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  • · Fachbeitrag · Arbeitszeugnis

    Arbeitswelt 2.0: Codes, Formulierungen, Zeichen in Arbeitszeugnissen - Teil 3

    von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen

    | Nachdem in Teil 1 des Beitrags die Grundlage für die Zeugniserteilung, die Formulierungen und die Entfernung verbotener Codes in Zeugnissen thematisiert wurden, ging Teil 2 auf Formvorschriften der Zeugniserteilung und die Rechtsfolgen fehlerhafter Zeugnisse ein. Der letzte Teil der Serie beleuchtet die aktuelle Rechtsprechung zu punktuell ausgewählten Einzelproblemen im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung. |

    1. Ist „gut“ das neue „befriedigend“?

    In einem kürzlich vom LAG Niedersachsen (27.3.14, 5 Sa 1099/13, Abruf-Nr. 141889) entschiedenen Fall unterzeichnete ein nach längerer Erkrankung in den Betrieb zurückgekehrter ArbN einen Abwicklungsvertrag, der ihm zeitgleich mit einer ordentlichen Kündigung vorgelegt wurde. In diesem verzichtete er auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, als Gegenleistung war im Vertrag allein die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit einer „guten“ Führungs- und Leistungsbewertung vorgesehen.

     

    Nach Anfechtung des Abwicklungsvertrags erhob der ArbN, der zuvor 11 Jahre im Betrieb beschäftigt war, Kündigungsschutzklage. Diese wurde sowohl vom Arbeitsgericht Hannover (6.9.13, 1 Ca 65/13) als auch in der Berufungsinstanz vom LAG Niedersachsen abgewiesen. Die 5. Kammer des LAG Niedersachsen kam zu dem Ergebnis, die vom ArbG zugestandene Zeugnisnote „gut“ sei tatsächlich ein Zugeständnis des ArbG gewesen, also eine Gegenleistung für den vom ArbN erklärten Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage. Hierzu führt das LAG aus, ein solcher Verzicht sei nur dann nicht wirksam, wenn dem ArbN unter Berücksichtigung der herkömmlichen Darlegungs- und Beweislast im Zeugnisprozess eine gute Beurteilung zweifelsfrei zustehen würde.

     

    Insofern legt das LAG die anerkannte und bisher übliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zeugnisrechtsstreit zugrunde. Der ArbG, der unterdurchschnittliche Leistungen, also ausreichend oder mangelhaft attestiert, muss beweisen, dass die Leistung nicht mittlerer Art und Güte entsprach, während der ArbN, der ein „gut“ oder „sehr gut“ auf dem Zeugnis haben will, solche überdurchschnittlichen Leistungen beweisen muss.

     

    Hiervon ist hingegen das Arbeitsgericht Berlin (28 Ca 18230/11) und ihm folgend das LAG Berlin-Brandenburg (21.3.13, 18 Sa 2133/12, Abruf-Nr. 142091) abgewichen. Nach Ansicht der Berliner Gerichte ist die Zeugnisnote „gut“ heutzutage in der Praxis der Normalfall, sodass ein ArbN ohne weitere Darlegungen ein Zeugnis mit dieser Note verlangen könne. Hierzu wird vom LAG Berlin-Brandenburg ausgeführt, dass nach empirischen Studien mittlerweile 86,6 Prozent aller Zeugnisse gute und sehr gute Leistungsbeurteilungen enthielten. Es sei daher nicht einzusehen, dass der ArbN darlegen müsse, dass er zu Unrecht in die Gruppe der schwächsten 13,4 Prozent der ArbN eingereiht worden sei. Da inzwischen die vom LAG Berlin-Brandenburg zugelassene Revision beim BAG (9 AZR 584/13) eingelegt ist, wird in dieser Streitfrage das BAG das letzte Wort haben.

    2. Recht auf Dank und gute Wünsche?

    Gesetzlich kann der ArbG nach § 109 Abs. 1 S. 2 und 3 GewO nicht dazu gezwungen werden, sich beim ArbN für die geleisteten Dienste zu bedanken, dessen Ausscheiden zu bedauern oder ihm für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Denn Aussagen über persönliche Empfindungen des ArbG gehören nicht zum notwendigen Inhalt eines qualifizierten Zeugnisses.

     

    So hat der 9. Senat des BAG (11.12.12, 9 AZR 227/11, Abruf-Nr. 123826) im Fall eines Baumarktleiters, der ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung erhalten hatte, entschieden, dass dieser keinen Anspruch auf die Formulierung habe: „Wir bedanken uns für die langjährige Zusammenarbeit und wünschen ihm für seine private und berufliche Zukunft alles Gutei“. Auch bei Schlusssätzen und Abschlussformulierungen, die mit dem übrigen Zeugnisinhalt nicht in Einklang ständen, sei der ArbG nur verpflichtet, ein Zeugnis ohne die entsprechende Schlussformel zu erteilen. Mangels einer gesetzlichen Grundlage könne auch bei einer überdurchschnittlichen Bewertung der Leistung und Führung aus dieser allein kein Anspruch des ArbN auf eine „Dankesformel“ abgeleitet werden. Dies hatte das LAG Baden-Württemberg als Vorinstanz noch anders bewertet.

     

    Anders dagegen, wenn sich hinter grafischen oder sonstigen Symbolen negative Aussagen über den ArbN bzw. dessen Führung und Leistung verstecken. So hat das Arbeitsgericht Kiel (18.4.13, 5 Ca 80b/13) entschieden, dass ein trauriger Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln neben der Unterschrift des ArbG unter einem qualifizierten Zeugnis eine negative Aussage über den ArbN enthält. Dies gelte vor allen dann, wenn der ArbG üblicherweise seine Unterschrift mit einem fröhlichen Smiley versehe. Ein Arbeitszeugnis dürfe keine geheimen Merkmale enthalten, aus denen der Leser schließen könne, der ArbG distanziere sich vom Wortlaut des Zeugnistextes.

    3. Wie lange besteht der Anspruch auf Zeugnisberichtigung?

    Der Anspruch auf Zeugniserteilung ist, wie jeder andere Anspruch auch, arbeits- bzw. tarifvertraglichen Ausschlussfristen und dem Grundsatz der Verwirkung nach § 242 BGB unterworfen. Dies bedeutet, dass hiervon auch der Anspruch auf Zeugniserteilung betroffen ist, wenn alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten, zulässigerweise arbeitsvertraglich bestimmten Frist verfallen. Dieser ist hingegen kein finanzieller Anspruch. Daher betreffen tarif- oder arbeitsvertragliche Verfallklauseln, die nur solche Ansprüche ausschließen, nicht den Anspruch auf Zeugniserteilung oder Zeugnisberichtigung. Die Grenze der Verwirkung nach § 242 BGB ist vom Zeit- und Umstandsmoment bestimmt. Dies bedeutet, dass nach einem längeren Zeitablauf und einem entsprechenden passiven Verhalten des ArbN der ArbG darauf vertrauen kann, nicht mehr mit der Zeugniserteilung oder -berichtigung konfrontiert zu werden. Ob und wann die Grenze der Verwirkung erreicht ist, ist von der Sicht der Instanzgerichte abhängig, jedoch ist eine Verwirkung hinsichtlich des Zeitmoments nicht vor sechs Monaten anzunehmen.

     

    Wenn ein Zeugnis nach längerer Zeit verloren geht oder beschädigt wird, ist der ArbG im Rahmen der nachvertraglichen Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis gehalten, dem ArbN eine neue Ausfertigung zu überlassen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Beschädigung oder der Verlust des Originalzeugnisses vom ArbN zu vertreten ist, sondern nur darauf, ob dem ArbG die Ersatzausstellung zugemutet werden kann (LAG Hessen 7.2.11, 16 Sa 1195/10, Abruf-Nr. 111022). In dem insofern vom LAG Hessen entschiedenen Fall stand der Zeugniswortlaut zwischen ArbG und ArbN außer Streit. Es ging daher lediglich darum, so das LAG, den Text noch einmal abzuschreiben oder aus einer Datei in einem EDV-System ausdrucken zu lassen. Dies sei dem ArbG unabhängig von der Frage des Zeitablaufs und vom Vertretenmüssen des ArbN ohne Weiteres zumutbar.

    4. Dürfen Freistellungen/Unterbrechungen erwähnt werden?

    Freistellungen und Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses, insbesondere die Elternzeit eines bzw. einer ArbN, dürfen im Zeugnis nur Erwähnung finden, wenn sich die Ausfallzeit als wesentliche tatsächliche Unterbrechung der Beschäftigung nach Lage und Dauer darstellt. Dies ist der Fall, wenn im Hinblick auf die Gesamtdauer der Tätigkeit die entsprechende Unterbrechung erheblich ist und bei fehlender Erwähnung bei einem außenstehenden Dritten der unrichtige Eindruck erweckt würde, die Beurteilung des/der ArbN beruhe auf einer der Dauer des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses entsprechenden tatsächlichen Arbeitsleistung (BAG NZA 05, 1237).

     

    Eine langjährige Freistellung als Betriebsratsmitglied darf grundsätzlich im Arbeitszeugnis Erwähnung finden (LAG Köln 6.12.12, 7 Sa 583/12, Abruf-Nr. 142092). Im entschiedenen Fall des LAG Köln war ein Betriebsratsmitglied während der letzten fünf Jahre des insgesamt zwölfjährigen Arbeitsverhältnisses von der Arbeit wegen des Betriebsratsamts freigestellt worden. Den Wunsch des ArbN, das Betriebsratsamt und die damit verbundene Freistellung von der Arbeit nicht im Zeugnis aufzuführen, wies das LAG Köln zurück. Zwar sei die Tätigkeit im Betriebsrat als solche nur auf Wunsch des ArbN in das Zeugnis aufzunehmen, dies gelte hingegen nicht für das Thema Freistellung.

     

    Es sei gerade nicht jedes Betriebsratsmitglied von der Arbeit freigestellt und dem ArbG bliebe auch unter dem Aspekt der Zeugniswahrheit nichts anderes übrig, als die letzten fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses im Zeugnis aufzuführen, in denen der ArbN freigestelltes Betriebsratsmitglied war. Ein Schweigen über diese Zeit bedeute eine „Darstellungslücke im Zeugnis“ die dem ArbN auch schaden würde und dem ArbG nicht zumutbar sei. Dies gelte umso mehr, da sich der ArbN als Betriebsratsmitglied freiwillig habe freistellen lassen. Er müsste die damit einhergehenden Folgen für den weiteren beruflichen Werdegang mit bedenken.

     

    5. Fazit

    Streitigkeiten vor den Arbeitsgerichten im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung bzw. -berichtigung bleiben für beide Seiten unerfreulich und langwierig. Da in den meisten Fällen die sonstigen Kautelen des Ausscheidens meist geklärt sind, ist für eine gewisse Großzügigkeit des ArbG gegenüber dem ausgeschiedenen ArbN bei der Zeugnisformulierung durchaus Raum.

     

    Dies gilt auch, wenn wie bei der „Bedauerns- und Dankesformel“ kein Anspruch des ArbN gegenüber dem ArbG auf Verwendung bestimmter Formulierungen besteht. Wie aufgezeigt, wird eine befriedigende Leistungsbeurteilung, also eine solche mit dem Prädikat „zu unserer vollen Zufriedenheit“ oder „stets zu unserer Zufriedenheit“ verlangt werden können. Eine „gute“ Beurteilung des Verhaltens bzw. der Leistung bedarf wahrscheinlich, trotz einiger abweichender Urteile der Instanzgerichte, konkreten Vortrags und Beweisantritts des ArbN, warum sich seine Führung bzw. Leistung aus dem Durchschnitt heraushob. Auf „frisierte“ Zeugnisse, die längere Zeiten des Ausfalls oder der Freistellung bzw. des Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegfallen lassen, besteht kein Anspruch des ArbN. Es ist dem ArbG hingegen keineswegs verboten, die Erwähnung dieser Ausfallzeiten zu unterlassen.

     

    Um Streitigkeiten zu vermeiden ist dem ArbG bzw. dem ArbN anzuraten, sich im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung oder eines (gerichtlichen) Vergleichs auf eine konkrete und durchformulierte Fassung des Zeugnisses zu einigen. Zur Erfüllung einer solchen Pflicht kann der ArbG gegebenenfalls im Rahmen der Zwangsvollstreckung durch Verhängung eines gerichtlichen Zwangsgelds nach § 888 ZPO angehalten werden.

     

    Checkliste /  Aufbau eines qualifizierten Arbeitszeugnisses

    Überschrift

    „Zeugnis bzw. Arbeitszeugnis“

    Persönliche Daten

    Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort

    Betriebszugehörigkeit

    Vom ….. bis ……, ggf. Unterabschnitte bei Versetzungen bzw. Beförderungen

    Tätigkeitsbeschreibung

    Darlegung des beruflichen Werdegangs und der im Betrieb ausgeübten Funktionen des ArbN

    Leistungsbeurteilung

    Fachwissen, Fortbildungen, erzielte besondere Erfolge, Initiative, Fleiß, Einsatzbereitschaft, Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit und Vertrauenswürdigkeit

    Ggf. bei Vorgesetzten

    Beurteilung der Führungsfähigkeiten

    Führung

    Beurteilung der Führung oder des Verhaltens gegenüber Vorgesetzten, Arbeitskollegen bzw. Mitarbeitern

    Schlusssatz

    Dank- und Bedauernsformel, Zukunftswünschen

    Datum/Unterschrift

    des Vorgesetzten bzw. der Geschäftsleitung

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 140 | ID 42776722