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  • 20.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123931

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 21.09.2012 – 3 U 140/11

    In der Vertrauensschadenversicherung handelt es sich bei einer Klausel, nach der Schäden nicht ersetzt werden, wenn diese später als zwei Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden, nicht um eine verhüllte Obliegenheit, sondern um einen Risikoausschluss. Dies hat jedoch nicht zwingend zur Folge, dass für den Eintritt der Rechtsfolge der Klausel allein auf den objektiven Fristablauf abzustellen wäre. Ausschlussfristen in Versicherungsverträgen, die auf die Untätigkeit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist abstellen, sind unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versicherungsnehmers einschränkend dahin auszulegen, dass der Versicherer sich auf die Versäumung der Ausschlussfrist nicht berufen kann, wenn den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, was Letzterer zu beweisen hat. Eine Versicherung, die sich bei einer anderen Versicherung gegen Vermögensschäden ihrer Außendienstmitarbeiter versichert hat, hat diesen Entlastungsbeweis geführt, wenn feststeht, dass sie ihre Mitarbeiter vor der Einstellung gründlich und nach den Vorgaben der BaFin auf ihre Zuverlässigkeit hin untersucht und sie laufend mittels eines Kontroll- und Frühwarnsystems überwacht, das geeignet ist, die Verursachung von Vermögensschäden zu vermeiden oder zumindest zeitnah zu erkennen.


    3 U 140/11

    Tenor

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.05.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.971,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2008 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Der Kläger hat von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz 9%, von den Kosten des Rechtsstreits II. Instanz 6% zu tragen.

    Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten zu tragen.

    Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser abgeschlossenen Vertrauensschadensversicherung in Anspruch.

    Der Kläger, ein Versicherungsunternehmen, unterhält einen Außendienst mit sog. "Vertrauensleuten“, die ausschließlich mit ihm verbunden sind und den Status eines selbstständigen Handelsvertreters gem. §§ 84 ff. HGB haben. Vertraglich sind die Vertreter verpflichtet, auch für alle anderen Konzerngesellschaften in gleicher Weise wie für den Kläger tätig zu werden.

    Im Rahmen einer - zwischenzeitlich auf die Beklagte übergegangenen - Vertrauensschadensversicherung versicherte er sich gegen Schäden, die durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen dieser Vertrauensleute an seinem Vermögen verursacht werden. Dem Versicherungsvertrag, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf die Anlagen K1 und K2 zur Klageschrift Bezug genommen wird, liegen die Allgemeinen Bedingungen der Vertrauensschadensversicherung (GKS ABV VSV – G 95.1) sowie die Zusatzbedingungen (GKS ABV VSV – ZB 95.1) zu Grunde. In § 4 der Allgemeinen Bedingungen heißt es unter der Überschrift „Ausschlüsse“ u.a.:

    „Nicht ersetzt werden Schäden, …
    2. die später als zwei Jahre nach ihrer Verursachung dem Versicherer gemeldet werden …“

    Am 05.07.2006 erfuhr der Kläger, dass der Vertrauensmann A im Jahr 1999 von den Versicherungsnehmern B Versicherungsprämien für die ... Lebensversicherungs-AG vereinnahmt, hiervon aber insgesamt 28.971,01 € nicht an ihn – den Kläger – weitergeleitet hatte und machte diesen Betrag am 31.07.2006 als Versicherungsanspruch der Beklagten gegenüber geltend. Die Beklagte verweigerte eine Leistung unter Berufung auf § 4 Nr. 2 der Bedingungen. Sie hat ferner das Vorliegen eines Versicherungsfalles bestritten und war der Ansicht, die Tätigkeit der Vertrauensleute für die ...-Lebensversicherung sei 1999 noch nicht von der Vertrauensschadensversicherung abgedeckt gewesen.

    Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch weiter und begehrte erstinstanzlich zusätzlich Feststellung, dass § 4 Nr. 2 der Bedingungen unwirksam sei, hilfsweise, dass dort eine vertragliche Obliegenheit geregelt sei, weiter hilfsweise, dass die Klausel einen Ausschlusstatbestand darstelle. Der Kläger war der Ansicht, die Klausel sei als überraschend anzusehen und benachteilige ihn unangemessen, ihre schuldlose Verletzung könne ihm nicht vorgehalten werden.

    Das Landgericht hat die Klage mit am 16.05.2011 verkündetem Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, abgewiesen. Es hat in § 4 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen einen Risikoausschluss gesehen, der den Anforderungen der Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen genüge.

    Gegen dieses, ihm am 27.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.06.2011 eingelegte und nach Verlängerung der Frist bis zum 29.08.2011 an eben diesem Tag begründete Berufung des Klägers, der neben seinem erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter festgestellt haben will, dass § 4 Ziff. 2 der Versicherungsbedingungen unwirksam sei, hilfsweise, dass darin eine vertragliche Obliegenheit geregelt sei. Hierzu wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag erster Instanz. Insoweit wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung Bl. 436 ff. d.A.

    Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.

    Der Senat hat Beweis erhoben über die dem Vertrauensmann A vorgeworfene Nichtweiterleitung vereinnahmter Versicherungsbeiträge in den Vertragsverhältnissen der Versicherungsnehmer B und über die beim Kläger vorhandenen Kontroll- und Sicherungssysteme gegen deliktische Handlungen ihrer Vertrauensleute. Insoweit wird auf den Beweisbeschluss vom 22.03.2012 (Bl. 507 ff. d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2012 (Bl. 573 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Senat hat ferner die Strafakte gegen Herrn A – StA Münster 4 Cs 81 Js 709/05 – beigezogen.

    Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung und auf der unvollständigen Feststellung des Sachverhalts durch das Landgericht (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr.1 ZPO) und bedarf deswegen der Abänderung.

    1. Der Kläger kann von der Beklagten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag Zahlung von 28.971,01 € verlangen (§ 1 VVG; § 1 GKS ABV VSV – G 95.1). Ihm ist durch eine vorsätzliche Handlung seines Vertrauensmannes A ein Vermögensschaden in Höhe dieses Betrags entstanden, weil er den Versicherungsnehmern B nach den gesetzlichen Bestimmungen über unerlaubte Handlungen Schadensersatz in dieser Höhe leisten musste.

    Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehen zur Überzeugung des Gerichts folgende Sachverhalte fest:

    Frau ... B beantragte über den Vertrauensmann A beim Kläger am 8.12.1999 die Lebensversicherungsverträge mit der Versicherungsscheinnummer 1. und den Endziffern …, …, … und …. Für diese Versicherungsverträge war ein jährlicher Beitrag in Höhe von 600 DM in einer Summe zu zahlen. Mit Übersendung der Anträge an den Kläger bat Herr A darum, sowohl die Policen als auch die Beitragsrechnungen über seine Agentur an die Versicherungsnehmerin zu übermitteln. Die Versicherungsscheine wurden antragsgemäß ausgestellt und der Versicherungsnehmerin über die Agentur A übermittelt. In der Folgezeit schlug Herr A Frau B vor, sämtliche Prämien durch Zahlung eines Einmalbetrages zu bezahlen. Frau B übergab daraufhin Herrn A einen Verrechnungsscheck über 21.927,00 DM, den dieser seinem Privatkonto gutschreiben ließ. Der Kläger erfuhr hiervon nichts. Herr A überwies sodann fünf Jahre lang die fälligen Versicherungsbeiträge an die ... Lebensversicherungs-AG, insgesamt 12.000,00 DM. Danach stellte Herr A die Zahlungen ein, da ihm das Geld ausgegangen war. Die ... Lebensversicherungs-AG leitete das übliche innerbetriebliche Mahnverfahren ein, richtete aber alle Schreiben für Frau B an Herrn A, der sie nicht weitergab.

    Ebenfalls im Jahre 1999 beantragte Herr ... B über Herrn A bei der ... Lebensversicherungs-AG den Abschluss einer Rentenversicherung ab dem 1.2.1999. Hierauf sollten über fünf Jahre je 16.094,48 DM gezahlt werden. Herr A vereinbarte auch mit diesem Kunden später ohne Wissen des Klägers eine Einmalzahlung, nahm einen entsprechenden, ihm vom Versicherungsnehmer übergebenen Scheck in Höhe von 72.689,00 DM an und lies diesen seinem Privatkonto gutschreiben: Entsprechend den mit dem Kläger vereinbarten Fälligkeiten leitete er an diesen in Folgezeit lediglich 25.962,66 DM. Auch in diesem Fall lief die vom Kläger verfasste Mahnkorrespondenz über das Büro von Herrn A und erreichte den Versicherungsnehmer nicht.

    Nachdem die Nichtweiterleitung der vereinnahmten Beträge durch Herrn A bekannt geworden war, verlangten die anwaltlich vertretenen Versicherungsnehmer vom Kläger Schadensersatz, den dieser leistete, indem er den Konten der Versicherungsnehmerin ... B 5.075,00 €, denen des Versicherungsnehmers ... B 23.896,01 € gutschrieb.

    Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen Z1, des Anwalts der Geschädigten B, und des Zeugen Z2, des Justitiars des Klägers. Bedenken an der Glaubhaftigkeit dieser Aussagen oder der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen nicht. Die persönliche Integrität beider Zeugen steht außer Frage, sie haben das Geschehen detailreich, überzeugend und lebensnah sowie in Übereinstimmungen mit den Feststellungen geschildert, die in dem gegen Herrn A geführten Strafverfahren getroffen wurden. Dass der Zeuge A zur Vermeidung weiterer strafrechtlicher Konsequenzen die Aussage verweigert hat und die Zeugen Z3 und Z4, zwei weitere Mitarbeiter des Klägers, diese Fälle nicht aus eigenem Erleben kannten, steht der Überzeugung des Gerichts nicht entgegen.

    2. Die im Jahr 1999 begangenen Handlungen des Vertrauensmannes A im Rahmen seiner Tätigkeit für die ...-Lebensversicherungs-AG waren von der zwischen den Parteien bestehenden Vertrauensschadenversicherung auch erfasst.

    Zwar erwähnt der Versicherungsschein Nr. 2 vom 16./28.02.1972 (Bl. 133 d.A.) als Versicherungsnehmer nur den Kläger, während seine Tochtergesellschaft, die ...-Lebensversicherungs-AG erstmalig im Nachtrag zum Versicherungsschein vom 04.10.2001 (Bl. 132 d.A.) ausdrücklich Erwähnung findet. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Schäden durch Vertrauensleute des Klägers nicht versichert gewesen wären, soweit diese vor dem Jahr 2001 für eine seiner Tochtergesellschaften tätig wurden. Vielmehr ergibt eine Auslegung der ursprünglichen Versicherungsvertrags, dass alle Tochtergesellschaften von Anfang an mit einbezogen waren.

    Dies folgt schon daraus, dass zumindest zwei dieser Tochtergesellschaften (darunter die ...-Lebensversicherungs-AG) unstreitig bereits im Jahr 1972 existierten und die Vertrauensleute schon damals für alle Gesellschaften tätig wurden. Bei verständiger Würdigung macht es keinen Sinn, Schäden durch diese Mitarbeiter nur dann zu versichern, wenn sie beim Zustandekommen eines Versicherungsvertrags mit der Muttergesellschaft verursacht wurden, das Interesse beider Parteien musste vielmehr dahin gehen, Schäden einzubeziehen, die im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen verursacht wurden, die aus versicherungsaufsichtsrechtlichen Gründen mit rechtlich selbstständigen Gesellschaften zu schließen waren.

    Für diese Auslegung spricht das Schreiben vom 29.1.1979 (Bl.188 d.A.), mit dem der Kläger der Beklagten gegenüber unstreitig seinen Rechtsstandpunkt vertrat, versichert sei auch das Tätigwerden der Vertrauensleute für die Lebens- und die Rechtsschutzversicherung und dabei ausdrücklich darauf hinwies, dass die Prämien der Vermögensschadensversicherung unter Einbeziehung der Umsätze auch für diese Versicherungen berechnet seien. Dieses Schreiben blieb seinerzeit unwidersprochen. Soweit die Beklagte dies mit Schriftsatz vom 29.12.2009 (Bl. 198 d.A.) bestritten hat, ist dies unsubstantiiert, weil es der Beklagten oblegen hätte, konkret darzulegen, wie dieser Widerspruch erfolgt sein soll.

    Die anfängliche Einbeziehung der Lebensversicherung in den Versicherungsvertrag liegt auch dem Nachtrag vom 04.09.1987 (Bl. 189 d.A.) zugrunde. Wenn die Parteien hier vereinbart haben, auch Provisionsrückbelastungen aus Kranken- und Lebensversicherungen bis zu einem Höchstbetrag von 5000,- DM pro Mitarbeiter einzubeziehen, macht dies nur Sinn, wenn die übrigen aus diesen Verträgen möglichen Schäden bereits vorher versichert waren.

    Dass die Tochtergesellschaften nicht erst durch den Nachtrag vom 04.10.2001 in den Versicherungsschutz einbezogen wurden, ergibt sich auch daraus, dass diesbezüglich keine Verhandlungen geführt und insbesondere auch keine Prämienanpassung vorgenommen wurde, wovon auszugehen wäre, wenn das versicherte Risiko erweitert worden wäre (§ 25 VVG).

    3. Dem Anspruch des Klägers steht es auch nicht entgegen, dass der Kläger den Schaden der Beklagten später als zwei Jahre nach seiner Verursachung gemeldet hat (§ 4 Nr. 2 GKS ABV VSV – G 95.1).

    a) Zutreffend erkannt hat das Landgericht, dass es sich bei dieser Klausel um einen Haftungsausschluss handelt. Auf die insoweit zur Begründung gemachten Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil kann Bezug genommen werden, diese macht der Senat sich zu eigen.

    Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es auf die Frage ankommt, ob die genannte Klausel eine (verhüllte) Obliegenheit oder einen Risikoausschluss enthält. Handelt es sich um eine Risikobeschränkung, so hängt der Versicherungsschutz allein von der objektiven Fristversäumung ab, ohne dass zusätzlich auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers abzustellen wäre. Begründet die Klausel hingegen eine Obliegenheit, so führt ihre objektive Verletzung nur dann zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn den Versicherungsnehmer zugleich ein Verschulden trifft (BGH Urt. V. 16.06.2004 – IV ZR 201/03). Nach der ständigen Rechtsprechung kommt es bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobegrenzung nicht nur auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Entscheidend ist vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klauseln. Es kommt darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthält, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren will, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers fordert, von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert. Wird von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handelt es sich um eine Risikobegrenzung (BGH Urt. V. 18.06.2008 – IV ZR 87/07; Urt. V. 24.05.2000 – IV ZR 186/99).

    Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist das Landgericht zu Recht von einem Risikoausschluss ausgegangen. Für diese Auslegung sprechen aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers zunächst schon Wortlaut und Stellung der Klausel innerhalb des Bedingungswerkes der Versicherungsbedingungen. Ausweislich seiner Überschrift und seines weiteren Inhalts steht § 4 der Bedingungen im unmittelbaren Zusammenhang mit den §§ 1 - 3, die Gegenstand und Umfang der Vertrauensschadenversicherung regeln, versicherte Gefahren und den ersatzfähigen Schaden erläutern. § 4 gehört damit zu dem Teil der Versicherungsbedingungen, der objektiv das übernommene Risiko beschreibt. Erst in § 6 finden sich Regelungen über Obliegenheiten und damit Anforderungen an das Verhalten des Versicherungsnehmers.

    Auch der materielle Gehalt der Klausel spricht für einen Risikoausschluss. Sie fordert – anders als § 6 Abs. 1 Buchstabe b) der Versicherungsbedingungen nicht in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers (rechtzeitige Anzeige des Schadensfalles), von dem es abhängt, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behält oder ob er ihn verliert. Allein im Rahmen des § 6 soll der Versicherungsnehmer veranlasst werden, sich durch geeignete Auswahl und zeitnahe Überwachung der Vertrauenspersonen nach Möglichkeit vor schädigenden Handlungen zu schützen. Nur in diesem Rahmen muss der Versicherungsnehmer damit rechnen, dass ihm ein zunächst gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen wird.

    Im Unterschied dazu enthält § 4 Nr. 2 eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses, für das der Versicherer von Anfang an keinen Versicherungsschutz gewähren will und beschränkt damit objektiv den Umfang des übernommenen Risikos in zeitlicher Hinsicht. Der Versicherer will erkennbar Fälle, die länger als zwei Jahre zurückliegen, nicht abdecken, unabhängig davon, ob dies auf einer schuldhaften Verzögerung der Schadensanzeige beruht und unabhängig davon, ob durch den Zeitablauf tatsächlich Schwierigkeiten der Sachaufklärung verursacht sind. Die Klausel lässt keine Bereitschaft des Versicherers erkennen, jedenfalls dann Leistungen zu erbringen, wenn der Versicherungsnehmer keine Schuld an der Nichteinhaltung der Frist trägt, sondern macht deutlich, dass dem Versicherer daran gelegen ist, nicht in eine Auseinandersetzung um die Ursachen und Folgen der Verspätung verwickelt zu werden. Die Leistungsfreiheit knüpft deshalb unabhängig von ihren Gründen an die objektive Fristversäumung an.

    Sie trägt erkennbar dem Zweck Rechnung, eine klare zeitliche Begrenzung der Leistungspflicht des Versicherers zu schaffen, die durch objektive Anknüpfungskriterien – Schadensverursachung und Meldung - bestimmt wird. Käme es für den Fristbeginn (auch) auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Versicherungsfall an, würde dieser Zweck verfehlt; die beabsichtigte Wirkung der Ausschlussfrist entfiele.

    Eine solche Auslegung entspricht der, die die Bundesgerichtshof für zahlreiche vergleichbare Fristen in anderen Versicherungsbedingungen vorgenommen hat (vgl. für § 12 Abs. 3 VVG a.F.: BGH, Urt. v. 08.02.1965 - II ZR 171/62; Urt. v. 09.02.1977 - IV ZR 25/75; für § 4 Abs. 4 ARB: Urt. v. 15.04.1992 - IV ZR 198/91; für § 18 Abs. 3 Nr. 2 AKB: Urt. v. 24.03.1982; für § 7 Abschn. 1 Nr. 1 Abs. 2 AUB 88: Urt. v. 19.11.1997 - IV ZR 348/96; für § 1 Abs. 3 Satz 2 BB-BUZ: Urt. v. 02.11.1994 - IV ZR 324/93; für § 4 Nr. 2 ABV: Urt. v. 20.07.2011 - IV ZR 209/10)

    Letztlich – ohne dass es darauf ankäme – tritt auch der Kläger einer solchen Einordnung der Klausel in der Berufung nicht mehr entgegen.

    b) Entgegen der Annahme des Landgerichts führt aber die Annahme einer Ausschlussfrist auch bei Vorliegen der dafür vereinbarten vertraglichen Voraussetzungen nicht zwingend zu einem vollständigen Leistungsausschluss. Ausschlussfristen in Versicherungsverträgen, die auf die Untätigkeit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist abstellen, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben im Interesse des sorgfältigen Versicherungsnehmers einschränkend auszulegen. Der dem Versicherungsnehmer auferlegte Zwang, den Deckungsanspruch innerhalb der ihm gesetzten Frist geltend zu machen, dient vornehmlich dem Interesse des Versicherers, alsbald Klarheit über seine Leistungspflicht zu gewinnen. Wenn die Klagefrist nicht als Obliegenheit anzusehen ist, weil ihr der enge Zusammenhang mit der Gefahr fehlt, die der Versicherer trägt, so steht sie doch hinsichtlich der Interessenlage einer Obliegenheit nahe. Denn hier wie dort verlangen die als berechtigt anerkannten Interessen des Versicherers vom Versicherungsnehmer ein bestimmtes Verhalten und sehen für den Fall, dass er dem nicht entspricht, den Wegfall des Versicherungsanspruchs vor. Es erscheint dann aber nur billig und gerecht, auch für die versäumte Klagefrist den Entschuldigungsbeweis zuzulassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei der Klagefrist formal um eine vertragliche oder gesetzliche Ausschlussfrist handelt (so grundlegend BGH Urt. v. 08.02.1965 - II ZR 171/62).

    Auch ohne entsprechende Vereinbarung in den Versicherungsbedingungen kann der Versicherer sich hiernach auf die Versäumung der Ausschlussfrist nicht berufen, wenn den Versicherungsnehmer an der Fristversäumung kein Verschulden trifft, was Letzterer zu beweisen hat. Da die Ausschlussfrist durch eine Untätigkeit des Versicherungsnehmers binnen bestimmter Frist verwirklicht werden kann, steht sie Obliegenheit sehr nahe und kann wie diese auch nicht ohne jede Rücksicht auf das Verhalten des Versicherungsnehmers angewendet werden (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. insoweit die im vorstehenden Absatz zitierten Entscheidungen, zuletzt BGH Urt. v. 20.07.2011 - IV ZR 209/10).

    Anlass, von dieser Rechtsprechung für die Ausschlussfrist in § 4 Nr. 2 ABV in der Vertrauensschadenversicherung abzuweichen, besteht nicht. Vielmehr bedarf es zum Schutz des Geschädigten, dessen Interessen die Versicherung dient, dieser Möglichkeit eines Entlastungsbeweises, weil der Geschädigte sich hier gegen das Risiko versichert, von Dritten vorsätzlich deliktisch geschädigt zu werden es in der Natur solcher Schadensfälle liegt, dass sie nicht sofort offenbar werden, sondern sich erst nach einiger Zeit als Schadensfall darstellen. In vielen Fällen wird daher die Versäumung der Ausschlussfrist nicht auf einem Verschulden des Geschädigten beruhen. Dem Vertrauensschadenversicherer, der dieses Risiko übernimmt, ist damit die Berufung auf die Fristversäumnis nach Treu und Glauben zu versagen, wenn ein Verschulden es Versicherungsnehmers nicht vorliegt.

    c) Versteht man § 4 Nr. ABV in der dargestellten Form und lässt einen Exkulpationsnachweis des Versicherungsnehmers zu, so hält die Klausel einer Kontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen stand. Sie ist Vertragsbestandteil geworden und wirksam.

    Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich nicht um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten Versicherungsnehmers - hier eines Rechts- oder Patentanwalts - in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (st. Rspr.; BGH Urt. v. 30.09.2009 - IV ZR 47/09). Es muss sich um eine objektiv ungewöhnliche Klausel handeln, was nach den Gesamtumständen zu beurteilen ist. Als zweite Voraussetzung muss hinzukommen, dass der andere Teil mit der Klausel "nicht zu rechnen braucht". Dies kann auch dann der Fall sein, wenn sie im Vertragstext falsch eingeordnet und dadurch geradezu "versteckt" wird. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle sich die Klausel im Bedingungswerk befindet (BGH, Urteil vom 21.07.2010 - XII ZR 189/08).

    Von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist zu erwarten, dass er die Ausschlusstatbestände des § 4 ABV zur Kenntnis nimmt und ihnen hinreichende Beachtung schenkt. Diese befinden sich systematisch an der Stelle, an der er sie erwarten darf (im Rahmen der Beschreibung des übernommenen Risikos), sind durch die Überschrift „Ausschlüsse“ hinreichend als solche kenntlich gemacht und verständlich und zweifelsfrei formuliert. Unter Berücksichtigung des Verschuldensgegenbeweises des Versicherungsnehmers sind sie – wie die vorstehende Darlegung der Rechtsprechung zu vergleichbaren Klauseln zeigt, weder ungewöhnlich noch dergestalt, das ein Versicherungsnehmer mit einer solchen Regelung nicht zu rechnen brauchte.

    Die mit einem Entlastungsbeweis verbundene Ausschlussfrist ist weder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, unvereinbar, noch schränkt er wesentliche Rechte und Pflichten ein, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB). Ausschlussfristen sind weder dem allgemeinen Privat- noch dem Versicherungsrecht fremd, finden sich vielmehr an zahlreichen Stellen. Sie sind erforderlich, um das übernommene Risiko hinreichend zu beschreiben. Die Interessen des Versicherungsnehmers bleiben gewahrt, wenn ihm dabei keine unzumutbaren Belastungen, insbesondere unverschuldete Risiken auferlegt werden. Bleibt dem Versicherungsnehmer der Nachweis fehlenden Verschuldens an der Fristversäumung vorbehalten, wird der Vertragszweck nicht gefährdet. Eine Leistungsbegrenzung bedeutet für sich genommen noch keine Vertragsgefährdung, sondern bleibt zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen weckt. Eine Gefährdung liegt erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhlt und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos macht (BGH Urt. v. 11.02.2009 - IV ZR 28/08). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Ausschluss der Haftung dient dem legitimen Ziel des Versicherers, ihn und damit auch die Gemeinschaft der Versicherten vor unkalkulierbaren finanziellen Belastungen zu schützen.

    d) Den danach möglichen Entlastungsbeweis hat der Kläger geführt. Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Kläger bereits im Jahr 1999 aufwändige Prüfungen und Kontrollen durchführte, um Vermögensschäden durch deliktische Handlungen ihrer Vertrauensleute auszuschließen oder zeitnah aufzudecken.

    Der Vertrauensmann A wurde – wie alle anderen beim Kläger tätigen Vertrauensleute auch – vor seiner Einstellung gründlich überprüft und aufgrund zahlreicher Unterlagen (Bl. 246 ff., 313 d.A.) für geeignet befunden worden. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der Aussage des Zeugen Z4, der dargelegt hat, dass jeder Bewerber den Vorgaben der BaFin entsprechend auf seine Zuverlässigkeit hin geprüft wird. Dass diese Prüfung auch im Fall A erfolgte, wird zusätzlich durch die vorgelegten Urkunden belegt, deren Richtigkeit außer Streit steht.

    Auch nach seiner Einstellung wurde der Vertrauensmann A – wie allen anderen Vertrauensleute auch – durch die Abteilung Außenorganisation des Klägers betreut und überwacht. Dabei wurden die Leistungen des Vertrauensleute nach verschiedenen Kriterien in einem Punktesystem erfasst und in einem Ranking mit denen anderer Vertrauensleute verglichen, so dass signifikante Abweichungen auffielen und Anlass für eine individuelle Überprüfung werden konnten. Darüber hinaus fanden regelmäßig Stichprobenkontrollen bei einzelnen Vertrauensleuten statt.

    Beim Kläger gibt und gab es 1999 ein internes Kontrollsystem, ein Frühwarnsystem und ein betriebsinternes Mahnverfahren, das dazu bestimmt und geeignet ist, von Vertrauensleuten verursachte Vermögensschäden zu verhindern oder zumindest rasch zu entdecken. Diese Systeme entsprechen den vom Kläger zu den Gerichtsakten gereichten schriftlichen Beschreibungen und Dokumentationen (Bl. 315 ff., 335 ff., 502 f. d.A.) und werden tatsächlich auch so praktiziert.

    Dies steht nach der Vernehmung des Zeugen Z4 fest. Dieser ist in der Konzernrevision des Klägers tätig und hat im Einzelnen dargelegt, dass die schriftlich fixierten, zu den Akten gereichten Kontrollmechanismen tatsächlich angewandt werden und bereits 1999 ähnliche, seither ständig modernisierte und verbesserte Sicherungen vorhanden sind. Bedenken an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage oder der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen nicht.

    Einer Entlastung des Klägers steht dabei nicht entgegen, dass diese Kontroll- und Sicherungsmechanismen sich – wie sich aus den Aussagen des Zeugen Z4 und des bei dem Kläger für Mahnwesen und Inkasso zuständigen Zeugen Z3 ergibt – primär auf die Ordnungsmäßigkeit der Schadensregulierung beziehen und nicht – wie der vorliegende Fall – auf Unregelmäßigkeiten bei der Vereinnahmung von Prämien. Nachvollziehbar und überzeugend hat der Zeuge dargelegt, dass in der Vergangenheit Schäden durch Vertrauensleute ganz überwiegend dadurch verursacht wurden, dass diese Versicherungsleistungen nicht an die Versicherungsnehmer weiterleiteten. Fälle, in denen ein Vertrauensmann Prämien einkassierte und nicht an den Kläger weiterleitete, habe es dagegen vor dem Jahr 1999 nicht gegeben. Vertrauensleute seien zu einem Inkasso an sich nicht berechtigt, es komme zwar vereinzelt vor und werde bei langjährigen Mitarbeitern dann auch ausnahmsweise geduldet, Unterschlagungen habe es dabei aber vor dem Fall A nicht gegeben. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er zumindest bis zum Jahr 1999 seine Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen nicht auch auf diesen Bereich erstreckte. Ob nach dem Fall A – wie der Zeuge Z4 meinte – eine Möglichkeit zur Vermeidung ähnlicher Fälle nicht bestand und eine Exculpation ohne jede Änderung der internen Kontroll- und Sicherungsmechanismen auch in Fällen möglich wäre, die sich nach 1999 ereignet haben, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

    4. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der verlangten Zinsen ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes aus §§ 280, 286, 288 BGB.

    5. Dagegen erweist sich die Berufung als unbegründet, soweit der Kläger an zwei seiner erstinstanzlichen Feststellungsanträgen festhält.

    Dass § 4 Ziff. 2 der Versicherungsbedingungen weder unwirksam noch darin eine vertragliche Obliegenheit geregelt ist, ergibt sich aus den Ausführungen unter 3), auf die insoweit Bezug genommen wird.

    6. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Parteien in dem Verhältnis zu tragen, in dem sie bezüglich der Hauptsache unterlegen sind (§ 92 Abs. 1 ZPO).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Eine Zulassung der Revision ist nicht möglich, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 25 VVG