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  • 16.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121170

    Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 21.02.2012 – 9 AZR 487/10

    1. Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt und besteht nach der Entscheidung des Gerichts das Arbeitsverhältnis fort, hat er die während des Kündigungsrechtsstreits entstandenen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers grundsätzlich auch dann zu erfüllen, wenn dieser inzwischen mit einem anderen Arbeitgeber ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist.


    2. Der Arbeitnehmer muss sich nur dann den ihm während des Kündigungsrechtsstreits vom anderen Arbeitgeber gewährten Urlaub auf seinen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber anrechnen lassen, wenn er die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können.


    BUNDESARBEITSGERICHT

    Urteil vom 21.2.2012

    9 AZR 487/10

    Tenor

    1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Januar 2010 - 7 Sa 442/09 - teilweise aufgehoben.

    2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11. Juni 2009 - 8 Ca 5517/08 - teilweise abgeändert.

    Es wird festgestellt, dass die Klägerin aus dem Jahr 2008 einen Ersatzurlaubsanspruch von acht Arbeitstagen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    3. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 72 vH und die Beklagte 28 vH.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Ersatzurlaub als Schadensersatz zusteht.

    Die Parteien schlossen unter dem Datum des 1. Februar 2006 einen schriftlichen Vertrag über die Anstellung der Klägerin ab dem 20. März 2006 als Fachexpertin für Fotogrammetrie. Nr. 5 des Vertrags lautet:
    „5.
    Urlaub
    Die Arbeitnehmerin hat einen jährlichen Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen.
    Der Antritt des Urlaubs, der möglichst zusammenhängend genommen werden soll, ist mit Rücksicht auf die betrieblichen Belange hinsichtlich der zeitlichen Festlegung von der Zustimmung des zuständigen Vorgesetzten abhängig.“

    Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25. Januar 2007 zum 31. März 2007. Während des Kündigungsrechtsstreits ging die Klägerin im April 2007 mit der T GmbH ein Arbeitsverhältnis ein. Gemäß einer Bescheinigung der T GmbH vom 14. November 2008 gewährte diese der Klägerin im Jahr 2008 21 Tage Urlaub. Mit Schreiben vom 6. November 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erfolglos die Gewährung von Urlaub vom 14. November 2008 bis zum 30. Dezember 2008. Mit Urteil vom 23. April 2009, das Rechtskraft erlangte, stellte das Sächsische Landesarbeitsgericht fest, die Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2007 sei unwirksam. In der Folgezeit erklärte die Beklagte weitere Kündigungen. Es steht nicht fest, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch eine dieser Kündigungen beendet worden ist.

    Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihr den beantragten Urlaub für das Jahr 2008 zu gewähren. Maßgebend sei, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien im gesamten Jahr 2008 bestanden und sie ihren Urlaubsanspruch rechtzeitig geltend gemacht habe. Da die Beklagte den Urlaub zu Unrecht nicht gewährt habe, habe sie den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen und den Urlaub als Ersatzurlaub zu erteilen. Für eine Anrechnung des ihr von der T GmbH gewährten Urlaubs fehle eine Rechtsgrundlage.

    Die Klägerin hat beantragt
    festzustellen, dass sie aus dem Jahr 2008 einen Ersatzurlaubsanspruch iHv. 29 Arbeitstagen hat.

    Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, während des Kündigungsrechtsstreits der Parteien sei kein Urlaubsanspruch der Klägerin entstanden. Einem Schadensersatzanspruch der Klägerin stehe zudem entgegen, dass ihr aufgrund der unklaren Rechtslage im Hinblick auf die Nichtgewährung des Urlaubs kein Verschulden zur Last falle. Schließlich bestehe ein urlaubsrechtlicher Grundsatz, dem zufolge der gesetzliche Mindesturlaub in jedem Jahr nur einmal entstehe. Da die Klägerin 21 Tage Urlaub bei der T GmbH erhalten habe, könne sie Urlaub in diesem Umfang nicht nochmals von ihr verlangen.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung nur insofern weiter, als das Landesarbeitsgericht das Bestehen eines Ersatzurlaubsanspruchs von mehr als acht Arbeitstagen festgestellt hat.
    Entscheidungsgründe

    A. Die in zulässiger Weise nur beschränkt eingelegte Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht über den Ersatzurlaubsanspruch von acht Tagen hinaus einen Anspruch der Klägerin auf weitere 21 Ersatzurlaubstage für das Jahr 2008 festgestellt.

    I. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit des Klageantrags ausgegangen. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage, der dem Zweck dient, Rechtsstreitigkeiten prozesswirtschaftlich sinnvoll zu erledigen, steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 189/10 - Rn. 39 mwN, EzA BUrlG § 7 Nr. 124; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 12, EzA BUrlG § 7 Nr. 123). Aufgrund der noch nicht beendeten Kündigungsschutzverfahren ist nicht absehbar, ob die Klägerin nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Gewährung von Ersatzurlaub hat oder ob die Beklagte nach § 251 Abs. 1 BGB zu dessen Abgeltung verpflichtet ist. In einer solchen Situation ist ein Feststellungsbegehren gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 189/10 - Rn. 40, aaO). Einem rechtlichen Interesse der Klägerin an alsbaldiger Feststellung steht nicht entgegen, dass sie an sich den Ausgang der anhängigen Kündigungsschutzverfahren hätte abwarten können. Ihr Anspruch auf Urlaub für das Jahr 2008 hängt nicht vom Ausgang dieser Rechtsstreite ab. Dieser ist nur für die Frage von Bedeutung, ob die Beklagte im Falle der Begründetheit der vorliegenden Feststellungsklage Ersatzurlaub zu gewähren oder abzugelten hat.

    II. Die Klage ist, soweit der Senat über sie im Revisionsverfahren zu befinden hat, unbegründet.

    1. Der Klägerin steht nur Urlaub von acht Tagen als Schadensersatz für den am 31. Dezember 2008 nach § 7 Abs. 3 BUrlG untergegangenen Urlaubsanspruch für das Jahr 2008 zu. Über einen Schadensersatzanspruch der Klägerin in diesem Umfang besteht auch kein Streit mehr. Die Beklagte hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts nur insoweit angegriffen, als dieses einen Ersatzurlaubsanspruch der Klägerin für das Jahr 2008 von mehr als acht Tagen festgestellt hat. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist wurde das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig (vgl. ErfK/Koch 12. Aufl. § 74 ArbGG Rn. 7), soweit sich seine Feststellung auf acht Tage Ersatzurlaub für das Jahr 2008 bezogen hat.

    2. Über diese acht Tage hinaus steht der Klägerin kein weiterer Ersatzurlaubsanspruch für das Jahr 2008 zu.

    a) Allerdings entstand zu Beginn des Jahres 2008 aufgrund der Vereinbarung der Parteien in Nr. 5 des Arbeitsvertrags ein Urlaubsanspruch im Umfang von 29 Arbeitstagen. Der Umstand, dass die Klägerin im Jahr 2008 keine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, hinderte das Entstehen des Urlaubsanspruchs nicht. Das Bundesurlaubsgesetz enthält keine Regelungen, nach denen das Entstehen des Urlaubsanspruchs davon abhängig ist, dass der Arbeitnehmer im betreffenden Urlaubsjahr tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht hat. Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis, den Arbeitnehmer für die Dauer des Urlaubs von der Arbeitspflicht zu befreien (BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 21 mwN, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138). Es würde auch den Vorgaben der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) widersprechen, ein solches Erfordernis aufzustellen. Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie wird vom Gerichtshof der Europäischen Union dahin ausgelegt, dass er nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von einer effektiven Mindestarbeitszeit während des Bezugszeitraums abhängt (vgl. EuGH 24. Januar 2012 - C-282/10 - [Dominguez] Rn. 21, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 8).

    b) Dem Entstehen des vollen Urlaubsanspruchs für das Jahr 2008 stand auch nicht entgegen, dass die Klägerin während des gesamten Jahres 2008 in einem Arbeitsverhältnis zur T GmbH stand.

    aa) Für das Entstehen der Urlaubsansprüche ist ohne Bedeutung, dass die Klägerin ihre Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig erfüllen konnte. Würde bereits das Bestehen eines solchen Doppelarbeitsverhältnisses per se das Entstehen des Urlaubsanspruchs in einem der Arbeitsverhältnisse hindern, würde das Risiko der Nichterfüllung seines Urlaubsanspruchs allein dem Arbeitnehmer auferlegt. Das Bundesurlaubsgesetz weist dem Arbeitnehmer dieses Risiko der Rechtsdurchsetzung gegen einen der beiden Arbeitgeber jedoch nicht zu (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 6 BUrlG Rn. 4; vgl. auch GK-BUrlG/Bachmann 5. Aufl. § 6 Rn. 55). Vielmehr entsteht nach § 4 BUrlG dem Grunde und der Höhe nach bei erfüllter Wartezeit in jedem Arbeitsverhältnis der volle Urlaubsanspruch. Dem entspricht es, dass die Regelung in § 6 Abs. 1 BUrlG, wonach der Anspruch auf Urlaub nicht besteht, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist, bei einem Wechsel des Arbeitgebers während des Urlaubsjahres keine Anrechnungsbefugnis des neuen Arbeitgebers begründet, wenn der frühere Arbeitgeber Urlaub nicht erteilt oder nicht abgegolten hat (vgl. BAG 25. November 1982 - 6 AZR 1254/79 - zu 3 c der Gründe, BAGE 40, 379; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 104 Rn. 38).

    bb) § 6 Abs. 1 BUrlG hinderte das Entstehen des Urlaubsanspruchs der Klägerin nicht. Die Vorschrift regelt den Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres den Arbeitgeber wechselt. Bei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen wird durch § 6 Abs. 1 BUrlG nur dann der Anspruch im neuen Arbeitsverhältnis ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bereits im früheren Arbeitsverhältnis erfüllt worden sind und auch im neuen Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch auf eine höhere Anzahl von Urlaubstagen als im früheren Arbeitsverhältnis entsteht (BAG 28. Februar 1991 - 8 AZR 196/90 - zu II 4 b aa der Gründe, BAGE 67, 283). Die Regelung des § 6 Abs. 1 BUrlG erfasst jedoch nicht den Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das zuerst begründete Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. In einem solchen Fall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor. Der Regelungsbereich des § 6 Abs. 1 BUrlG erfasst Doppelarbeitsverhältnisse nicht (vgl. zu § 2 des Urlaubsgesetzes der Freien Hansestadt Bremen vom 4. Mai 1948/29. April 1949: BAG 19. Juni 1959 - 1 AZR 565/57 - BAGE 8, 47; Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 6 BUrlG Rn. 11; Neufeld/Beyer NZA 2008, 1157, 1161).

    c) Auf ihren Urlaubsanspruch von 29 Arbeitstagen muss sich die Klägerin allerdings in entsprechender Anwendung von § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB den ihr von der T GmbH im Jahr 2008 gewährten Urlaub von 21 Arbeitstagen anrechnen lassen. Dafür ist maßgebend, dass sie nicht gleichzeitig ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und aus dem Arbeitsverhältnis mit der T GmbH hätte erfüllen können. Soweit der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 28. Februar 1991 (- 8 AZR 196/90 - zu II 4 b bb der Gründe, BAGE 67, 283) eine Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers mit der Begründung verneint hat, der Urlaub sei keine Vergütung, hält der nunmehr für das Urlaubsrecht allein zuständige Neunte Senat daran nicht fest. Auch wenn der Urlaub keine Vergütung für vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistungen darstellt, schließt dies eine analoge Anwendung von § 11 KSchG und § 615 Satz 2 BGB nicht aus.

    aa) Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Eine Lücke im Gesetz liegt nicht schon dann vor, wenn es für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält. Sie ist nur bei einer planwidrigen Unvollständigkeit gegeben (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 26, AP BBiG § 14 Nr. 13 = EzA BBiG § 14 Nr. 14). Die analoge Anwendung einer Bestimmung muss zur Ausfüllung der Lücke erforderlich sein, sodass die Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand zu übertragen ist. Der dem Gesetz zugrunde liegende Regelungsplan ist aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu schließen. Es ist zu fragen, ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig ist (BAG 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01 - zu II 1 a bb der Gründe mwN, BAGE 104, 358).

    bb) Diese Frage ist bei Doppelarbeitsverhältnissen zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen kann (BAG 19. Juni 1959 - 1 AZR 565/57 - BAGE 8, 47; ErfK/Gallner § 6 BUrlG Rn. 2). Insoweit hat der Arbeitnehmer gemäß § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr in jedem Arbeitsverhältnis Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Grundsätzlich sind nach der Regelungssystematik des BUrlG - mit Ausnahme der Regelung in § 6 BUrlG - damit Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers aus verschiedenen Arbeitsverhältnissen unabhängig voneinander zu erfüllen. Geht ein Arbeitnehmer gleichzeitig mehrere zeitlich nicht kollidierende Arbeitsverhältnisse ein, ist grundsätzlich jeder Arbeitgeber zur Urlaubsgewährung verpflichtet.

    cc) Der vorliegende Fall liegt anders. Im Streitfall beschäftigte die Beklagte, die das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte, die Klägerin nach dem Ablauf der Kündigungsfrist nicht weiter. Dadurch konnte die Klägerin ihre Pflichten in dem während des Kündigungsrechtsstreits neu begründeten Arbeitsverhältnis bei der T GmbH erfüllen, die ihr Erholungsurlaub gewährte. Die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen hätte die Klägerin nicht erfüllen können. Für diese Fallkonstellation fehlt eine gesetzliche Regelung. § 11 Nr. 1 KSchG regelt diesen Fall nicht unmittelbar. Diese Vorschrift enthält eine Spezialregelung zu § 615 Satz 2 BGB (ErfK/Kiel § 11 KSchG Rn. 3). Sie stellt keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern lediglich eine Anrechnungsvorschrift dar (Bader/Bram/Suckow Stand Dezember 2011 § 11 KSchG Rn. 1). Die Verpflichtung zur Gewährung von Urlaub beruht für den Arbeitgeber, der eine unwirksame Kündigung erklärt hat, nicht auf § 615 Satz 1 BGB, sondern folgt unabhängig von erbrachten Arbeitsleistungen unmittelbar aus dem Bundesurlaubsgesetz. Darüber hinaus hat § 11 Nr. 1 KSchG nur die Anrechnung von Vergütungsansprüchen für Arbeitsleistungen zum Gegenstand, die ein Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsverhältnis erworben hat. Der Urlaub ist jedoch keine Vergütung. Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig von erbrachten Arbeitsleistungen und ist auf die Freistellung von Arbeitspflichten gerichtet (BAG 28. Februar 1991 - 8 AZR 196/90 - zu II 4 b bb der Gründe mwN, BAGE 67, 283).

    dd) Die bestehende Lücke steht im Widerspruch zum Regelungsplan des Gesetzgebers und ist durch eine entsprechende Anwendung von § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB zu schließen. Dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommt, ist im Wege der Gesetzesanalogie Geltung zu verschaffen.

    (1) Sinn und Zweck des § 11 Nr. 1 KSchG ist es, den Arbeitnehmer für den Fall des Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit weder besser noch schlechter, sondern grundsätzlich so zu stellen, als hätte keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden (APS/Biebl 4. Aufl. § 11 KSchG Rn. 2; HaKo-Fiebig/Nägele-Berkner 4. Aufl. § 11 Rn. 2). Die Vorschrift ist nur einschlägig für den Verdienst, den der Arbeitnehmer deshalb erzielen konnte, weil er die Arbeitsleistung beim Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis unwirksam gekündigt hat, nicht erbracht hat (BAG 6. September 1990 - 2 AZR 165/90 - zu III 3 a aa der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 47 = EzA BGB § 615 Nr. 67; ErfK/Kiel 12. Aufl. § 11 KSchG Rn. 4). Der Regelung des § 615 Satz 2 BGB ist der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, dass der Annahmeverzug dem Dienstverpflichteten weder finanzielle Vor- noch Nachteile bringen soll (MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 615 Rn. 62 mwN). Er soll damit nicht mehr erhalten, als er bei normaler Abwicklung des Dienstverhältnisses erhalten hätte. Der Umstand, dass es sich beim Urlaubsanspruch nicht um einen im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Anspruch handelt, rechtfertigt es noch nicht, den Arbeitnehmer im Hinblick auf seine Urlaubsansprüche nach Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung besser zu stellen, als er gestanden hätte, wenn das Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich unterbrochen gewesen wäre und der Arbeitnehmer gearbeitet hätte. In diesem Fall wäre der Arbeitnehmer nur einmal bei Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung für die Dauer des vereinbarten Urlaubs von der Arbeitsleistung freigestellt worden.

    (2) Wäre die Beklagte gemäß der Ansicht der Klägerin verpflichtet, sie im Hinblick auf die im Jahr 2008 entstandenen Urlaubsansprüche noch einmal 21 Tage freizustellen, obwohl die Klägerin in diesem Umfang bereits unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt worden war, läge eine nach den Wertungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht vorgesehene Verdopplung des Urlaubsanspruchs vor. Dieses Gesetz gewährt - in Einklang mit der Arbeitszeitrichtlinie - einen Mindesturlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche. Eine entsprechende Freistellung war bei dem vorliegenden Doppelarbeitsverhältnis gewährleistet. Dem Erholungszweck wurde genüge getan (vgl. zu diesem: EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 95, 104).

    B. Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits haben gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Klägerin zu 72 vH und die Beklagte zu 28 vH zu tragen.