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  • · Fachbeitrag · Editorial AK 11/22

    Wann ist ein kranker Anwalt nicht mehr verpflichtet, damit Wiedereinsetzung gewährt werden kann?

    | Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Rechtsanwälte denken wie so viele andere Unternehmer und Selbstständige oft nicht daran, dass sie auch einmal krank werden und ‒ wenn auch nur vorübergehend ‒ nicht arbeiten können. Seit Corona ist aber gerade dieser Fall nicht mehr selten. Und deshalb müssen alle Rechtsanwälte besondere Vorkehrungen, insbesondere Vertretungsregelungen, für ihren Krankheitsfall treffen. |

     

    Wie hart insofern die Anforderungen sind, zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH (6.9.22, VIII ZB 24/21, Abruf-Nr. 231664). Hier hatte eine Einzelanwältin an einer Berufungsbegründung gearbeitet und war am Vorabend des Fristablaufs erkrankt. Sie konnte daher die ‒ schon einmal verlängerte ‒ Frist zur Begründung der Berufung nicht einhalten und beantragte nach ihrer Genesung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das KG lehnte dies jedoch ab. Begründung: Die Rechtsanwältin hätte entweder kurzfristig einen Vertreter bestellen oder nach vorheriger Einholung einer Zustimmung des gegnerischen Prozessbevollmächtigten einen Fristverlängerungsantrag stellen müssen. Warum ihr das nicht zuzumuten gewesen sein soll, habe sie nicht ausreichend dargelegt.

     

    Der BGH hat diese Entscheidung zwar unter dem Aspekt der Verletzung der Gewährung rechtlichen Gehörs und des wirkungsvollen Rechtsschutzes aufgehoben. Doch die Rechtsanwältin muss jetzt darlegen, wie schwer sie tatsächlich erkrankt war (unter anderem muss sie dazu ggf. die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden). Damit soll beurteilt werden, was ihr trotz Krankheit noch möglich gewesen wäre.

     

    Das Dilemma in vielen solcher Fälle ist: Fristen werden bis zum letzten Tag ausgereizt ‒ was natürlich erlaubt ist. Wenn aber etwas dazwischen kommt, wird es eng und die Fristen können nicht mehr eingehalten werden. Dies betrifft nicht nur Einzelanwälte, sondern auch Anwälte in Sozietäten oder Bürogemeinschaften. Deshalb muss sich jeder Rechtsanwalt Gedanken über ein konkretes „Krankheitsmanagement“ machen. Neben der Organisation, ob man Fristen wirklich bis zum Schluss ausschöpfen muss, geht es um die Klärung folgender Fragen: Wer kann mich bei einem plötzlichen Notfall vertreten? Wie ist der Zugang zu meiner Kanzlei und eventuell zu meinen Daten geregelt? Wer kann für mich über das beA Schriftsätze versenden? Wer ist in der Lage, notfalls kurzfristig mit dem Gegenanwalt wegen einer weiteren Fristverlängerung zu verhandeln?

     

    Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es immer wieder Fälle geben kann, in denen der Einzelne traurigerweise nicht mehr in der Lage ist, Hinweise und Anweisungen zu geben, was alles erledigt werden muss. Aber auch diese Vorkehrung gehört zu einem gewissenhaften Kanzleimanagement.

     

    Mit besten kollegialen Grüßen

    Ihr Martin W. Huff

    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 2 | ID 48648582