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  • · Fachbeitrag · Gebührenrecht

    Ausbleibende neue GOÄ ‒ Wie können erwartete Höherbewertungen schon heute realisiert werden?

    von RA, FA MedizinR Christian Pinnow, D+B Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Düsseldorf, db-law.de

    | Die GOÄ hat ihre Grundstruktur und Preise im Wesentlichen seit 1996 und ist seither nicht grundlegend weiterentwickelt oder gar neu gefasst worden. Unter dem Schlagwort „GOÄ-Reform“ wird seit sicherlich mehr als 15 Jahren an der Neustrukturierung der GOÄ und an Neubewertungen der dort verzeichneten Leistungen gearbeitet. Entwürfe der Ärzteschaft liegen dem Bundesgesundheitsministerium vor. Es ist aber noch längst nicht abzusehen, ob und wann aus den Entwürfen eine wirksame neue GOÄ wird. Nicht zuletzt die Ärztekammern regen deshalb ihre Mitglieder an, die als zu niedrig empfundenen Vergütungen bei Anwendung der Regelsteigerungssätze der GOÄ dadurch auszugleichen, dass höhere Steigerungsätze zur Abrechnung gebracht werden. Wollen Ärztinnen und Ärzte dieser Anregung folgen, gilt es dabei, gebührenrechtliche Grenzen zu berücksichtigen. |

    Keine Abrechnung mit einem den Regelsteigerungssatz überschreitenden Betrag

    Die GOÄ sieht in § 5 vor, dass Leistungen mit dem Regelsteigerungssatz ohne weitere Begründung abgerechnet werden dürfen. Auch die Überschreitung des Regelsteigerungssatzes bis zu einem Höchstwert eines 3,5-fachen Gebührensatzes ist zulässig. In solchen Fällen muss aber im Einzelfall in der Rechnung begründet werden, warum der Regelsteigerungssatz überschritten wurde. Dabei ist in § 5 Abs. 3 GOÄ abschließend geregelt, dass die Überschreitungen dadurch begründet werden können, dass eine Leistung besonders schwierig oder besonders zeitaufwendig war oder aber Umstände bei der Ausführung der Leistung besonders waren (AAA-Sonderausgabe „Mehr Honorar durch Faktorsteigerung“ online unter iww.de/s8148). Andere Begründungen zur Rechtfertigung einer Überschreitung nennt die GOÄ nicht. Jedenfalls ist der Ausgleich einer als zu gering empfundenen Bewertung durch eine Überschreitung des Regelsteigerungssatzes nicht genannt. Es ist offenkundig, dass dieser Aspekt auch nicht durch die Auslegung der Begriffe Schwierigkeit oder Zeitaufwand einer Leistung erfasst werden kann. Die Bewertung einer Leistung in der GOÄ ist auch nicht als ein besonderer Umstand bei der Ausführung anzusehen. Auf diesem Wege ist also eine höhere Vergütung nicht erreichbar.

    Ausweg Honorarvereinbarung

    Die GOÄ erlaubt aber, mit den Patienten abweichende Honorarvereinbarungen über Steigerungssätze zu treffen, die über den Regelsteigerungssatz hinausgehen (Musterschreiben bei AAA online unter iww.de/s8124). Es können dabei Überschreitungen des Regelsteigerungssatzes innerhalb des üblichen Gebührenrahmens vereinbart werden. Es ist auch zulässig, über diesen hinausgehende Steigerungssätze zu vereinbaren.

     

    Dafür gibt § 2 GOÄ einen engen Rahmen. So darf durch eine Vergütungsvereinbarung lediglich von den Steigerungsätzen abgewichen werden. Die hinter den in der GOÄ verzeichneten Euro-Beträgen stehenden Punktzahlen für eine Leistung oder der geltende Punktwerte dürfen durch eine Honorarvereinbarung indes nicht abgeändert werden. Die danach zulässige Vereinbarung höherer Steigerungssätze muss aber nach diesen Vorgaben im Einzelnen persönlich mit dem Patienten abgesprochen werden und vor der Leistungserbringung schriftlich geschlossen werden. Es müssen in dieser Vereinbarung vorab die konkreten Leistungen bezeichnet werden, für die ein höherer Steigerungssatz vereinbart wird. Auch der Steigerungssatz ist vorab zu beziffern. Eine Begründung der Überschreitung der Regelsteigerungssätze ist in die Honorarvereinbarung nicht aufzunehmen.

     

    Das bedeutet, dass ein weiterer organisatorischer Aufwand bei jeder einzelnen Behandlung eines Patienten anfällt, um eine höhere Vergütung wirksam vereinbaren zu können. Da der Abschluss der Honorarvereinbarung zwingend vor der Behandlung erfolgen muss, ist auch eine nachträgliche und rückwirkende Honorarvereinbarung ausgeschlossen. Sie wäre unwirksam.

     

    Neben den organisatorischen tritt noch ein weiterer kommunikativer Aufwand. Zunächst fordert die GOÄ, dass eine persönliche Absprache über die Höhe des zu vereinbarenden Steigerungssatzes vor dem Abschluss der Honorarvereinbarung stattfindet. Die GOÄ ordnet zudem in § 2 an, dass die Honorarvereinbarung einen Passus enthalten muss, dass die auf die Honorarvereinbarung zurückzuführende höhere Vergütung von Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet wir. Damit ist gemeint, dass private Krankenversicherungen oder die Beihilfe möglicherweise nicht die vollen Beträge erstatten. Da Ärzte sowohl aus dem Behandlungsvertrag als auch berufsrechtlich die Pflicht trifft, ihre Patienten auch wirtschaftlich aufzuklären, ist es nicht ausreichend, lediglich in der Honorarvereinbarung die durch die GOÄ vorgesehene Klausel aufzunehmen. Es bedarf einer mündlichen Aufklärung über die wirtschaftlichen Implikationen der Honorarvereinbarung in jedem Einzelfall.

     

    Zu beachten ist außerdem, dass solche Honorarvereinbarungen für jede Behandlung eines Patienten abzuschließen sind. Eine Honorarvereinbarung, die sich auf eine unbestimmte Zeit und eine unbestimmte Zahl zukünftiger Behandlungen erstreckt, ist unwirksam.

     

    PRAXISTIPP | Die strengen Anforderungen der GOÄ an den Abschluss einer wirksamen Honorarvereinbarung führen dazu, dass es ratsam erscheint, wohlüberlegt das Instrument der Honorarvereinbarung einzusetzen. Insbesondere in Fällen, in denen der Arzt-Patienten-Kontakt aus medizinischen Gründen nur kurz sein dürfte und nur ein geringer Umfang der ärztlichen Leistungen zu erwarten ist, liegt es nahe, dass sich betriebswirtschaftlich der für den Abschluss der Vereinbarung nötige Aufwand im Vergleich zum erwarteten Mehrerlös nicht lohnt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BÄK veröffentlicht Informationsmaterial zur Faktorsteigerung und zur Abdingung nach GOÄ (AAA 05/2023, Seite 1)
    Quelle: Ausgabe 06 / 2023 | Seite 14 | ID 49506630