Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Fristen

    Feiertagsfalle: Ist der Feiertag auch am Gerichtsort gesetzlich anerkannt?

    von Christian Noe B. A., Göttingen

    | Fällt der letzte Tag einer Rechtsmittelfrist auf einen gesetzlichen Feiertag, endet die Frist am folgenden Werktag. Aufgepasst: Viele Feiertage gelten nur in einzelnen Bundesländern. Ein Rechtsanwalt muss deshalb zwingend solche Fristen selbst prüfen und ob bei einem Fristende am Feiertag dieser Feiertag am Gerichtsort als gesetzlicher Feiertag anerkannt ist. |

    1. So tückisch ist die Feiertagsfalle

    Tatsächlich tappen Kanzleien immer wieder in diese Falle: Ein Urteil ist eingegangen, die zuständigen Kanzleimitarbeiter berechnen die Berufungsfrist und notieren diese im Fristenkalender. So weit, so gut. Genau hier wird es problematisch, wenn die Mitarbeiter übersehen, dass das Berufungsgericht in einem anderen Bundesland als die Kanzlei liegt. Das birgt potenzielle Fristversäumnisse, denn nicht jeder gesetzliche Feiertag gilt bundesweit. Das mögliche Fehlerrisiko steigt, wenn Kanzleien selten mit überregionalen Mandaten befasst sind, Hinweise in Kalendern übersehen werden bzw. die Fristberechnung nicht softwaregestützt erfolgt.

     

    Beachten Sie | Mit dem 31.10. (Reformationstag) sowie dem 1.11. (Allerheiligen) schließen sich zwei Feiertage aneinander, die nicht bundesweit gelten. Dies macht die Berechnung im Einzelfall noch komplexer. Das folgende Beispiel zeigt, wie schnell hier eine Frist versäumt werden kann.

     

     

    MERKE | Das Ende einer Rechtsmittelfrist wird nur auf den nächsten Werktag hinausgeschoben, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel eingelegt werden muss, ein gesetzlicher Feiertag ist (BGH 10.1.12, VI ZA 27/11, Abruf-Nr. 120396). Das gilt auch für Anträge auf PKH, die innerhalb der Frist für das beabsichtigte Rechtsmittel gestellt werden. Liegt Ihre Kanzlei in einem anderen Bundesland als das angerufene Gericht, müssen Sie zwingend prüfen, ob der am Kanzleisitz geltende gesetzliche Feiertag auch am Gerichtsort als solcher gilt. Dies gehört zu den anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Rahmen der Fristenkontrolle, die Sie auch nicht an das Personal delegieren dürfen.

     

    2. Ist die Frist „kompliziert“, ist der Anwalt gefragt

    Kommen in einem Mandat unterschiedliche Feiertagsregelungen ins Spiel, wird die Fristberechnung automatisch so kompliziert, dass sie nicht mehr als „einfach“ und „üblich“ durchgeht (OLG Koblenz 27.6.16, 10 U 1263/15, Abruf-Nr. 231959). Wie Gerichte Fristen als einfach oder üblich einstufen, mag in Einzelfällen unterschiedlich sein. Die Berücksichtigung landestypischer Feiertagsregelungen wandelt eine Frist aber zu einer nicht „üblichen“ Frist. Ein Anwalt muss diese daher selbst berechnen oder die von seinen Angestellten berechnete Frist überprüfen. Ansonsten dürfte er bei einer versäumten Frist keine Chancen auf eine Wiedereinsetzung haben.

     

    Das BAG hat eine weitere Ausnahme bezüglich der Fünf-Monats-Frist nach § 72b Abs. 1 ArbGG entschieden (15.9.22, 10 AZB 11/22, Abruf-Nr. 231680). Innerhalb dieser Frist muss das Urteil nach Verkündung vollständig abgefasst und mit den Unterschriften sämtlicher Mitglieder der Kammer versehen der Geschäftsstelle übergeben sein. Auf diese Frist werde die „Feiertagsverschiebung“ nach § 222 Abs. 2 ZPO nicht angewendet, weil sie aus Gründen der Rechtssicherheit auf äußerstenfalls fünf Monate begrenzt sei. Sonst bestehe die Gefahr, dass die Beurkundungsfunktion eines Urteils verloren geht, da das Erinnerungsvermögen mit zunehmendem Zeitablauf zwischen Urteilsberatung und Abfassung der Urteilsgründe immer weiter abnimmt.

     

    MERKE | Die Fünf-Monats-Frist nach § 72b Abs. 1 ArbGG ist eine „starre“ Frist und läuft daher auch an einem Samstag, einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag aus. Ebenso zählt eine zu berechnende Berufungsbegründungsfrist nach Ablauf der Fünf-Monats-Frist zu den nicht üblichen und einfachen Fristen. Der Anwalt darf daher beide Fristberechnungen nicht an Mitarbeiter delegieren.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Eine Übersicht über die gesetzlichen Feiertage 2024 finden Sie unter iww.de/ak, Abruf-Nr. 49703002
    • Anwalt darf nur einfache Routinefristen delegieren, AK 23, 74
    • Aufgepasst: Frist kann an Heiligabend ablaufen, AK 22, 181
    • Was im Kalender gestrichen ist, ist nicht unbedingt auch tatsächlich erledigt, AK 22, 171
    • Ausbildungsbeginn 9/2023: Haben Sie Ihre Auszubildenden belehrt?, iww.de/ak, Abruf-Nr. 49615447
    • Elektronischer Fristenkalender ist wie analoger zu kontrollieren, iww.de/ak, Abruf-Nr. 46189933
    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 178 | ID 48667549