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  • · Fachbeitrag · Vertragsarztrecht

    Teilzulassungen dürfen bei der Honorarverteilung nicht benachteiligt werden

    von RA, FA MedR Torsten Münnch, D+B Rechtsanwälte, Partnerschaft mbB, Berlin, db-law.de

    | Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) mit einer Honorarverteilungsregelung gescheitert, die das Honorar von Vertragsärzten mit einem halben Versorgungsauftrag stärker deckelte als das von Vertragsärzten mit einem vollen Versorgungsauftrag. Die darin liegende Ungleichbehandlung war nicht gerechtfertigt (BSG, Urteil vom 15.07.2020, Az. B 6 KA 12/19 R). |

    Bereits geklärte Fragen zum hälftigen Versorgungsauftrag

    Seit der Gesetzgeber 2007 den hälftigen Versorgungsauftrag einführte, ist umstritten, wie weit damit die Rechte und Pflichten des Vertragsarztes ‒ im Vergleich zum voll zugelassenen Kollegen ‒ eingeschränkt sind.

     

    Einige Aspekte sind bereits gesetzlich geregelt oder durch die Rechtsprechung geklärt. So gilt in der Plausibilitätsprüfung (§ 106d Abs. 2 Sozialgesetzbuch fünftes Buch ‒ SGB V) für Vertragsärzte mit halbem Versorgungsauftrag eine Auffälligkeitsgrenze von 390 Stunden Quartalsarbeitszeit (voller Versorgungsauftrag: 780 Stunden). Dabei ist unerheblich, dass mit dieser Halbierung der Auffälligkeitsgrenze im Quartal eine Stundenzahl „plausibel“ abgerechnet werden kann, die faktisch einer Tätigkeit bei vollem Versorgungsauftrag nahekommt.

     

    Bei der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst werden teilzugelassene Ärzte nur entsprechend anteilig herangezogen. Nebentätigkeiten dürfen sie in doppelt so großer Wochenstundenzahl eingehen wie voll zugelassene Vertragsärzte (26 Stunden Nebentätigkeit pro Woche) und ihre Mindestsprechstundenverpflichtung ist auf die Hälfte reduziert (12,5 Sprechstunden pro Woche).

    Sachverhalt

    Auch im Bereich der Honorarverteilung gibt es für Teilzugelassene eine gesetzliche Vorgabe. Danach sind die KVen verpflichtet, eine „übermäßige“ Ausdehnung der Tätigkeit des „Leistungserbringers“ ‒ also des Vertragsarztes oder des medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ‒ über seinen Versorgungsauftrag hinaus zu verhindern (§ 87b Abs. 2 S. 1 SGB V).

     

    Die Vertreterversammlung der KV Schleswig-Holstein zog auf Basis dieser Vorgabe bei teilzugelassenen Leistungserbringern eine Vergütungsobergrenze ein, bei deren Überschreitung nur noch ein kleiner Teil der Überschreitungsmenge vergütet wurde. Diese Abstaffelung war für sich genommen noch nicht das Problem. Zum Verhängnis wurde der KV, dass die Abstaffelung früher und schärfer ansetzte als bei voll zugelassenen Leistungserbringern.

     

    Während für diese erst bei einer 50-prozentigen Überschreitung der Durchschnittsfallzahl eine Abstaffelung griff und dann zunächst nur moderat (Minderung um nur 25 Prozent), setzt dieser Effekt bei Ärzten mit „anteiliger Stelle“ sofort bei Überschreitung der Durchschnittsfallzahl ein und ging zudem mit einer Kürzung der Überschreitungspunktmenge um satte 90 Prozent einher.

    Entscheidungsgründe

    Eine solche unterschiedliche Behandlung, so das BSG, sei mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu vereinbaren. Es sei zwar im Grundsatz zutreffend,

    • dass der Vertragsarzt nur „im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrags“ zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt ist (so der Wortlaut von § 95 Abs. 3 S. 1 SGB V) und
    • dass dementsprechend der Umfang des Versorgungsauftrags bei der Honorarverteilung nicht vollkommen unberücksichtigt bleiben darf.

     

    Dies dürfe jedoch nicht zu einer Sonderregelung führen, die allein Ärzte mit einer anteiligen Arztstelle trifft. Gerechtfertigt seien lediglich Regelungen, die die für einen vollen Versorgungsauftrag festgesetzten Grenzen entsprechend anwenden. Die KV hätte also

    • entweder die für Teilzugelassene geltende strenge Abstaffelung auch bei den voll zugelassenen Leistungserbringern
    • oder ‒ umgekehrt ‒ das Belassen großzügiger Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts auch auf Teilzugelassene anwenden können.

     

    Eine strenge Abstaffelung für Teilzugelassene und eine großzügigere für Vollzugelassene ist jedoch nicht miteinander kombinierbar, so das BSG!

     

    FAZIT | Die BSG-Entscheidung stärkt Ärzten mit einer Teilzulassung den Rücken. Rechtlich ist das sicherlich richtig, denn es war erklärtes Ziel des Gesetzgebers, mit Einführung von Teilzulassungen insbesondere zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beitragen zu wollen. Da wäre es kontraproduktiv, Teilzulassung finanziell schlechter zu stellen als Vollzulassung.

     

    Allerdings bringen Teilzulassungen auch Honorarprobleme mit sich: Es dürfte Teilzugelassenen leichter fallen, überdurchschnittlich viel zu arbeiten. Würde man bei Teilzugelassenen die halbe Durchschnittsfallzahl der Vollzugelassenen zum Maßstab nehmen und eine Abstaffelung erst ab einer 50-prozentigen Überschreitung greifen lassen, käme es dadurch zu einer Ausweitung der Leistungsmenge und einem damit einhergehenden Punktwertverfall. Dieses Problem darf aber nicht unter Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit gelöst werden.

     

    Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist im SGB V verankert und darf durch Honorarverteilungsregeln einer KV nicht ausgehebelt werden. Er gilt nicht nur für alle Fachgruppen und somit auch für Hausärzte, sondern auch für Teilzugelassene im Vergleich zu Vollzugelassenen. Damit dürfte die diesbezügliche Klarstellung des BSG nicht nur für Ärzte mit halbem Versorgungsauftrag gelten, sondern auch für solche, die in der neuen „Variante“ der ¾-Zulassung tätig sind.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 16 | ID 46957089