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  • 28.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213792

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 17.10.2019 – 4 Ta 370/19

    Im Fall der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen Person trifft die Pflicht zum Erscheinen nicht einen bestimmten Organvertreter der juristischen Person, sondern die juristische Person als Prozesspartei. Erscheint diese nicht, ist ein Ordnungsgeld gemäß § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO ggf. gegen die juristische Person zu verhängen und nicht gegen einen Organvertreter persönlich (Anschluss an BGH 30. März 2017 - BLw 3/16 -; Aufgabe der bisherigen Kammerrechtsprechung, etwa Hess. LAG 15. Februar 2008 - 4 Ta 39/08 - ).

    Danach spricht viel dafür, dass der zum persönlichen Erscheinen geladene Organvertreter im Ladungsbeschluss nicht persönlich bezeichnet werden muss, wenn die juristische Person über mehrere Organvertreter verfügt.


    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 24. Juni 2019 ‒ 2 Ca 160/19 ‒ aufgehoben.



    Gründe



    I.



    Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250 EUR.



    Der Beschwerdeführer ist der Geschäftsführer der Beklagten des Ausgangsverfahrens. Er erschien trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens im Gütetermin vom 24. Juni 2019 nicht. Darauf setzte das Arbeitsgericht das angefochtene Ordnungsgeld fest. Gegen den am 23. August 2019 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer am 05. September 2019 sofortige Beschwerde ein, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.



    II.



    Die sofortige Beschwerde ist begründet. Das Ordnungsgeld durfte gemäß §§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 Abs. 3 Satz 1, 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gegen den Beschwerdeführer, sondern ‒ allenfalls ‒ gegen die Beklagte des Ausgangsverfahrens festgesetzt werden.



    Allerdings hat die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung bisher die Ansicht vertreten, dass im Fall des Ausbleibens eines zum persönlichen Erscheinen geladenen Organs von juristischen Personen das Ordnungsgeld gegen den Organvertreter selbst und nicht gegen die juristische Person zu verhängen ist. Maßgeblich hierfür war die Überlegung, dass juristische Personen in einem Gerichtstermin nicht persönlich erscheinen können, sondern nur ihre gesetzlichen Vertreter. Die Pflicht zum persönlichen Erscheinen sei dadurch individualisiert. Nur eine natürliche Person könne einerseits schuldhaft säumig sein und andererseits ohne ihr Verschulden im Sinne von §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 ZPO am Erscheinen verhindert sein. Dementsprechend müsse bei juristischen Personen, die über mehrere gesetzliche Vertreter verfügen, im Ladungsbeschluss der Vertreter namentlich bezeichnet werden, dessen persönliches Erscheinen angeordnet werden soll (etwa Hessisches LAG 01. November 2005 ‒ 4 Ta 475/05 ‒ AR-Blattei ES 160.7 Nr. 227, zu II 7; 15. Februar 2008 ‒ 4 Ta 39/08 ‒ Juris, zu II 2 d, jeweils m. w. N.; zuletzt auch Hessisches LAG 24. März 2015 ‒ 4 Ta 108/15 ‒ n. v.).



    Der Bundesgerichtshof hat sich zwischenzeitlich der Gegenansicht angeschlossen, da nach dem Wortlaut von § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO das Ordnungsgeld gegen die Partei festzusetzen ist. Der Normzweck rechtfertige keine abweichende Auslegung. Zweck der Norm sei allein die Durchsetzung der lediglich die juristische Person als Partei treffende Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung. Im Fall eines schuldhaften Nichterscheinens könne die juristische Person ggf. ihren Organvertreter in Regress nehmen (BGH 30. März 2017 ‒ BLw 3/16 ‒ NJW-RR 2017/ 1446, zu III 2).



    Auch wenn diese Rechtsprechung nach wie vor nicht abschließend überzeugt, gibt die erkennende Kammer im Interesse der Einheit der Rechtsordnung ihre bisherige Rechtsprechung auf. Darüber hinaus spricht viel dafür, dass nunmehr konsequenterweise auch der Grundsatz aufzugeben sein wird, dass im Ladungsbeschluss bei mehreren gesetzlichen Vertretern einer juristischen Person derjenige namentlich anzugeben ist, den die Pflicht zum persönlichen Erscheinen treffen soll. Erfasst diese Verpflichtung die juristische Person als solche und nicht einen bestimmten Organvertreter persönlich, obliegt es allein der juristischen Person, einen geeigneten Vertreter auszuwählen und zu entsenden.



    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (BGH 30. März 2017 a. a. O., zu IV). Auch insoweit gibt die erkennende Kammer ihre bisherige Rechtsprechung (vgl. etwa Hessisches LAG 15. Februar 2008 a. a. O., zu III) auf.

    Vorschriften§§ 51 Abs. 1 ArbGG, 141 Abs. 3 Satz 1, 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO, §§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 Abs. 1 ZPO, § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO