das auch. Seien Sie nicht nachtragend.

     

    Weiterführender Hinweis

    • „Team-Kommunikation: So minimieren Sie kollegiale Reibungsverluste“, AK 19, 139
    Quelle: Ausgabe 02 / 2024 | Seite 34 | ID 46697674