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  • · Fachbeitrag · Honorarrecht

    Gericht rügt typische HVM-Regelungen zur Abstaffelung und zur Vorhaltepauschale

    von RAin, FAin MedR Constanze Barufke, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin, db-law.de

    | Die in Berlin geltenden Regelungen zur Zuweisung des Regelleistungsvolumens (RLV) und des qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens (QZV) für Hausärzte sowie die Vergütung der hausärztlichen Vorhaltepauschale (auch Strukturpauschale) innerhalb des RLV ist zum Teil rechtswidrig. Das entschied das Sozialgericht (SG) Berlin aktuell in einem Fall, in dem sich ein Hausarzt mit überdurchschnittlichen Fallzahlen u. a. gegen die Zuweisung seines RLV/QZV mit einem lediglich abgestaffelten Fallwert wandte. Das Urteil ist womöglich auch für Hausärzte in Bezirken anderer Kassenärztlicher Vereinigungen (KVen) relevant (SG Berlin, Urteil vom 07.10.2020, Az. 87 KA 1084/16). |

    Hintergrund

    In den KV-Bezirken erfolgt die Honorarverteilung weit überwiegend auf Basis von RLV/QZV. Diese Volumina berechnen sich ‒ vereinfacht dargestellt ‒ auf Basis

    • der Fallzahl des Arztes und
    • des Fallwerts der Fachgruppe.

     

    Um eine übermäßige Leistungsausdehnung zu verhindern, sehen die meisten Honorarverteilungsmaßstäbe (HVM) eine sog. Fallwertabstaffelung vor: Liegt die Fallzahl des Arztes über 150 Prozent des Fachgruppendurchschnitts, gehen die darüber hinausgehenden Fälle nur mit einem reduzierten Fallwert in die Berechnung des RLV ein. In Berlin ist diese Grenze für Hausärzte i. d. R bei 1.350 Fällen erreicht.

     

    Daneben sind die Regelungen des EBM zu beachten: Für die Vorhaltung der notwendigen Strukturen zur Erfüllung von Aufgaben der hausärztlichen Grundversorgung wurde Ende des Jahres 2013 die sog. Vorhaltepauschale (EBM-Nr. 03040, bewertet mit 138 Punkten bzw. 15,35 Euro [Orientierungswert 2021]) eingeführt. Um die größenabhängigen Strukturen zu berücksichtigen, sollen große Versorgerpraxen (mit mehr als 1.200 Behandlungsfällen) einen Zuschlag in Höhe von 13 Punkten auf die Vorhaltepauschale erhalten.

    Entscheidungsgründe

    Die Vorhaltepauschale dient der Stärkung des hausärztlichen Versorgungsauftrags. Nach Ansicht des SG Berlin stehen die Berliner Regelungen zur Zuweisung des RLV hierzu im Widerspruch.

     

    Förderung und Abstaffelung widersprechen sich

    Nach dem EBM soll eine hausärztliche Praxis mit mehr als 1.200 Behandlungsfällen einen Zuschlag auf die Vorhaltepauschale erhalten.

     

    Da bei der RLV-Zuweisung der Hausärzte in Berlin i. d. R. eine (fiktive) durchschnittliche Fallzahl von 900 Fällen zugrunde gelegt wird, geraten Hausärzte bereits ab einer Fallzahl von 1.351 in eine Abstaffelung des Fallwerts.

     

    Die bezweckte Förderung gerade großer hausärztlicher Praxen werde damit ‒ so das SG ‒ bereits nach einer sehr kleinen Spanne (zwischen 1.200 und 1.350 Fällen) negiert. Dies sei von dem Spielraum der KV bei Gestaltung des HVM nicht mehr gedeckt.

     

    Vorhaltepauschale darf nicht aus dem RLV-Topf kommen

    Daneben sei die Vergütung der Vorhaltepauschale aus dem hausärztlichen RLV-Verteilungsvolumen ohne Bildung eines „Untertopfes“ (sog. Vorwegabzug) rechtswidrig.

     

    Auf Grundlage eines Beschlusses des Bewertungsausschusses aus dem Jahr 2013 sollte die damals beschlossene Erhöhung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) u. a. zur Höherbewertung der hausärztlichen Vorhaltepauschale verwendet werden. Über die erfolgte Erhöhung des Verteilungsvolumens für alle Hausärzte kommen letztlich aber auch diejenigen Hausärzte in den Genuss der Gelder, die nicht die Voraussetzungen der EBM-Nr. 03040 erfüllen.

     

    PRAXISTIPP | Das Urteil des SG Berlin ist noch nicht rechtskräftig. In Berlin wurden aber bisher noch keine neuen Honorarverteilungsregelungen erlassen, d. h., es gelten nach wie vor die vom SG Berlin als rechtswidrig befundenen Regelungen.

     

    Berliner Hausärzte sollten daher ‒ sofern ihre RLV-Leistungen nicht zum „vollen“ Punktwert vergütet wurden ‒

    • gegen die RLV/QZV-Zuweisungs- und Honorarbescheide fristgemäß (d. h. innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids) Widerspruch einlegen und/oder
    • für bereits vergangene Quartale eingelegte Widersprüche auch auf die mit diesem Urteil angesprochenen und bemängelten Aspekte stützen.

     

    Aber auch Hausärzte aus anderen KV-Bezirken sollten einen kritischen Blick auf die RLV-Zuweisungen und Honorarbescheide werfen, denn auch die HVM anderer KVen sehen zum Teil die Fallwertabstaffelung vor (z. B. Bayern oder Sachsen) und/oder vergüten die Vorhaltepauschale aus dem hausärztlichen (RLV-)Topf. Informationen hierzu finden sich auf den Homepages der einzelnen KVen oder in den jeweiligen HVM (Stichworte: Abstaffelung, Vorhaltepauschale).

     

    Weiterführende Hinweise

     

    • Download-Dokument: EBM 2021 ‒ Bewertung hausärztlicher (kinderärztlicher) Leistungen ab dem 01.01.2021 (AAA, online unter iww.de/s4374)
    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 9 | ID 47021954