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  • 16.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122528

    Oberlandesgericht Oldenburg: Beschluss vom 29.03.2012 – 5 U 11/11

    Ist offen, ob der Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 oder danach eingetreten ist, und beruft sich der Versicherer für seine Ansicht, es sei das VVG a. F. anzuwenden, auf § 1 Abs. 2 EGVVG, so hat er zu beweisen, dass der Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 eingetreten ist.


    5 U 11/11

    Tenor:
    Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

    Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.

    Gründe
    Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

    I. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Ebenso wenig ist eine mündliche Verhandlung geboten.

    II. Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung zu Gunsten des Klägers.

    1. Allerdings ist dem Kläger zuzugeben, dass auf die vorliegende Gestaltung das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung Anwendung findet.

    a) Das fragliche Versicherungsverhältnis ist vor dem 1. Januar 2008 entstanden. Damit handelt es sich um einen Altvertrag im Sinne des Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Auf derartige Verträge war das VVG in seiner bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung grundsätzlich nur bis zum 31. Dezember 2008 anwendbar, Art. 1 Abs. 1 EGVVG. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht Art. 1 Abs. 2 EGVVG vor. Danach ist auf Altverträge das VVG in seiner bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn ein Versicherungsfall bis zum 31. Dezember 2008 eingetreten ist.

    b) Als Versicherungsfall ist hier das Entstehen der geltend gemachten Frostschäden anzusehen. Ob diese vor oder nach dem 31. Dezember 2008 aufgetreten sind, lässt sich nach dem Ergebnis der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht sicher beantworten. Der Sachverständige W... vermochte sich insoweit nicht festzulegen. Aus seiner Sicht sind die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten gleich hoch.

    c) Welche Folgen eine derartige Unsicherheit hat, ist umstritten.

    aa) Einige Autoren verweisen darauf, dass der Versicherungsnehmer als Anspruchsteller prinzipiell alle vom Versicherer bestrittenen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs darlegen und beweisen müsse. So wie der Versicherungsnehmer beispielsweise in der Berufsunfähigkeitsversicherung zu beweisen habe, dass die Berufsunfähigkeit während der Vertragsdauer eingetreten ist, obliege es ihm, den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls zu beweisen (so Muschner, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., Art. 1 EGVVG, Rn. 28; ferner Neuhaus, r+s 2009, S. 309, 312 speziell mit Blick auf die Personenversicherung). Das dürfte dahin zu verstehen sein, dass ein Versicherungsnehmer, der sich im Rahmen eines Altvertrages auf die für ihn günstige neue Rechtslage beruft, den Beweis zu führen hat, dass der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 2008 eingetreten ist (der Formulierung nach anders Muschner, aaO.). Dieser Auffassung zufolge ist in Konstellationen der vorliegenden Art das VVG in seiner alten Fassung heranzuziehen.

    bb) Demgegenüber wird teilweise die Meinung vertreten, dass es gar nicht auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls ankomme, sondern auf den "Zeitpunkt der Geltendmachung eines Versicherungsfalls", wobei offenbar entscheidend sein soll, wann der Versicherungsfall nach den Darlegungen des Versicherungsnehmers eingetreten ist (in diesem Sinne Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrecht-Handbuch, 2. Aufl., § 46, Rn. 3). Überträgt man diesen - speziell für die Berufsunfähigkeitsversicherung entwickelten - Ansatz auf die vorliegende Konstellation, muss man auf das VVG in seiner neuen Fassung abstellen. Denn der Kläger hat von Beginn an den Standpunkt eingenommen, der Versicherungsfall sei erst 2009 eingetreten.

    cc) Zu demselben Ergebnis führt diejenige Ansicht, der zufolge grundsätzlich der Versicherer zu beweisen hat, dass der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 2009 eingetreten ist (so Grote/Finkel, VersR 2009, S. 312 m. w. N.). Dem liegt der - auch vom Landgericht herangezogene - Gedanke zugrunde, dass ein Versicherer sich auf eine für ihn günstige Ausnahmeregelung berufe, wenn er Art. 1 Abs. 2 EGVVG heranziehe, um die Anwendung des alten Rechts zu begründen.

    Dieser Auffassung schließt der Senat sich an. Sie wird der Gesetzessystematik, in der Art. 1 Abs. 2 EGVVG erkennbar die Rolle einer Ausnahmevorschrift zukommt (dazu Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., Art. 1 EGVVG, Rn. 16 m. w. N.), am besten gerecht.

    2. Im Ergebnis vermag auch die Heranziehung des neuen VVG der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

    a) Zuzustimmen ist dem Kläger allerdings darin, dass eine Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten, auf die das Landgericht abgestellt hat, die Leistungspflicht der Beklagten unberührt lässt. Die Sanktionsregelung in § 17 Nr. 2 Sätze 1 bis 3 der hier maßgebenden Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) ist unwirksam, weil sie entgegen § 32 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG abweicht (vgl. BGH, NJW 2012, S. 217, 218 [BGH 12.10.2011 - IV ZR 199/10] m. w. N.).

    Die Lücke, die durch die Unwirksamkeit der vertraglichen Sanktionsregelung entstanden ist, kann - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch nicht durch eine unmittelbare oder eine auf § 306 Abs. 2 BGB gestützte Anwendung des § 28 Abs. 2 VVG geschlossen werden (vgl. BGH, aaO., S. 219 f.).

    Ebenso wenig ist es möglich, die unwirksame vertragliche Sanktionsregelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ersetzen (vgl. BGH, aaO., S. 221).

    b) Indes erweist sich das angegriffene Urteil aus einem anderen Grund im Ergebnis als zutreffend. Nach den in der ersten Instanz getroffenen Feststellungen hat der Kläger mindestens grob fahrlässig die in § 23 Abs. 3 VVG normierte Anzeigepflicht missachtet. Das führt gemäß § 26 VVG zu einer Leistungskürzung die zur Folge hat, dass die Klage abzuweisen ist:

    aa) Die Vorschriften über die Gefahrerhöhung gemäß §§ 23 VVG sind auch nach der jüngsten höchstrichterlichen Judikatur zu der Unwirksamkeit von Bestimmungen über die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in nicht angepassten Versicherungsbedingungen als Auffangregelungen anwendbar (vgl. BGH, NJW 2012, S. 217, 221 [BGH 12.10.2011 - IV ZR 199/10] m. w. N.).

    bb) Im Fall des Klägers ist nach Abschluss des Versicherungsvertrages eine (objektive) Gefahrerhöhung im Sinne des § 23 Abs. 3 VVG eingetreten.

    (1) Eine Gefahrerhöhung ist ganz allgemein eine nachträgliche Änderung der im Zeitpunkt der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (vgl. Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 23, Rn. 7 m. w. N.).

    In bestimmten Gestaltungen kann eines solche Gefahrerhöhung auch daraus resultieren, dass ein versichertes Gebäude leer steht. Ob dem Landgericht darin zu folgen ist, dass prinzipiell schon der Leerstand als solcher die Gefahr eines Leitungswasserschadens erhöht (verneinend BGH, NJW 1995, S. 56, 57 [BGH 19.10.1994 - IV ZR 159/93]; NJW-RR 2004, S. 1477 f.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2001, S. 1680, 1682; OLG Hamm, NVersZ 1999, S. 277, 278; Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 23, Rn. 25 m. w. N.), bedarf hier keiner Entscheidung. In Betracht zu ziehen ist eine Gefahrerhöhung bei leer stehenden Gebäuden jedenfalls dann, wenn das Leitungswasser in den Wintermonaten in den Rohren belassen wird und keine anderen ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um einem Leitungswasserschaden vorzubeugen (vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 1476, 1478 [BGH 23.06.2004 - IV ZR 219/03]; Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 23, Rn. 25).

    An eventuelle Sicherungsmaßnahmen zur Kompensation eines solchen Risikos werden tendenziell hohe Anforderungen gestellt. Beispielsweise hat das OLG Hamm es nicht ausreichen lassen, dass das Gebäude in den Wintermonaten leicht beheizt wird und ein Hausmeister ohne genauere zeitliche Vorgaben angewiesen wird, das Gebäude einmal täglich zu kontrollieren (NVersZ 1999, S. 277, 278; wohl zustimmend Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 23, Rn. 31).

    (2) Nach dem skizzierten Maßstab ist in der vorliegenden Konstellation von einer Gefahrerhöhung auszugehen. Bei der Entstehung des geltend gemachten Schadens lagen gefahrerhebliche Umstände vor, die den Eintritt des Versicherungsfalls deutlich wahrscheinlicher gemacht haben als im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

    (a) Zwar wird das fragliche Gebäude in dem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 13. Februar 2006 mit der nicht ganz eindeutigen Formulierung beschrieben: "Wohn- und Geschäftsgebäude [...] 67% Wohnungen/33% Büro zur Zeit leerstehend". Doch hat die Beklagte erläutert, dass seinerzeit höchstens das Büro leer gestanden habe, während die übrigen in Mitleidenschaft gezogenen Räumlichkeiten erst seit dem 1. März 2008 unbenutzt gewesen seien. Dem ist der Kläger, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht hervorhebt, nicht entgegengetreten. Überdies ist in der vom Schadenregulierer Wehrs erstellten "Verhandlungsniederschrift" ebenfalls festgehalten, dass die fraglichen Räume (erst) vom 1. März 2008 bis zum 28. Februar 2009 unbenutzt gewesen seien.

    (b) Danach hat eine nachträgliche Änderung gefahrerheblicher Umstände den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher gemacht. Zum einen waren die Räume im Ober- und im Dachgeschoss im Zeitpunkt des Schadenseintritts unstreitig nicht bewohnt. Zum anderen hat selbst das Erdgeschoss weitgehend leer gestanden. Die schriftsätzliche Behauptung des Klägers, der Anbau sei als Gesellschaftsraum vermietet gewesen (wohl an die "Bandidos") und er selbst habe die restlichen Räume in der unteren Etage als Lager/Werkstatt genutzt, steht in Widerspruch zu den Angaben, die der Kläger persönlich vor dem Landgericht gemacht hat. In der Sitzung am 13. Januar 2010 hat er erklärt, die "vormaligen Mieter" hätten sich im Januar 2009 gerade erst "wieder für eine Anmietung des Anbaus" interessiert. Ferner hat der Kläger an anderer Stelle erläutert, dass er selbst das Haus keineswegs täglich, sondern im Dezember 2008 ungefähr nur 3-mal pro Woche aufgesucht habe.

    Letztlich war somit die Wahrscheinlichkeit, dass ein frostbedingter Wasserschaden unbemerkt bleibt, Ende 2008/Anfang 2009 deutlich höher, als im Jahr 2006. Das gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass der Kläger das Gebäude vor dem Schadenfall (mäßig) beheizt hat. Eine Kompensation der Gefahrerhöhung hat der Kläger damit nicht bewirkt. Es liegt auf der Hand, dass das schon verhältnismäßig alte und in einem renovierungsbedürftigen Zustand befindliche Gebäude nach einem Heizungsausfall schnell auskühlen konnte. Das wird nicht zuletzt durch den Umfang des tatsächlich eingetretenen Schadens (aufgeplatzte Rohre an über 20 verschiedenen Stellen vom Keller bis zum Dachgeschoss, mehrere gerissene WC-Becken) eindrucksvoll untermauert.

    cc) Über die besagte Gefahrerhöhung hätte der Kläger die Beklagte gemäß § 23 Abs. 3 VVG unverzüglich in Kenntnis setzen müssen. In Konstellationen der hier vorliegenden Art entsteht die Anzeigepflicht zu Beginn des betreffenden Winterhalbjahres (vgl. BGH, NJW-RR 2004, S. 1476, 1478 [BGH 23.06.2004 - IV ZR 219/03] m. w. N.). Der Kläger hätte also spätestens Ende September 2008/Anfang Oktober 2008 mit der Beklagten wegen der Gefahrerhöhung Kontakt aufnehmen müssen. Das ist nicht geschehen.

    dd) Verletzt ein Versicherungsnehmer seine Pflicht zur Anzeige einer objektiven Gefahrerhöhung (§ 23 Abs. 3 VVG), so sanktioniert das Gesetz ein solches Verhalten nur dann, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen (§ 26 Abs. 2 Satz 1 VVG). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach dem Gesagten war die Monatsfrist Ende Oktober 2008/Anfang November 2008 abgelaufen. Der geltend gemachte Frostschaden ist hingegen frühestens in der zweiten Dezemberhälfte eingetreten. Wie der Zeuge H...bekundet hat, war die Heizung Mitte Dezember 2008 noch in Betrieb. Der Kläger selbst behauptet sogar, dass der Frostschaden erst im Januar 2009 entstanden sei.

    ee) Der Kläger hat die ihn treffende Anzeigepflicht grob fahrlässig verletzt. Ein solcher Verschuldensgrad wird gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs., Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. VVG vermutet. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen könnten, sind weder dargetan noch sonst erkennbar. Vielmehr ist der Schluss berechtigt, dass es sich dem Kläger geradezu aufdrängen musste, dass bei einem überwiegend ungenutzten Gebäude das Risiko eines unentdeckt bleibenden Heizungsausfalls und eines daraus resultierenden Frostschadens im Winterhalbjahr deutlich höher ist als bei einem bewohnten Haus. Ebenso lag es auf der Hand, dass die Beklagte als Gebäudeversicherer ein Interesse daran hatte, rechtzeitig über eine solche Gefahrerhöhung in Kenntnis gesetzt zu werden, um prüfen zu können, ob das Verhältnis zwischen Risiko und Prämie noch der bei Vertragsschluss vorausgesetzten Gefahrenlage entsprach.

    ff) Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Auffassung setzt eine Leistungsfreiheit oder -kürzung nicht voraus, dass "die unterlassene Anzeige einer Gefahrerhöhung den Eintritt des Versicherungsfalls mitverursacht hat". Vielmehr kommt es gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG darauf an, ob die Gefahrerhöhung selbst für den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich war oder nicht. Auch dieser Kausalzusammenhang wird vermutet (vgl. Karczewski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 26, Rn. 19).

    Der Kausalitätsgegenbeweis ist dem Kläger nicht gelungen. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme steht - ganz im Gegenteil - fest, dass sich gerade das Risiko eines Frostschadens auf Grund eines unentdeckt gebliebenen Abfalls der Raumtemperatur realisiert hat.

    gg) Die grob fahrlässige Missachtung der Pflicht zur Anzeige einer objektiven Gefahrerhöhung hat gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs., Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. VVG zur Folge, dass der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

    Nach Würdigung der konkreten Umstände, namentlich der oben im Zusammenhang mit dem Verschulden beleuchteten Aspekte, ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass hier eine Kürzung der Leistung um mindestens 60% gerechtfertigt ist. Ob sogar ein noch höherer Abzug in Betracht kommt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil die Klage - wie sogleich auszuführen sein wird - bereits unter Heranziehung der Untergrenze von 60% abweisen ist.

    hh) Der frostbedingte Schaden ist bei der für den Kläger günstigsten Betrachtung auf insgesamt 8.743,10 € einschließlich Umsatzsteuer zu beziffern:

    (1) Die Rechnung Nummer 0...der K... GmbH vom 23. März 2009 beläuft sich auf 7.490,90 € und hat hauptsächlich die Reparatur von Rohrbrüchen zum Gegenstand. Der Sachverständige W... hat sie auf ihre Schlüssigkeit überprüft. Dabei hat er kleinere Fehler sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Klägers festgestellt. Im Großen und Ganzen ist er aber der Meinung, dass die in der Rechnung Nummer 0...ausgewiesenen Positionen notwendig waren, um die geltend gemachten Frostschäden zu beseitigen. Im Ergebnis hält er einen Abzug von insgesamt 257,42 € für angezeigt. Die Netto-Rechnungssumme beläuft sich danach auf 6.037,45 € (6.294,87 € - 257,42 €), der Gesamtbetrag einschließlich Umsatzsteuer (1.147,11 €) folglich auf 7.184,56 €.

    (2) Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2010 hat der Kläger - gestützt auf eine Stellungnahme des Gas- und Wasserinstallateurmeisters H... - ausgeführt, auch in der Rechnung 090 186 der K... GmbH seien einzelne Positionen enthalten, die der Beseitigung der frostbedingten Rohrbrüche gedient hätten, und zwar in einer Größenordnung von insgesamt 558,54 €. Diesem Vortrag ist die Beklagte bislang, soweit ersichtlich, nicht entgegengetreten, so dass der genannte Betrag hier zu Gunsten des Klägers in Rechnung zu stellen ist.

    (3) Hinsichtlich der angeblichen Frostschäden an der Heizungsanlage hat der Sachverständige W... dargelegt, dass der Gussgliederblock hätte ausgetauscht werden müssen, was Kosten von ungefähr 1.000,00 € verursacht hätte. Weiter gehende Schäden, so der Sachverständige, ließen sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Vor dem Austausch des Heizungskessels hätte dieser mit Wasser abgedrückt werden müssen, um zu prüfen, ob und gegebenenfalls welche Teile durch eine Frosteinwirkung beschädigt worden sind.

    (a) Diese Aussagen provozieren die Frage, woraus der Sachverständige schließt, dass der Gussgliederblock dem Frost zum Opfer gefallen ist, während er im Übrigen - verständlicherweise - keine genauen Aussagen zu dem Zustand der von ihm nicht in Augenschein genommenen alten Heizungsanlage treffen konnte. Gleichwohl soll zunächst der vom Sachverständigen genannte Betrag von 1.000,00 € Berücksichtigung finden, um den höchsten in Betracht kommenden Frostschaden zu berechnen.

    (b) Dass ein 1.000,00 € übersteigender Frostschaden an der ursprünglichen Heizungsanlage entstanden ist, wird weder durch das vorliegende Sachverständigengutachten noch durch die Aussagen der vor dem Landgericht vernommenen Zeugen belegt.

    (aa) Der Zeuge K... hat zwar einen Haarriss im Kessel beschrieben. Doch lassen seine sonstigen Angaben darauf schließen, dass selbst er den angeblichen Haarriss nicht sicher auf eine Frosteinwirkung zurückführt. So hat er lediglich davon gesprochen, dass der Haarriss auf einen Frostschaden "hingedeutet" habe. Auf Nachfrage des Beklagtenvertreters hat er seine Aussage noch weiter relativiert, indem er ausgeführt hat, dass er sich zuletzt ein halbes Jahr vor den Reparaturarbeiten in dem Gebäude des Klägers aufgehalten habe und der Kessel jedenfalls in diesem Zeitpunkt funktionsfähig gewesen sei. Das reicht nicht aus, um einen konkreten Frostschaden an dem Heizungskessel nachzuweisen.

    (bb) Der Schadenregulierer W... hat vor dem Landgericht bekundet, dass er zwar mit dem Kläger und dem Zeugen K... den Heizungskeller besichtigt habe, dass dort aber keine Rede von einem Frostschaden am Heizungskessel gewesen sei. Vielmehr habe man erklärt, der Kessel solle "bei der Gelegenheit" ausgetauscht werden. Später, als es um die Rechnungen für die Entschädigung gegangen sei, habe der Zeuge K...sogar bestätigt, dass der Kessel nicht Gegenstand des Versicherungsfalls sei. Deshalb seien dann die Arbeiten an der Heizungsanlage separat abgerechnet worden.

    (c) Die Unsicherheiten mit Blick auf den Umfang des frostbedingten Schadens gehen - wie auch vom Landgericht angenommen - nach allgemeinen Beweisregeln zu Lasten des Klägers. Dies umso mehr, als der Kläger die alte Heizungsanlage hat austauschen lassen, obwohl der Schadenregulierer Wehrs seiner Aussage zufolge keine Reparaturfreigabe erteilt hatte.

    ii) Selbst wenn man auf der Basis der vorstehenden Überlegungen einen Frostschaden in Höhe von 8.743,10 € annimmt, obwohl eine ergänzende Sachaufklärung möglicherweise sogar zu einem geringeren Betrag führen würde, steht dem Kläger eine weitere Entschädigung nicht zu. Nach dem oben Gesagten kann der Kläger höchstens 40% seines Schadens, das heißt 3.497,24 €, ersetzt verlangen. Die Beklagte hat aber bereits vorprozessual eine Entschädigung in Höhe von 2.245,46 € gezahlt. Der restliche Betrag (1.251,78 €) bleibt unterhalb der zwischen den Parteien vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 1.500,00 €.

    c) In Betracht gezogen werden kann ein Recht zur Leistungskürzung nicht nur wegen einer schuldhaften Verletzung von Anzeigepflichten, sondern auch unter dem Aspekt einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls. Die jüngste höchstrichterliche Judikatur zu der Unwirksamkeit von Bestimmungen über die Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in nicht angepassten Versicherungsbedingungen steht einer Anwendung des § 81 VVG in Gestaltungen der vorliegenden Art nicht entgegen (vgl. BGH, NJW 2012, S. 217, 221 [BGH 12.10.2011 - IV ZR 199/10]). Nachdem jedoch schon die §§ 23 Abs. 3, 26 VVG der Forderung des Klägers den Boden entziehen, bedarf § 81 Abs. 2 VVG keiner genaueren Prüfung mehr.

    d) Da die Hauptforderung unbegründet ist, scheidet die begehrte Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten ebenfalls aus.

    RechtsgebietEGVVGVorschriften§ 1 Abs. 2 EGVVG