Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 08.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121426

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 20.03.2012 – 5 U 76/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Aktenzeichen: 5 U 76/12
    4 O 221/10 Landgericht Trier

    OBERLANDESGERICHT KOBLENZ

    BESCHLUSS

    In dem Rechtsstreit XXX
    wegen Arzthaftung
    hier: Nichtigkeitsklage

    weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz den Kläger darauf hin,
    dass beabsichtigt ist, seine Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen (§ 522 Abs. 2 ZPO).

    G r ü n d e:

    Der Senat ist einstimmig davon überzeugt ist, dass

    1. die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,

    2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,

    3. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und

    4. eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

    Das Landgericht hat die auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützte Klage zu Recht unter Bestätigung des inhaltsgleichen Versäumnisurteils abgewiesen. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.

    I.

    Der Berufungsführer, ein Gynäkologe, wendet sich mit seiner Nichtigkeitsklage gegen ein Versäumnisurteil des Landgerichts Trier, durch das er zur Zahlung von ins-gesamt 70.477,41 € nebst Zinsen an die Beklagte, seine ehemalige Patientin, verurteilt wurde. Daneben ist in der angefochtenen Entscheidung auch die Ersatzpflicht des Klägers für sämtliche weiteren Schäden festgestellt (4 O 17/07 Landgericht Trier).

    Der Kläger behauptet, er sei in jenem Verfahren durch die für ihn handelnden Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten gewesen, weil er die Anwälte nicht bevollmächtigt habe. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

    Die Klage in jenem Verfahren konnte dem dortigen Beklagten (jetziger Kläger) an seinem vormaligen Wohnort in ...[X] nicht zugestellt werden. Gleichwohl bestellte sich für ihn unter dem 6. März 2007 die Anwaltskanzlei ...[A] und Kollegen in ...[Y] (Bl. 41 d. A. 4 O 17/07 Landgericht Trier). Mit der Klagerwiderung teilten sie unter anderem mit, die hinter dem Kläger stehende Haftpflichtversicherung habe bereits 30.000 € gezahlt, damit sei die Patientin umfassend abgefunden. Daneben enthält die Klageerwiderung Ausführungen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs zwischen der Patientin und dem Kläger.

    Die Zustellung der weiteren Schriftstücke einschließlich der Ladungen zu den Gerichtsterminen erfolgte an die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen (§ 172 ZPO), die im weiteren Verfahren dann aber mitteilten, der Kontakt zum Kläger sei abgebrochen. Daraufhin erging das Versäumnisurteil, welches Gegenstand der Nichtigkeitsklage ist.

    Zu deren Begründung hat der Kläger vorgetragen, eine Prozessvollmacht habe er den Rechtsanwälten ...[A] und Kollegen nicht erteilt. Diese seien ausschließlich von seiner Haftpflichtversicherung beauftragt worden. Mangels Vollmacht seien sämtliche an die Anwälte bewirkten, jedoch nicht für den Haftpflichtversicherer als Auftraggeber, sondern für den Kläger als Prozesspartei bestimmten Zustellungen im Vorprozess unwirksam. Dementsprechend habe er von dem Vorprozess keinerlei Kenntnis gehabt. Das gleichwohl ergangene Versäumnisurteil müsse daher für nichtig erklärt werden.

    Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages hat sie vorgetragen, die im Jahre 2009 nach Erlass des Versäumnisurteils geführte Korrespondenz zwischen dem Kläger und der Anwaltskanzlei ...[A] und Kollegen beweise, dass der Kläger die genannten Anwälte 2007 bevollmächtigt, jedenfalls aber deren anwaltliche Tätigkeit genehmigt habe.

    Das Landgericht hat durch die nunmehr angefochtene Entscheidung ein die Nichtigkeitsklage abweisendes Versäumnisurteil bestätigt und zur Begründung ausgeführt, die Haftpflichtversicherung sei vom Kläger konkludent bevollmächtigt worden, die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen namens des Klägers zu beauftragen. Die entsprechende Vollmacht des Versicherers ergebe sich aber auch aus den AHB. Jedenfalls habe der Kläger die Prozessführung durch die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen genehmigt. Das erschließe sich aus der 2009 geführten Korrespondenz des Klägers mit den genannten Rechtsanwälten.

    Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er wiederholt den Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils im vorliegenden Verfahren und im Vorprozess und bittet um Abweisung der Haftungsklage der Patientin. Das Landgericht habe ihn mit seinen Erwägungen zu den AHB überrascht. Diese Erwägungen seien aber auch falsch, da AHB die erforderliche Prozessvollmacht nicht ersetzen könnten. Der Versicherungsnehmer müsse stets seinen anwaltlichen Prozessvertreter selbst bevollmächtigen. Von den Rechtsanwälten ...[A] und Kollegen habe er nicht vertreten sein wollen. Den Inhalt der 2009 geführten Korrespondenz habe das Landgericht falsch gewürdigt.

    II.

    Damit kann die Berufung - ungeachtet der noch ausstehenden Berufungserwiderung - nicht durchdringen. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger im Vorprozess durch die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen ordnungsgemäß vertreten war.

    Die Erwägungen des Landgerichts zu den AHB sind zutreffend und tragen die Klageabweisung, ohne dass es auf weitere Überlegungen noch ankommt.

    Die Rüge des Klägers, damit habe ihn das Landgericht überrascht, ist unbegründet. Die maßgebliche Rechtsfrage war von den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 9. Mai 2011 angesprochen worden. Die Erwartung, das Landgericht werde daran vorbeigehen, durfte der Kläger nicht haben.

    In rechtlicher Hinsicht sind die Erwägungen des Landgerichts wie folgt zu ergänzen und zu vertiefen:

    Die Leistungspflicht des Versicherers umfasst in der Haftpflichtversicherung die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, welche der Versicherungsnehmer aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu zahlen hat. Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (sogenannte Rechtsschutzverpflichtung) ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH ebenso wie die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche eine mit dieser gleichrangige Hauptleistungspflicht des Versicherers und nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht (vgl. BGHZ 119, 276 [281] und BGH in VersR 1976, 477). Der Versicherer hat nicht das Recht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Versicherten abzuwälzen (BGHZ 15, 154 [159]). Den Inhalt der Rechtsschutzverpflichtung hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 119, 276 (281) im Einzelnen beschrieben. Danach muss der Versicherer, der den Anspruch bestreiten will, alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist; er allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat er im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem unmittelbar beauftragter Anwalt tun würde.

    Die umfassende Verantwortlichkeit des Versicherers für die Abwehr des Haftpflicht-anspruchs ergibt sich insbesondere für den Fall des Rechtsstreits unmissverständlich aus den AHB - Klauseln. Die nach dem erstinstanzlichen Sach- und Streitstand maßgeblichen Klauseln der ...[B] Versicherung, die im Internet unter



    veröffentlicht sind, regeln unter § 3 Abs. 2 Nr. 3 AHB, dass der Versicherer den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten führt. Den Versicherungsnehmer trifft die Obliegenheit, die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen, dem von dem Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Voll-macht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig gehaltenen Aufklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4 AHB).

    Nach § 5 Nr. 6 AHB gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (vgl. BGH in VersR 2006, 1676 unter II 2 c). Wird gegen den VN ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, hat er dies dem Versicherer nur unverzüglich anzuzeigen (§ 5 Nr. 2 Abs. 4 AHB); alles Weitere ist Sache des Versicherers, insbesondere die Auswahl und Beauftragung des Rechtsanwalts auf seine Kosten (vgl. BGH in VersR 1963, 421 unter III). Ihrer so beschriebenen Rechtsschutzverpflichtung ist die ...[B] Versicherung nachgekommen und hat von der auf

    § 5 Nr. 6 AHB beruhenden Vollmacht des Klägers

    Gebrauch gemacht, indem sie die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen namens des Klägers beauftragte.

    Außerdem billigte der Kläger deren Tätigkeit in seinem Namen aber auch ausdrücklich, hätte er doch ansonsten den Anwälten nicht jene Informationen zum Inhalt des Aufklärungsgesprächs mit der Patientin erteilt, die in der Klagerwiderung des Vorprozesses dargestellt sind. Grundsätzlich wäre es dem Kläger wegen seiner ärztlichen Schweigepflicht verboten gewesen, über derartige Dinge mit den Rechtsanwälten ...[A] und Kollegen zu sprechen. Dass der Kläger es anders handhabte, beweist, dass er in Wahrnehmung berechtigter Interessen die genannten Anwälte als seine Prozessvertreter informierte.

    Das von der Berufung angesprochene Erfordernis einer unmittelbaren Bevollmächtigung gibt es nicht, da die Vollmacht von dem durch § 5 Nr. 6 AHB legitimierten Versicherer wirksam erteilt wurde. Dass es zweckmäßig im Sinne dieser Klausel war, namens des Klägers die Rechtsanwälte ...[A] und Kollegen zu beauftragen, steht außer Frage.

    Die Überlegungen der Berufung zu anderen AHB - Klauseln sind unerheblich, weil diese Klauseln auf § 80 ZPO zielen. Auf einen Mangel in diesem Bereich kommt es jedoch nicht an, was sich aus § 88 Abs. 2, zweiter Halbsatz ZPO ergibt.

    Der Hinweis der Berufung auf die in NJW - RR 2004, 536 abgedruckte Entscheidung des BGH geht fehl. Dort ging es um das Kostenerstattungsproblem bei Beauftragung separater Anwälte durch den (am Prozess beteiligten) Kfz. – Haftpflichtversicherer und dessen Versicherungsnehmer. Die AKB sind für den vorliegenden Fall ohne jede Bedeutung.

    Auch die in NJW 2010, 1377 – 1378 abgedruckte Entscheidung des 6. Zivilsenats des BGH vom 19. 01. 2010 - VI ZB 36/08 – befasst sich nicht mit der hier maßgeblichen versicherungsrechtlichen Frage, sondern mit einem Kostenerstattungsproblem.

    III.

    Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung.

    Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.

    Letztlich verspricht auch eine mündliche Verhandlung keinen Erkenntnisgewinn.

    Frist zur Stellungnahme: 10. April 2012

    Oberlandesgericht, 5. Zivilsenat
    Koblenz, den 20. März 2012
    Kaltenbach Goebel Weller
    Vorsitzender
    R i c h t e r a m O b e r l a n d e s g e r i c h t

    Anmerkung der Medienstelle:
    Anschließend wurde die Berufung zurückgenommen.