18.03.2022 · IWW-Abrufnummer 228141
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 25.06.2021 – 6 Sa 210/20
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - 2 Ca 1105/20 - vom 13. Juli 2020 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen und zwei hilfsweise ordentlicher Kündigungen der Beklagten, die dem Kläger sexuelle Belästigung einer Kollegin vorwirft, und um einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der 1960 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 02. April 1979 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern zuletzt als Industriemeister Chemie in Wechselschicht beschäftigt. Er wird von der Beklagten, einem Chemiekonzern mit weit mehr als 10 Beschäftigten mit Ausnahme der Auszubildenden, als Schichtführer der Schicht A in der Zwipro-Destillation in B-Stadt eingesetzt. Im dortigen Betrieb ist ein Betriebsrat gewählt.
Nach Abschluss ihrer Ausbildung bei der Beklagten ist seit 31. Januar 2019 auch die Zeugin E. in der Zwipro-Destillation beschäftigt, nachdem sie bereits während ihrer Ausbildung bei der Beklagten von März 2018 bis Januar 2019 einen sog. Durchlauf in der Schicht des Klägers hatte. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger die Zeugin E. während ihrer Ausbildungszeit in seiner Schicht ohne Notwendigkeit angefasst, beispielsweise den Arm um ihre Taille gelegt oder die Hand auf ihren Oberschenkel gelegt hat, wenn sie nebeneinandersaßen. Die Zeugin E. hat den Kläger jedenfalls nicht aufgefordert, ein derartiges Verhalten zu unterlassen und hat keinen Vorgesetzten bei der Beklagten informiert.
Am Samstag, den 15. Juni 2019, war die Zeugin E. ua. mit dem Kläger zusammen in der Schicht eingeteilt. Die Zeugin E. und der Kläger gingen zur Behebung eines von der Zeugin E. im Erdgeschoss zu lösenden technischen Problems gemeinsam auf das Dach des Gebäudes C 515. Ob dies am Vormittag der Fall war oder am Nachmittag und ob der Kläger im Anschluss mit der Zeugin E. in den Keller zu den Flusswasserpumpen ging und dort versuchte, sie gegen ihren Willen zu küssen und seine Hand unter ihr T-Shirt schob, ist zwischen den Parteien streitig. Die Zeugin E. war von Montag, den 17. Juni 2019 bis Freitag, den 28. Juni 2019 arbeitsunfähig erkrankt.
Am 05. Juli 2019 wandte sich die Zeugin E. an die Betriebsleiterin des Nachbarbetriebes Z. und gab an, am 15. Juni 2019 nachmittags vom Kläger im Keller des Gebäudes C 515 sexuell belästigt worden zu sein. Am 09. Juli 2019 meldete die Zeugin E. dies auch dem Betriebsleiter ihres eigenen Betriebes Dr. Y.. Am gleichen Tag wurde der Ermittlungsdienst der Beklagten eingeschaltet, der die Zeugin E. am 10. Juli 2019, sowie am 17. Juli 2019 befragte. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf Bl. 253 f. und Bl. 266 f. d. A. Bezug genommen. Der am 16. Juli 2019 durch den Ermittlungsdienst befragte Kläger, der von der Beklagten am 10. Juli 2019 von seiner Arbeitsleistung freigestellt worden war, bestritt die Vorwürfe und räumte lediglich einen freundschaftlichen Umgang mit der Zeugin ein, bei dem es auch zu lockeren Berührungen an der Schulter gekommen sein könne; er sei jedoch am 15. Juni 2019 nicht nachmittags mit der Zeugin E. im Keller des Gebäudes C 515 gewesen, sondern lediglich am Vormittag mit ihr auf dem Dach. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts der Aussage des Klägers wird auf Bl. 261 f. d. A. verwiesen. Der Ermittlungsdienst der Beklagten vernahm des Weiteren die Mitarbeiter der Zwipro-Destillation X. (Bl. 255 f. d. A.) und W. (Bl. 258 d. A.) und (den ehemaligen Partner der Zeugin E.) V. (Bl. 259 f. d. A.), sowie den Mitarbeiter der Zwipro-Destillation G. (Bl. 257 d. A.), der von Ende März bis Juli 2019 mit der Zeugin E. liiert war und bezüglich dessen das Rapportbuch der Schicht (Bl. 179 f. d. A.). gemeinsame "Rundgänge nach Checkliste" mit der Zeugin E. um 7.00 Uhr, 12.30 Uhr und 15.30 Uhr ausweist. Wegen der Einzelheiten der jeweiligen Aussagen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Der Ermittlungsdienst der Beklagten fertigte unter dem 18. Juli 2019 einen Ermittlungsbericht (Bl. 247 ff. d. A.), den die Einheit Arbeitsrecht am Freitag, den 19. Juli 2019 auswertete und nach Rücksprache mit der dezentralen Personalstelle beschloss, den Kläger zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung anzuhören. Das Anhörungsgespräch mit dem Kläger fand im Beisein seiner Ehefrau und eines Betriebsratsmitglieds am Freitag, den 26. Juli 2019 statt.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 (Bl. 232 ff. d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen, sowie hilfsweise ordentlichen Tat- sowie Verdachtskündigung an. Der Anhörung waren der Ermittlungsbericht vom 18. Juli 2019, sowie die Zeugenaussagen sämtlicher vom Ermittlungsdienst bis zu diesem Zeitpunkt befragten Zeugen beigefügt. Der Betriebsrat erhob mit Schreiben vom 02. August 2019 (Bl. 164 d. A.) Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung. Der Betriebsrat führte aus, der Kläger habe zugegeben, die Zeugin E. - wie bei allen Mitarbeitern - im Rahmen eines familiären Verhältnisses des Öfteren kumpelhaft bzw. sogar eher väterlich berührt zu haben; zu dem Vorfall am 15. Juni 2019 gebe es außer der Zeugin E. keine Zeugen und der Ermittlungsdienst habe gerade einmal vier Mitarbeiter vernommen, unter denen sich der aktuelle und der ehemalige Partner der Zeugin befänden, die Anhörungsunterlagen wiesen nicht darauf hin, dass auch in Richtung entlastender Aussagen ermittelt worden sei. Der Betriebsrat warf zudem die Frage auf, warum die Beklagte nicht den stellvertretenden Schichtführer U. gehört habe, da dieser laut Angaben des Klägers (gegenüber dem Betriebsrat) mit ihm zum Tatzeitpunkt zusammen im Büro gesessen habe. Tatsächlich hatte der Zeuge U. den Betrieb am 15. Juni 2019 bereits gegen 14.00 Uhr verlassen.
Mit Schreiben vom 02. August 2019, welches dem Kläger am 02. August 2019 um 16.40 Uhr per Boten übergeben wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2020. Der Kläger hat gegen die Kündigung am 05. August 2019 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten am 10. August 2019 zugestellt worden ist.
Am 07. August 2019 und 4. September 2019 befragte die Beklagte über ihren Ermittlungsdienst die stellvertretenden Schichtführer U. (Bl. 342 f. d. A.) und H. (Bl. 347 f. d. A.). Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 hörte die Beklagte den Betriebsrat - nach Rüge ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung durch den Kläger im Kündigungsschutzprozess - erneut zu einer vorsorglich beabsichtigten ordentlichen Kündigung wegen des unveränderten Sachverhalts an und legte dem Betriebsrat auch die Aussagen der Zeugen U. und H. vor. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 31. Januar 2020 (Bl. 10 d. A.) und teilte mit, die vorgelegten Zeugenaussagen U. und H. trügen keine neuen Erkenntnisse bei.
Die Beklagte kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis am 31. Januar 2020 erneut vorsorglich ordentlich zum 31. August 2020. Der Kläger hat am 04. Februar 2020 auch gegen diese Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben, die beim Arbeitsgericht unter dem Verfahren 2 Ca 141/20 geführt wurde. Das Arbeitsgericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Februar 2020 unter dessen Führung mit vorliegendem Rechtsstreit verbunden.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 02. August 2019 und auch die Folgekündigungen seien unwirksam. Da in der Schicht ein lockerer und kumpelhafter Umgangston und eine gute Stimmung herrsche, könne es geschlechterunabhängig immer wieder zu Körperkontakt (zB Berührungen am Arm oder Wegschieben) kommen, der jedoch nie die Grenze zur sexuellen Belästigung überschritten habe, auch gegenüber der Zeugin E. nicht. Den von ihr behaupteten Vorfall vom 15. Juni 2019 habe es nicht gegeben. Er habe den ganzen Nachmittag mit dem stellvertretenden Schichtführer H. im Schichtführerzimmer verbracht. Dieser habe nur einmal gegen 14.00 Uhr bis ca. 14.20 Uhr das Zimmer verlassen, um im SAP einen Arbeitserlaubnisschein auszufüllen. Auch vom diesbezüglichen Arbeitsort, dem PC-Arbeitsplatz in der Messwarte, habe der Zeuge H. jedoch sehen müssen, wenn er mit der Zeugin E. die Messwarte verlassen hätte. Lediglich am Vormittag des 15. Juni 2019 habe er um ca. 10.30 Uhr mit dem Zeugen H. abgesprochen, dass er zum Gebäude C 515 gehe. Dabei habe er Frau E. getroffen, die auf etwas geklopft habe. Er habe sie gefragt, ob er ihr helfen könne und sie seien dann zusammen auf dem Dach gewesen, um dieses Problem eventuell zu lösen und hätten von dort aus gemeinsam dem im Nachbarbetrieb tätigen Vater der Zeugin gewunken. Als das Problem sich nicht habe lösen lassen, seien sie zusammen zurück zur Messwarte und dann zum Mittagessen gegangen. Die Aussagen der Zeugin E. vom 10. Juli 2019 sowie vom 17. Juli 2019, widersprächen sich und seien nicht glaubwürdig, zumal die Zeugin und der Zeuge G. ausweislich des Rapportbuchs um 15.30 Uhr einer anderen Aufgabe nachgegangen seien. Die Zeugin habe auch den Zeugen T. versucht zu dahingehend zu beeinflussen, dass er beim Ermittlungsdienst angeben solle, er habe sie am 15. Juni 2019 nach Schichtende begleitet. Er könne sich die Vorwürfe der Zeugin E. nur damit erklären, dass er sie am 06. Juli 2019 in der Nachtschicht habe wecken müssen und damit, dass die Zeugin den Betrieb wechseln wolle. Die Betriebsratsanhörung sei unvollständig, da diesem die entlastenden Eintragungen im Rapportbuch und die Aussagen der stellvertretenden Schichtführer H. und U., sowie Vogelsang nicht mitgeteilt worden seien. Auch hätten weitere Befragungen durchgeführt werden müssen. Die zweite Kündigung vom 31. Januar 2020 sei unwirksam, da die Vorwürfe unbegründet seien, vor der Verdachtskündigung keine weitere Anhörung des Klägers stattgefunden habe und der Betriebsrat nicht über offensichtliche Unstimmigkeiten informiert worden sei. Nachdem zuletzt feststehe, dass der Zeuge H. den Vorgang der Erstellung eines Arbeitserlaubsnisscheins offensichtlich um 15.34 Uhr beendet habe, habe sich seine Einschätzung des zeitlichen Ablaufs, nichts jedoch an der Unbegründetheit der Vorwürfe geändert. Mit Schriftsatz vom 09. April 2020 hat der Kläger vorgetragen, er habe am 15. Juni 2019 mit dem Zeugen H. ein Audit vorzubereiten gehabt und wegen einer noch zu klärenden Frage das Schichtführerbüro vormittags verlassen, wobei er die Zeugin E. getroffen und ihr Hilfe bei der Behebung einer Verstopfung angeboten habe, weshalb man sich auch auf das Dach begeben habe. Danach sei jeder seiner Arbeit nachgegangen und man sei nicht gemeinsam zur Messwarte zurückgegangen. Gegen 12.30 Uhr habe die gesamte Schicht, auch die Zeugin E. und die Zeugen G. und H., zusammen Mittag gegessen. Im Übrigen sei auch nicht er, sondern der Zeuge U. der erste Ansprechpartner für ein Problem im Bau C 515. Da dieser nicht anwesend gewesen sei, sei das der Zeuge G. gewesen, welcher niemals seinen Schichtführer mit der Bitte um Prüfung angesprochen hätte. Es sei in hohem Maße unwahrscheinlich, dass eine Mitarbeiterin sexuell belästigt werde, deren aktueller und ehemaliger Freund im Betrieb tätig sei, sowie deren Vater im Nachbarbetrieb. Die zeitlichen Abläufe könnten sich auch nicht so gestaltet haben, wie von der Zeugin behauptet.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, bereits die dem Kläger am 02. August 2019 zugestellte außerordentliche Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe schon während der Ausbildungszeit die Zeugin E. sexuell dadurch belästigt, dass er den Arm um sie gelegt, sie an der Lendengegend und am Oberschenkel, sowie relativ häufig am Hintern angefasst habe. Am Samstag, den 15. Juni 2019 sei die Zeugin E. nach ihren Angaben vormittags mit zum Einkaufen gefahren und sei nachmittags mit dem Kläger auf dem Dach des Gebäudes C 515 gewesen, um ein technisches Problem zu lösen. Gegen 15.00 Uhr sei es zu folgendem Vorfall gekommen: Die Zeugin habe mit dem Kläger die Messwarte verlassen, um nach einem Filter zu schauen und sei mit ihm in den Keller des Gebäudes C 515 gegangen, wobei sie ihm gesagt habe, dass ihr die Keller unheimlich seien. Im Bereich der Flusswasserpumpen habe die Zeugin E. mit dem Rücken zur Wand gestanden und der Kläger habe ihr mit der Hand an den Po gefasst. Er habe versucht, sie auf den Mund zu küssen, wobei sie versucht habe, sich wegzudrehen. Er habe dann mit der Hand unter ihr T-Shirt gefasst und ihre Haut berührt. Sie habe versucht, seine Hand wegzudrücken, woraufhin der Kläger gesagt habe: "...lass uns ein wenig knutschen...". Die Zeugin E. habe sich dann irgendwann entwinden und seitlich am Kläger vorbeigehen können. In Folge der Tat sei sie vom sie behandelnden Arzt wegen akuter Belastungsreaktion krankgeschrieben worden. Die Zeugin habe angegeben, dass sie sich seither im Betrieb nicht mehr sicher fühle und sie sich mit der Zeugin Z. erst einmal einer Frau habe anvertrauen wollen, zumal der für sie zuständige Vertrauensmann ein enges Verhältnis zum Kläger gehabt habe. Die Pflichtverletzungen des Klägers seien deswegen besonders schwerwiegend, da sie an Häufigkeit und Intensität zugenommen hätten und zwischen dem Kläger als Vorgesetztem, Schichtführer, Bezugs- und Vertrauensperson und der Zeugin E. als zunächst Auszubildender und dann Berufsneuling ein strukturelles Machtgefälle bestanden habe. Die Zeugen G., X., W. und V. hätten die Berührungen des Klägers während der Ausbildungszeit bestätigt. Die Kündigung sei angesichts des schwerwiegenden Verhaltens des Klägers auch ohne Abmahnung verhältnismäßig. Dem Betriebsrat seien unter Berücksichtigung des Grundsatzes der subjektiven Determination alle wesentlichen Tatsachen und Umstände zur Kenntnis gebracht worden, auf die sie die Kündigung stütze. Es habe insbesondere keine Veranlassung bestanden, die erst nach Kündigungsausspruch eingeholten Aussagen der Zeugen U. und H. dem Betriebsrat nachträglich zur Kenntnis zu bringen, da sich aus diesen kein Be- oder Entlastungsumstand ergeben habe. Auch das Rapportbuch könne nicht zur Entlastung des Klägers beitragen, da die Angaben nicht zeitgenau erfolgten.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 10. Februar 2020 durch Vernehmung der Zeugen A. E., G., H. und T.. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. Juni 2020 (Bl. 370 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit am 13. Juli 2020 verkündetem Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die fristlose Kündigung vom 02. August 2019 sei als Tatkündigung rechtswirksam. Die Zeugin E. habe glaubhaft ausgesagt, dass der Kläger sie am 15. Juni 2019 im Keller der Gebäudes C 515 sexuell belästigt habe, indem er versucht habe, sie zu küssen und ihr mit der Aufforderung, "wenigstens etwas zu knutschen" unter das T-Shirt gefasst habe, obwohl sie mit eindeutigem "Nein" reagiert habe. Die Zeugin habe den Vorfall stimmig geschildert und ausgesagt, dass sie ein solches Verhalten vom Kläger nicht erwartet habe, so dass es nachvollziehbar sei, dass jemand im Alter und im Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger völlig überfordert gewesen sei und auch nicht gewusst habe, was sie in das mitgeführte Funkgerät habe sagen sollen. Soweit sie durch die Mitnahme von Handtüchern in der Folge zum vermeintlich normalen Ablauf übergegangen sei, werte die Kammer dies als "Übersprungshandlung", die Offenbarung gegenüber ihrem Freund im Anschluss sei wiederum ebenso stimmig, wie der Rückzug ins Frauenbad bis zum Schichtende und die sich anschließende Krankschreibung. Auch wenn es sich um eine Vier-Augen-Situation gehandelt habe, sei die Kammer aufgrund der Aussagen aller vier Zeugen zu dem Schluss gekommen, dass sie der Zeugin E. glaube. Der Zeuge G. habe - entgegen der Behauptung des Klägers - glaubhaft bestätigt, dass die Zeugin mit dem Kläger am Nachmittag die Messwarte verlassen habe und es ihr auf dem anschließenden Rundgang mit ihm "nicht so gut gegangen" sei. Der Zeuge G. sei nicht mehr mit der Zeugin E. als Paar zusammen, habe es aber auch schon am 15. Juni 2019 abgelehnt, sein Arbeitsverhältnis irgendwie durch den Vorfall zu gefährden. Dass die Zeugin, der frühere Berührungen durch den Kläger nach eigener Angabe unangenehm gewesen seien, dennoch mit ihm in den Keller gegangen sei, sei wohl ihrer Unbedarftheit zuzuschreiben. Die vom Kläger als Entlastungszeugen genannten Herren H. und T. seien für die Kammer wenig glaubwürdig gewesen. Der Zeuge H. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger am Nachmittag die Messwarte nicht verlassen habe, sondern habe nur ausgesagt, dass er sich in einem solchen Fall bestimmt abgemeldet hätte. Da der Kläger jedoch am Vormittag - entgegen seiner Behauptung - nach Aussage des Zeugen H. ohne Abmeldung die Messwarte verlassen habe, sei die Vermutung des Zeugen widerlegt. Da sowohl der Zeuge als auch der Kläger angegeben hätten, dass sie nicht die richtigen Ansprechpartner für ein Problem im Gebäude C 515 seien, stelle sich die Frage, warum der Kläger nach eigenen Angaben am Vormittag dorthin gegangen sein solle, um der Zeugin E. zu helfen. Sein Beharren auf eine andere Tageszeit scheine nur darauf abzuzielen, die Glaubwürdigkeit der Zeugin E. zu erschüttern. Auch die Aussage des Zeugen T. lasse nicht an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zweifeln. Soweit dieser sich von der Zeugin zu einer Aussage beim Ermittlungsdienst veranlasst gesehen habe, sei dies angesichts von ihm vorgelegter WhatsApp-Texte der Zeugin nicht nachzuvollziehen, da sie ihm mitgeteilt habe, er solle nur das aussagen, woran er sich erinnere. Dass die Zeugin die Mitteilungen auf Nachfrage der Beklagten zugänglich gemacht habe, spreche für ihre Glaubwürdigkeit. Auch die Angaben im Rapportbuch ließen die Glaubwürdigkeit der Zeugin E. nicht entfallen, da die Beweisaufnahme ergeben habe, dass die dort angegebenen Uhrzeiten immer nur als Circa-Angaben zu bewerten seien. Die vom Kläger monierte Widersprüchlichkeit in den Zeugenaussagen der Zeugin E. beim Ermittlungsdienst vermöge die Kammer nicht zu erkennen. Auf den zeitlichen Ablauf sei vorliegend kein so großer Wert gelegt worden. Die sexuelle Belästigung stelle einen an sich geeigneten Grund zur fristlosen Kündigung dar. Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei eine fristlose Kündigung gerechtfertigt und auch angemessen. Für den Kläger spreche seine lange Beschäftigungszeit von 40 Jahren und sein Lebensalter. Gegen ihn spreche aber das enorme Gewicht der sexuellen Belästigung der Zeugin nicht nur verbal, sondern auch durch das unter das T-Shirt-Greifen, obwohl die Zeugin dies nicht gemocht habe. Damit habe er eindeutig eine Tabuzone überschritten. Einer vorangegangenen Abmahnung habe es nicht bedurft, da die sexuelle Belästigung durch den Kläger als Schichtführer und Vorgesetzter der jüngeren Zeugin erkennbar nicht tolerierbar sei, die die Beklagte zu schützen habe. Zudem leugne der Kläger die sexuelle Belästigung nach wie vor und sehe sein Fehlverhalten nicht ein. Damit scheide auch eine fristgemäße Kündigung bis 30. März 2020 aus. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Der zuständige Betriebsleiter sei erst am 09. Juli 2019 informiert worden. Der Ermittlungsdienst habe nach umfangreichen Vernehmungen seinen Ermittlungsbericht am 18. Juli 2019 erstellt und die Abteilung Arbeitsrecht habe nach Auswertung am 19. Juli 2019 den Anhörungstermin für den Kläger auf den 26. Juli 2019 festgelegt, so dass die Zwei-Wochen-Frist erst ab diesem Zeitpunkt begonnen habe und durch die Kündigung per Boten vom 02. August 2019 um 16.40 Uhr nach Stellungnahme des Betriebsrates vom 02. August 2019 gewahrt worden sei. Die Kündigung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unwirksam. Dem Betriebsrat habe die Eintragung im Rapportbuch nicht mitgeteilt werden müssen, da die Zeitangaben aus Sicht der Beklagten nicht zutreffend seien. Auch habe der Zeuge U. nicht gehört werden müssen, da der Kläger diesen (bzw. richtig: den Zeugen H.) erst beim Betriebsrat angegeben habe. Da vorliegend eine Tatkündigung greife, sei sie nicht gemäß § 102 BetrVG unwirksam. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 6 ff. d. Urteils (= Bl. 406 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das am 15. Juli 2020 zugestellte Urteil mit am 03. August 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. Oktober 2020 begründet.
Der Kläger trägt zweitinstanzlich nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 14. Oktober 2020 (Bl. 461 ff. d. A.) und seiner Schriftsätze vom 10. Februar 2021 (Bl. 504 ff. d. A.) und 09. April 2021 (Bl. 535 d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen wird, zur Begründung seiner Berufung vor,
die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruhe auf einer Rechtsverletzung und die dem Urteil zugrunde legenden Tatsachen rechtfertigten eine andere Entscheidung. Die dem Kläger gemachten Vorwürfe seien unbegründet. Die mehrfach wechselnde Aussage der Zeugin E. sei widersprüchlich und unglaubhaft, sie habe die Vorwürfe offensichtlich nur erhoben, damit die Beklagte einem ihr gegenüber geäußerten Versetzungsgesuch nachkomme. Beim Zeugen G. handele es sich nur um einen Zeugen vom Hörensagen und auch seine Aussage sei keineswegs eindeutig gewesen, es habe keine schlüssige Erklärung bezüglich des Rapportbuches und der jeweiligen Tätigkeiten abgegeben werden können. Dem erst am 04. September 2019 vernommenen Zeugen H. müsse man eher zubilligen, auf grundsätzliche interne Gepflogenheiten Bezug zu nehmen (zB die Abmeldung des Klägers). Der Kläger bestreite weiter mit Nachdruck, die Zeugin E. zu irgendeiner Zeit sexuell belästigt zu haben. Er sei zu keiner Zeit für den Bau C 515 zuständig gewesen und habe die Zeugin dort am Vormittag nur getroffen, weil er einen Schein im Rahmen der Überprüfung habe kontrollieren wollen. Er habe ihr nur helfen wollen, was nicht gelungen sei, anschließend sei man im Rauchercontainer gemeinsam rauchen gewesen. Einen Vorfall im Keller habe es nicht gegeben. Demgegenüber seien die Aussagen der Zeugin E. nicht nachvollziehbar, widersprüchlich und unglaubwürdig. Es lasse sich kaum nachvollziehen, dass sie unbedingt in die Schicht des Klägers gewollt habe, wenn sie dieser angeblich schon in der Ausbildung unangenehm berührt habe. Auch sei nicht nachvollziehbar gewesen, warum sie dann mit ihm in den Keller gegangen sei. Am 10. Juli 2020 habe die Zeugin angegeben, sie habe mit dem Kläger einen Rundgang gemacht und sei gegen 15.00 Uhr mit ihm in den Keller gegangen. Am 11. Juli 2019 habe ihr damaliger Freund (G.) ausgesagt. Am 17. Juli 2019 habe die Zeugin dann bei ihrer erneuten Einvernahme behauptet, sie habe gegen 15.00 Uhr mit dem Kläger die Messwarte verlassen. Ein solcher Wechsel in der Darstellung sei nicht nachzuvollziehen. Während die Zeugin außergerichtlich noch gesagt habe, der Kläger habe seinen Rundgang fortgesetzt und sie sei zurück in die Messwarte gegangen, habe sie bei Gericht ausgesagt, sie sei gemeinsam mit dem Kläger in die Messwarte gegangen. Nichts davon sei wahr. Auch den zeitlichen Ablauf schildere sie widersprüchlich. Die Zeugin habe auch die laut Rapportbuch durchgeführten Rundgänge nicht erwähnt. Es sei ausgeschlossen, dass er sich unbemerkt vom Zeugen H. in die Messwarte geschlichen habe, nachdem sich nachträglich herausgestellt habe, dass dieser um 15.34 Uhr wieder dort gewesen sei. Verwunderlich sei auch, warum der - nunmehr gegenbeweislich benannte - Vater der Zeugin nicht angehört worden sei, zumal er, der Kläger von Anfang an klargestellt habe, dass er diesem am Morgen des 15. Juni 2019 vom Dach aus mit der Zeugin zugewunken habe. Man müsse davon ausgehen, dass es eine solche Vernehmung gegeben habe, die die Beklagte aber nicht für entlastend gehalten habe, was der Kläger jedoch selbst überprüfen wolle. Die Auffassung des Gerichts zum Rapportbuch, das der Wahrheit entsprechen müsse, lasse sich nicht nachvollziehen. Auch wenn die Uhrzeiten nicht 100-prozentig korrekt seien, ändere dies nichts daran, dass sie im Regelfall stimmten. Bei der Beklagten müssten Rapportbücher grundsätzlich sorgfältig ausgefüllt werden, da durch die Eintragungen später auch Sachverhalte (zB im Schadensfall) nachvollzogen werden müssten. Damit stehe fest, dass es einen Rundgang der Zeugin E. und des Zeugen G. um 15.30 Uhr gegeben habe. Aus dem Rapportbuch ergebe sich auch die Aufgabe, den Filter zu wechseln. Es sei lebensfremd, anzunehmen, dass der Schichtführer gebeten werde, eine Aufgabe in einem Betrieb zu übernehmen, welchen er kaum kenne und für welchen er damit auch nicht zuständig sei. Die Einlassung der Zeugin, sie sei morgens - für eine Stunde - einkaufen gewesen, stehe der klägerischen Schilderung des Geschehensablaufs nicht entgegen. Da der Zeuge G. anders als die Zeugin E. ausgesagt habe, die beiden seien nicht zusammen zurück in die Messwarte gekommen, belege dies, dass er entweder ihre Aussage widerlege oder keine konkreten Erinnerungen mehr habe, weshalb seine Aussage nicht verwertbar sei. Der Zeuge habe sich in seiner ersten Erinnerung auch nicht an den noch zu wechselnden Filter erinnert. Aus welchen Gründen der Zeuge H. weniger glaubwürdiger sein solle, als der Zeuge G., erschließe sich nicht, zumal dieser keine Gefälligkeitsaussage gemacht habe. Auch sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Der Kläger trägt vor, er bleibe auch dabei, dass die Beklagte ihn eindeutig entlastende Umstände dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe, wie beispielsweise die Angaben im Rapportbuch. Spätestens nach Insistieren des Betriebsrates habe der Zeuge H. vernommen werden müssen. Fürsorglich werde wegen der Relevanz des Rapportbuchs im Rahmen der Betriebsratsanhörung Zulassung der Revision beantragt.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte verteidigt das vom Kläger angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 18. November 2020 (Bl. 483 ff. d. A.) und ihres Schriftsatzes vom 13. April 2021 (Bl. 539 ff. d. A.), hinsichtlich deren weiteren Inhaltes auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags wie folgt,
das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Die Aussage der Zeugin E. sei weder unglaubwürdig, noch unglaubhaft. Die Qualität der Berührungen des Klägers gegenüber der Zeugin E. während der Ausbildung unterscheide sich ganz erheblich vom streitgegenständlichen Tatgeschehen und im Übrigen hänge die Entscheidung, in der konkreten Schicht eingeteilt zu werden, auch von einer ganzen Reihe anderer Faktoren ab, wie beispielsweise die anderen Kollegen und die Möglichkeit einer Fahrgemeinschaft mit ihrem Vater. Der unerfahrenen Zeugin könne die rückblickend für sie unglückliche Entscheidung nicht vorgeworfen werden. Auch die Wertung des Arbeitsgerichts zu den Zeitangaben sei zutreffend. Der Zeugin sei in keinem Fall eine genaue Zeitangabe abverlangt worden und sie habe sich auf eine solche auch nicht festlegen wollen. Die Zeugin habe auch keine Veranlassung gehabt, die Zeit "im Auge zu behalten". Gleiches gelte für den Zeugen G., dessen Aussagen entgegen der Auffassung des Klägers nicht "eindeutig der Zeugin E. zuzuschreiben" seien. Der Zeuge habe gerade keine Gefälligkeitsangaben machen wollen. Die Angaben des Zeugen H. seien von Widersprüchen geprägt gewesen. Er habe - zumal mit der Erstellung eines SAP-Scheins beschäftigt - auch nicht positiv bestätigen können, dass der Kläger am Nachmittag die Messwarte nicht verlassen habe. Auch habe der Zeuge, der über ein besonderes Näheverhältnis zum Kläger verfüge, eingeräumt, dass es zwischen ihm und dem Kläger einen Austausch über das Verfahren gegeben habe. Aus den Zeugenangaben ergebe sich ohne jeden Zweifel, dass der Beweiswert bzw. die Genauigkeit der im Rapportbuch enthaltenen Zeitangaben nicht geeignet seien, die Angaben des Klägers zu untermauern. Auch der Kläger räume ein, dass die Uhrzeiten nicht hundertprozentig korrekt seien. Zur ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung setze sich die Berufung nicht mit den zutreffenden Angaben des Arbeitsgerichts auseinander.
Die Berufungskammer hat aufgrund Beschlusses vom 23. März 2021 (Bl. 522 f. d. A.) Beweis erhoben über die Behauptungen der Beklagten zu den Abläufen am Nachmittag des 15. Juni 2019 durch Vernehmung der Zeugen A. E., G., H. und M. E.. Wegen des Inhalts des Beweisbeschlusses wird auf die Sitzungsniederschrift des Verkündungstermins vom 23. März 2021 (Bl. 522 f. d. A.), wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Juni 2021 (Bl. 542 ff. d. A.) Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.
I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 15. Juli 2020 mit am 03. August 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2020, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).
II. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist in Ergebnis und mit sorgfältiger Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass bereits die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 02. August 2019 das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am gleichen Tag beendet hat. Die gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, sowie die weitere ordentliche Kündigung vom 31. Januar 2020 gerichteten unechten Hilfsanträge sind, ebenso wie der auf Weiterbeschäftigung gerichtete unechte Hilfsantrag des Klägers, nicht zur Entscheidung angefallen. Die Berufung des Klägers gegen die klageabweisende erstinstanzliche Entscheidung, deren erstinstanzlich offensichtlich unrichtig mit 29. Juni 2020 angegebenes Verkündungsdatum gemäß § 319 Abs. 1 ZPO auf 13. Juli 2020 zu berichtigen war, war zurückzuweisen.
1. Die Beklagte kann sich hinsichtlich der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 02. August 2019, die der Kläger rechtzeitig iSd. §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 4, 7 KSchG mit seiner Kündigungsschutzklage angegriffen hat und die daher auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen war, auf einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB berufen.
1.1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 13, 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris).
1.2. Der Kläger hat sich eines an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Kündigungsgrundes iSd. § 626 Abs. 1 BGB schuldig gemacht.
a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist "an sich" als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 15, 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN, jeweils zitiert nach juris). Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere, wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 17, 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN, aaO).
b) Auch für die Berufungskammer steht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme vor der Berufungskammer vom 25. Juni 2021 nach freier Überzeugung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO fest, dass der Kläger die Zeugin E. am Nachmittag des 15. Juni 2019 sexuell belästigt hat.
aa) Die Zeugin E. hat - wie bereits vor dem Arbeitsgericht - vor der Berufungskammer ausgesagt, sie habe am fraglichen Tag nachmittags mit dem Kläger - nach einem üblichen Scherz über ihre Arbeit - die Messwarte verlassen, um zunächst auf dem Dach einen Hahn zu öffnen, was nicht gelungen sei, und von wo aus sie - wie grundsätzlich auch vom Kläger behauptet - ihrem Vater gewunken hätten. Nach einer - in Übereinstimmung mit dem Kläger angegebenen - Rauchpause sei sie mit dem Kläger, der dort noch etwas habe erledigen müssen, in den Keller des Gebäudes 504 gegangen. Die Zeugin hat - wie bereits vor dem Arbeitsgericht und auch beim Ermittlungsdienst der Beklagten am 10. Juli 2019 - bekundet, dass der Kläger sie dort geküsst, unter ihr T-Shirt gefasst und gesagt habe, man könne doch ein bisschen knutschen, woraufhin sie ihn mit "Nein!" abgewiesen und auf seine Frage nach dem "Warum" nicht geantwortet habe. Die Zeugin hat nach Auffassung der Berufungskammer das Geschehen auch dem von der Beklagten behaupteten zeitlichen Rahmen zugeordnet, indem sie angegeben hat, sie habe gegen 14.30 Uhr/ 15 Uhr und damit - entgegen der klägerischen Behauptung - nicht vormittags, sondern nachmittags mit dem Kläger die Messwarte verlassen. Damit hat die Zeugin E. die von der Beklagten behauptete sexuelle Belästigung durch den Kläger als direkte Betroffene des Geschehens in ihrem relevanten Kern erneut widerspruchsfrei, detailreich und im Zusammenhang glaubhaft bestätigt. Die Berufungskammer sah keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit der unmittelbar betroffenen Zeugin E. zu zweifeln. Soweit die Berufung bemängelt hat, die Klägerin habe außergerichtlich beim Ermittlungsdienst am 10. Juli 2019 noch ausgesagt, gegen 15.00 Uhr mit dem Kläger in den Keller gegangen zu sein, trifft dies zum einen deshalb bereits nicht zu, weil die Zeugin ausweislich der dortigen Mitschrift (Bl. 253 d. A.) lediglich angegeben hat, sie seien "irgendwann, gegen 15 Uhr" gemeinsam in den Keller gegangen und damit eine minutengenaue zeitliche Eingrenzung nicht erfolgt ist. Die Zeugin hat sich auch bei ihrer Aussage vor der Berufungskammer zeitlich ersichtlich nicht auf eine genaue Uhrzeit festgelegt, sondern - ähnlich wie bei ihren und des Zeugen G. Angaben zum sich anschließenden Gang durch die Anlage - nur einen ungefähren Zeitkorridor angegeben. Ein Grund, die Glaubwürdigkeit der Zeugin anzuzweifeln, liegt hierin nicht, hat sie doch angegeben, dass lediglich in der Messwarte eine Uhr hängt und man ansonsten im Betrieb keine Uhren tragen dürfe. Dass der Zeugin vor diesem Hintergrund eine genaue zeitliche Einordnung des Geschehens nicht möglich war, erscheint auch angesichts der Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Verlassens der Messwarte für sie im alltäglichen Geschehensablauf keine Veranlassung bestand, sich zu vergewissern, wieviel Uhr es ist, nachvollziehbar. Gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht im Übrigen nicht, dass sie beim Ermittlungsdienst der Beklagten am 10. Juli 2019 angegeben hat, sie sei nach dem Vorfall allein in die Messwarte zurückgegangen, während sie sowohl bei ihrer Vernehmung durch das Arbeitsgericht am 29. Juni 2020 als auch vor der Berufungskammer am 25. Juni 2021 ausgesagt hat, sie seien zusammen in die Messwarte zurückgegangen. Die Zeugin hat während ihrer Vernehmung auf die Nachfrage der Vorsitzenden der Berufungskammer, ob sie zusammen mit dem Kläger die Messwarte betreten habe, ausgesagt, sie könne schwören, dass dies so gewesen sei, wisse es aber nicht mehr genau. Eine derartige Unsicherheit in der Erinnerung scheint angesichts des Zeitablaufs seit dem streitigen Vorfall nicht ungewöhnlich. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht jedenfalls, dass sie wie beim Ermittlungsdienst auch bei beiden gerichtlichen Vernehmungen betont hat, dass der Kläger und sie nach der sexuellen Belästigung jedenfalls getrennte Wege gegangen sind und am fraglichen Nachmittag keine weitere Kommunikation zwischen ihnen stattgefunden hat, was angesichts des Vorfalls ohne Zweifel nachvollziehbar ist. Die Berufungskammer vermochte entgegen der Auffassung der Berufung daher von widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben der Zeugin E. nicht auszugehen.
Der Zeuge G. hat die Angaben der Zeugin E. zu den Abläufen am 15. Juni 2019, bei denen er unmittelbar beteiligt war, glaubhaft bestätigt. So hat er angegeben, die Zeugin E. angehalten zu haben, den Kläger, obwohl mit der Anlage nicht ganz so vertraut, zur Erledigung ihrer Aufgabe mitzunehmen, da der betroffene Hahn etwas schwergängig zu öffnen sei. Auch hat der Zeuge bestätigt, gesehen zu haben, dass die beiden die Messwarte verlassen haben und dass irgendwann die Zeugin E. zurückkam, wobei der Zeuge G. aus seiner verbleibenden Erinnerung nicht ausschließen konnte, dass auch der Kläger mit zurückgekommen war und er es lediglich nicht gesehen hat. Ebenso hat der Zeuge bekundet, nach der Rückkehr der Zeugin E. selbst mit dieser erneut in die Anlage gegangen zu sein, um den noch nicht geöffneten Filter zu öffnen, was sich im Übrigen mit den Angaben im Rapportbuch (Bl. 180 d. A.: "F 4290 entleert") deckt, worauf auch die Zeugin E. hingewiesen hat. Zur Frage, wann sich diese Geschehensabläufe am 15. Juni 2019 abgespielt haben, hat der Zeuge bekundet, sich nicht mehr genau zu erinnern und ist zunächst von der Mittagszeit (12.00 Uhr/ 13.00 Uhr) ausgegangen, sofern es sich nicht um einen Samstag gehandelt habe, da samstags in der Regel um diese Zeit gemeinsam gegessen werde. Nach Vorhalt durch die Vorsitzende der Berufungskammer, dass der 15. Juni 2019 ein Samstag gewesen sei, hat sich der Zeuge G. korrigiert und ausgesagt, dann könne es nicht mittags gewesen sei, vermochte sich jedoch an mehr nicht zu erinnern. Im Verlauf seiner weiteren Vernehmung hat der Zeuge auf den Vorhalt durch den Beklagtenvertreter, dass er beim Arbeitsgericht ausgesagt habe, die Zeugin E. sei nach Rückkehr vom Gang im Betrieb mit ihm direkt im Frauenbad verschwunden, das Geschehen dann dem Nachmittag zugeordnet, weil sie anderenfalls ja sechs bis sieben Stunden im Frauenbad hätte verharren müssen bis zum Schichtende. Damit hat der Zeuge G. letztlich wie die Zeugin E. bestätigt, dass sich deren Zusammentreffen mit dem Kläger in der Anlage zum Öffnen des Hahns nicht wie vom Kläger behauptet vormittags, sondern nachmittags ereignet hat. Auch der Zeuge G. konnte hierbei - angesichts des Zeitablaufs und des für ihn alltäglichen Geschehens nachvollziehbar - keine genaue zeitliche Zuordnung vornehmen. Dies deckt sich mit seinen Angaben zum von ihm an diesem Tag geführten Rapportbuch, wozu er bekundet hat, bei den drei vorgesehenen Rundgängen immer nur ungefähre Angaben zur betreffenden Tageszeit zu machen, so dass der Eintrag, der Rundgang habe um 15.30 Uhr stattgefunden, lediglich bedeute, dass es nachmittags gewesen sei und nicht vormittags. Zum Vorfall der sexuellen Belästigung selbst kam der Zeuge G. lediglich als Zeuge vom Hören-Sagen in Betracht. Er konnte sich hierbei an genaue Mitteilungen der Zeugin E., seiner damaligen Lebensgefährtin, zunächst mangels Erinnerung an den bereits zwei Jahre zurückliegenden Vorgang nicht erinnern, hat jedoch auf den Vorhalt seiner damaligen Aussage beim Ermittlungsdienst, sie habe gesagt, der Kläger habe versucht, sie zu küssen, angegeben, dass das dann damals so gewesen sein werde. Die Berufungskammer hielt den Zeugen G. auch für glaubwürdig. Dass der Zeuge sich nicht ohne weiteres sofort an alle Einzelheiten erinnern konnte, sondern seine Aussage teilweise erst auf Vorhalt seiner früheren Aussagen oder unstreitiger Tatsachen gemacht bzw. korrigiert hat, steht dem nicht entgegen, nachdem zwischenzeitlich mehr als zwei Jahre seit dem streitigen Vorfall vergangen sind. Der Zeuge war ersichtlich bemüht, nur das auszusagen, woran er sich zum Zeitpunkt seiner jetzigen Aussage noch konkret erinnern konnte, ohne auf frühere Aussagen zurückzugreifen. In Übereinstimmung damit hat der Zeuge betont, bereits zum damaligen Zeitpunkt eigentlich vorgehabt zu haben, sich aus der Sache herauszuhalten. Belastungstendenzen waren daher jedenfalls nicht ersichtlich, zumal der Zeuge G. und die Zeugin E. zwischenzeitlich keinen Kontakt mehr haben.
Der vom Kläger erstmals in der Berufungsinstanz gegenbeweislich benannte Zeuge M. E. hat bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 25. Juni 2021 bestätigt, dass seine Tochter, die Zeugin A. E., und der Kläger ihm einmal während seiner Schicht vom Dach des Gebäudes C515 aus zugewunken haben, ohne sich selbst an das konkrete Datum des Vorfalls erinnern zu können. Auf die Frage nach der zeitlichen Einordnung des Geschehens (vormittags oder nachmittags) hat der Zeuge angegeben, wenn das Winken - wie unstreitig am 15. Juni 2019 - an einem Samstag stattgefunden habe, dann gehe er davon aus, dass es dann auf keinen Fall vormittags, sondern nachmittags gewesen sei, weil samstags vormittags gekocht werde. Damit hat auch der Zeuge M. E. Einzelheiten zum vorgeblichen Tatgeschehen im Sinne der Beklagten bestätigt und die Behauptung des Klägers, er habe sich am 15. Juni 2019 vormittags mit der Zeugin E. auf dem Dach aufgehalten (und sie daher nicht nachmittags im Anschluss an das Geschehen auf dem Dach in den Keller begleitet und sexuell belästigt) nicht gestützt. Der Zeuge M. E., der lediglich zu einer einzigen, für die Bewertung des Geschehens möglicherweise indiziell relevanten Frage vernommen worden ist, war nach Auffassung der Berufungskammer auch glaubwürdig. Er hat bekundet, sich vor dem Termin vor dem Landesarbeitsgericht nicht mit seiner Tochter über den Vorfall unterhalten zu haben, was auch diese bestätigt hat. Auch er hat - ähnlich wie der Zeuge G. - bekundet, eigentlich vorgehabt zu haben, sich nicht in die Sache einzumischen. Darüber hinaus hat er - wie von der Beklagten behauptet - angegeben, dem Ermittlungsdienst telefonisch gesagt zu haben, er könne zu dem Vorfall nichts sagen. Die Berufungskammer hatte vor diesem Hintergrund den Eindruck, dass der Zeuge E. sich neutral verhalten und insbesondere nicht seiner Tochter durch seine Aussage "zur Hilfe kommen" wollte, zumal er angegeben hat, - als Nicht-Schichtführer aus einem anderen Betrieb - den Kläger als Schichtführer bis zu diesem Zeitpunkt nicht näher gekannt zu haben.
Die Aussage des vom Kläger gegenbeweislich benannten Zeugen H. steht den Aussagen der Zeugen A. und M. E. und G. nicht entgegen. Er hat bei seiner Vernehmung vor der Berufungskammer zwar zunächst ausgesagt, er könne nicht bestätigen, dass die Zeugin E. und der Kläger am Nachmittag des 15. Juni 2019 die Messwarte zusammen verlassen hätten, weil er das nicht gesehen habe. Auf Vorhalt der Vorsitzenden der Berufungskammer, hat er in der Folge jedoch eingeräumt, dass er zwischen 14.00 Uhr und 14.30 Uhr für ca. 40 bis 45 Minuten seinen Arbeitserlaubnisschein in der Messwarte am Computer bearbeitet hat, der sich entgegen der vom Kläger eingereichten Skizze (Bl. 362 d. A.) in der ersten Insel (Rundung) befindet und daher zumindest zeitweise nicht gesehen haben kann, ob der Kläger das Schichtführerzimmer verlassen hat. Auch hat der Zeuge H. angegeben, dass er zwischendurch am in einem Nebenraum zur Messwarte befindlichen Drucker war und jedenfalls die Zeugen E. und G., die sich unstreitig in der Messwarte befunden haben, zum Zeitpunkt seiner Arbeiten am PC nicht bewusst wahrgenommen hat. Gleichermaßen hat der Zeuge erklärt, es gebe noch einen Ausgang gegenüber von der Glastür (vgl. Bl. 362 d. A.), der nicht einsehbar sei, wenn man am PC arbeite. Auch wenn der Zeuge bekundet hat, der übliche Weg zum Verlassen der Messwarte sei der Weg über die Teeküche an den Helmen vorbei, ist es damit jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Kläger und die Zeugin E. die Messwarte am Nachmittag verlassen haben, ohne dass der Zeuge H., der zu diesem Zeitpunkt mit den Arbeiten am Arbeitserlaubnisschein befasst war und sich nicht im Schichtführerbüro aufgehalten hat, dies wahrgenommen hat. Dass der Zeuge H. sich an Einzelheiten im Verlauf des 15. Juni 2019 nicht mehr erinnern kann und dies möglicherweise auch in Bezug auf die streitgegenständliche Abwesenheit des Klägers am Nachmittag der Fall sein könnte, zeigt sich deutlich daran, dass dem Zeugen H., an dessen Glaubwürdigkeit die Berufungskammer nicht zweifelt, nicht mehr erinnerlich war, dass der Kläger sich am Vormittag des 15. Juni 2019 nach eigenen Angaben gegen 10.30 Uhr bei ihm abgemeldet hat. Selbst wenn es üblich sein mag, dass der Kläger sich beim Verlassen der Messwarte beim im Schichtführerbüro befindlichen Zeugen H. abmeldet, ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass dies unterblieben ist, weil der Zeuge abwesend war. Ebenso wenig ist jedenfalls vom Geschehensablauf her ausgeschlossen, dass der Kläger - wie vom Zeugen bekundet - bereits wieder am Schreibtisch im Schichtführerbüro saß, als der Zeuge H. zurückkam.
bb) In Anbetracht der entgegenstehenden bzw. den Vortrag des Klägers nicht bestätigenden Aussagen der Zeugen A. und M. E., G. und - möglicherweise - H. vermochte die Berufungskammer nicht davon auszugehen, dass die Schilderungen des Klägers zu den Geschehensabläufen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 25. Juni 2021 im Rahmen seiner persönlichen Anhörung den Tatsachen entsprechen, insbesondere nicht, was seine Behauptung angeht, mit der Zeugin E. am Nachmittag des 15. Juni 2019 nicht im Keller gewesen zu sein und sie nicht belästigt zu haben. Entgegen der Auffassung der Berufung spricht nicht bereits gegen den Wahrheitsgehalt der Aussage der Zeugin E., dass diese die Abteilung des Klägers verlassen wollte. Zum streitgegenständlichen Zeitpunkt hatte die Zeugin ein Versetzungsgesuch bei der Beklagten nicht eingereicht. Auch der Zeuge G. hat ausgesagt, dass die Zeugin E. ihm von diesem Wunsch erst nach dem streitigen Vorfall berichtet hat. Die Zeugin war noch zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung durch das Arbeitsgericht nicht in ihren Wunschbetrieb versetzt. Im Übrigen hält die Berufungskammer es nicht für naheliegend, dass die recht junge Zeugin E. den erheblichen Vorwurf der sexuellen Belästigung durch einen Vorgesetzten ausschließlich mit dem Ziel erfunden hat, in den Nachbarbetrieb wechseln zu können, nachdem sie damit rechnen musste, dass sie an der - unter Umständen auch gerichtlichen - Aufklärung des Geschehens würde mitwirken müssen und nicht auszuschließen war, dass auch ihr persönlicher Ruf durch einen solchen Vorfall gefährdet werden könnte. Es begründet weiter keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage der Zeugin E., dass diese - obgleich sie beim Ermittlungsdienst angegeben hat, schon während ihrer Ausbildung vom Kläger belästigt worden zu sein - trotzdem in die Schicht des Klägers aufgenommen werden wollte und mit ihm am 15. Juni 2019 noch in den Keller gegangen ist. Die Zeugin E. hat bereits während ihrer Aussage beim Arbeitsgericht angegeben, dass sie es wie der Zeuge G. zunächst auch nicht habe glauben können, dass der Kläger versuchen würde, sie zu küssen und ihr die Hand unter das T-Shirt zu schieben. Daran zeigt sich, dass die Zeugin ein derart weitgehendes Verhalten wie das des Klägers am 15. Juni 2019 nicht für möglich gehalten hat, auch wenn der Kläger nach ihrem Empfinden bereits zuvor Grenzen durch Berührungen überschritten hatte. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, dass die Zeugin in die Schicht des Klägers eintreten wollte und den Kläger auch in den Keller begleitet hat. Auch die Eintragungen im Rapportbuch vom 15. Juni 2019 stellen die Aussagen der Zeugen A. E. und G. nicht in Frage. Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht für die Berufungskammer fest, dass der Zeuge G., der an diesem Tag das Rapportbuch geführt hat, zwar eingetragen hat, es habe um 15.30 Uhr ein Rundgang stattgefunden, damit jedoch lediglich einen Rundgang am Nachmittag (in Abgrenzung zu anderen Tageszeiten) bestätigen wollte.
1.3. Die außerordentliche Kündigung vom 02. August 2019 erweist sich aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung auch nicht als unverhältnismäßig.
a) Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 28, 14. Dezember 2017 - 2 AZR 86/17 - Rn. 54; 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 26, jeweils zitiert nach juris).
aa) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 29, 23. August 2018 - 2 AZR 235/18 - Rn. 40; 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher er ist, desto größer ist diese (BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 29, aaO).
bb) Die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB hat bei Vorliegen einer Vertragspflichtverletzung ua. zum Gegenstand, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, also insbesondere eine Abmahnung oder fristgerechte Kündigung zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 20. Mai 2021 - 2 AZR 596/20 - Rn. 27, 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 23; 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30; 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28, jeweils zitiert nach juris). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (vgl. BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 24, aaO). Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich schon die Basis für eine weitere Zusammenarbeit irreparabel entfallen lässt. Dieses bemisst sich gerade unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa ihre Art und ihr Ausmaß, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das "Klima", in der bzw. in dem sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, haben bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu bleiben. Dies gilt umgekehrt ebenso für ein nachfolgendes wahrheitswidriges Bestreiten, das für sich genommen ebenfalls nichts über die Schwere der begangenen Pflichtverletzung besagt (BAG 20. Mai 2021 - 2 AZR 596/20 - Rn. 27, aaO).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten nicht unverhältnismäßig.
aa) Es kann dahinstehen, ob eine Abmahnung bereits deshalb entbehrlich war, weil auch eine Abmahnung eine Verhaltensänderung des Klägers nicht hätte hervorrufen können. Beruht die Vertragspflichtverletzung - wie vorliegend - auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG 20. Mai 2021 - 2 AZR 596/20 - Rn. 28, 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 23; 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 30; 29. Juni 2017 - 2 AZR 302/16 - Rn. 28, jeweils zitiert nach juris). Dennoch war der Beklagten der Ausspruch einer Abmahnung anstelle der streitgegenständlichen Kündigung nicht zumutbar, da die dem Kläger vorzuwerfende Pflichtverletzung von derartigem Gewicht ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war. Der Kläger hat die Zeugin E. nicht lediglich verbal belästigt, sondern sie körperlich, sogar unter ihrer Kleidung berührt und versucht, sie zu küssen, wobei die Zeugin, die unmissverständlich deutlich gemacht hat, diese Annäherung nicht zu wünschen, sich wegdrehen musste, um sich ihm zu entziehen. Im Anschluss hat der Kläger die Zeugin aufgefordert, "ein bisschen zu knutschen" und damit die sexuellen Handlungen fortzusetzen, obwohl sie ersichtlich nicht mit seinem Vorgehen einverstanden war. Das Arbeitsgericht ist vor diesem Hintergrund völlig zutreffen davon ausgegangen, dass die Belästigung des Klägers bereits einen erheblichen Schweregrad hatte und das Ausmaß der Pflichtverletzung noch dadurch gesteigert wurde, dass der Kläger als Schichtführer eine Vorgesetztenposition gegenüber der Zeugin E. innehatte, die gerade ihrer Ausbildung entwachsen war und erheblich jünger als der Kläger ist. Zudem hat der Kläger sich der Zeugin im Keller und damit an einer entlegenen Stelle genähert, so dass der Vorfall auch nicht ohne weiteres von Dritten wahrgenommen werden konnte.
bb) Der Beklagten war auch aufgrund der Interessenabwägung im Übrigen die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Zwar war zugunsten des Klägers sein Alter und seine mit 40 Jahren erhebliche Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, die der Kläger soweit ersichtlich ohne Beanstandungen erworben hat. Auch hat die Berufungskammer berücksichtigt, dass es sich vorliegend um eine einmalige Pflichtverletzung handelt und der Verlust seines Arbeitsplatzes, den der Kläger sein gesamtes Berufsleben innehatte, diesen erheblich trifft. Dennoch war dem das - wie dargestellt - erhebliche Gewicht der Vertragsverletzung des Klägers in Form der sexuellen Belästigung der nach ihrer Ausbildung ua. durch den Kläger noch nicht lange in dessen Schicht beschäftigten, erheblich jüngeren Zeugin E. gegenüberzustellen. Da die Beklagte verpflichtet ist, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor sexuellen Übergriffen (nicht nur) durch Vorgesetzte zu schützen, kann ihr nicht zugemutet werden, auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist die Gefahr der Wiederholung eines derartigen Verhaltens, das der Kläger bis zuletzt in Abrede gestellt hat, in Kauf zu nehmen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass im Wiederholungsfall mit einer Traumatisierung betroffener Mitarbeiterinnen zu rechnen wäre, wie auch die Zeugin E., die nach dem Vorfall wegen einer akuten Belastungsstörung arbeitsunfähig erkrankte, erstinstanzlich ausgesagt hat, es habe ihr nicht körperlich, aber seelisch weh getan und sie habe sich schmutzig gefühlt. Nach Auffassung der Berufungskammer hat daher das Interesse des Klägers an der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses angesichts der Umstände des Einzelfalls hinter dem Beendigungsinteresse der Beklagten zurückzustehen.
2. Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
2.1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur binnen einer Frist von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 29; 25. April 2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 50, jeweils zitiert nach juris). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 29; 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 - Rn. 18; 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 61, jeweils zitiert nach juris). Von der völligen - und sei es grob fahrlässigen - Unkenntnis des Kündigungssachverhalts ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden. Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt indes nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen soll, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht (vgl. BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 29, 27. Juni 2019 - 2 ABR 2/19 - Rn. 23; 1. Juni 2017 - 6 AZR 720/15 - Rn. 66, jeweils zitiert nach juris).
2.2. Nach diesen Grundsätzen ist die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten dem Kläger fristgerecht innerhalb der Kündigungserklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB zugegangen. Dies hat das Arbeitsgericht mit zutreffenden Argumenten angenommen. Erstmals am 09. Juli 2019 wurde der kündigungsberechtigte Betriebsleiter der Beklagten Dr. Y. von der Zeugin E. über den Vorfall vom 15. Juni 2019 in Kenntnis gesetzt, der am gleichen Tag den Ermittlungsdienst der Beklagten mit der Aufklärung des Sachverhaltes betraut hat. Angesichts der Vielzahl der angehörten Mitarbeiter der Schicht erfolgten die dortigen Befragungen im Zeitraum vom 10. bis 17. Juli 2019 auch mit der gebotenen Eile bis zur Fertigung des umfangreichen Ermittlungsberichts vom 18. Juli 2019, den die Personalabteilung der Beklagten am Freitag, den 19. Juli 2019 ausgewertet hat. Die dem Kläger unstreitig am 02. August 2019 und damit innerhalb von zwei Wochen ab dem 19. Juli 2019 zugegangene außerordentliche Kündigung hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Damit kann dahinstehen, ob in jedem Fall die binnen Wochenfrist durchgeführte nochmalige Anhörung des bereits am 16. Juli 2019 vom Ermittlungsdienst zum Sachverhalt befragten Klägers durch die Personalabteilung am 26. Juli 2019 den Beginn der Kündigungserklärungsfrist mit Blick auf die zugleich ausgesprochene Verdachtskündigung hätte hemmen können oder ob dies vorliegend zumindest deshalb der Fall war, weil noch Fragen an den Kläger zu Umständen des streitigen Vorfalls offen waren (vgl. Telefonnotiz des Ermittlungsdienstes (S.) vom 19. Juli 2019 (S. 23 der Anlage 1 zur Betriebsratsanhörung, Bl. 269 d. A.).
3. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats unwirksam.
3.1. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam.
a) Der Inhalt der Unterrichtung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert (BAG 05. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19- Rn. 4316. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15, 118; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14, jeweils zitiert nach juris). Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können. Der Arbeitgeber muss daher dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 05. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19- Rn. 43, 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 15, aaO; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14, jeweils zitiert nach juris). Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann (BAG 05. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19- Rn. 43, 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 16, aaO; 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 46, jeweils zitiert nach juris).
b) Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren (BAG 05. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19- Rn. 44, 16. Juli 2015 - 2 AZR 15/15 - Rn. 19; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, dh. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 05. Dezember 2019 - 2 AZR 240/19- Rn. 44, mwN, aaO, 22. September 2016 - 2 AZR 700/15 - Rn. 27, zitiert nach juris).
3.2. Ausgehend hiervon hat die Beklagte den im Betrieb gewählten Betriebsrat ordnungsgemäß angehört.
a) Sie hat dem Betriebsrat die Anhörungsunterlage vom 30. Juli 2019 (Bl. 232 ff. d. A.) überlassen, die neben Angaben zu den Sozialdaten und dem Tätigkeitsbereich des Klägers eine umfassende Sachverhaltsschilderung basierend auf den Angaben der Zeugin E. enthält, sowie eine Zusammenfassung der Angaben der Zeugen G., X., W., V. und des Klägers selbst beim Ermittlungsdienst und auch gegenüber der Abteilung Arbeitsrecht, nebst einer rechtlichen Würdigung aus Sicht der Beklagten. Beigefügt waren darüber hinaus der Bericht des Ermittlungsdienstes vom 18. Juli 2019 nebst Niederschriften der Angaben der genannten Zeugen und des Klägers gegenüber dem Ermittlungsdienst, sowie eine Telefonnotiz (Bl. 247 ff. d. A.). Damit hat die Beklagte den Betriebsrat in die Lage versetzt, sich eine eigene Meinung über die Stichhaltigkeit und die Gewichtigkeit der von ihr herangezogenen Kündigungsgründe zu bilden. Der Betriebsrat hat trotz der von ihm geäußerten Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Frage, warum der Zeuge U. nicht vernommen worden sei, auch eine abschließende Stellungnahme abgegeben (vgl. hierzu: BAG 25. Mai 2016 - 2 AZR 345/15 - Rn. 24, zitiert nach juris). Die Auslegung der Erklärung des Betriebsrates gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt, dass die Beklagte aufgrund der bisherigen Äußerung des Betriebsrats davon ausgehen konnte, dieser werde sich nicht weiter äußern. Der Betriebsrat hat im Schreiben vom 02. August 2018 deutlich gemacht, aus welchen Gründen er die Aussagen der Zeugin E. und der übrigen vom Ermittlungsdienst vernommenen Mitarbeiter für nicht geeignet hält, dem Kläger die vorgeworfene Pflichtverletzung nachzuweisen und hat seine Bedenken darüber hinaus mit der Würdigung dessen mehr als 40 Jahre dauernder Betriebszugehörigkeit begründet. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die inhaltlich umfassende und eindeutige Stellungnahme des Betriebsrats der Beklagten unmittelbar vor Ablauf der dreitägigen Frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zugeleitet worden ist, durfte die Beklagte von einer abschließenden Stellungnahme ausgehen.
b) Die Einwendungen der Berufung gegen die Wirksamkeit der Betriebsratsanhörung führten zu keinem anderen Ergebnis.
aa) Soweit der Kläger auch zweitinstanzlich geltend gemacht hat, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, nach der Rüge des Betriebsrates auch den stellvertretenden Schichtführer H. zu vernehmen, verkennt er, dass der Betriebsrat zu diesem Zeitpunkt lediglich angeregt hatte, den stellvertretenden Schichtführer U. (nicht: H.) zu vernehmen, der am 15. Juni 2019 unstreitig um 14.00 Uhr den Betrieb verlassen hat und daher zum Tatzeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend war. Seine Befragung war daher weder angezeigt, noch hat sie stattgefunden, weshalb ihr Ergebnis dem Betriebsrat auch nicht mitgeteilt werden konnte. Für die Beklagte bestand auch keine Veranlassung zu einer ergänzenden Vernehmung des Zeugen H., da sie lediglich verpflichtet war, dem Betriebsrat die ihr bekannten Umstände mitzuteilen, die sie zu ihrem Kündigungsentschluss veranlasst hatten oder die objektiv zu einer Entlastung des Klägers hätten führen können, derartige Umstände jedoch in Bezug auf den Zeugen H. zu diesem Zeitpunkt weder vorlagen, noch ersichtlich waren.
bb) Die Rüge der Berufung, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, dem Betriebsrat auch die Zeugenaussage des Vaters der Zeugin E. vorzulegen, geht aus den gleichen Gründen ins Leere. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde der Zeuge E. vom Ermittlungsdienst - anders als die übrigen Vernommenen - nicht persönlich angehört, so dass es kein schriftliches Vernehmungsprotokoll gab, welches dem Betriebsrat hätte vorgelegt werden können. Dass dieser Vortrag den Tatsachen entspricht, hat der Zeuge E. anlässlich seiner Vernehmung durch die Berufungskammer am 25. Juni 2021 bestätigt. Nachdem der Zeuge - wie von der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 23. Februar 2021 vorgetragen - angegeben hat, dem Ermittlungsdienst telefonisch mitgeteilt zu haben, keine Aussage machen zu können, erschließt sich auch nicht, welche ergänzenden Angaben dem Betriebsrat gegenüber hätten gemacht werden können.
cc) Der Einwand der Berufung, die Betriebsratsanhörung sei unvollständig, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht das Rapportbuch vom 15. Juni 2019 (Bl. 180 d. A.) vorgelegt hat, greift nicht durch. Soweit im Rapportbuch eingetragen ist, die Zeugin E. habe mit dem Zeugen G. um 15.30 Uhr einen Rundgang gemacht, liegen hierin im Sinne der dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung keine der Beklagten bekannten, aber für ihren Kündigungsentschluss unerheblichen Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Klägers hätten auswirken können. Der Zeuge G. hat auch während seiner Vernehmung durch die Berufungskammer ausgesagt, dass der von ihm getätigte Eintrag "15.30 Uhr" im Rapportbuch nicht bedeutet, dass der Rundgang genau zu dieser Uhrzeit stattgefunden hat, weil er im Rapportbuch immer die gleichen Uhrzeiten einträgt und damit nur die Tageszeit (Schichtbeginn, Schichtende, Zeitpunkt dazwischen) erfasst. Vor diesem Hintergrund ist es - unabhängig davon, ob diese Art und Weise der Führung des Rapportbuchs den Vorgaben und Interessen der Beklagten entspricht - objektiv ausgeschlossen, aus der Eintragung im Rapportbuch Rückschlüsse auf mögliche zeitliche Abläufe am 15. Juni 2019 zu ziehen. Dies gilt umso mehr, als die Zeugin E. - wie bereits dargestellt - während ihrer Vernehmung erneut deutlich gemacht hat, keine minutengenauen Angaben zu den Vorgängen liefern zu können, so dass die Berechnungen des Klägers zu Wegezeiten zwischen den einzelnen betroffenen Orten (Messwarte, Dach, Keller) ihn ohnehin objektiv nicht zielführend entlasten können. Ungeachtet dessen gehören Umstände, die die Glaubwürdigkeit von Zeugen oder anderen Beweismitteln betreffen, in der Regel nicht zum Kündigungssachverhalt im Sinne des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG; hielte man den Arbeitgeber generell für verpflichtet, auch solche Umstände mitzuteilen, die Zweifel an der Beweiskraft seiner Beweismittel begründen könnten, so führte dies zu einer mit § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht beabsichtigten Vermengung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anhörung mit der Überprüfung der Kündigungsgründe aufgrund der Prozesssituation und damit zu einer Vorverlagerung des Kündigungsschutzprozesses in das Anhörungsverfahren (vgl. BAG 26. Januar 1995 - 2 AZR 386/94 - Rn. 36, zitiert nach juris). Ob auch vor diesem Hintergrund die Vorlage des Rapportbuchs mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der Zeugin E. in Frage zu stellen, nicht erforderlich war, kann dahinstehen.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.
Verkündet am 25.06.2021