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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Für das Einlesen der Versichertenkarte ohne Behandlung gibt es keine Rechtfertigung

    von RAin Anika Mattern, Münster, kanzlei-am-aerztehaus.de

    | Rechnet ein Vertragsarzt Leistungen an Tagen ab, an denen eine ärztliche Tätigkeit nicht vorliegt, erfüllt dieser den Tatbestand des Abrechnungsbetrugs. Es existiert auch kein Grund, Versichertenkarten vor oder unabhängig von einer konkret anstehenden Behandlung einzulesen. Dies gilt auch für den ärztlichen Bereitschaftsdienst (Sozialgericht (SG) Marburg, Gerichtsbescheid vom 21.05.2021 ‒ S 12 KA 315/19, S 12 KA 316/19). |

     

    Sachverhalt

    Die KV setzte gegenüber einem Facharzt für Allgemeinmedizin Honorarrückforderungen in Höhe von insgesamt rund 139.000 Euro aufgrund von Plausibilitätsprüfungen der Honorarabrechnungen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD) fest. Der Arzt war in mehreren ärztlichen Bereitschaftszentren (ÄBD-Zentren) tätig. Der KV fiel eine hohe Patientenübereinstimmung zwischen den ÄBD-Zentren und der Praxis auf. Dies erweckte den Verdacht, der Arzt verlagere die Behandlung seiner Patienten regelhaft in den auf akute Notfälle ausgerichteten ÄBD. Darüber hinaus wiesen die Abrechnungsscheine Einlesetage von Krankenversichertenkarten oder Behandlungstage aus, obwohl der Arzt an diesen Tagen in der jeweiligen ÄBD-Zentrale keinen Dienst gehabt hat. Ferner wurden Krankenversichertenkarten der Patienten teilweise vor dem eigentlichen Behandlungstag eingelesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das SG wies die Klage des Arztes gegen den Honorarrückforderungsbescheid ab. Es sei in erster Linie Sache des Arztes, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Abrechnung auszuräumen. Insbesondere die Abrechnung von Behandlungsfällen im ÄBD ohne Dienst zu haben, belege die Unrichtigkeit der Abrechnung und lasse sich nicht mit bloßem Versehen erklären. Die Abrechnung von Leistungen an Tagen, an denen keine Tätigkeit vorliege, erfülle den objektiven Betrugstatbestand. Es stehe nicht im Belieben eines Vertragsarztes, Leistungen abzurechnen und ggf. dann die Absetzung dieser Leistungen hinzunehmen. Darüber hinaus gebe es keinerlei Grund ‒ auch nicht im ÄBD der KV ‒ Versichertenkarten vor oder unabhängig von einer anstehenden Behandlung einzulesen. Die Versichertenkarte diene als Nachweis, dass ein Arzt Leistungen zulasten der Krankenkasse erbringen dürfe. Ohne konkrete Leistungserbringung könne der Arzt die Versichertenkarte jedoch nicht beanspruchen.

     

    FAZIT | Die Pflicht zur peinlich genauen Leistungsabrechnung ist grundlegende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung. Der Honorierung werden die Angaben der Leistungserbringer über die von ihnen erbrachten Leistungen zugrunde gelegt. Das Abrechnungs- und Honorierungssystem baut auf Vertrauen in die Angaben des Arztes auf. Um belastende Abrechnungsprüfungen zu vermeiden, sollten Ärzte dieser Pflicht somit zwingend nachkommen.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2021 | Seite 13 | ID 47609344