Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Arbeitnehmerschutz

    Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Kanzlei

    von RA Joachim Schwede, Aichach

    | Das Wohlbefinden der Mitarbeiter ist ein wesentliches Gut Ihrer Kanzlei. Hiervon hängen der Fortbestand der Arbeitsverhältnisse und die gesamte Stimmungslage in der Kanzlei ab. Ohne Zweifel arbeiten Mitarbeiter, die sich wohl fühlen, lieber und besser als andere, sodass ein guter Arbeitnehmerschutz auch eine wirtschaftliche Entscheidung für Ihre Kanzlei ist. Der Beitrag erklärt die gesetzlichen Grundlagen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und gibt Praxishinweise für eine gute präventive Umsetzung. |

    1. Hierzu sind Sie gesetzlich verpflichtet

    Die typische deutsche Anwaltskanzlei ist ein klassisches Kleinunternehmen. Während nur die wirklich großen Kanzleien über eine Personalverwaltung verfügen, die die Aufgaben und Anforderungen des Arbeitsschutzes umsetzt, muss der Unternehmer einer kleineren Kanzlei diese selbst übernehmen.

     

    a) Gesetzliche Grundlagen

    Die zentralen Vorschriften des Arbeitsschutzes bilden:

     

    • Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) vom 12.12.73 (BGBl. I, 1885),
    • Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV) vom 12.8.04 (BGBl. I, 2179),
    • Sozialgesetzbuch (SGB) VII - Gesetzliche Unfallversicherung - vom 7.7.96 (BGBl. I, 1254) und

     

    b) Arbeitsschutzgesetz

    Das ArbSchG ist die zentrale Vorschrift für Fragen des Arbeitsschutzes. Hier werden Verpflichtungen des Arbeitgebers (ArbG) und Rechte der Arbeitnehmer (ArbN) geregelt, um den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Die Einhaltung der Normen kann staatlicherseits durch Überwachungen, die Anordnung von Maßnahmen und Bußgelder erzwungen werden.

    Die Verletzung der Reglungen kann zu Schadenersatz im Arbeitsverhältnis wegen Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht und nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der jeweiligen Schutzvorschrift führen. Ihre konsequente Nichtbeachtung durch den ArbG, die zu Gefährdungen des ArbN führt, kann diesem ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung nach § 273 BGB gewähren. Allerdings sind auch die ArbN verpflichtet, selbst Gefährdungen zu vermeiden (§ 15 ArbSchG). Die dauerhafte Nichtbeachtung der Vorschriften kann ein Kündigungsgrund für ein Arbeitsverhältnis sein. Grundsätzlich gelten alle Vorschriften des ArbSchG auch für kleine Unternehmen, wie die typische Anwaltskanzlei, wenn auch nur ein ArbN beschäftigt wird (zu den Möglichkeiten eines Rechtsanwalts, der ohne Personal arbeitet, sich selbst zu versichern, siehe unten unter 2a), S. 35).

     

    PRAXISHINWEIS | Ein kurzer Blick in das Gesetz macht deutlich, dass die Schaffung sicherer und gesünderer Arbeitsplätze unter den Vorgaben des ArbSchG kein „Hexenwerk“ ist. Der Rechtsanwalt kann damit auch Mitarbeiter beauftragen. Diese müssen aber zur Übernahme dieser Aufgaben befähigt sein, § 7 ArbSchG. Der Rechtsanwalt hat die Möglichkeit oder nach § 12 Abs. 1 ArbSchG die Pflicht zur Unterweisung.

     

     

    c) SGB VII - Gesetzliche Unfallversicherung

    Das SGB VII regelt die Gesetzliche Unfallversicherung formell und materiell. Neben Rechten und Pflichten aus dem Gesetz werden Mitgliedschaftsrechte, Rechte und Pflichten der Versicherungsträger, Versicherteneigenschaften und Verfahrensfragen geregelt. Das SGB VII räumt den Berufsgenossenschaften als Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung eine weite eigene Rechtsetzungsbefugnis ein. Hiervon haben diese im Rahmen der sogenannten Unfallverhütungsvorschriften (UVV) regen Gebrauch gemacht. Die UVV werden dem versicherten Unternehmer zur Verfügung gestellt und enthalten klare Anweisungen zum Umgang mit Gefahren am Arbeitsplatz.

     

    Durch das gesamte Sozialversicherungsrecht, aber auch durch das gesamte Arbeitsschutzrecht zieht sich der Grundsatz „Prävention vor Restitution“. Vordringliche Aufgabe aller Beteiligten muss die präventive Verhinderung und Verhütung von Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz sein.

     

    Auch in Anwaltskanzleien gibt es potenzielle Gefahrenherde, die zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können, die erkannt und entschärft werden können. Hier ist z.B. auf Stolperfallen - etwa durch lose Teppiche, rutschige Bodenbeläge oder herumliegende Kabel - zu achten. Durch eine sichere Leiter muss ein gefahrloser Zugang zu hohen Bücher- oder Aktenregalen gewährleistet werden. Der sichere Umgang mit elektrischen Geräten wie Kopierern und Druckern ist zu beachten. Werden Kanzleimitarbeiter zu Gericht oder zur Post geschickt, handelt es sich um versicherte dienstliche Wege, auf denen sich die alltagstypischen Risiken des Straßenverkehrs verwirklichen können.

     

    PRAXISHINWEIS | Sie vermindern das Gefahrenrisiko durch Wegeunfälle, indem Sie durch Unterweisungen das Bewusstsein der Mitarbeiter für Gefahrenpotenziale auf dem Arbeitsweg und die anwendbaren Vorschriften schärfen.

     

     

    Die Berufskrankheiten-Verordnung, die als „Annex“ zum SGB VII gilt, umfasst den Katalog der anerkannten Berufskrankheiten, in dem sich nur wenige „bürotypische“ Krankheiten finden. Trotz allem sollte das Risiko einer berufsbedingten Erkrankung auch an vordergründig weniger belastenden Büroarbeitsplätzen nicht unterschätzt werden. Da zudem der Katalog nach Maßgabe wissenschaftlicher Untersuchungen ständig erweitert werden kann, ist die Berücksichtigung von Erkrankungen, die sich z.B. aus dem typischen Risiko von Bildschirmarbeitsplätzen ergeben, nicht ausgeschlossen.

     

    2. Gesetzliche Unfallversicherung: Das gilt per Satzung

    Die Gesetzliche Unfallversicherung ist historisch angelegt eine Unternehmerversicherung. Im Gegensatz zu den anderen Zweigen der Gesetzlichen Sozialversicherung sind die Mitglieder und damit Beitragszahler nicht die ArbN selbst, sondern nur die Unternehmer, also die ArbG. Begünstigt werden nur die ArbN. Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung sind die Berufsgenossenschaften, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts Rechtssetzungsbefugnisse haben und ihre Rechtsverhältnisse per Satzung regeln.

     

    a) Träger für freie Berufe: Freie Verwaltungs-Berufsgenossenschaft

    Zuständiger Versicherungsträger für alle freien Berufe ist die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Hauptverwaltung, Deelbögenkamp 4, 22297 Hamburg). Die für die jeweilige Kanzlei zuständigen Ansprechpartner finden sich bei den Bezirksverwaltungen (Adressen auf der Homepage www.vbg.de). Die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Unfallversicherung setzt keinen formellen Akt voraus, sondern erfordert nur die Aufnahme eines ArbN in die Kanzlei. Damit entsteht für den ArbN Versicherungsschutz und für den ArbG die Beitragsverpflichtung. In „Ein-Mann-Kanzleien“ kann auch der Anwalt Mitglied nach der Satzung der Verwaltungsberufsgenossenschaft werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Beiträge richten sich nach zwei wesentlichen Faktoren: Es ist relevant, wie hoch die Gehälter im Unternehmen sind und welcher Gefahrklasse das Unternehmen angehört. Diese ergibt sich daraus, wie hoch die Unfallhäufigkeit in Unternehmen dieser Klasse ist. Damit haben die Unternehmen in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit, durch optimale Prävention Einfluss auf die Beitragshöhe zu nehmen. Da in der Verwaltungsberufsgenossenschaft eine Vielzahl verschiedener Unternehmen versichert sind, ist eine Zuordnung zu Gefahrtarifen erforderlich. Anwaltskanzleien sind der Gefahrtarifstelle 11 zugewiesen. Genauere Auskünfte zur Beitragshöhe und der dem Beitrag zugrunde zu legenden Gehaltssumme erteilen die Bezirksverwaltungen.

     

    b) Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung

    Zentrale Versicherungsfälle sind der Arbeitsunfall und der Wegeunfall. Große Teile des Beitragsaufkommens der Berufsgenossenschaften werden aber auch für Präventionszwecke ausgegeben. Präventionsleistungen sind z.B. die Beratung, Fortbildung und Unterstützung mit kostenlosen und/oder subventionierten Informationsbroschüren. Neben der Behandlung von berufsbedingten Erkrankungen durch eigene oder beauftragte Ärzte - wenn notwendig, auch in eigenen Kliniken - gibt es Leistungen zur Rehabilitation, also der Wiedereingliederung in das Berufsleben. Sachleistungen (z.B. Hilfsmittel, wie Prothesen) stehen neben Geldleistungen (z.B. Verletztengeld - entspricht dem Krankengeld, Rente an Verletzte oder Hinterbliebene).

     

    Weiterführender Hinweis

    • In AK 3/14 wird der Beitrag fortgesetzt. Der Autor erläutert dann typische Problemfelder einer Anwaltskanzlei zum Arbeits- und Gesundheitsschutz nach Stichwörtern.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 33 | ID 42359612