Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Rechtsprechung

    Wiederholt rechtswidrige Arztbewertung kann bis zu 250.000 Euro Strafe oder Haft bedeuten

    Bild: ©natanaelginting - stock.adobe.com

    von Rechtsanwalt Dominik Wolsing, LHR Rechtsanwälte, Köln, lhr-law.de

    | Diffamierende Äußerungen und schlechte Bewertungen bei Google oder anderen Bewertungsplattformen können den guten Ruf einer Person bzw. eines Unternehmens erheblich gefährden. Die daraus resultierenden finanziellen Einbußen können enorm sein. Ist die negative Bewertung oder Äußerung rechtswidrig, der Verantwortliche aber nicht einsichtig, kann es sich lohnen, rechtliche Schritte in die Wege zu leiten. Dies verdeutlicht eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts (LG) Heidelberg (Beschluss vom 25.03.2021, Az. 2 O 78/21, noch nicht rechtskräftig). |

    Renitente Patientin ließ nicht locker

    Der Antragsteller ist Zahnarzt. Die Antragsgegnerin besuchte seine Praxis im Jahr 2013 und 2017. Sie verlangte eine Wurzelbehandlung, das Einsetzen von Kronen und eine Parodontosebehandlung. Der Antragsteller kam nach der Untersuchung, für die er Zahnstein entfernen musste, zu dem Ergebnis, dass die gewünschten Behandlungen medizinisch nicht indiziert waren. Aus diesem Grund nahm er sie nicht vor. Anschließend setzte er sich mit der Krankenversicherung der Patientin in Verbindung. Er stellte die für die Beratung erforderlichen Untersuchungen ‒ aber keine darüber hinausgehenden Behandlungen ‒ in Rechnung.

     

    Negative Bewertung Teil 1: Abfällige, unzutreffende Äußerungen

    Die Patientin äußerte sich daraufhin abfällig über den Zahnarzt auf dessen Google-My-Business-Profil. Die Bewertung erweckte zudem fälschlicherweise der Eindruck, dass in der Praxis schönheitschirurgische Behandlungen vorgenommen worden waren. Der Antragsteller ließ die Bewertung entfernen. Er brachte den Sachverhalt zur Anzeige. Die Staatanwaltschaft stellte das Verfahren gegen eine Zahlung von 600 Euro ein.

     

    Negative Bewertung Teil 2: Erfundener Vorwurf des Abrechnungsbetrugs

    Im Februar 2021 gab die Antragsgegnerin eine weitere negative Bewertung bei Google ab. Sie behauptete nun, dass der Zahnarzt Behandlungen abgerechnet habe, die er nach eigenen Angaben nie vorgenommen hatte, warf ihm damit öffentlich einen Abrechnungsbetrug vor. Der Vorwurf war jedoch frei erfunden.

    Patientin muss Äußerungen unterlassen, sonst droht Strafe

    Das LG Heidelberg erließ daraufhin antragsgemäß eine einstweilige Verfügung. Damit wird der Patientin verboten, den Zahnarzt öffentlich wahrheitswidrig des Abrechnungsbetrugs und der fälschen Verdächtigung zu bezichtigen. Bei einer Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder gar Haft. Der Streitwert wurde mit 15.000 Euro festgesetzt.

    Ärzte müssen die gesetzliche Schweigepflicht beachten

    Der Fall verdeutlicht einmal mehr, dass es sich lohnt, gegen rechtswidrige Bewertungen und Äußerungen vorzugehen. Im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens können schnell gerichtliche Entscheidungen erwirkt werden. Oft bleibt auch kein anderer Weg: (Zahn-)Ärzte müssen beachten, dass es gefährlich ist, zu versuchen, sich z. B. mithilfe eines klarstellenden Kommentars im Internet zu wehren. In diesem Fall droht ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Dieser kann gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft werden.

    Wann sind negative Bewertungen rechtswidrig?

    Unwahre Tatsachenbehauptungen und „Schmähkritik“ werden nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Betroffene müssen derartige Äußerungen nicht dulden. Dasselbe gilt, wenn der Bewertung z. B. ‒ anders als suggeriert ‒ kein Geschäfts- bzw. Patientenkontakt zugrunde liegt.

     

    Fehlender Patientenkontakt

    In einem Hinweisbeschluss vom 18.10.2019 hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Thüringen mit der Frage befasst, wie weitreichend die Nachforschungspflichten von Jameda als Bewertungsportalbetreiberin sind (Az. 1 U 599/19). Nach Ansicht des OLG treffen Jameda auch dann umfangreiche Prüfpflichten, wenn ein angeblicher Patient in einer Bewertung auf dem Portal behauptet, dass es nicht zu einem Behandlungskontakt mit dem bewerteten Arzt, sondern lediglich zu einem Kontakt mit dem Praxispersonal gekommen sei. Wird ein solcher Kontakt vom angeblichen Patienten nicht ausreichend belegt und verletzt Jameda seine dahin gehenden Nachforschungspflichten, ist die Bewertung zu entfernen.

     

    Lesen Sie hierzu auch die Beiträge „Bewertungsportale: Betreiber muss Behandlungskontakt im Zweifel nachweisen können“, online unter der Abruf-Nr. 47144164 sowie „Bewertungsportal muss Echtheit einer schlechten Zahnarztbewertung beweisen“ in ZP 08/2017, Seite 1.

     

    Fehlender Geschäftskontakt

    So hat das LG Frankfurt am Main eine einstweilige Verfügung gegen Google erlassen (Beschluss vom 04.08.2020, Az. 2-03 O 279/20), weil Google die bewertenden Personen keinerlei Geschäftskontakt zuordnen konnte. Da zudem die Benutzernamen, unter denen die sechs negativen Bewertungen abgegeben worden waren, zu einem großen Teil aus Fantasiebegriffen bestanden, hatte die betroffene Firma den Verdacht, dass dahinter sogar eine konzertierte Aktion eines Mitbewerbers stecken könnte. Google musste die Bewertungen umgehend löschen.

     

    Lesen Sie hierzu auch die Beiträge s„Falsche Bewertung eines Kollegen ist verboten“ in ZP 03/2019, Seite 8 sowie „OLG Hamm: Jameda muss falsche Tatsachenbehauptungen zu einer Zahnärztin löschen“ in ZP 04/2018, Seite 1 und „LG Essen: Jameda musste negative Bewertung einer Zahnärztin zum Teil löschen“, online unter der Abruf-Nr. 45184270.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2021 | Seite 4 | ID 47425108