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  • · Fachbeitrag · Gesetzentwurf

    Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz betreffen auch die Anwaltspraxis

    von RA Udo Henke, Unna

    | Die „Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)“ vom 30.8.23 formulieren 28 Punkte zur Reduzierung vorhandener Bürokratievorgaben für Unternehmen, Freiberufler, Vereine und Arbeitnehmer ( iww.de/s8747 ). Einige Ansätze sind auch für die rechts- und steuerberatenden Berufe relevant. Hier ein kurzer Überblick: |

    1. Hintergrund

    Bereits im Koalitionsvertrag der Ampelregierung war der Bürokratieabbau als Vorhaben in der laufenden Wahlperiode verabredet worden. Im November 2022 brachte deshalb ein Gremium der Bundesregierung mithilfe des Statistischen Bundesamts eine Online-Umfrage bei den wirtschaftsrelevanten Verbänden auf den Weg. Daraus erstellte das Statistische Bundesamt eine Liste mit 442 Vorschlägen, die abbauen sollen, was Unternehmen, Einrichtungen und Bürger am meisten plagt und stört (iww.de/s8746).

     

    157 Vorschläge aus dieser Liste wurden bei einer Skala von 1 bis 5 in die „Kategorie 1“ einsortiert, die Gegenstand eines Bürokratieabbaugesetzes sein könnten. Daraus haben das Bundeskabinett und das BMJ „Eckpunkte der Bundesregierung für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV)“ vom 30.8.23 identifiziert und formuliert (iww.de/s8747).

    2. Textform soll an die Stelle der Schriftform treten

    Im BGB sollen bestimmte Schriftformerfordernisse, insbesondere im Vereins-, Schuld- und Mietrecht, aufgehoben werden. Das Papier nennt beispielhaft das Schriftformerfordernis für Mietverträge über Gewerberäume und für Beschlussfassungen der Gesellschafter einer GmbH soll eine Stimmabgabe in Textform genügen, wenn sämtliche Gesellschafter einverstanden sind.

     

    Zur Förderung des digitalen Rechtsverkehrs soll im Allgemeinen Teil des BGB (§§ 126 ff. BGB) die elektronische Form oder ‒ soweit geeignet ‒ die Textform als Regelform ausgestaltet werden und an Stelle der Schriftform treten. Die Schriftform soll umgekehrt nur noch als Ersatzform für die elektronische Form beibehalten werden.

     

    Beachten Sie | Der Ansatz ist generell zu begrüßen. Doch die in diesem ersten Papier formulierten Einschränkungen für einen Übergang von der Schrift- zur Textform als Regelform zeigen, wie unsicher und zögerlich die Beamten des BMJ eine Abkehr von der Schriftform als Regelform angehen. Zu erwarten sind damit eher nur Teillockerungen und die rechtliche Unübersichtlichkeit, welche Form rechtssicher verwendet werden kann. Wer die elektronische Form aus eigener Anwendung kennt, ahnt, dass eine flächendeckende Anwendung der Textform noch Lichtjahre entfernt sein dürfte.

    3. Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege wird verkürzt

    Die handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen von zehn auf acht Jahre verkürzt werden. Das sieht auf den ersten Blick nach einer Erleichterung auch im Kanzleialltag aus. Steuerexperten sehen das aber ernüchternd: So hält der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Florian Köbler, die Kürzung der Aufbewahrungsfristen für Geschäftsbelege nicht für einen großen Wurf. Schon jetzt speichere ein großer Teil der Unternehmen solche Dokumente elektronisch. Da sei es egal, ob sie schon nach acht oder erst nach zehn Jahren gelöscht werden dürfen (Interview bei WDR 5, Mittagsecho, am 30.8.23, Quelle: www1.wdr.de).

     

    Beachten Sie | Die Regelung zur Aufbewahrungsfrist anwaltlicher Handakten in § 50 Abs. 1 BRAO wäre damit auch nicht betroffen, da diese Frist bereits sechs Jahre nach Ablauf des Jahres abläuft, in dem der Auftrag beendet wurde.

    4. Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige entfällt

    Bei geschäftlichen oder dienstlichen Reisen kann die vorgeschlagene Abschaffung der Meldepflicht eine minimale Erleichterung für deutsche Reisende bringen. Gedacht ist die Entlastung natürlich für die Hotelbetreiber, die die Anmeldebögen bislang ein Jahr lang aufbewahren müssen.

    5. Sonstige Erleichterungen

    Weitere Maßnahmen des geplanten BEG IV sollen Informationspflichten im Energierecht, Außenwirtschaftsrecht, Mess- und Eichwesen, im Rahmen der Wirtschaftsstatistik, Gewerbe- und Handwerksordnung sowie in branchen- und berufsspezifischen Verordnungen „auf den Prüfstand stellen“. Wo und in welcher Form Informationspflichten reduziert werden, ist jedoch heute noch völlig offen.

     

    Öffentliche Versteigerungen i. S. v. § 383 Abs. 3 BGB sollen künftig grundsätzlich über das Internet durchgeführt werden. Inwiefern diese Idee entbürokratisierend wirkt, bleibt offen.

     

    Eine ganze Reihe weiterer Vorschläge betrifft sehr kleinteilige und branchenspezifische Vorgänge. Bei all diesen Maßnahmen ist zwar keine direkte Wirkung auf Abläufe in Anwaltspraxen zu erkennen. Es könnte aber temporär bei Unternehmen ein erhöhter Beratungsaufwand für rechts- und steuerberatende Berufe entstehen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Mit einem konkreten Gesetzentwurf ist kaum vor dem Frühjahr 2024 zu rechnen.
    • Ergebnisse der Online-Befragung des Statistischen Bundesamts bei den wirtschaftsrelevanten Verbänden, iww.de/s8746
    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 191 | ID 49737784