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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 12/2023

    Reise zu Gerichtsterminen: Die Entscheidung der obersten Finanzrichter bietet viel Konfliktpotenzial

    | Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Reiseplanung und die pünktliche Anreise zu Gerichtsterminen sind heutzutage, gerade bei weiten Entfernungen, schwierig genug ‒ egal, mit welchem Verkehrsmittel. Und trotzdem hat der BFH da noch einmal eine Schippe draufgelegt und die Anforderungen deutlich erhöht (26.7.23, II R 4/21, Abruf-Nr. 237979 ). |

     

    Es ging um die Frage, ob ein erheblicher Grund für eine kurzfristige Terminsverlegung gegeben ist, wenn ein Flug von Düsseldorf nach München für den frühen Morgen am Vorabend kurzfristig annulliert wird. Hätte der Flug stattgefunden, wäre der Anwalt zwei Stunden vor dem Termin in München angekommen. Trotz der Flugannullierung schlug der Anwalt das Angebot des Senats aus, nun per Video zu verhandeln. Daraufhin wies der Senat den Verlegungsantrag (zu Recht) ab und verhandelte und entschied ohne den Anwalt. Der Senat formulierte aber in Rn. 14 zusätzlich (und eigentlich völlig unnötig):

     

    „Dabei kann es dahinstehen, ob der kurzfristige Ausfall einer Flugverbindung überhaupt einen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO darstellt, oder ob ein Prozessbevollmächtigter seine Anreise zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung so planen muss, dass er zumindest auf ein alternatives Verkehrsmittel ausweichen kann und den Termin ‒ gegebenenfalls mit einer Verspätung ‒ wahrnehmen kann. Zwar hat das BVerwG in einem älteren Urteil entschieden, dass sich ein Prozessbevollmächtigter bei der Planung seiner Anreise zu einer auswärtigen mündlichen Verhandlung grundsätzlich auf die Einhaltung der planmäßigen Beförderungszeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln verlassen darf (BVerwG 10.12.85, 9 C 84.84). Der Senat hat jedoch Zweifel daran, ob diese Entscheidung auf die heutige Zeit, in der Zug- und Flugausfälle zum Regelfall gehören, übertragbar ist. Das gilt jedenfalls bei einer Anreiseplanung, die ‒ wie im Streitfall ‒ von vornherein so kurzfristig ausgestaltet ist, dass eine rechtzeitige Anreise nur unter optimalen Umständen und nur unter Ausschluss jeglicher Verzögerung möglich ist.“

     

    Bedeutet dies jetzt konkret für Anwälte, dass sie immer einen Tag vor dem Termin anreisen und übernachten müssen (und dann die Diskussion führen müssen, ob die Kosten erstattbar sind)? Wie viele Stunden müssen zwischen geplanter Ankunft und Gerichtstermin liegen? Muss alternativ grundsätzlich eine Anreise mit Auto oder Zug möglich sein? Im konkreten Fall hätte der Termin deshalb nicht schon um 9.30 Uhr, sondern erst am Nachmittag stattfinden können. Doch erfahrungsgemäß sind die Gerichte nicht bereit, solche Terminplanungen mitzumachen. Und längst nicht alle Verhandlungen lassen sich per Video durchführen oder viele Richter wollen dies in eigentlich geeigneten Fällen nicht. Die aktuelle Formulierung der Richter spiegelt jedenfalls wenig Verständnis für die Belange der auswärtigen Anwälte wider.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

     

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 2 | ID 49784282