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  • 26.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246814

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 07.02.2025 – 12 Ta 17/25


    Tenor:

    Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 15. Juli 2024 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Mai 2024 - 17 Ca 3815/22 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und insgesamt neu gefasst:

    Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird gemäß § 33 RVG wie folgt festgesetzt:

    - für das Verfahren bis zum 09.08.2022 auf35.412,56 EUR- für das Verfahren vom 10.08.2022 bis zum 08.09. 2022 auf43.758,36 EUR- für das Verfahren vom 09.09. 2022 bis zum 25.10.2022 auf41.510,44 EUR- für das Verfahren vom 26.10.2022 bis zum 06.11.2022 auf48.338,00 EUR- für das Verfahren ab dem 07.11.2022 auf47.668,00 EUR- für den Vergleich auf47.668,00 EUR

    Gründe

    I.

    1

    In dem zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren erhob der Kläger am 18. Juli 2022 Klage und begehrte mit dem Antrag zu 1. die Zahlung von 11.831,- EUR Schmerzensgeld und verauslagte Tankkosten, mit dem Antrag zu 2. die uneingeschränkte Freischaltung einer ihm zur Verfügung gestellten Tankkarte für Dienstfahrten und eine auf 20.000 km pro Jahr beschränkte Freigabe für Privatfahrten, mit dem Antrag zu 3. die Zahlung des Monatsgehalts für Juni 2022 i.H.v. 6.827,56 EUR brutto und mit dem Antrag zu 4. die Herausgabe des ihm zustehenden aber entzogenen Dienstwagens, für den in den monatlichen Gehaltsabrechnungen ein geldwerter Vorteil i.H.v. 326,50 EUR ausgewiesen ist.

    2

    Mit Schriftsatz vom 10. August 2022 erweiterte der Kläger die Klage um den Vergütungsanspruch für Juli 2022 i.H.v. 6.827,56 EUR brutto sowie um 1.518,24 EUR netto, die die Beklagte von abgerechneten Nettoansprüchen aufgrund von Korrekturabrechnungen in Abzug gebracht hat.

    3

    Mit Schriftsatz vom 09. September 2022 hat der Kläger u.a. die begehrte Schmerzensgeldforderung reduziert, die Klage hinsichtlich vorgenommener Abzüge und einer Restforderung für Februar 2022 erweitert und die Ansprüche neu gefasst. Im Ergebnis begehrt er neben der Freischaltung der Tankkarte (wie vor) und der Herausgabe des Pkw (wie vor) die Zahlung von insgesamt 14.290,92 EUR brutto sowie 10.465,52 EUR netto.

    4

    Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2022 hat der Kläger die Klage um einen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung erweitert.

    5

    Schließlich hat der Kläger mit Schriftsatz vom 07. November 2022 die Klage wegen einer erfolgten Zahlung teilweise, nämlich i.H.v. 670,- EUR zurückgenommen.

    6

    Der Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO am 21. November 2022, hinsichtlich dessen Inhalts auf Blatt 156 d.A. des Arbeitsgerichts verwiesen wird.

    7

    Das Arbeitsgericht hat nach Anhörung der Parteien den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 RVG mit Beschluss vom 17. Mai 2024 für das Verfahren bis zum 09. August 2022 auf 25.986,12 EUR festgesetzt, für das Verfahren ab dem 10. August 2022 auf 27.504,36 EUR, für das Verfahren ab dem 09.September 2022 auf 32.084,- EUR und für das Verfahren ab dem 26. Oktober 2022 auf 38.911,56 EUR. Hierbei hat das Arbeitsgericht die Zahlungsanträge mit ihrem Nennbetrag berücksichtigt, den Antrag auf Freischaltung der Tankkarte mit 500,- EUR und den Herausgabeantrag bezüglich des Pkw mit einem Bruttomonatsgehalt (6.827,56 EUR). Den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich hat das Arbeitsgericht ebenfalls auf 38.911,56 EUR festgesetzt.

    8

    Gegen den, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04. Juli 2024 zugestellten Feststellungsbeschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 15. Juli 2024 am 15. Juli 2024 Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, der Wert des Antrags auf Freischaltung der Tankkarte sei mit 5.000,- EUR zu bemessen und der Wert des Antrags auf Herausgabe des Dienstwagens entsprechend § 42 GKG mit dem 36-fachen monatlichen Sachbezugswert i.H.v. 326,50 EUR, mithin i.H.v. 11.754,- EUR. Insgesamt sei daher von einem Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren i.H.v. 48.338,- EUR auszugehen.

    9

    Der Beschwerde hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 29. August 2024 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    10

    Nachdem die Verfahrensakte am 17. Januar 2025 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen ist, hat der Vorsitzende der Beschwerdekammer mit Verfügung vom 22. Januar 2025 der Beklagten und ihrem Prozessbevollmächtigten (fortan: Beschwerdeführer) Gelegenheit gegeben, zu den Gründen der Nichtabhilfeentscheidung Stellung zu nehmen.

    11

    Auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 23. Januar 2025 wird verwiesen.

    II.

    12

    1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 33 Abs. 2 und Abs. 3 RVG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

    13

    2. Die Beschwerde ist auch weitgehend begründet.

    14

    a. Die Beschwerdekammer stützt ihre Entscheidung auf den von der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeiteten "Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit" in der Fassung vom 01. Februar 2024(NZA 2024, 308 [LAG Baden-Württemberg 27.11.2023 - 17 Sa 5/23] ). Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass dieser Katalog keinerlei bindende Wirkung besitzt. Die Beschwerdekammer orientiert jedoch ihre Rechtsprechung im Interesse einer möglichst einheitlichen Gestaltung der Streitwertbemessung für bestimmte, typische Fallkonstellationen an diesem Katalog, um Kostenrisiken für die Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten zu reduzieren.

    15

    b. Die Frage, wie ein Herausgabeverlangen eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin bezüglich eines vertraglich geschuldeten Dienstwagens im Rahmen der Wertfestsetzung zu bemessen ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.

    16

    Soweit unter Hinweis auf § 6 ZPO die Auffassung vertreten wird, der tatsächliche Wert des Fahrzeugs sei im Rahmen der Wertwestsetzung entscheidend( LAG Rheinland-Pfalz 16. Oktober 2008, 1 Ta 190/08 , Juris; LAG Niedersachsen 22. Juni 2015, 8 Ta 281/15 , Juris),übersieht diese Sichtweise nach hier vertretener Auffassung, dass es dem/der Beschäftigten bei dem Herausgabeverlangen, welches aufgrund einer vertraglichen Nutzungsbefugnis geltend gemacht wird, nicht um eine dauerhafte Übertragung des Fahrzeugs geht, sondern das Fahrzeug soll im Eigentum des Arbeitgebers oder eines Dritten verbleiben und lediglich die zeitlich begrenzte Nutzungsmöglichkeit soll eröffnet sein. Spätestens mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis endet die Nutzungsberechtigung. Hieraus folgt auch, dass im Gegensatz zu einem Herausgabeverlangen eines Arbeitnehmers, das Herausgabeverlangen eines Arbeitgebers - worum es vorliegend aber nicht geht - tatsächlich mit dem Sachwert des Fahrzeugs zu bemessen sein dürfte.

    17

    Vor dem Hintergrund, dass es vorliegend nicht um eine Übertragung des Fahrzeugs, sondern um die Berechtigung zur Nutzung des Fahrzeugs geht, ist es sachgerecht, das Herausgabebegehren entsprechend § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG als Anspruch auf eine wiederkehrende Leistung anzusehen. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist für die Wertberechnung bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.

    18

    Wiederkehrende Leistungen sind in gewissen Zeitabschnitten aus demselben Schuldverhältnis fällig werdende Leistungen, so dass die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängt. Aus dem Vortrag der Klagepartei muss sich ergeben, dass aus ihrer Sicht ein Anspruch auf wiederholte Gewährung der Leistung besteht und dass die Leistungen aus demselben Rechtsverhältnis für bestimmte Zeitabschnitte geschuldet sind. Unerheblich für die Beurteilung als wiederkehrende Leistung ist, ob es sich um eine Geld- oder Naturalleistung handelt. Daher fallen unter § 42 Abs. 1 GKG nicht nur Ansprüche auf Arbeitsentgelt, Ruhegelder oder Betriebsrenten, sondern auch Nutzungsüberlassungen bezüglich Dienstwagen( Hess. LAG 30. April 2021 - 12 Ta 87/21 - Juris; Boecken/Düwell/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, § 42 GKG, Rn. 10 f. m.w.N., Bader, jurisPR-ArbR 28/2021, Anm. 7).

    19

    Der Umstand, dass § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt, dass der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend ist, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist, steht der Sichtweise, dass wiederkehrende Leistungen auch in begehrten Naturalleistungen bestehen können, nicht entgegen. Der Begriff des Betrages ist außerhalb von Naturwissenschaften entweder auf einen Geldbetrag oder auf eine Summe als das Ergebnis einer Addition gerichtet. Soweit also § 42 Absatz 1 Satz 1 GKG die Begriffe des dreifachen Jahresbetrags und des Gesamtbetrags verwendet, lässt dies keine Rückschlüsse auf Geldbeträge zu, sondern stellt vorliegend vielmehr auf die Addition der Einzelansprüche auf monatliche Gewährung des Dienstwagens ab.

    20

    Für den Wert der hier gegenständlichen wiederkehrenden Leistung ist der geldwerte Vorteil der privaten Nutzung des Pkws in Ansatz zu bringen( LAG Düsseldorf 10. Mai 2010 - 6 Ta 281/10 - juris; LAG München 23. Juni 2015 - 3 Ta 170/15 - Juris; LAG Hamburg 02. August 2012 - 7 Ta 11/12 - Juris; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 25. Aufl. 2025, § 12 ArbGG Rn. 16).

    21

    Weil der geldwerte Vorteil der Privatnutzung des Pkw ausweislich der Abrechnung vom 11. Mai 2022 mit 326,50 EUR bemessen ist, ergibt sich ein Wert des Herausgabeanspruchs bezüglich des Pkws i.H.v. 11.754,- EUR.

    22

    c. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Anspruch auf Freischaltung der Tankkarte in dem beantragten Umfang nicht mit lediglich 500,- EUR bewertet werden. Nach dem Antrag des Klägers hat die Karte sämtliche betrieblich veranlassten Tankungen zu ermöglichen und Tankungen für Privatfahrten von bis zu 20.000 km im Jahr. Weil der Kläger allein für den Zeitraum zwischen dem 29. April 2022 und dem 21. Mai 2022 Tankquittungen für Dienst- und Privatfahrten i.H.v. insgesamt 400,86 EUR vorgelegt hat (Blatt 18 f. der Akte des Arbeitsgerichts), eine seriöse Hochrechnung dieses Betrags jedoch nicht möglich ist, ist es geboten, entsprechend § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zumindest den Hilfs- bzw. Ausgangswert von 5.000,- EUR für den Freischaltungsantrag in Ansatz zu bringen.

    23

    d. Den Wert des Anspruchs auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hat das Arbeitsgericht ebenso zutreffend mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet (Ziffer I.2.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit), wie es die Zahlungsanträge entsprechend § 6 ZPO mit dem Nennbetrag berücksichtigt hat.

    24

    e. Auf Grundlage vorstehender Ausführungen wird der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren bis zum 09. August 2022 auf 35.412,56 EUR (11.831,-EUR + 5.000,- EUR + 6.827,56 EUR + 11.754,- EUR), für das Verfahren vom 10. August 2022 bis zum 08. September 2022 auf 43.758,36 EUR (35.412,56 EUR + 1.518,24 EUR + 6.827,56 EUR), für das Verfahren vom 09. September 2022 bis zum 25. Oktober 2022 auf 41.510,44 EUR (14.290,92 EUR + 5.000,- EUR + 11.754,- EUR + 10.465,52 EUR), für das Verfahren vom 26. Oktober 2022 bis zum 06. November 2022 auf 48.338,- EUR (41.510,44 EUR + 6.827,56 EUR), für das Verfahren ab dem 07. November 2022 auf 47.668,- EUR (48.338,- EUR - 670,- EUR) und für den Vergleich auf 47.668,- EUR festgesetzt.

    III.

    25

    Da die Beschwerde mit Ausnahme des Werts der von dem Beschwerdeführer übersehenen Teilklagerücknahme mit Schriftsatz vom 07. November 2022 (670,- EUR) erfolgreich ist, wird von der Verhängung einer (hälftigen) Beschwerdegebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG (Kostenverzeichnis) abgesehen. Eine weitergehende Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Kosten nicht erstattet werden ( § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG ).

    26

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht möglich, mithin findet gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel statt.

    Vorschriften§ 33 RVG, § 278 Abs. 6 ZPO, § 42 GKG, § 33 Abs. 2, Abs. 3 RVG, § 6 ZPO, § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 42 Abs. 1 GKG, § 42 Absatz 1 Satz 1 GKG, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 3 Abs. 2 GKG, § 33 Abs. 9 Satz 2 RVG