21.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223624
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 05.02.2021 – 2 Sa 349/19
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 26.06.2019 - 4 Ca 660/18 - werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen und um Schadensersatzansprüche der Beklagten.
Der 1964 geborene und gegenüber seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 01. September 1980 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in deren Chemiebetrieb in C-Stadt beschäftigt. Zuletzt war er seit 01. April 2016 als Teamleiter der Einheit "In-Job Kaufleute/Naturwissenschaften" tätig, einer Untereinheit der Einheit "Personalplattform In-Job und Zeitarbeit". Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für akademisch gebildete Angestellte in der chemischen Industrie Anwendung, wonach die für den Kläger maßgebliche Kündigungsfrist 12 Monate zum Quartalsende beträgt.
In der Einheit "Personalplattform In-Job und Zeitarbeit", die seit ihrer Gründung von Herrn B. S. als Gruppenleiter geleitet wurde, wurden im Jahr 2016 die früheren Vermittlungsplattformen Mitarbeiteragentur und Personal-Service-Agentur zusammengefasst. Die Einheit ist mit der Beschäftigung und Vermittlung von C-internen Arbeitskräften (Untereinheit "Personalplattform In-Job") sowie mit der Beschaffung externer Arbeitskräfte (Untereinheit "Zeitarbeit Leasing", damaliger Leiter: der inzwischen verstorbene Herr V. H.) befasst.
Am 9. Mai 2007 genehmigte die Beklagte dem Kläger eine Nebentätigkeit. Gegenstand war die Firma des Klägers "E." (im Folgenden "E"), die der Kläger im Jahr 2008 gründete. Ihr Gegenstand sollte der Bereich der Berufsfindung, -beratung und -orientierung sein.
Anfang des Jahres 2017 wurde im Rahmen eines internen Audits u.a. der Einsatz von Zeitarbeitnehmern einer Firma T. GmbH (im Folgenden: "T.") überprüft. Wegen aus ihrer Sicht bestehenden Unregelmäßigkeiten beauftragte die Beklagte am 22. Februar 2017 ihren werkseigenen Ermittlungsdienst mit der Aufnahme von Ermittlungen. Diese wurden auf Wunsch der Strafverfolgungsbehörden zunächst verdeckt durchgeführt.
Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma T. war Herr M. K., weiterer Gesellschafter Herr Z. Die Ehefrau des Herrn Z., Frau Z., war Inhaberin einer Firma Y.. Ob der Kläger Frau T. jemals persönlich getroffen hat, ist streitig.
Der Kläger stellte über seine Firma E. jedenfalls von November 2011 bis zu seiner Freistellung gegenüber der Y. Rechnungen i.H.v. (mindestens) 4.972.266,64 EUR brutto (4.178.375,32 EUR netto). Ob diesen - jedenfalls teilweise - werthaltige Leistungen des Klägers zugrunde lagen, ist streitig. Von einem Teil der auf diese Rechnungen erfolgten Zahlungen der Y. beglich der Kläger über seine Firma E. wiederum Rechnungen der Firma "X. Schreibbüro" (im Folgenden "X."), deren Inhaber sein Vorgesetzter Herr S. war. Diesen Rechnungen lagen keine Leistungen der X. gegenüber der E. zugrunde. Ein Teil des von der Y. an die E. gezahlten Geldes, nach den Angaben des Klägers 1.293.284,51 EUR brutto (bzw. 268.277,24 EUR netto), verblieb bei ihm. Die Aufteilung der Geldbeträge nahm der Kläger jeweils nach Anweisungen von Herrn S. vor.
Am 30. Januar 2018 fand eine Büro- und Hausdurchsuchung beim Kläger statt. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger von der Beklagten von der Arbeitsleistung freigestellt und der interne Ermittlungsdienst der Beklagten begann mit der Aufnahme offener Ermittlungen.
Am 9. Februar 2018 vernahm der interne Ermittlungsdienst der Beklagten den Mitgesellschafter der Firma T., Herrn Z. Dieser gab am 9. Februar 2018 ein notarielles Schuldanerkenntnis ab, in dem er anerkannte, dass er der Beklagten wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen einen Mindestbetrag von 11.734.306,97 EUR schulde (vgl. Anlage K 28 in dem vom ArbG verbundenen Verfahren 4 Ca 1103/18). In den Vorbemerkungen zu dem Schuldanerkenntnis heißt es:
... im Zusammenhang mit der Abrechnung von Scheinleistungen durch vermeintliche Leasingmitarbeiter zu Lasten der C. ... wird seitens der C. davon ausgegangen, dass hierdurch zu ihren Lasten ein Mindestschaden im zweistelligen Millionenbereich entstanden ist... Allein durch die Abrechnung von Leasingmitarbeitern durch die Firma T. GmbH ("T.l") im Zeitraum zwischen Oktober 2011 und Dezember 2017 wird aktuell von einem Schaden in Höhe von mindestens 11.734.306,97 EUR netto ausgegangen.
...
Zwischen der C. und dem Deliktschuldner [Herrn Z.] besteht Einigkeit darüber, dass der C. aus den oben geschilderten Vorgängen gegen den Deliktschuldner in Höhe von insgesamt mindestens EUR 11.734.306,97 EUR netto Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen, insbesondere wegen mittäterschaftlich begangenem (Computer-)Betrug in jeweils besonders schweren Fall sowie der Beihilfe zur Untreue gegenüber und zulasten der C. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263a, 263, 266 StGB sowie § 826 BGB zustehen.
Am 13. Februar 2018 vernahm der interne Ermittlungsdienst den Kläger das erste Mal (vgl. Protokoll vom 13. Februar 2018, vorgelegt vom Kläger als Anlage zur Klageschrift, Bl. 100 - 104 d.A., in der er zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine hiernach getätigten Angaben gegenüber dem Ermittlungsdienst Bezug nimmt). In der Vernehmung schilderte der Kläger gemäß diesem Protokoll, dass Herr S. ihn bzw. seine Firma E. für Dienstleistungen im Bereich Headhunting beauftragt habe. Hierzu gab der Kläger u.a. an:
... fragte er [B. S.], ob ich in der Lage sei einen Fragebogen zu erstellen, mit den inhaltlichen Fragen zu Persönlichkeitsmerkmale, Persönlichkeitskompetenzen, all das was man benötigt um einen Menschen Profilen zu können. Ich habe das bejaht und ich habe solch einen Fragebogen erstellt ...
Der Kläger gab weiter an, dieser "Ursprungsfragebogen" existiere, er wolle ihn mit Blick auf das (staatsanwaltschaftliche) Ermittlungsverfahren beim Ermittlungsdienst der Beklagten (noch) nicht vorlegen. Weiter führte er gemäß Protokoll aus:
Ich habe den Fragebogen entworfen und dem B. S. zur Verfügung gestellt... B. sagte, die Bogen sind geil, damit könne er etwas anfangen. B. sagte mir dann, dass er mir diese Bögen ausgefüllt zur Verfügung stellt und ich soll meine Expertise dazu abgeben. Die Expertise und die Fragebögen gingen an Herrn S. zurück. Ich sollte alle eigenen Daten, die ich zu einem Auftrag hatte, mit dem Hinweise auf Datenschutz vernichten.
Ich habe dann von dem B. S. einen handgeschriebenen Zettel, ich nenne es mal Fresszettel bekommen, auf dem drei Zahlen standen. Zum einen die Rechnung, die ich an Y. schreiben musste, dann was als Rechnung von der X. (Firma von B. S.) kommt und zum dritten, die Zahl, die bei mir, also E. bleibt.
Vor Aufnahme der Geschäftsverbindung zu B. S. habe ich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass meine Tätigkeit klar von meiner Tätigkeit bei C. abgegrenzt sein muss, dass ich auf keinen Fall etwas machen werde, wo es einen möglichen Interessenkonflikt geben könnte.
Der Kläger gab an, persönlichen Kontakt nur mit Herrn S. gehabt zu haben. Von der Y. habe er niemanden gekannt. Er gab weiter an, er habe mal fünf bis sechs, mal auch zwei Profile pro Monat erhalten. Er habe keine Zweifel gehabt, dass seine Ausarbeitungen benötigt worden seien und nicht das Gefühl gehabt, "Fake-Leistungen" zu unterstützen.
Am 19. Februar 2018 erfolgte die erste Vernehmung des Herrn S. durch den internen Ermittlungsdienst der Beklagten.
Am 5. März 2018 vernahm der interne Ermittlungsdienst der Beklagten Herrn K., den alleinigen Geschäftsführer der T..
Am 16. März 2018 fand eine zweite Vernehmung des Herrn S. statt.
Am 5. April 2018 fand eine zweite Vernehmung des Klägers statt (vgl. Protokoll vom 5. April 2018, vom Kläger selbst vorgelegt als Anlage zur Klageschrift, Bl. 105 - 109 d.A., in der er zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine hiernach getätigten Angaben gegenüber dem Ermittlungsdienst Bezug nimmt). In der Vernehmung antwortete der Kläger auf die Frage, ob er nicht skeptisch geworden sei, als Herr S. ihm mitteilte, dass er sämtliche Unterlagen aufgrund des Datenschutzes vernichten solle:
Es hat mich schon stutzig gemacht. Ich habe von Herrn S. die ausgefüllten durchnummerierten Bögen bekommen und habe diese dann analysiert. Die Namen waren jeweils geschwärzt. Anschließend habe ich die Bögen mit der Expertise wieder zurückgegeben.
Ich habe die kopierten Expertisen aufgehoben bis eine Rückmeldung von S. kam. Erst danach habe ich diese vernichtet. Auffällig war, dass fast alle vermittelt wurden. Nur wenige Kandidaten wurden zurückgezogen, da kein Interesse mehr bestand.
Dem Kläger wurde sodann die folgende Aussage des Herrn S. vorgehalten, mit der Mitteilung, dies habe Herr S. gegenüber dem Ermittlungsdienst angegeben:
Ich habe zu ihm [dem Kläger] gesagt, ich will da nicht als Erster auftauchen, weil ich da kein Gschmäckle haben will. Habe ihm auch gesagt, durch meinen Job, den ich mache, will ich auch nicht nach außen so auftauchen. Wenn ich die Rechnungen an dich stelle, glaube ich, habe ich da ein besseres Gefühl.
Hierauf antwortete der Kläger gemäß dem Vernehmungsprotokoll:
Ich muss hier zunächst anmerken, dass ich großes Vertrauen in B. S. hatte. Er teilte mir mit, dass er sein Know How in die Y. einbringen wollte und aufgrund seiner Position in der C. nicht im Fokus stehen wollte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich da sehr naiv war. Auch das bereits erwähnte Gespräch mit dem Finanzbeamten bestärkte mich.
Weiter führte der Kläger gemäß dem Vernehmungsprotokoll aus:
Es gab von Anfang an keine Absprache über die finanzielle Vergütung. Er [B. S.] sagte, dass es nicht zu meinem Nachteil sein soll und dass es sich für mich lohnen würde. Nach der ersten Abrechnung habe ich mich schon gefreut, da es sich doch um eine große Summe handelte. Ich wusste auch nie, in welcher Höhe ich am Umsatz beteiligt bin. Herr S. hat mir jedoch gesagt, dass es einen gewissen Prozentsatz für mich gibt. Die Höhe des Prozentsatzes hat er mir nicht gesagt.
Die Rechnungen der E. hat meine Frau geschrieben. Überweisungen haben wir beide über Online Banking gemacht. Meine Frau war schon stutzig geworden über [sic - Satz endet so laut Protokoll]
Der Kläger erklärte gemäß dem Vernehmungsprotokoll weiter, er werde den Ursprungsfragebogen und seine erste Expertise zur Verfügung stellen. Dies geschah am 11. April 2018 über seinen Anwalt.
Mit ihrer am 11. April 2018 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingegangenen Antragsschrift vom 10. April 2018 beantragte die Beklagte wegen der von ihr geltend gemachten Schadensersatzforderung iHv. 4.972.266,64 EUR die Anordnung des dinglichen Arrestes in das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers (Az.: 4 Ga 7/18). Mit Beschluss vom 13. April 2018 ordnete das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein den dinglichen Arrest antragsgemäß an. Nach dem Widerspruch des Klägers schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2018 einen Vergleich, nach dem die Beklagte einzelne Konten und Gegenstände aus dem Arrest freigab.
Vom 13. April (Freitag) bis 17. April 2018 stellte der Ermittlungsdienst seinen Ermittlungsbericht (Bl. 611 - 637 d. A.) nebst Anlagen zusammen und überstellte ihn am 17. April 2018 der Abteilung FHG/PL - Arbeitsrecht.
Mit Schreiben vom 17. April 2018 (Bl. 487 d. A.) lud Herr W., Mitarbeiter der Abteilung FHG/PL - Arbeitsrecht, den Kläger zu einer Anhörung für den 19. April 2018 ein. Hierauf teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass er an diesem Termin nicht teilnehmen könne und bat darum, die Fragen schriftlich zu fixieren.
Mit Schreiben vom 20. April 2018 (Bl. 638 - 670 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung ("Tatkündigung") an. Mit Schreiben vom 23. April 2018 (Bl. 23 - 25 d. A.) erhob der Betriebsrat Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung und widersprach der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung.
Mit Schreiben vom 23. April 2018 (Bl. 20, 21 d. A.). kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Das Kündigungsschreiben, dem die Stellungnahme des Betriebsrats vom 23. April 2018 beigefügt war, ging dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten am 24. April 2018 zu.
Gegen diese außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 23. April 2018 hat sich der Kläger mit seiner am 30. April 2018 beim Arbeitsgericht eigegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.
Ebenfalls mit Schreiben vom 23. April 2018 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die von ihr erhobenen Kündigungsvorwürfe unter dem Betreff "Anhörung zur Verdachtskündigung" mit und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis zum 2. Mai 2018, 12:00 Uhr (Bl. 489 - 513 d. A.). Eine inhaltliche Reaktion des Klägers erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2018 (Bl. 672 - 704 d. A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der von ihr beabsichtigten weiteren - vorsorglichen - außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung ("Verdachtskündigung") an. Mit Schreiben vom 14. Mai 2018 (Bl. 121, 122 d. A.) erhob der Betriebsrat erneut Bedenken gegen die beabsichtigte außerordentliche Kündigung und widersprach der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2018 (Bl. 123 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger "vorsorglich" erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich. In dem Schreiben heißt es, dass der Beklagten seit dem 23. April 2018 "weitere Sachverhalte" bekannt geworden seien, die die erneute Kündigung rechtfertigten. Das Kündigungsschreiben, dem die Stellungnahme des Betriebsrats vom 14. Mai 2018 beigefügt war, ging dem Kläger am 15. Mai 2018 und seinem Prozessbevollmächtigten bereits am 14. Mai 2018 zu.
Diese "vorsorgliche Kündigung" vom 14. Mai 2018 hat der Kläger mit seiner am 22. Mai 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung angegriffen.
Die Beklagte hat beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - im Anschluss an das Arrestverfahren (4 Ga 7/18) - am 25. Juli 2018 Klage auf Schadensersatz in Höhe von 4.972.266,64 EUR - 4 Ca 1103/18 - erhoben. Das Arbeitsgericht hat dieses Verfahren durch seinen im Kammertermin vom 26. Juni 2019 verkündeten Beschluss mit dem vorliegenden (führenden) Kündigungsschutzverfahren - 4 Ca 660/18 - verbunden und die Schadensersatzklage der Beklagten nunmehr als Widerklage behandelt.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 26. Juni 2019 - 4 Ca 660/18 - Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Der Kläger hat beantragt,
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R. K. und J. T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26. Juni 2019 Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26. Juni 2019 - 4 Ca 660/18 - hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Widerklage in Bezug auf den Zahlungsantrag zu 1) stattgegeben, während es die Widerklage im Übrigen hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 2) abgewiesen hat.
Gegen das ihm am 03. September 2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. September 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04. Dezember 2019 mit Schriftsatz vom 05. November 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 07. November 2019 eingegangen, begründet. Die Beklagte hat ihrerseits gegen das ihr am 06. September 2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 07. Oktober 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag (Montag) eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09. Dezember 2019 mit Schriftsatz vom 09. Dezember 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Der Kläger trägt vor, die fristlose Kündigung vom 23. April 2018 sei schon deshalb unwirksam, weil zu diesem Zeitpunkt die Frist von zwei Wochen längst abgelaufen gewesen sei. Am 30. Januar 2018 habe die Staatsanwaltschaft die Geschäfts- und Wohnräume aufgrund von Erkenntnissen und Beweismitteln durchsuchen lassen, die der eigene Ermittlungsdienst bereits monatelang zusammengetragen und zur Verfügung gestellt habe. Spätestens von da ab dürfte die Frage einer "außerordentlichen Kündigung" zur Diskussion gestanden haben. Falls man mit dem Arbeitsgericht davon ausgehen würde, dass ein Arbeitgeber die Möglichkeit haben solle, die Frist des § 626 BGB durch irgendwelche weiteren Ermittlungen willkürlich hinauszuschieben, um auch noch die letzten Anhaltspunkte für ein etwaiges Fehlverhalten eines Arbeitnehmers aufzuklären und also letzte Kenntnis von dem bereits im Wesentlichen bekannten Sachverhalt zu erlangen, könne man diese Ausschlussfrist getrost streichen. Der Beklagten scheine seinerzeit durchaus bewusst gewesen zu sein, bereits monatelang über den Sachverhalt im Wesentlichen informiert zu sein, wie ihre - wenn auch hilfsweise erfolgten - zusätzlichen ordentlichen Kündigungen belegen würden. Im Durchsuchungsbeschluss stehe schon der Betrag, der von der E. im Jahr 2012 an Herrn S. geflossen sei. Interessant sei die Benennung von Herrn K. als Zeugen für Aussagen, die er bei der Durchsuchung der Büroräume getätigt haben solle. Laut Protokollnotiz von Frau N. vom 31. Januar 2018 sei Herr K. gar nicht zugegen gewesen bei der Durchsuchung. Entgegen der dort notierten Aussage habe er keine Herzprobleme, sondern ein Blutdruckproblem. In der zweiten Anhörung durch den Ermittlungsdienst der Beklagten werde darauf verwiesen, dass er in seiner ersten Anhörung angegeben habe, dass er ca. fünf bis sechs Stunden für eine Expertise benötige, während laut Protokoll der ersten Anhörung darüber nie gesprochen worden sei. Eine Vielzahl von Fakten aus Protokollen und Protokollnotizen würden von der Beklagten falsch dargestellt und eine entsprechende Vorverurteilung belegen. Die Behauptung, es hätte noch weiterer gründlicher Ermittlungen bedurft, um die Kündigungen nicht übereilt aussprechen zu müssen, sei völlig unsubstantiiert und lediglich ein Versuch, über die Zwei-Wochen-Frist hinwegzukommen. Die Fakten würden vielmehr belegen, dass die Beklagte durch ihren Ermittlungsdienst umfassende Kenntnisse erworben und sich von daher bereits in der Lage gesehen habe, sein Verhalten in objektiver und auch in subjektiver Hinsicht für die zivilrechtliche Beurteilung zu berücksichtigen. Abgesehen davon liege seiner Auffassung nach gar kein "wichtiger Grund" vor. Er habe seine Nebentätigkeit unstreitig ordnungsgemäß bei der Beklagten angemeldet und sich diese entsprechend genehmigen lassen. Hinzu komme, dass er bei Ausübung seiner Nebentätigkeit nicht die mindeste Ahnung davon gehabt habe, dass die Beklagte involviert sein könnte und in irgendeiner Weise geschädigt würde. Er habe durch die Vermittlung seines Vorgesetzten S. mit einem aus seiner Sicht seriösen "headhunter"-Zeitarbeitsunternehmen "Y." in L-Stadt vertragliche Beziehungen gehabt, das von ihm fachkundige Hilfe bei der Beurteilung und der Einsatzfähigkeit von potentiellen Arbeitnehmern hätte haben wollen. Dabei habe es für ihn keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass diese Probanden letztlich bei seiner Arbeitgeberin zum Einsatz kommen würden, was ihm ja absichtlich vorenthalten worden sei, damit er keinerlei Verdacht habe schöpfen können. Warum das Arbeitsgericht diesen Hinweisen und seinem Beweisangebot nicht nachgegangen sei, sondern stattdessen sogar geglaubt habe, sich eine Beurteilung des strafrechtlichen Aspektes in Gestalt der unterstellten "Geldwäsche" zutrauen zu können, entziehe sich seiner Kenntnis. Es sei nicht einmal die Ermittlungsakte beigezogen worden und selbst die von ihm am Ende der Beweisaufnahme ausdrücklich nachgesuchte und dringend gebotene Schriftsatzfrist abgelehnt worden. Er bestreite nach wie vor vehement, den strafrechtlichen Tatbestand der Geldwäsche und damit einer zivilrechtlichen unerlaubten Handlung begangen zu haben. Insbesondere habe er nicht ansatzweise Kenntnis oder auch nur die Vermutung gehabt, von seinem Vorgesetzten B. S. "missbraucht" zu werden. Ausweislich der vorgelegten Erklärung des Zeugen B. S. vom 12. November 2019 (Bl. 960, 961 d. A.) habe dieser nachvollziehbar darauf aufmerksam gemacht, dass er ihn gerade nicht in die Manipulationen von ihm und seinen Mittätern eingeweiht habe. Warum das Arbeitsgericht diesem früheren Beweisangebot einer Vernehmung des Herrn B. S. als Zeugen nicht entsprochen und sich ausschließlich darauf beschränkt hätte, Mitarbeiter der Beklagten vom Ermittlungsdienst anzuhören, sei nicht verständlich. Im Übrigen sei er der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er keinerlei Kenntnis davon gehabt habe, dass er die Qualität und die jeweilige Eignung von irgendwelchen Personen zu bewerten gehabt hätte, die über die "Y." vermittelt sowie über die "V." jedenfalls dem Anschein nach dort zum Einsatz hätten kommen sollen. Von daher fehle es an dem gemäß § 280 BGB erforderlichen Verschulden. Ihm stünden nach wie vor keinerlei Unterlagen darüber zur Verfügung, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte tatsächlich für Arbeitnehmer Zahlungen geleistet hätte, die bei ihr in Wahrheit gar nicht gewesen seien. Warum sich das Arbeitsgericht gleichwohl zugetraut habe, von einem Gesamtschaden von exakt 13.963.825,30 EUR ausgehen zu dürfen, erschließe sich ihm nicht, insbesondere weil dazu ausschließlich zwei Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes der Beklagten als Zeugen angehört worden seien, deren Angaben alles andere als abschließend seien. So habe der Zeuge T. erklärt, die vorbezeichnete Gesamtzahl ergebe sich aus einer Tabelle, die der Zeuge K. erstellt hätte. Dieser habe das aber gerade nicht bestätigen können, sondern im Gegenteil bekundet, erst im Oktober 2017 gewissermaßen als "Seiteneinsteiger" mit der Problematik befasst worden zu sein und insoweit nur positiv zu wissen, dass es Stundenzettel mit wohl eigenen Rötungen bei Zweifelsfällen gegeben habe, die möglicherweise den Excel-Tabellen zugrunde gelegt worden seien. Das heiße aber, dass man lediglich die Zweifelsfälle aufaddiert habe, ohne weiter aufzuklären, ob es sich tatsächlich um Scheinbeschäftigte gehandelt habe. Immerhin habe der Beschuldigte Z. in einer seiner polizeilichen Vernehmungen erklärt, dass einige der von ihm namentlich bezeichneten Personen auf der Liste stehen würden, die tatsächlich für die Beklagte gearbeitet hätten und also bei der Schadenssumme herauszurechnen gewesen wären. Der Umstand, dass die beiden Beschuldigten Z. und S. entsprechende notarielle Schuldanerkenntnisse unterzeichnet hätten, stehe dem überhaupt nicht entgegen. Erfahrungsgemäß sei das ausschließlich geschehen, um gewisse "Pluspunkte" im Rahmen des späteren Strafverfahrens zu setzen, wobei es zivilrechtlich für beide unerheblich sein dürfte, ob bei diesem ohnehin nicht realisierbaren Vollstreckungstitel ein Betrag von 100.000,00 EUR mehr oder weniger zu Unrecht eingestellt worden sei; beide Beschuldigte dürften über den tatsächlichen Schadensumfang ohnehin keine Bücher geführt haben. Entsprechend verhalte es sich dann auch mit dem Bruttobetrag von 4.972.266,64 EUR, den er in der Tat als Gesamthonorar von seiner Auftraggeberin "Y." erhalten habe, den die "Y." im Übrigen gar nicht und erst recht nicht der Beklagten, sondern allenfalls der "V." weitergegeben habe. Abgesehen davon wäre das ohnehin nicht der effektive und eventuell ersetzbare Schaden der Beklagten, die mit Sicherheit die Mehrwertsteuer daraus weitergegeben, die Gewinne um diese Beträge entsprechend reduziert und die Steuern daher entsprechend erspart hätte. Augenscheinlich habe man auch hier Umsatz mit Gewinn verwechselt. Er habe zu keinem Zeitpunkt Kenntnis oder auch nur den Verdacht gehabt, dass seine Arbeitgeberin betroffen gewesen sein könnte. Insbesondere sei ihm nicht bekannt gewesen, ob die Beklagte tatsächlich Beträge in einer Gesamtgrößenordnung von 13.963.825,30 EUR wohl an die "Y." oder "V." gezahlt und es sich dabei ausschließlich um fingierte Arbeitnehmerleistungen gehandelt habe. Von daher sei er sehr wohl berechtigt gewesen, diese Behauptungen mit Nichtwissen zu bestreiten. Wer sich, wie die Beklagte, eines Schadens in der vorbezeichneten Größenordnung berühme, trage hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Zudem fehle der Beklagten die notwendige Aktivlegitimation, nachdem sie den Großteil des Schadens nach ihren eigenen Angaben von einer Versicherung zurückgehalten und einen bis heute nicht bekannten weiteren Teil bei der Betrugsbande realisiert habe. Ob der Beklagten der Nachweis der bestrittenen Aktivlegitimation mit der erst in zweiter Instanz nach einem bereits durchgeführten Kammertermin vorgelegten "Vereinbarung" vom 23. Oktober 2019 gelungen sei oder nicht, überlasse er der Beurteilung des Gerichts. Er erhebe insoweit jedenfalls den Verspätungseinwand. Im Übrigen habe die Staatsanwaltschaft N-Stadt unter dem 05. Januar 2021 nunmehr eine Anklageschrift gegen insgesamt fünf Beschuldigte vorgelegt. Auch danach stehe fest, dass er gerade nicht zu dieser Betrugsbande gehört habe, sondern von ihr vielmehr als "gutgläubiges Werkzeug" missbraucht worden sei. Ihm werde demgemäß ausdrücklich nicht die Mitgliedschaft oder die Beihilfe oder auch nur der ohnehin problematische Tatbestand der "Geldwäsche" vorgeworfen. Stattdessen werde damit nur noch der Versuch unternommen, ihm aus der Zeit vom 05. April 2013 bis zum 01. November 2017 in insgesamt 11 Fällen Steuerhinterziehung in Gestalt der Beihilfe zu Lasten des Staates vorzuwerfen, was aus seiner Sicht einigermaßen konstruiert erscheine. Jedenfalls stehe damit fest, dass ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten bei ihm im Rahmen der genehmigten Nebentätigkeit nicht vorgelegen hätte, wobei ihm in der gesamten Zeit nicht ansatzweise bewusst gewesen sei, seine Arbeitgeberin in irgendeiner Weise zu schädigen.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht verneint, dass ihre Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung resultiere. Dabei habe das Arbeitsgericht übersehen, dass es sich bei der leichtfertigen Geldwäsche nicht um ein reines Fahrlässigkeitsdelikt handele, sondern um eine Kombination aus vorsätzlich und fahrlässig verwirklichten Tatbestandsmerkmalen. Die Leichtfertigkeit betreffe lediglich das Vorliegen einer Vortat aus dem Katalog des § 261 StGB. Hingegen müsse hinsichtlich der weiteren Tatbestandsmerkmale des § 261 StGB Vorsatz vorliegen. Der Bundesgerichtshof nehme bei der Behandlung derartiger gemischter Delikte im Rahmen der §§ 850 f Abs. 2 ZPO und 302 Nr. 1 InsO eine Abwägung anhand zweier Kriterien vor. Erstens wäre es unbillig, wenn ein Schuldner von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Gläubiger befreit werde, den er vorsätzlich geschädigt habe. Dementsprechend müsse nicht nur die vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden führen, sondern auch die Schadensfolge vom Vorsatz umfasst sein. Zweitens werde zur Abgrenzung die Schädigungstendenz herangezogen, die Schutzgesetzen mit zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlicher Relevanz typischerweise innewohne. Bezüglich der Schädigungstendenz führe der Bundesgerichtshof aus, dass die von ihm genannten Delikte dadurch gekennzeichnet seien, dass der Täter regelmäßig eine Gläubigerbenachteiligung mindestens in Kauf nehme. Nach diesen Kriterien sei die hier einschlägige leichtfertige Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 5 StGB als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S.d. §§ 850 f Abs. 2 ZPO und 302 Nr. 1 InsO anzusehen. Im Unterschied zu der Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination des § 315 c StGB, die Gegenstand der angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2007, 2854) gewesen sei, erstrecke sich der Vorsatz des Täters bei der leichtfertigen Geldwäsche unzweifelhaft auch auf die Schadensfolge. Während der Täter bei einer Verkehrsgefährdung nach § 315 c StGB die Schadensfolge gerade nicht wolle, nehme der Täter bei der leichtfertigen Geldwäsche die inkriminierte Vermögensverschiebung ganz bewusst vor. Die für den Geschädigten herbeigeführten Nachteile in Form der Verschleierung und Verschiebung der Tatbeute, die eine Wiedererlangung erschwerten, würden folglich zwingend vorsätzlich herbeigeführt. Gegenüber der Vorsatztat werde dem Kläger lediglich zugutegehalten, dass ihm bezüglich der Vortat kein Vorsatz nachgewiesen werden könne, wodurch insbesondere Beweisproblemen begegnet werden solle. Der Geldwäsche, sei sie nun leichtfertig oder nicht, hafte dieselbe Schädigungstendenz an. Der Täter sei sich bei der Geldwäsche genauso regelmäßig bewusst, dass Geschädigte existierten, die durch seine Handlungen einen Nachteil erleiden würden, auch wenn er die Vortat nicht im Einzelnen kennen müsste. Im Ergebnis sei maßgeblich, dass es unbillig wäre, wenn einem Schuldner eine Restschuldbefreiung zugutekomme, obwohl er einen Gläubiger vorsätzlich geschädigt habe. Der Kläger habe bis auf die konkrete Herkunft aus einer Katalogtat hinsichtlich aller anderen Tatbestandsmerkmale der Vorschrift mit Vorsatz gehandelt und damit das strafrechtlich relevante Unrecht bewusst verwirklicht. Insbesondere habe sich sein Vorsatz auf die Schadensfolge in Form der Vermögensverschiebung und -verschleierung bezogen, die für den Bundesgerichtshof das entscheidende Kriterium darstelle. Die Berufung des Klägers sei hingegen zurückzuweisen. Die Berufungsbegründung genüge bereits nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Soweit der Kläger in pauschaler Form kritisiere, das Arbeitsgericht habe eine strafrechtliche Bewertung vorgenommen und dabei den Sachverhalt nicht hinreichend gewürdigt, so sei dies für die Berufung ohne Relevanz. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten habe das Arbeitsgericht nicht hinzuziehen müssen, weil es selbst im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung hinsichtlich der Bewertung des Verhaltens als Kündigungsgrund nicht an eine Entscheidung des Strafgerichts gebunden wäre. Mit den Feststellungen des Arbeitsgerichts setze sich die Berufungsbegründung des Klägers in vielen Punkten überhaupt nicht, im Übrigen nur oberflächlich auseinander. Sie enthalte keinerlei konkreten Tatsachen- oder Rechtsvortrag dafür, dass die Rolle des Klägers bei der Verschleierung eines Teils der von ihr erschwindelten knapp 14 Mio. EUR keinen "an sich" für eine außerordentliche Kündigung hinreichenden Grund darstellen solle. Nähere Ausführungen, welche den Kläger entlastenden Umstände das Arbeitsgericht bei seiner Abwägung übersehen habe oder dass ihm dabei Verstöße gegen Erfahrungsgesetze oder Gesetze der Logik unterlaufen wären, enthalte die Berufungsbegründung nicht. Der Kläger wolle lediglich die vom Arbeitsgericht vorgenommene Bewertung gegen seine eigene Bewertung austauschen, was keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung ersetze. Dem Kläger werde nicht vorgeworfen, eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt zu haben. Soweit der Kläger ausführe, er habe nicht die mindeste Ahnung davon gehabt, dass seine Arbeitgeberin involviert und in irgendeiner Weise geschädigt sein könnte, habe sich das Arbeitsgericht damit ausführlich auseinandergesetzt. Ein Bezug zum Arbeitsverhältnis und negative Auswirkungen auf ihren Betrieb seien vorliegend zweifellos gegeben. Selbst wenn der Kläger nicht konkret gewusst haben wolle, dass sie durch sein Verhalten geschädigt worden sei, ändere dies nichts. Schädigungsvorsatz gegenüber dem Arbeitgeber sei nicht Voraussetzung für einen außerordentlichen Kündigungsgrund. Dies ergebe sich bereits daraus, dass auch fahrlässig begangene Delikte Grundlage für eine außerordentliche Kündigung sein könnten. Vorliegend sei dem Kläger mindestens eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination in Form leichtfertiger Geldwäsche vorzuwerfen. Der Kläger habe über einen Zeitraum von mehreren Jahren Monat um Monat vorsätzlich Gelder verschoben und damit dazu beigetragen, ihr einen Millionenschaden zuzufügen. Von diesem System habe er auch maßgeblich persönlich profitiert. Der Verweis darauf, er habe nicht gewusst, dass sie involviert gewesen sei, sei daher nicht beachtlich. Soweit der Kläger sich weiterhin darauf berufe, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass die von ihm vermeintlich bewerteten Personen letztlich bei seiner Arbeitgeberin zum Einsatz kommen würden, sei dieser Vortrag schlicht unverständlich. Gleiches gelte für die Ausführungen, der Kläger habe keinerlei Kenntnis davon gehabt, dass er die Qualität von Personen zu bewerten gehabt habe, die über die Firma Y. vermittelt worden seien sowie über die Firma U. GmbH jedenfalls dem Anschein nach dort zum Einsatz kommen sollten. Die Vermittlung untauglicher Mitarbeiter durch den Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Verfahrens gewesen und finde zutreffender Weise auch im Urteil des Arbeitsgerichts keinen Niederschlag. Entgegen der Argumentation des Klägers sei die außerordentliche Kündigung auch nicht verfristet. Das Urteil des Arbeitsgerichts stelle den erstinstanzlichen Sach- und Streitstand insoweit zutreffend und überwiegend vollständig dar; wegen der weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihre ergänzenden Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 09. Dezember 2019 (Ziffer 5 a = Bl. 939 - 944 d. A.) verwiesen. Gegen die sehr sorgfältige Begründung im Urteil des Arbeitsgerichts trage der Kläger lediglich Einwände vor, die bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien. Soweit der Kläger einwende, dass der 30. Januar 2018 aufgrund der Durchsuchungen der diversen Geschäfts- und Wohnräume als Fristbeginn heranzuziehen sei, verfange dies nicht. Der Kläger sei in Bezug auf die vorliegend in Rede stehenden Delikte erst am 30. Januar 2018 "ins Fadenkreuz" der Ermittlungen des Ermittlungsdienstes geraten sei, und zwar aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts N-Stadt sowie der während der Durchsuchung seiner betrieblichen Räume ungefragt gegenüber den Zeugen R. K. und U. N. getätigten Äußerung, dass er Frau C. Z. kenne, er für sie Tätigkeiten übernommen und sich aufgrund der ansteigenden Aufträge an Herrn S. gewandt habe, der mit seinem Team dann Aufträge der Frau Z. von ihm übernommen habe. Der Ermittlungsdienst habe bis dahin bei seinen Ermittlungen, die auf Wunsch der Staatsanwaltschaft komplett verdeckt geführt worden seien, zwar das Trio um Herrn S., Herrn H. und Herrn Q., nicht aber den Kläger "auf dem Schirm" gehabt. Dem Durchsuchungsbeschluss sei ein Beitrag des Klägers an der Verschleierung der knapp 14 Millionen an das Unternehmen V. nicht zu entnehmen. Aus ihm gehe lediglich hervor, dass Herr S. mit der Firma "E" des Klägers Geschäfte gemacht habe und nicht erklärbar sei, welche Leistungen diesen Umsätzen zugrunde liegen würden. Die Staatsanwaltschaft habe bis dahin nur den Verdacht gehabt, dass der Kläger finanzielle Zuwendungen von ihren Geschäftspartnern erhalten habe, und somit zu Anfang lediglich wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) gegen ihn ermittelt. Die für die Entscheidung über eine außerordentliche Kündigung maßgeblichen Ermittlungshandlungen hätten erst nach dem 30. Januar 2018 durchgeführt werden können. Entgegen der Auffassung des Klägers sei für die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht maßgeblich, ob die Frage einer außerordentlichen Kündigung zur Diskussion gestanden habe, sondern ob eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen vorliege, die dem Kündigungsberechtigten die Entscheidung darüber ermögliche, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen solle oder nicht. Zu den danach maßgebenden Tatsachen würden sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände gehören. Nach dem dargestellten weiteren Ablauf der Ermittlungen gegen den Kläger sei erst am 11. April 2018 der Fragebogen nebst Expertise, der den Kläger entlasten solle, beim Ermittlungsdienst eingegangen. Auch wenn man dessen Wissensstand für die Kenntnis der kündigungsrelevanten Gründe ihr zurechnen würde, wären vom Kläger als maßgeblich bezeichnete (vermeintliche) Entlastungsmomente erst zu diesem Zeitpunkt umfassend geprüft gewesen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt habe, sei selbst bei diesem auslösenden Datum und dem Zugang der streitgegenständlichen Kündigung vom 23. April 2018 beim Kläger die Zwei-Wochen-Frist gewahrt. Ungeachtet dessen könne aus ihrer Sicht nur die Kenntnis der Einheit Arbeitsrecht als ihrer ausschließlich kündigungsberechtigten Einheit maßgeblich sein, die erst mit der Überstellung des Berichts des Ermittlungsdienstes am 17. April 2018 vollständige Kenntnis des kündigungsrelevanten Sachverhalts erlangt habe. Es seien nicht irgendwelche weiteren Ermittlungen durchgeführt worden, um die Frist "willkürlich hinauszuschieben", sondern vielmehr nur Ermittlungsmaßnahmen, die für die Sachverhaltsaufklärung notwendig und auch im Hinblick auf den Schutz des Klägers vor einer übereilten Kündigung zweckmäßig gewesen seien. Was an ihrem Verhalten "willkürlich" gewesen sein solle, erläutere der Kläger nicht. Auch soweit der Kläger erneut in Zweifel ziehe, dass ihr ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden sei, sei dies nicht beachtlich. Das Arbeitsgericht habe auf der Grundlage der Aussagen der vernommenen Zeugen sowie der zum Beweis vorgelegten Unterlagen zu Recht festgestellt, dass ein Schaden auch in der geltend gemachten Höhe entstanden sei. Dass ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sei, werde von niemandem, auch nicht von den beiden Haupttätern S. und Z. nur annähernd in Zweifel gezogen. Soweit der Kläger mutmaße, dass sie die Mehrwertsteuer weitergegeben habe, so sei dies nicht zutreffend. Zwar habe sie die seitens der Firma U. GmbH berechnete Umsatzsteuer selbstverständlich im Rahmen des Vorsteuerabzugs zunächst geltend gemacht. Allerdings habe sie nach der Aufdeckung der Betrugsstraftaten die erstattete Vorsteuer an das Finanzamt zurückerstatten müssen, weil den Rechnungen tatsächlich keine Leistung zugrunde gelegen habe. Der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensbetrag bemesse sich folglich zutreffender Weise auf den Bruttoschaden. Soweit der Kläger erneut behaupte, von der Herkunft des Geldes keine Kenntnis gehabt zu haben, so liege dies neben der Sache. Der Tatbestand der leichtfertigen Geldwäsche setze keine Kenntnis voraus. Vielmehr genüge es, wenn die illegale Herkunft des verschobenen Geldes aus Nachlässigkeit nicht erkannt werde oder der Täter insoweit gleichgültig handele. Der Kläger könne sich angesichts der erheblichen Summen von insgesamt mehr als 4 Mio. EUR, die in monatlicher Regelmäßigkeit auf seinem Konto eingegangen und von ihm bereitwillig an Herrn S. weitergeleitet worden seien, nicht dahinter verstecken, er sei von Herrn S. nicht informiert worden. Zu den noch hinzukommenden Umständen (konspirative Treffen in einer Gaststätte, Vorgabe der in Rechnung zu stellenden und weiterzuleitenden Beträge auf "Fresszetteln", anschließende Vernichtung der Unterlagen sowie Stellen und Begleichen von Scheinrechnungen) setze sich der Kläger in keiner Weise auseinander. Auch die vorgelegte Erklärung von Herrn S. ändere an den vorstehenden Umständen nichts. Vielmehr habe auch Herr S. bestätigt, dass der Kläger auf seine Anweisung Rechnungen an die Firma Y. gestellt habe und sich seinerseits durch Herrn S. Rechnungen habe stellen lassen, obwohl weder der Kläger gegenüber der Firma Y. Research als Auftragnehmer aufgetreten sei, noch Herr S. Leistungen gegenüber dem Kläger erbracht habe. Einem solchen Konstrukt stehe die Verschleierung und Verschiebung von rechtswidrig erlangten Vermögenswerten geradezu auf die Stirn geschrieben. Eben dies sei auch Sinn und Zweck der Einbeziehung des Klägers in die vermeintliche Leistungskette gewesen, wie Herr S. selbst bestätigt habe. Der Kläger, der sich diese Mitwirkung habe fürstlich vergüten lassen und der als Teamleiter über langjährige berufliche und wirtschaftliche Erfahrung verfügt habe, könne sich vor diesem Hintergrund nicht darauf zurückziehen, er sei unschuldig in die Sache hereingezogen worden, wie Herr S. meine. Im Hinblick auf die Widerklage habe die zwischenzeitliche Leistung durch ihren Versicherer nicht zur Folge, dass die Schadensersatzansprüche erlöschen würden. Vielmehr seien diese gemäß § 86 VVG im Umfang der Versicherungsleistung auf den Versicherer übergegangen. Sie sei jedoch weiterhin berechtigt, die Forderung in Prozessstandschaft für ihren Versicherer geltend zu machen, was in der vorgelegten Vereinbarung zwischen ihr und der R. auch nochmals ausdrücklich bestätigt worden sei. Gemäß Ziffer II. 6 der vorgelegten Vereinbarung vom 23. Oktober 2019 (Bl. 1015 bis 1032 d. A.) sei sie berechtigt und verpflichtet, die Forderungen im Auftrag der Versicherer geltend zu machen. Gemäß Ziffer II. 6 b der Vereinbarung trete sie dabei im Außenverhältnis gegenüber dem jeweiligen Schuldner weiterhin als Gläubiger und Forderungsinhaber auf. Insoweit bedürfe es für ihre Aktivlegitimation nicht der Regelung des § 265 Abs. 2 ZPO, die ansonsten einschlägig wäre. Vielmehr handele es sich um eine Einzugsermächtigung, nach welcher sie weiterhin berechtigt sei, die Forderung im eigenen Namen geltend zu machen und hierbei Leistung an sich zu verlangen. Im Hinblick auf die durch andere Schuldner gezahlten bzw. vollstreckten Beträge würden sich diese unter Mitberücksichtigung der Beschuldigten aus dem Komplex S. GmbH derzeit auf insgesamt rund 2,1 Mio. EUR belaufen. Angesichts von Schäden in Höhe von über 13,9 Mio. EUR aus dem hier streitgegenständlichen Tatkomplex V. sowie weiteren mehr als 3 Mio. EUR aus dem Komplex S. GmbH sei offenkundig, dass die im vorliegenden Rechtsstreit klageweise geltend gemachte Schadensersatzforderung von weniger als 5 Mio. EUR nicht durch die Leistung sonstiger Schuldner vollständig oder auch nur anteilig erloschen sein könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. April 2018 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang am 24. April 2018 fristlos aufgelöst. Der mit der Widerklage geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Beklagten ist begründet.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat ebenfalls in der Sache keinen Erfolg. Gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts ist der zulässige Feststellungsantrag unbegründet, weil ein vorsätzliches Handeln des Klägers nicht angenommen werden kann.
A. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO). Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die Berufungsbegründung des Klägers vom 05. November 2019 den gesetzlichen Mindestanforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO - gerade noch - gerecht.
1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann allerdings nicht verlangt werden (BAG 19. Juli 2016 - 2 AZR 637/15 - Rn. 18, NZA 2017, 116; BAG 09. Oktober 1997 - 2 AZR 32/97 - Rn. 24, juris).
2. Diesen Mindestanforderungen genügt die fristgerecht eingegangene Berufungsbegründung des Klägers vom 05. November 2019.
In Bezug auf die außerordentliche Kündigung vom 23. April 2018 hat sich der Kläger mit seiner Berufungsbegründung vom 05. November 2019 u.a. darauf berufen, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts im Zeitpunkt der Kündigung längst abgelaufen gewesen sei.
In seinen Urteilsgründen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass der Kläger einwende, die Beklagte habe von dem "Gesamtkomplex" bereits seit mehreren Monaten Kenntnis gehabt, ohne allerdings einen konkreten Zeitraum für den Beginn der Zwei-Wochen-Frist seinerseits zu benennen. Auf den Zeitpunkt der Durchsuchungen und der Freistellung des Klägers am 30. Januar 2018 könne nicht abgestellt werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt eine Aufarbeitung des "Gesamtkomplexes" habe beginnen können, was sowohl aufwendige Ermittlungen der Zahlungsflüsse als auch Anhörungen der Beteiligten beinhaltet habe.
Hierzu hat der Kläger in seiner Berufungsbegründung ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft am 30. Januar 2018 die Geschäfts- und Wohnräume habe durchsuchen lassen, und zwar aufgrund von Erkenntnissen und Beweismitteln, die der eigene Ermittlungsdienst der Beklagten bereits monatelang zusammengetragen und zur Verfügung gestellt habe. Falls man wie das Arbeitsgericht davon ausgehe, dass ein Arbeitgeber die Möglichkeit haben solle, die Frist des § 626 BGB durch irgendwelche weiteren Ermittlungen willkürlich hinauszuschieben, um auch noch die letzten Anhaltspunkte für ein etwaiges Fehlverhalten eines Arbeitnehmers aufzuklären und also letzte Kenntnis von dem bereits im Wesentlichen bekannten Sachverhalt zu erlangen, könnte man diese Ausschlussfrist getrost streichen. Der Beklagten scheine seinerzeit durchaus bewusst gewesen zu sein, bereits monatelang über den Sachverhalt im Wesentlichen informiert zu sein, wie ihre - wenn auch hilfsweise erfolgten - zusätzlichen ordentlichen Kündigungen belegen würden. Mit diesen Ausführungen in seiner fristgemäß eingegangenen Berufungsbegründung hat sich der Kläger gerade noch in ausreichender Weise zugeschnitten auf den vorliegenden Fall mit der Argumentation des Arbeitsgerichts befasst. Auf die Frage, ob und inwieweit diese Begründung schlüssig und rechtlich haltbar ist, kommt es für die Zulässigkeitsanforderung des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht an.
Hinsichtlich des mit der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzanspruchs, den das Arbeitsgericht zuerkannt hat, ist vom Kläger in seiner Berufungsbegründung u.a. angeführt worden, dass die Beklagte von ihrer eigenen Versicherung entschädigt worden sei und daher nicht nochmals den Schadensbetrag geltend machen könne. Darin liegt die Rüge der fehlenden Aktivlegitimation, so dass die Berufung auch insoweit zulässig ist.
II. Die Berufung des Klägers hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 23. April 2018 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang am 24. April 2018 beendet.
a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 15, NZA 2019, 445).
Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten "an sich" geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die nach § 241 Abs. 2 BGB jeder Partei des Arbeitsvertrags obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners. Danach ist der Arbeitnehmer auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (BAG 25. April 2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 44, NZA 2018, 1405; BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 31, NZA 2011, 798).
b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Kläger durch seine Rechnungstellungen gegenüber der Firma Y. in Höhe von 4.972.266,64 EUR (brutto) und durch die Weiterleitung eines Teils der hierauf erfolgten Zahlungen an die Firma X. des Herrn S. dazu beigetragen hat, einen Teil des Vermögensschadens, der der Beklagten durch (Computer-)Betrug und Untreue der Haupttäter zugefügt wurde, zu verfestigen, indem er dabei half, das unrechtmäßig erlange Geld weiter zu verteilen, seine Herkunft zu verschleiern und die spätere Rückführung zu erschweren. Darin liegen gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts erhebliche Verletzungen der dem Kläger obliegenden Rücksichtnahmepflicht, die "an sich" zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeignet sind. Unabhängig davon, dass das Arbeitsgericht zu Recht vom Vorliegen des Straftatbestands der leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 und 5 StGB) ausgegangen ist, kommt es für die kündigungsrechtliche Bewertung nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen Vertrauensbruch an (vgl. BAG 13. Dezember 2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 17, NZA 2019, 445; BAG 23. August 2018 - 2 AZR 235/18 - Rn. 44, juris). Im Übrigen ist das Zivilgericht auch nicht etwa an die (Tatsachen-)Würdigung der Staatsanwaltschaft gebunden (vgl. BGH 20. Mai 2010 - IX ZR 101/07 - Rn. 5, juris). Entgegen der Ansicht des Klägers ist daher unerheblich, dass die Staatsanwaltschaft ihm nach der zwischenzeitlich vorliegenden Anklageschrift vom 05. Januar 2021 nicht den Straftatbestand der Geldwäsche vorgeworfen hat.
aa) Der Kläger hat im Termin vom 24. September 2020 vor dem Berufungsgericht erklärt, dass die Begehung der von der Beklagten geschilderten Vortaten als solche unstreitig gestellt werde. Danach hat der Kläger nicht mehr in Abrede gestellt, dass die von der Beklagten dargestellten Vermögensstraftaten von ihren ehemaligen Mitarbeitern - u.a. von Herrn S. - tatsächlich zu ihrem Nachteil begangen worden sind, zumal diese auch nach der vom Kläger vorgelegten Erklärung des Herrn S. vom 12. November 2019 (Bl. 960, 961 d. A.) von diesem selbst eingeräumt worden sind. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es nicht darauf an, auf welche genaue Höhe sich der hierdurch verursachte Vermögensschaden im Millionenbereich letztendlich beläuft. Jedenfalls die vom Kläger vereinnahmten bzw. weitergeleiteten Geldbeträge in Höhe von 4.972.266,64 EUR, die ihm aufgrund der über seine Firma E. an die Firma Y. gestellten (Schein-)Rechnungen unstreitig zugeflossen sind, resultierten aus den zuvor gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten Straftaten u.a. von Herrn S., was sich auch aus vorgelegten Erklärung des Herrn S. vom 12. November 2019 (Bl. 960, 961 d. A.) ergibt, auf die sich der Kläger selbst berufen hat. Der Kläger hat die Herkunft der aus den gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten Straftaten stammenden Gelder durch seine Transaktionen verschleiert. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, tat er dies, indem er über seine Firma E. an die Firma Y. ab 2011 auf Geheiß des Herrn S. Scheinrechnungen - Rechnungen sowohl für (angebliche) Leistungen der Firma E. als auch für (angebliche) Leistungen der Firma X. des Herrn S., ohne diese gesondert auszuweisen - stellte, hierdurch insgesamt einen Betrag von mindestens 4.972.266,64 EUR vereinnahmte und einen Teil des vereinnahmten Geldes auf entsprechende Scheinrechnungen der Firma X. des Herrn S. an diese weiterreichte. Die Höhe des vereinnahmten Geldes und die Tatsache, dass er - auf Anweisung von Herrn S. - über die Firma E. Rechnungen stellte, bei denen ihm (jedenfalls) ein Teil der erbrachten Leistungen nicht bekannt war, und über die Firma E. Rechnungen bezahlte, denen keine gegenüber der Firma E. erbrachten Leistungen gegenüberstanden, bestreitet der Kläger gemäß der zutreffenden Feststellung des Arbeitsgerichts nicht.
Mit dem ihm vorgeworfenen außerdienstlichen Verhalten hat der Kläger erheblich gegen die ihm obliegende Rücksichtnahmepflicht verstoßen, weil dadurch berechtigte Interessen der Beklagten in Anbetracht der negativen Auswirkungen auf ihren Betrieb schwerwiegend verletzt worden sind. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass vorliegend der Vermögensschaden der Beklagten hinsichtlich der rund 4,9 Mio. EUR, über die der Kläger über die Firma E. Rechnungen gestellt habe, vertieft und den Vortätern die Verschiebung und Verschleierung der Herkunft des Geldes erleichtert worden sei.
bb) Der Kläger hat die ihm vorzuwerfenden Verletzungen der Rücksichtnahmepflicht schuldhaft begangen und nicht nur fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB), sondern grob fahrlässig bzw. leichtfertig gehandelt. Er hat gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts leichtfertig nicht erkannt, dass die von ihm über seine Firma E. in den Jahren 2011 bis 2017 vereinnahmten Gelder aus rechtswidrigen Vermögensstraftaten stammten. Das Berufungsgericht folgt der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts, dass in der Gesamtschau die dargestellten Umstände das Vorliegen von Leichtfertigkeit indizieren (Ziffer A. I. 2. a) aa) (3) (b) der Gründe = S. 27 - 29 des Urteils), und stellt dies hiermit ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Der Kläger hat gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts über seine Firma E. ab 2011 über mehrere Jahre hinweg Rechnungen über insgesamt fast 5 Mio. EUR an die Firma Y. gestellt, obwohl er - nach seinem eigenen Vortrag - nicht einmal einen Vertreter dieser Firma auch nur gekannt hat. Bei den an die Y. gestellten Rechnungen handelte es sich nach dem eigenen Vortrag des Klägers um Scheinrechnungen, weil sie nicht nur dessen eigene (streitigen) Leistungen, sondern nach seinem eigenen Bekunden auch Leistungen umfassten, über deren genauen Inhalt und deren Erbringung er nichts wusste. Diese allein auf Geheiß von Herrn S. gestellten Rechnungen haben unstreitig neben einem für ihn vorgesehenen Betrag auch einen für Herrn S. bestimmten Betrag beinhaltet, ohne diesen auszuweisen. Dabei hat Herr S. dem Kläger diese Beträge und den Gesamtbetrag der jeweils zu stellenden Rechnung auf einen mit der Hand geschriebenen Zettel (sog. "Fresszettel") einseitig vorgegeben, ohne dass über die Höhe der für seine (streitigen) Leistungen vorgesehenen Vergütung eine Absprache bestand. Bei den schließlich von der Firma X. des Herrn S. an die Firma des Klägers gestellten Rechnungen hat es sich ebenfalls um Scheinrechnungen gehandelt, denen keinerlei Leistungen der Firma X. des Herrn S. gegenüber der Firma E. zugrunde lagen, sondern allenfalls Leistungen des Herrn S. gegenüber der Firma Y., die der Kläger in keinem Fall im Detail gekannt hat. Mit den Zahlungen auf diese Rechnungen hat der Kläger den von Herrn S. für sich beanspruchten Teil der Zahlungen der Firma Y. an diesen weitergereicht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, widerspricht diese Vorgehensweise üblichen und seriösen Geschäftsbeziehungen. Vielmehr sprechen die dargestellten Umstände auch und gerade mit Blick auf die enorme Höhe der Beträge für die Herkunft des in Empfang genommenen und weitergeleiteten Geldes aus Vermögensstraftaten und indizieren das Vorliegen von Leichtfertigkeit. Zusammenfassend hat das Arbeitsgericht zutreffend festgehalten, dass trotz erheblicher Zahlungsflüsse es über Jahre keine nachvollziehbare Vergütungsabrede gegeben hat, Beträge auf Fresszetteln "aufgeteilt" sowie Rechnungen gestellt und bezahlt wurden, die unstreitig jedenfalls in erheblichem Umfang Leistungen auswiesen, die entweder inhaltlich nicht bekannt oder jedenfalls im Verhältnis zwischen Rechnungsteller und Rechnungsempfänger nicht erbracht worden waren, und dies auch noch explizit aus dem von Herrn S. nach dem Vortrag des Klägers angeführten Grund, diesen "nicht nach außen auftreten zu lassen".
Die zutreffende Würdigung des Arbeitsgerichts wird durch die Berufungsangriffe des Klägers nicht in Frage gestellt. Soweit der Kläger darauf verwiesen hat, dass er seine Nebentätigkeit ordnungsgemäß bei der Beklagten angemeldet und sich entsprechend habe genehmigen lassen, ist die unstreitig erfolgte Genehmigung der Nebentätigkeit des Klägers bereits deshalb unerheblich, weil der Kündigungsvorwurf gerade nicht in einer fehlenden Genehmigung der Nebentätigkeit liegt. Der Verweis des Klägers darauf, dass er "nicht die mindeste Ahnung" davon gehabt habe, dass die Beklagte involviert sein könnte und in irgendeiner Weise geschädigt würde, ändert nichts daran, dass der Kläger jedenfalls gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts in Anbetracht der dargestellten auffälligen Gesamtumstände leichtfertig diese Möglichkeit nicht erkannt hat, auch wenn sich nicht feststellen lässt, dass er die Schädigung der Beklagten tatsächlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist vom Kläger selbst in seinen Vernehmungen beim Ermittlungsdienst ausgeführt worden, sein Verhalten sei "im Nachhinein" als naiv zu bewerten und sowohl er als auch seine Frau seien "stutzig" geworden. Wenn er aufkommende Bedenken wegen der lukrativen Verdienstmöglichkeiten ausblendete, handelte er leichtfertig. Insbesondere hat er ebenfalls in seinen Vernehmungen beim Ermittlungsdienst eingeräumt, dass Herr S. ihm gegenüber behauptet hatte, er wolle "wegen seiner Tätigkeit für die Beklagte" nicht als Rechnungssteller auftauchen, um ein "Geschmäckle" nicht entstehen zu lassen. Ein angebliches Vertrauen darauf, dass alles ordnungsgemäß sei und dass keinerlei Bezug zur Beklagten bestehe, ist damit gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts nicht nachvollziehbar. Im Hinblick darauf, dass Herr S. ausdrücklich gerade wegen seiner Tätigkeit für die Beklagte nicht als Rechnungssteller auftreten wollte, hätte der Kläger die Möglichkeit erkennen können, dass die Verschiebung der Gelder auch und gerade die Beklagte betreffen könnte. Soweit der Kläger angeführt hat, dass es für ihn keinerlei Hinweise darauf gegeben habe, dass die von ihm bewerteten Personen ("Probanden") letztlich bei seiner Arbeitgeberin zum Einsatz kommen würden, ist dieser Berufungsangriff in keiner Weise nachvollziehbar, weil die Beklagte die Kündigung darauf überhaupt nicht gestützt hat. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsgericht dementsprechend seine Entscheidung ebenfalls darauf nicht gestützt hat, ist auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, warum das Arbeitsgericht seinem diesbezüglichen Beweisangebot nicht nachgegangen sei und die Ermittlungsakte nicht beigezogen habe, nicht nachvollziehbar. Soweit der Kläger sich auf die vorgelegte Erklärung des Herrn S. vom 12. November 2019 und das entsprechende Beweisangebot (Herr S. als Zeuge) berufen hat, kann für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung zugunsten des Klägers als richtig unterstellt werden, dass er danach nicht in die Manipulationen des von Herrn S. selbst eingeräumten Betrugssystems eingeweiht worden war. Das ändert aber nichts daran, dass auch unter Berücksichtigung der Erklärung des Herrn S. vom 12. November 2019 die vom Arbeitsgericht dargestellten Umstände jedenfalls den indiziellen Schluss auf das Vorliegen von Leichtfertigkeit rechtfertigen. Auch nach der vorgelegten Erklärung des Herrn S. vom 12. November 2019 resultieren die vom Kläger vereinnahmten Geldbeträge in Höhe von 4.972.266,64 EUR, die ihm aufgrund der über seine Firma E. an die Firma Y. gestellten (Schein-)Rechnungen zugeflossen sind, aus den zuvor gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten Straftaten u.a. von Herrn S.. Gemäß den obigen Ausführungen ist dem Kläger zumindest grob fahrlässiges bzw. leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen, womit er die Herkunft dieser Gelder verschleiert sowie deren Rückführung erschwert und damit den Vermögensschaden der Beklagten weiter vertieft hat.
cc) Einer Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht. Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Pflichtverletzung des Klägers so schwer wiegt, dass deren auch nur erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für ihn erkennbar - ausgeschlossen war. Aufgrund des fortgesetzten grob fahrlässigen bzw. leichtfertigen Verhaltens des zuletzt als Teamleiter beschäftigten Klägers, das hinsichtlich der von ihm verschobenen Geldbeträge von rund 4,9 Mio. EUR zu einer Vertiefung des der Beklagten entstandenen Vermögensschadens geführt hat, ist das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen in die Redlichkeit des Klägers unwiederbringlich zerstört. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ist der Beklagten auch unter Berücksichtigung der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers seit 01. September 1980, seines Lebensalters und seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau deshalb eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar. Das Berufungsgericht folgt der vom Arbeitsgericht zutreffend vorgenommenen Interessenabwägung (A. I. 2. a) dd) der Gründe) und stellt dies hiermit ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
c) Die Kündigung ist auch nicht wegen Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.
aa) Gemäß § 626 Abs. 2 S. 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Von der völligen - und sei es grob fahrlässigen - Unkenntnis des Kündigungssachverhalts ist der Fall zu unterscheiden, dass schon einige Tatsachen bzw. Umstände bekannt sind, die auf einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung hindeuten. Dann kann der Lauf der Ausschlussfrist ausgelöst werden. Allerdings darf der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu laufen begänne. Dies gilt indes nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen soll, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Das Anlaufen der Kündigungserklärungsfrist setzt allerdings stets voraus, dass dem Kündigungsberechtigten die Tatsachen bereits im Wesentlichen bekannt und nur noch zusätzliche Ermittlungen erforderlich sind oder doch erscheinen dürfen, wie etwa die Anhörung des Betroffenen bei einer Verdachtskündigung oder die Ermittlung von gegen eine Kündigung sprechenden Tatsachen (BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 29 - 31, NZA 2020, 1405).
Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs maßgeblich. Sind für den Arbeitgeber mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt, genügt grundsätzlich die Kenntnis schon eines der Gesamtvertreter. Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht. Beide Voraussetzungen (ähnlich selbständige Stellung und schuldhafter Organisationsmangel in Bezug auf die Kenntniserlangung) müssen kumulativ vorliegen und bei einer Zurechnung vom Gericht positiv festgestellt werden (BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 32, NZA 2020, 1405).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
Die Beklagte bzw. der von ihr beauftragte Ermittlungsdienst war auf ausdrücklichen Wunsch der Strafverfolgungsbehörden zunächst daran gehindert, selbst offene Ermittlungen insbesondere durch Befragungen der verdächtigten Personen vorzunehmen. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass erst mit den Durchsuchungen der Wohnung und dienstlichen Räume des Klägers durch die Staatsanwaltschaft am 30. Januar 2018 eine Aufarbeitung des "Gesamtkomplexes" beginnen konnte, was sowohl aufwendige Ermittlungen der Zahlungsflüsse als auch Befragungen der diversen Beteiligten beinhaltete. Aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 18. Dezember 2017 (Bl. 778 - 780 d. A.) ergibt sich nichts anderes. Darin heißt es vielmehr, dass nach den bisherigen Ermittlungen gegen den Kläger der Verdacht der "Bestechlichkeit" im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) bestehe. Entgegen der Ansicht des Klägers besagt der im Durchsuchungsbeschluss genannte Betrag, der von der Firma E. im Jahr 2012 an Herrn S. (X) geflossen ist, nicht etwa, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits umfassende Kenntnisse davon gehabt haben soll, welche Rolle der Kläger in der Vergangenheit gespielt habe. Vielmehr heißt es im Durchsuchungsbeschluss, dass der Kläger unter seiner Wohnsitzanschrift die Firma "E" betreibe und Herr S. im Jahr 2012 in Bezug auf die "E" einen Umsatz in Höhe von 138.232,00 EUR erzielt habe, wobei nicht erklärbar sei, wie Herr S. die den Umsätzen zugrunde liegenden Leistungen an die "E" erbracht haben solle. Es bestehe daher der Verdacht, dass auch der Kläger finanzielle Zuwendungen von Geschäftspartnern der C. erhalten habe. Das lässt im Gegenteil darauf schließen, dass die eigentliche Beteiligung des Klägers an der Verschleierung der aufgrund des komplexen Betrugssystems erlangten Geldbeträge noch nicht im Wesentlichen bekannt war. Die Beklagte hat sodann die von ihrem Ermittlungsdienst durchgeführten Befragungen und Ermittlungen im Einzelnen geschildert. Danach hat ihr Ermittlungsdienst nach Übergabe der gegen den Kläger geführten Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft am 31. Januar 2018 mit deren Auswertung begonnen. Nach der am 09. Februar 2018 erfolgten Befragung des Herrn Z. ist der Kläger am 13. Februar 2018 zum ersten Mal durch den Ermittlungsdienst der Beklagten befragt worden. Dabei beschrieb er seine Geschäftsbeziehung zu Herrn S. und gab an, dass für ihn zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gewesen sei, dass er hier in strafrechtliche Abläufe hineingezogen werde. Hinsichtlich seiner Nebentätigkeit gab er an, dass es einen "Ursprungsfragebogen" gebe, den er entworfen und Herrn S. zur Verfügung gestellt habe. Am 19. Februar 2018 befragte der Ermittlungsdienst zum ersten Mal Herrn S., der u.a. Angaben zu den vom Kläger bearbeiteten Bögen und zu den Abläufen bei der Rechnungsstellung anhand seiner Vorgaben aufgrund der übergebenen (Fress-)Zettel gemacht hat. Am 05. März 2018 wurde Herr K., Geschäftsführer der Firma V., vom Ermittlungsdienst befragt. Ausweislich der vorgelegten Niederschrift über die Befragung vom 05. März 2018 gab Herr K. an, dass 10,8 Mio. EUR brutto (9,083 Mio. EUR netto) von der Firma V. an die Firma Y. geflossen seien. Am 16. März 2018 wurde Herr S. durch den Ermittlungsdienst zum zweiten Mal befragt. Ausweislich der Niederschrift wurde Herr S. u.a. zu den Leistungen des Klägers für die Firma Y. und zu den Zahlungsflüssen näher befragt. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte nach den Befragungen des Herrn S. und der von ihm gemachten Angaben eine weitere Befragung des Klägers im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens für erforderlich halten durfte. Bei seiner erneuten Befragung durch den Ermittlungsdienst der Beklagten am 05. April 2018 erklärte der Kläger auf die eingangs gestellte Frage, ob er heute den Ursprungsfragebogen mitgebracht habe, dass er diesen nicht dabeihabe, aber dem Ermittlungsdienst zur Verfügung stellen werde. Weiterhin wurden ihm die Angaben des Herrn S. vorgehalten und er hierzu näher befragt. Am 11. April 2018 wurde dem Ermittlungsdienst von Seiten des Klägers der Fragebogen wie angekündigt übermittelt. Im Hinblick darauf, dass zu den maßgebenden Tatsachen sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände gehören, durfte die Beklagte die Vorlage des Fragebogens, die nach der ersten Befragung des Klägers zunächst wegen der angeführten staatsanwaltlichen Ermittlungen noch nicht erfolgt und dann bei seiner letzten Befragung am 05. April 2018 angekündigt worden war, noch abwarten, so dass die Zwei-Wochen-Frist gemäß der Annahme des Arbeitsgerichts jedenfalls nicht vor dem 11. April 2018 zu laufen begann. Die dargestellten Ermittlungen des von der Beklagten beauftragten Ermittlungsdienstes sind bis dahin mit der gebotenen Eile durchgeführt worden, um der Beklagten bzw. ihrer kündigungsberechtigten Einheit Arbeitsrecht eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis des Kündigungssachverhalts zu verschaffen. Im Übrigen durfte die kündigungsberechtigte Einheit Arbeitsrecht im Streitfall in Anbetracht des komplexen Kündigungssachverhalts auch den zeitnah in der Zeit vom 13. bis 17. April 2018 erstellten schriftlichen Ermittlungsbericht des von ihr beauftragten Ermittlungsdienstes noch abwarten, der ihr erst die Entscheidung darüber ermöglicht hat, ob das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll oder nicht. Soweit der Kläger allgemein darauf verwiesen hat, dass sein Arbeitgeber nicht die Möglichkeit haben könne, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB "durch irgendwelche weiteren Ermittlungen willkürlich hinauszuschieben", ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche der dargestellten Ermittlungen entgegen der Begründung des Arbeitsgerichts "willkürlich" erfolgt sein sollen. Im Hinblick darauf, dass es für den erhobenen Vorwurf der leichtfertigen Geldwäsche insbesondere auf eine möglichst umfassende Kenntnis aller Umstände ankommt, die für oder ggf. auch gegen das Vorliegen von Leichtfertigkeit hinsichtlich der Herkunft der Gelder sprechen, erscheinen die Ermittlungen des hierzu beauftragten Ermittlungsdienstes der Beklagten, insbesondere auch die wiederholten Befragungen sowohl des Klägers als auch des Herrn S., keinesfalls als willkürlich, sondern als sachgerechte Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts, die in Anbetracht des komplexen Kündigungssachverhaltes mit der gebotenen Eile durchgeführt worden sind. Mithin ist im Streitfall die Zwei-Wochen-Frist, die gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts jedenfalls nicht vor dem 11. April 2018 zu laufen begann, mit dem Zugang der Kündigung am 24. April 2018 gewahrt worden.
d) Schließlich hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die außerordentliche Kündigung vom 23. April 2018 auch nicht nach § 102 BetrVG unwirksam ist.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat der Kläger erstinstanzlich die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung hinsichtlich der ersten Kündigung vom 23. April 2018 nicht gerügt, sondern lediglich hinsichtlich der zweiten Kündigung vom 14. Mai 2018 beanstandet, dass es sich hier erneut um eine Tatkündigung handele, der Betriebsrat aber mit einer beabsichtigten "Verdachtskündigung" konfrontiert worden sei, die dann aber gar nicht ausgesprochen worden sei. Mit seiner Berufungsbegründung hat er in Bezug auf die (Tat-)Kündigung vom 23. April 2018 lediglich darauf verwiesen, dass der Betriebsrat nicht dazu, sondern "augenscheinlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung" angehört worden sei. Das ist unzutreffend. Ausweislich des vorgelegten Anhörungsschreibens vom 20. April 2018 (Bl. 638 - 670 d. A.) ist der Betriebsrat von der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung vom 23. April 2018 zur beabsichtigten "Tatkündigung" ordnungsgemäß angehört worden. Eine Anhörung des Betriebsrats zur beabsichtigten "Verdachtskündigung" ist erst mit Schreiben vom 09. Mai 2018 erfolgt, woraufhin die weitere Kündigung vom 14. Mai 2018 ausgesprochen worden ist.
Mithin ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 23. April 2018 wirksam aufgelöst worden. Die Hilfsanträge, die sich auf die vorsorgliche außerordentliche Kündigung vom 14. Mai 2018 und auf die jeweils hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 23. April 2018 und 14. Mai 2018 jeweils zum 30. Juni 2019 beziehen, fallen mithin nicht mehr zur Entscheidung an.
2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Widerklage der Beklagten hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 1) stattgegeben.
Der von der Beklagten gegen den Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.972.266,64 EUR ist begründet.
a) Der Kläger haftet für den von ihm (mit-)verursachten Schaden in der geltend gemachten Höhe nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der ihm arbeitsvertraglich obliegenden Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB).
Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger durch seine Rechnungstellungen gegenüber der Firma Y. in Höhe von 4.972.266,64 EUR (brutto) und durch die Weiterleitung eines Teils der hierauf erfolgten Zahlungen an die Firma X. des Herrn S. dazu beigetragen, einen Teil des Vermögensschadens, der der Beklagten durch (Computer-)Betrug und Untreue der Haupttäter zugefügt wurde, zu verfestigen und zu vertiefen, indem er dabei half, das unrechtmäßig erlange Geld weiter zu verteilen, seine Herkunft zu verschleiern und die spätere Rückführung zu erschweren. Damit hat der Kläger die ihm auch außerhalb der Arbeitszeit obliegende arbeitsvertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), den Arbeitgeber nicht zu schädigen (vgl. hierzu BAG 27. November 2009 - 2 AZR 193/07 - Rn. 35, NZA 2009, 671), verletzt (§ 280 Abs. 1 Satz BGB). Der Kläger hat die ihm vorzuwerfenden Verletzungen der Rücksichtnahmepflicht schuldhaft begangen und zumindest fahrlässig gehandelt. Gemäß den obigen Ausführungen hätte der Kläger die Möglichkeit erkennen können, dass die Verschiebung der Gelder auch und gerade die Beklagte betreffen könnte, zumal Herr S. ausdrücklich gerade wegen seiner Tätigkeit für die Beklagte nicht als Rechnungssteller auftreten wollte. Der Kläger hat jedenfalls hinsichtlich der vereinnahmten Geldbeträge von 4.972.266,64 EUR mit den von ihm gestellten (Schein-)Rechnungen deren Herkunft verschleiert sowie deren Rückführung erschwert und damit den Vermögensschaden der Beklagten weiter vertieft.
b) Weiterhin sind gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts auch die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 261 Abs. 1 und 5 StGB erfüllt.
Der Straftatbestand der leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 1, 2, 5 StGB) ist bei gewerbsmäßigem Betrug als Vortat ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des durch den Betrug Geschädigten (BGH 19. Dezember 2012 - VIII ZR 302/11 - NJW 2013, 1158).
Bei den von der Beklagten geschilderten Vortaten, deren Begehung der Kläger unstreitig gestellt hat, handelt es sich um gewerbsmäßig begangene Vermögensstraftaten i.S.d. § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4a StGB (§§ 263 bzw. 263a und 266 StGB). Jedenfalls der vom Kläger vereinnahmte Betrag i.H.v. 4.972.266,64 EUR, der ihm aufgrund der über seine Firma E. an die Firma Y. gestellten (Schein-) Rechnungen zugeflossen ist, resultiert aus den zuvor gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten und gewerbsmäßig begangenen Straftaten.
Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 823 Abs. 2 BGB, soweit zur Verletzung des Schutzgesetzes die Schuldform einfacher Fahrlässigkeit des Täters ausreicht, deren Vorliegen unter Zugrundelegung der Kriterien des zivilrechtlichen, mithin objektivierten Fahrlässigkeitsbegriffs zu beurteilen. Dennoch kann das Schutzgesetz nur verletzt sein, wenn diejenige Schuldform gegeben ist, die es selbst zu seiner Anwendung erfordert. Verlangt der Tatbestand des Schutzgesetzes - wie im Falle der Leichtfertigkeit - eine qualifizierte Form der Fahrlässigkeit, ist folglich deren Vorliegen zu prüfen (BGH 16. Januar 2018 - VI ZR 474/16 - Rn. 22, NJW 2018, 1602). Gemäß der zutreffenden Annahme des Arbeitsgerichts hat der Kläger leichtfertig i.S.v. § 261 Abs. 5 StGB nicht erkannt, dass diese Gelder aus einer rechtswidrigen Vortat i.S.d. § 261 Abs. 1 StGB herrührten.
Leichtfertigkeit bei der Geldwäsche i.S.d. § 261 Abs. 5 StGB liegt vor, wenn sich die Herkunft eines Gegenstandes aus einer in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB aufgeführten Katalogtat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht lässt (BGH 17. Juli 1997 - 1 StR 791/96 Rn. 42, NJW 1997, 3323). Spricht die Gesamtschau einer Vielzahl von Beweisanzeichen für eine i.S.d. § 261 Abs. 1 StGB inkriminierte Herkunft des Gegenstandes, indiziert dies grundsätzlich das Vorliegen einer - auch individuellen - Leichtfertigkeit nach § 261 Abs. 5 StGB (OLG Karlsruhe 07. Juni 2016 - 2 (5) Ss 156/16 - juris). Gemäß den obigen Ausführungen ist aufgrund der dargestellten Gesamtschau auch unter Berücksichtigung der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers von Leichtfertigkeit i.S.d. § 261 Abs. 5 StGB im Streitfall auszugehen. Wie das Arbeitsgericht zutreffend im Einzelnen begründet hat, ist die Annahme einer leichtfertigen Tatbegehung i.S.v. § 261 Abs. 5 StGB hier gerechtfertigt. Der Kläger hat jedenfalls hinsichtlich der vereinnahmten Geldbeträge von 4.972.266,64 EUR mit den von ihm gestellten (Schein-)Rechnungen deren Herkunft verschleiert sowie deren Rückführung erschwert und damit den Vermögensschaden der Beklagten weiter vertieft. Die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung des Klägers in Höhe des geltend gemachten Betrags von 4.972.266,64 EUR sind mithin ebenfalls erfüllt.
Die geltend gemachten Zinsansprüche ergeben sich aus § 849 BGB.
c) Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung greifen vorliegend nicht ein, weil das Handeln des Klägers nicht betrieblich veranlasst war (vgl. BAG 22. März 2018 - 8 AZR 779/16 - Rn. 59, NZA 2018, 1216; BAG 27. September 1994 - GS 1/89 (A) - NZA 1994, 1083).
d) Der vom Kläger in geltend gemachten Höhe (mit-)verursachte Vermögensschaden ist nicht durch Zahlungen der Herren Z., S. und K. bereits ausgeglichen worden. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sich die durch andere Schuldner gezahlten bzw. vollstreckten Beträge unter Mitberücksichtigung der Beschuldigten aus dem Komplex S. GmbH auf insgesamt rund 2,1 Mio. EUR belaufen würden. Angesichts der von der Beklagten dargestellten Schäden von über zehn Millionen EUR lässt sich im Streitfall nicht feststellen, dass die streitgegenständliche Schadensersatzforderung durch die Leistung anderer Schuldner auch nur teilweise erfüllt worden sein könnte.
e) Die Beklagte ist hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auch weiterhin aktivlegitimiert.
Die von den Versicherungsunternehmen nach der Rechtshängigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage erbrachten Leistungen gemäß der von der Beklagten vorgelegten "Vereinbarung über Schadensregulierung zu C-Betrugsfall" vom 23. Oktober 2019 können nicht zum Wegfall des Schadens führen, sondern nur zum Übergang des Schadensersatzanspruchs auf die betreffenden Versicherungsunternehmen nach § 86 Abs. 1 VVG. Nach § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO hat ein solcher Forderungsübergang nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage auf den Prozess grundsätzlich keinen Einfluss. Zwar muss der Kläger seinen Klageantrag auch in diesem Fall grundsätzlich auf Zahlung an die betreffende Versicherung als Rechtsnachfolger umstellen. Einer Antragsumstellung bedarf es aber nicht, wenn eine Einziehungsermächtigung der betreffenden Versicherung vorliegt (vgl. BGH 29. März 2017 - VIII ZR 44/16 - Rn. 44, NJW 2017, 2819). Die Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass ihr eine solche Einziehungsermächtigung gemäß Ziffer II. 6 b der vorgelegten Vereinbarung vom 23. Oktober 2019 erteilt worden ist. Danach ist die Beklagte berechtigt, weiterhin als Gläubigerin und Forderungsinhaberin aufzutreten, und macht die entsprechenden Regressforderungen im Auftrag der an der Vereinbarung beteiligten Versicherungsunternehmen geltend. Der Kläger hat den Abschluss der mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2020 vorgelegten Vereinbarung vom 23. Oktober 2019 nicht bestritten, sondern lediglich den "Verspätungseinwand" erhoben. Der Verspätungseinwand des Klägers ist unbegründet, weil die Beklagte die Vereinbarung vom 23. Oktober 2019 rechtzeitig innerhalb der ihr hierfür eingeräumten Frist vorgelegt hat und deren Berücksichtigung zu keiner Verzögerung des Rechtsstreits führt. Im Hinblick darauf, dass nach der vorgelegten Vereinbarung vom 23. Oktober 2019 eine Einziehungsermächtigung vorliegt, kann die Beklagte ungeachtet der zwischenzeitlichen Leistungen der Versicherungsunternehmen weiterhin die Zahlung an sich selbst verlangen.
B. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht den mit der Widerklage erhobenen Feststellungsantrag zu 2) abgewiesen. Der zulässige Feststellungsantrag ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan hat, dass der ihr entstandene Schaden auf einer vorsätzlichen rechtswidrigen Handlung des Klägers beruht. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht nur leichtfertig, sondern jedenfalls bedingt vorsätzlich handelte, sind gemäß der zutreffenden Bewertung des Arbeitsgerichts von der Beklagten nicht unter Beweis vorgetragen worden. Im Streitfall lässt sich daher nicht feststellen, dass der Kläger die Herkunft der vereinnahmten Geldbeträge aus einer Katalogtat tatsächlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat.
Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei dem vorliegenden Delikt einer leichtfertigen Geldwäsche (261 Abs. 1 und 5 StGB) nicht um eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S.v. § 850 f Abs. 2 ZPO und § 302 Nr. 1 InsO. Es handelt sich hier nicht um eine sog. Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination, sondern um ein Fahrlässigkeitsdelikt mit vorsatzbezogenen Tatbestandsmerkmalen (Münchener Kommentar zum StGB 3. Aufl. § 261 Rn. 97).
Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz. Das Gesetz hält es nach der in § 302 Nr. 1 InsO getroffenen Regelung für unbillig, dass ein Schuldner von Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger befreit wird, den er vorsätzlich geschädigt hat. Es genügt nicht, dass eine vorsätzliche Handlung adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat; vielmehr muss die Schadensfolge vom Vorsatz umfasst sein. Gleiches gilt auch bei der rechtsähnlichen Vorschrift des § 850 f Abs. 2 ZPO (BGH 21. Juni 2007 - IX ZR 29/06 - Rn. 10 und 11, NJW 2007, 2854). Wie bereits ausgeführt, fehlt es im Streitfall an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass der Kläger in Bezug auf die eingetretenen Schadensfolgen vorsätzlich gehandelt, d. h. diese tatsächlich für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Im Hinblick darauf, dass sich der Vorsatz des Klägers nicht auf die Schädigung bezogen hat, ist der Feststellungsantrag unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.
Verkündet am 05.02.2021