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  • · Fachbeitrag · Feuerversicherung

    Voraussetzungen des Ersatzanspruchs für 
Aufräum-, Abbruch- oder Schadensminderungskosten

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Aufräumungs-, Abbruch- oder Schadensminderungskosten nach § 3 Nr. 1 und 3 a) AFB 87 setzt nicht voraus, dass der VN diese Aufwendungen seinerseits bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat (BGH 29.6.13, IV ZR 228/12, Abruf Nr. 132333).

     

    Sachverhalt

    Der VN fordert vom Feuer-VR nach einem Brand, bei dem das versicherte Büro- und Verwaltungsgebäude 2004 erheblich beschädigt wurde, Abschlagszahlungen für Aufräumungs- und Abbruchkosten sowie für Schadensminderungskosten. In den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AFB 87 heißt es dazu unter anderem:

     

    • § 3 Versicherte Kosten
    • 1.Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN zur Abwendung oder Minderung des Schadens … für geboten halten durfte, hat der VR zu ersetzen. ….
    • 2.Für die Kosten der Ermittlung und Feststellung des Schadens gilt § 66 VVG.
    • 3.Soweit dies vereinbart ist …, ersetzt der VR auch die infolge eines Versicherungsfalls notwendigen Aufwendungen
    • a)für das Aufräumen der Schadenstätte einschließlich des Abbruchs stehengebliebener Teile, für das Abfahren von Schutt und sonstigen Resten zum nächsten Ablagerungsplatz und für das Ablagern oder Vernichten (Aufräumungs- und Abbruchkosten).; ...
     

    Ausweislich des Versicherungsscheins aus dem Jahre 2002 erstreckt sich der vereinbarte Versicherungsschutz auch auf Aufräumungs- und Abbruchkosten i.S. von § 3 Nr. 3 AFB 87.

     

    Im Juni 2004 vereinbarten die Parteien die Durchführung des Sachverständigenverfahrens nach § 15 AFB 87. Im anschließenden Rechtsstreit wurde festgestellt, dass der VR dem Grunde nach verpflichtet ist, dem VN den durch den Brand entstandenen Schaden gemäß den AVB und den im Sachverständigenverfahren zu treffenden Feststellungen zu ersetzen.

     

    Der VR verweigerte die Abschlagszahlung mit der Begründung, der VN fordere Abschläge für sogenannte Nachweispositionen, die erst nach Ausgabe der entsprechenden Beträge erstattungsfähig seien. Auf die Berufung des VR hat das Berufungsgericht die stattgebende Entscheidung des LG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des VN hatte im Umfang der Zulassung Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der VN hat gegen den VR nach § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst. a AFB 87 i.V.m. § 16 Nr. 1 S. 2 AFB 87 wegen der Schadensminderungskosten und der Aufräumungs- und Abbruchkosten Anspruch auf Abschlagszahlungen. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass der VN die Aufwendungen seinerseits bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat.

     

    • AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Dem Wortlaut des § 3 Nr. 1 und Nr. 3 Buchst. a AFB 87 kann er entnehmen, dass sich das Leistungsversprechen des VR im Falle eines Brandes i.S. des § 1 Nr. 1 Buchst. a AFB 87 nicht darauf beschränkt, ihm die in § 2 AFB 87 aufgezählten Sachen zu ersetzen, soweit solche durch den Brand beschädigt sind. Vielmehr kommt der VR auch für die Vermögenseinbußen auf, die dem VN aus Maßnahmen zur Schadensminderung sowie aus Aufräumungs- und Abbrucharbeiten entstehen. Dass die letztgenannten Versicherungsleistungen jeweils eine Vorleistung oder zumindest eine vertragliche Verpflichtung des VN voraussetzten, erschließt sich dem durchschnittlichen VN daraus nicht.

     

    • Ein eingeschränktes Verständnis des Aufwendungsbegriffs in der Umgangssprache, welches etwa zur Folge hätte, den Begriff einer „künftigen Aufwendung“ (oder auch „künftiger Kosten“) als paradox anzusehen, lässt sich nicht feststellen. „Aufwendung“ bezeichnet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch den zweckgerichteten Einsatz finanzieller oder sachlicher Mittel oder von Arbeitskraft. Eine zeitliche Komponente, dass er allein rückblickend auf bereits entstandenen, geschehenen oder eingesetzten Mitteleinsatz bezogen werden könne, hat der Aufwendungsbegriff nicht. Der Begriff kann mithin auch auf künftige Sachverhalte zielen und dabei zum Ausdruck bringen, dass jemand infolge bestimmter Ursachen gezwungen sein wird oder auch freiwillig beabsichtigt, Aufwendungen vorzunehmen. Daran ändert die Formulierung in § 3 Nr. 1 AFB 87 nichts, wonach der VR „Aufwendungen, auch erfolglose, die der VN zur Abwendung oder Minderung des Schadens … für geboten halten durfte“, ersetzen muss.

     

    • Der Begriff der Aufwendungen hat auch in der Rechtssprache keine festen Konturen, die es rechtfertigen, ihn ausschließlich in dem vorgenannten, einschränkenden Sinn zu verstehen. Eine gesetzliche Definition findet sich nicht. Soweit der Begriff im BGB verwendet wird (z.B. §§ 256, 284, 304, 670 BGB), bezeichnet er in Abgrenzung zu unfreiwillig erlittenen Schäden die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten im Interesse eines anderen. Im Versicherungsrecht und insbesondere in AVB erfüllt der Begriff diese Abgrenzungsfunktion natürlich nicht. Das zeigt sich schon daran, dass § 3 AFB 87 ersichtlich keine fremdnützigen Aufwendungen zum Gegenstand hat, sondern solche, die der VN zur Beseitigung oder Minderung eines ihm entstandenen Schadens - und mithin auch nicht freiwillig - im eigenen Interesse einsetzt. Im Rechnungswesen und im Steuerrecht werden Kosten von Aufwendungen unterschieden, während der Begriff der Kosten in der Überschrift des § 3 AFB 87 als Oberbegriff verwendet wird, unter den insbesondere Aufwendungen des VN fallen sollen. Ein einheitliches Verständnis des Begriffs der Aufwendungen in der Rechtssprache, welches es rechtfertigen könnte, bei der Klauselauslegung vom allgemeinen, dem durchschnittlichen VN geläufigen Sprachverständnis abzurücken, lässt sich nach allem nicht feststellen.

     

    • Dem durchschnittlichen VN erschließt sich in Anbetracht dieses Leistungsversprechens erst recht nicht, dass er Schadensminderungs- oder Aufräumungs- und Abbruchkosten erst ersetzt verlangen kann, nachdem er selbst damit in Vorlage getreten ist oder entsprechende Verpflichtungen begründet hat. Die Höhe der Abschlagszahlungen hat das LG zutreffend aufgrund der Mindestfeststellungen aus den im Sachverständigenverfahren eingeholten Gutachten festgesetzt.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung hat große Auswirkungen auf die Erstattungsfähigkeit von versicherten Kosten. Betroffen sind nicht nur Aufräum- und Abbruchkosten oder Schadensminderungskosten, sondern z.B. auch Hotelkosten (vgl. A § 8 VHB 2010).

     

    Soweit vielfach die Meinung vertreten wird, die in § 3 AFB 87 versprochenen Versicherungsleistungen unterschieden sich vom Ersatz für Gebäude- und sonstige Sachschäden dadurch, dass eine erstattungsfähige Vermögenseinbuße beim VN erst durch den tatsächlichen Einsatz der Aufwendungen einträte, ist der BGH dem nicht gefolgt. Argument: Ein Schaden (Vermögenseinbuße) ist bei einem VN, auf dessen ehemals bebautem Grundstück sich nur noch Brandreste des versicherten Gebäudes befinden, die eine bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks - auch im Hinblick auf einen Wiederaufbau - verhindern, bereits eingetreten. Der Mitteleinsatz zur Beseitigung einer solchen Beeinträchtigung ist mithin Schadenbeseitigungsaufwand und nicht freiwilliges Vermögensopfer.

     

    Der BGH stellt klar, dass ohne begleitende Einschränkungen und Erläuterungen, welche verdeutlichen, dass Aufwendungen bei einer Person bereits angefallen oder von ihr veranlasst sein sollen, allein das Substantiv „Aufwendungen“ selbst bei gleichzeitiger Benennung ihres Zwecks nicht zum Ausdruck bringe, ob der damit angesprochene Mitteleinsatz bereits geschehen ist oder nur geboten erscheint, aber noch aussteht. Begründung: Der VN schließt eine Feuerversicherung in der Regel deshalb ab, weil der Brand des versicherten Gebäudes für ihn mit hohen Schäden verbunden ist, die er aus Eigenmitteln nicht beheben kann. Das gilt nicht nur für den Wiederaufbau, sondern auch für damit verbundene vorbereitende Maßnahmen. Hinzu kommt, dass der VR Mindestabschlagszahlungen in Aussicht stellt, deren Wesen darin besteht, dass sie im Vorgriff auf die Feststellung der endgültigen Höhe der Versicherungsleistung erfolgen.

     

    Wichtig |  In neueren Bedingungswerken ist bereits - zulässigerweise - vereinbart, dass die infolge des Versicherungsfalls angefallenen Nebenkosten notwendig und tatsächlich angefallen sein müssen (vgl. § 8 VHB 2010). Darauf muss der Anwalt achten.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 154 | ID 42246928