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  • 24.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231959

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 27.06.2016 – 10 U 1263/15

    1. Für den Ablauf einer Rechtsmittelfrist an einem nicht bundeseinheitlichen Feiertag sind die Verhältnisse an dem Ort maßgebend, an dem die Frist zu wahren ist.

    2. Haben die Kanzlei des Rechtsanwalts und das Gericht, bei dem eine Frist zu wahren ist, ihren Sitz in unterschiedlichen Bundesländern, so ist der Fristablauf bei nicht bundeseinheitlich geregelten Feiertagen keine einfache und übliche Frist, deren Berechnung ein Rechtsanwalt Angestellten übertragen dürfte; er hat in diesem Fall vielmehr die Frist selbst zu berechnen oder die Fristberechnung seiner Angestellten zu überprüfen. - rechtskräftig -




    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
    gegen
    ...
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Metzger, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Reinert und die Richterin am Oberlandesgericht Schleiffer
    am 27.06.2016
    beschlossen:
    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Teilversäumnis- und Schlussurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.10.2015 wird als unzulässig verworfen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
    Gründe

    I.

    Am 06.11.2015 wurde dem Kläger das Teilversäumnis- und Schlussurteil des Landgerichts Koblenz vom 28.10.2015 zugestellt. Dem Klageantrag des Klägers wurde dabei nur zu einem geringen Teil stattgegeben. Das landgerichtliche Urteil enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.

    Mit Schriftsatz vom 01.12.2015, beim Oberlandesgericht Koblenz am 03.12.2015 eingegangen, legte der Kläger fristgemäß Berufung gegen das vorgenannte Urteil ein. Die Berufungsbegründung vom 07.01.2016 erreichte das Oberlandesgericht per Telefax ebenfalls am 07.01.2016, um 16.54 Uhr. Das Original des Schriftsatzes ging am 12.01.2016 beim Oberlandesgericht ein. Mit Beschluss vom 24.05.2016 wies der Senat den Kläger darauf hin, dass die Berufungsbegründung einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die am 06.01.2016 endete, beim Gericht eingegangen sei.

    Mit Schriftsatz vom 02.06.2016 beantragte der Kläger, ihm hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, vorsorglich ihm des Weiteren für die Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenfalls Wiedereinsetzung zu gewähren.

    Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist macht der Kläger im Wesentlichen geltend, das Ende der Berufungsbegründungsfrist sei durch die hiermit betraute Rechtsanwaltsfachangestellte ...[A] statt richtigerweise auf den 06.01.2016 versehentlich auf den 07.01.2016 notiert worden. Der 06.01.2016 sei in Bayern - wo der Klägervertreter seinen Kanzleisitz hat - seit jeher ein gesetzlicher Feiertag. Frau ...[A] habe beim Notieren der Frist übersehen, dass es sich nicht auch in Koblenz um einen gesetzlichen Feiertag handele. Dieser Irrtum sei dadurch unterstützt worden, dass dem angefochtenen Urteil keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei; durch eine dortige Benennung des OLG Koblenz als Rechtsmittelgericht wäre sie, so meint der Kläger, möglicherweise angehalten worden, die spezifischen landesrechtlichen Besonderheiten der bundesuneinheitlichen Feiertage zu beachten. - Die Berechnung der Routinefristen, insbesondere auch der Rechtsbehelfsfristen, sei vom Klägervertreter zulässigerweise auf die Rechtsanwaltsfachangestellte ...[A] übertragen worden. Nach ihrer Ausbildung, die die Fristenberechnung umfasst habe, sei Frau ...[A] zunächst weiter in ihrer Ausbildungskanzlei, seit dem 01.10.2013 sodann durchgehend in der Kanzlei der Klägervertreter tätig; sie sei dort erneut im Fristensystem geschult worden und habe sich bei der eigenverantwortlichen Fristenberechnung und -überwachung als außerordentlich zuverlässig und sorgfältig erwiesen.

    Im vorliegenden Fall habe der Klägervertreter vor Antritt seines Weihnachtsurlaubes (24.12.2015 - 06.01.2016) die während dieser Zeit und unmittelbar danach ablaufenden Fristen anhand der Fristenliste ohne Vorlage der Akten mit Frau ...[A] besprochen. Absprachegemäß sei am 07.01.2016 - dem vermeintlichen Tag des Ablaufes der Berufungsbegründungsfrist - ein halber Tag für die Fertigung

    der Berufungsbegründung freigehalten worden. Dass die Frist zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bereits verstrichen gewesen sei, sei dem Klägervertreter erst am 24.05.2016 telefonisch mitgeteilt worden und habe ihm auch vorher nicht auffallen müssen, nachdem auch das Gericht die Sache zunächst terminiert habe und dabei offenbar die Berufungsbegründungsfrist als gewahrt angesehen habe.

    II.

    Die Berufung des Klägers war als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 S. 3 ZPO.

    1.

    Die Berufung ist nicht innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO - zwei Monate ab Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils - begründet worden. Das angefochtene Teilversäumnis- und Schlussurteil des Landgerichts Koblenz vom 28.10.2015 wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 06.11.2015 zugestellt. Die Berufungsbegründungsfrist endete mithin am 06.01.2016. Sie endete auch nicht gemäß § 222 Abs. 2 ZPO wegen des Dreikönigstages erst am 07.01.2016. Nach allgemeiner Meinung sind für den Ablauf einer Rechtsmittelfrist an einem nicht bundeseinheitlichen gesetzlichen Feiertag die Verhältnisse an dem Ort maßgebend, an dem die Frist zu wahren ist (OLG Celle, Beschluss vom 30.07.2007 - 11 U 116/07 -, OLGR 2008, 176 und ). In Rheinland-Pfalz ist der 06.01.2016 kein gesetzlicher Feiertag, § 2 Abs. 1 LFeiertagsG RLP.

    2.

    Die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist war dem Kläger nicht zu gewähren; das Wiedereinsetzungsgesuch ist unbegründet. Wiedereinsetzung wäre dem Kläger gemäß § 233 Satz 1 ZPO nur dann zu gewähren, wenn weder sein Verschulden noch das Verschulden seines Prozessvertreters, das ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet wird, zur Versäumung der Frist beigetragen hätte.

    Fehlendes Verschulden wird gemäß § 233 Satz 2 ZPO vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist. Vorliegend weist der Kläger daraufhin, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung dem mit seiner Berufung angefochtenen Urteil des Landgerichts Koblenz nicht beigefügt gewesen sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist jedoch ausgeschlossen, wenn eine Partei - wie hier - wegen vorhandener Kenntnis ihres Rechtsanwalts von allen mit dem Rechtsbehelf verbundenen Fristen keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf. Der Prozess erster Instanz wurde bereits als Anwaltsprozess geführt, vgl. § 78 ZPO; eine Rechtsmittelbelehrung ist in diesen Fällen nach § 232 Satz 2 ZPO auch nicht vorgesehen. Die Vermutung fehlenden Verschuldens greift hier somit nicht.

    Vorliegend war die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vom Prozessvertreter des Klägers verschuldet. Er kann sich nicht darauf berufen, dass eine sorgfältig ausgesuchte und geschulte sowie ordnungsgemäß überwachte Rechtsanwaltsassistentin einem Rechtsirrtum erlegen sei, weil die Berechnung der Frist ihr nicht hätte übertragen werden dürfen, jedenfalls aber das Ergebnis ihrer Berechnung von ihm noch vor Fristablauf hätte kontrolliert werden müssen.

    Grundsätzlich ist es zulässig, dass ein Rechtsanwalt seinem Büropersonal die selbständige Berechnung einfacher und in seiner Praxis üblicher Fristen überträgt, wenn er zuvor durch organisatorische Anweisungen und Schulungen sichergestellt hat, dass die ordnungsgemäße Berechnung, Notierung und Überwachung der Fristen durch ein fest und verbindlich geregeltes Bürosystem gewährleistet ist; aber auch dann trifft den Anwalt - neben stichprobenartiger Kontrolle der Büromitarbeiter - die Pflicht, bei ihm vorgelegten Vorgängen die aus der Akte zu ersehenden Fristen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, vgl. Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 233 Rn 23, Stichwort "Fristenbehandlung".

    Der Fristablauf ist bei nicht bundeseinheitlich geregelten Feiertagen indes schon keine einfache und übliche Frist, deren Berechnung Angestellten übertragen werden dürfte. Die Frist zur Einlegung und Begründung von Rechtsmitteln ist vielmehr vom Rechtsanwalt selbst zu berechnen, wenn, weil Kanzlei und Gericht ihren Sitz in unterschiedlichen Bundesländern haben, der Fall einer unüblichen und schwierigen Fristberechnung gegeben ist. Selbst wenn die in Rede stehende Angestellte bisher stets zuverlässig die Eintragung von Notfristen vorgenommen hat, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, sie sei auch geeignet und zuverlässig, schwierige und unübliche Fristen zu berechnen (BSG, Beschluss v. 11.12.2012 - B 2 U 333/12 B -, Rn 5, zitiert nach ). Hinzu kommt, dass selbst die Berechnung einfacher und üblicher Fristen Kanzleiangestellten nur dann zur selbständigen Bearbeitung übertragen werden darf, wenn und soweit diese in dem in Rede stehenden Bereich ausreichend geschult worden sind. Der Klägervertreter hat indes nicht vorgetragen, dass seine Büroassistentin auch in der Handhabung der besonderen Problematik nicht bundeseinheitlicher gesetzlicher Feiertage geschult worden sei, ihr für diesen Fall Anweisungen zur Fristberechnung vorgelegen hätten oder sie für diese Konstellation der Fristberechnung auch nur besonders sensibilisiert worden sei.

    Vorliegend hatte der Klägervertreter zudem noch vor Fristablauf deutliche Hinweise darauf, dass die Problematik nicht bundeseinheitlicher gesetzlicher Feiertage für die Fristberechnung erheblich sein könnte, und wäre er infolgedessen gehalten gewesen, die Fristberechnung selbst vorzunehmen bzw. die Fristberechnung seiner Angestellten zu überprüfen. Der Klägervertreter hat vorgetragen, er habe vor Antritt des Weihnachtsurlaubs mit der Rechtsanwaltsassistentin sowohl die während der Urlaubszeit ablaufenden Fristen als auch die unmittelbar nach Urlaubsrückkehr ablaufenden Fristen besprochen; dabei sei die Bearbeitung der Berufungsbegründung im vorliegenden Fall aufgrund des vermeintlichen Fristablaufes am 07.01.2016 für den 07.01.2016 geplant und festgelegt worden. Dabei seien die Akten nicht herausgesucht worden, sondern eine Arbeitsplanung für das neue Jahr allein nach dem Fristenkalender erfolgt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte der Klägervertreter Kenntnis

    von der Berechnung des Fristendes auf den 07.01.2016 und, da der Dreikönigstag eben kein bundeseinheitlicher Feiertag ist, mithin Anlass, nachzuprüfen, bei welchem Gericht die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten ist, die Akten einsehen und die Feiertagsregelungen in dem Bundesland, in dem das Berufungsgericht liegt, klären müssen.

    Dass dies nicht geschehen ist, gereicht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zum Verschulden, das dem Kläger zuzurechnen ist. Der Kläger kann sich demgegenüber auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Senat die Berufungsbegründung öffentlich zugestellt und einen Verhandlungstermin bestimmt hat. Diese Verfügungen des Gerichts erfolgten nach dem - verspäteten - Eingang der Berufungsbegründungsschrift am 07.01.2016 und können daher für die Versäumung der Frist nicht kausal gewesen sein.

    3.

    Einer sachlichen Entscheidung über den vorsorglich gestellten Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in die Frist zur Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, bedarf es nicht mehr, weil für diesen Wiedereinsetzungsantrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Nach § 234 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO muss die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Berufung innerhalb eines Monates ab dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist, beantragt werden. Die Wiedereinsetzung könnte indes auch ohne Antrag gewährt werden, wenn innerhalb der Antragsfrist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt wird; der Kläger hat die Berufungsbegründung innerhalb der vorbezeichneten Monatsfrist (nämlich bereits am Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist) nachgeholt. Bereits aus diesem Grunde kommt es für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist nicht darauf an, ob dieser Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht gestellt worden ist. Darüber hinaus hätte selbst ein ausdrücklich fristgerecht gestellter Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist keinen Erfolg, weil - wie vorstehend (1.) dargelegt - die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vom Kläger zu vertreten ist.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    IV.

    Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 351.000,- € festgesetzt.

    RechtsgebieteZivilprozess, FristberechnungVorschriften§ 222 Abs. 2, § 520 Abs. 2 S. 1, § 522 Abs. 1 S. 3 ZPO