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  • 13.04.2012 · IWW-Abrufnummer 120161

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 10.10.2011 – 13 U 90/11

    Wird bei einer Lebensversicherung im Todesfall der Ehegatten, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist, das Bezugsrecht unwiderruflich eingeräumt, ist diese Bezugsberechtigung insolvenzanfechtungsrechtlich fest.


    Tenor:
    Den berufungsführenden Kläger auf die Absicht des Senats hinzuweisen, seine Berufung gegen das am 14. April 2011 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 27. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt im Beschlussweg gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückzuweisen.

    Gründe
    Der spätere Erblasser schloss mehrere Lebensversicherungen ab und setzte seine Ehefrau als Bezugsberechtigte ein. Nach dem Suizid des Erblassers am ....02.2009 wurde mit Beschluss vom 09.12.2009 das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 29.12.2009 focht der Kläger die Bezugsrechte der Beklagten, der Witwe, an. Streitgegenständlich ist nunmehr nur noch die Lebensversicherung zu Versicherungsschein ... der ... Versicherungen vom 19.11.1985 (Bl. 21), auf dessen Inhalt verwiesen wird. Das Versicherungsverhältnis wurde geändert und ein neuer Versicherungsschein unter dem 31.01.1991 (Bl. 22 ff/38) ausgestellt. In ihm wird u.a. unter der Überschrift "Leistungsempfänger" verlautbart:

    "Im Todesfall der Ehegatte, mit dem der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist.

    Sie haben ein unwiderrufliches Bezugsrecht verfügt."

    Mit am 14. April 2011 verkündetem Urteil, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat die Einzelrichterin der 27. Zivilkammer das klägerische Begehren auf Zahlung der Lebensversicherungssumme in Höhe von € 126.747,95 nebst Zinsen abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht des ersten Rechtszuges im wesentlichen ausgeführt, der Erblasser habe der Beklagten mit der Eheschließung - der Erblasser heiratete die Beklagte, seine dritte Ehefrau, erst nach 1991 - ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, weshalb sie bereits zu diesem Zeitpunkt eine gesicherte Rechtsstellung im Sinne der Insolvenzrechtsprechung erlangt habe.

    Gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Kläger form- und fristwahrend Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel begründet, mit welchem er sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt.

    Der berufungsführende Kläger bekämpft die landgerichtliche Rechtsansicht, wonach die Beklagte ein unwiderrufliches Bezugsrecht zugewandt bekommen habe. Er trägt in diesem Zusammenhang u.a. vor, auch die erste und zweite Ehefrau des Erblassers seien des nach landgerichtlicher Lesart unwiderruflichen Bezugsrechts durch die Auflösung der Ehe verlustig gegangen.

    Die Regelung im Versicherungsschein betreffend Bezugsberechtigung mache deutlich, dass die berechtigte Person erst mit dem Ableben des Versicherungsnehmers, also des Erblassers, festgestellt werden könne, weshalb nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung anfechtungsrechtlich die Zuwendung auch erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt sei. Bei einer in seiner Sichtweise allein zutreffenden rechtlichen Betrachtung müsse im Hinblick auf die Unabwägbarkeiten die Beklagte wie eine Person angesehen werden, zu deren Gunsten lediglich eine widerrufliche Bezugsberechtigung für den Fall des Todes ausgesprochen worden sei.

    Der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wegen wird auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 30. Mai 2011 verwiesen.

    Die Beklagte hat um Zurückweisung der Berufung nachgesucht und verteidigt das klägerseits angefochtene Urteil.

    Der Senat ist in seiner heutigen Vorberatung einstimmig zu der Rechtsauffassung gelangt, dass sich die Berufung nach derzeitigem Aktenstand als unbegründet darstellt, weshalb sie zurückzuweisen sein wird.

    Dem Kläger steht aus Rechtsgründen der auf § 143 I 1 InsO gestützte Anspruch nicht zu, weil die Bezugsberechtigung der Beklagten entgegen der klägerischen Meinung nicht gem. § 134 Abs.1 InsO der Anfechtung unterliegt.

    Zutreffend ist indessen der rechtliche Ausgangspunkt der klägerischen Überlegungen; denn die Beklagte hat tatsächlich eine unentgeltliche Leistung des Erblassers erlangt. Bestimmt der Versicherungsnehmer einen Dritten als Bezugsberechtigten, wendet dieser dem Dritten die vom Versicherer geschuldete Leistung zu. Anfechtungsrechtlich erfolgt diese Zuwendung auch unentgeltlich, weil der Empfänger der Leistung, also der sog. Bezugsberechtigte, für den Leistungsempfang nichts aufzuwenden hatte (vgl. Urteil des BGH vom 23.10.2003 zu Az. IX ZR 252/01 = BGHZ 156, 350 = NJW 2004, 214, hier zitiert nach JURIS; ausdrücklich bestätigt im Beschluss vom 27.04.2010 zu Az. IX ZR 245/09).

    Dass der Erblasser durch den Versicherer die Leistung an die Beklagte bewirkt hat, ist anfechtungsrechtlich ohne Relevanz, weil eine mittelbare Zuwendung der unmittelbaren Zuwendung gleichsteht (BGH aaO.).

    Auch entspricht es gesichertem Erkenntnisstand in Rechtsprechung und Rechtslehre, dass bei einer widerruflichen Bezugsberechtigung der Dritte vor Eintritt des Versicherungsfalls weder einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag noch eine sonstige gesicherte Rechtsposition - etwa ein Anwartschaftsrecht - erworben hat. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes sagt in dem vorzitierten Urteil, der widerruflich als Bezugsberechtigter eingesetzte Dritte besitze "lediglich eine mehr oder weniger starke tatsächliche Aussicht auf den Erwerb eines zukünftigen Anspruchs". Dieser Dritte erhalte erst im Todesfall einen rechtlich gesicherten Anspruch, auch wenn er sogleich im Versicherungsvertrag benannt werde (vgl. u.v.a. Dauernheim in FK-InsO, 6. Aufl. 2011, Rn. 27; Kirchhof in Müko-InsO, 2.Aufl. 2008, Rn. 16, jeweils zu § 134; Teslau/Prang im Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. 2009, § 14, Tz. 517 S. 1767; siehe auch Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung - ALB und BUZ Kommentar, 2. Aufl. 2011, § 13 ALB Rn. 341 f).

    Ist indessen die unentgeltlich zugewandte Bezugsberechtigung eine unwiderrufliche, so ist diese nur anfechtbar, wenn die unentgeltliche Leistung in den letzten vier Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde (§ 134 I a.E. InsO). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der kritische Zeitraum von vier Jahren vorliegend keine Rolle spielt, weshalb die Begründetheit bzw. Unbegründetheit der Berufung allein von der rechtlichen Bewertung abhängt, ob die Beklagte das Bezugsrecht aus der streitgegenständlichen Lebensversicherung widerruflich (so die Auffassung des Klägers) oder unwiderruflich eingeräumt bekommen hat. Der Senat bewertet in Übereinstimmung mit der Erstrichterin die Bezugsberechtigung der Beklagten als eine unwiderrufliche.

    Die Bezugsberechtigung ist in § 166 VVG a.F. bzw. in § 159 VVG n.F. geregelt. Die VVG - Reform hat, soweit die Fallrelevanz betroffen ist, keine Rechtsänderung herbeigeführt; denn mit der Reform sind nur die bislang vorgesehenen Beschränkungen des Anwendungsbereichs auf die Kapitalversicherung entfallen. Ob die Bezugsberechtigung widerruflich oder unwiderruflich eingeräumt wird, bestimmt sich allein nach den Festlegungen im Versicherungsvertragsverhältnis. So heißt es z.B. im Urteil des BGH vom 19.06.1996 zu Az. IV ZR 243/95:

    "Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht bildet der sofortige Rechtserwerb den eigentlichen Inhalt des Rechts. In diesem Falle ist ein Widerruf oder eine Änderung ohne Zustimmung des Bezugsberechtigten nicht möglich (BGHZ 45, 162, 165 f.). Ist das unwiderrufliche Bezugsrecht nur im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Bezugsberechtigten vereinbart, also nur im Valutaverhältnis, ist das Bezugsrecht allein schuldrechtlicher Natur und löst Rechte und Pflichten auch nur innerhalb des Valutaverhältnisses aus. Dagegen erhält das Bezugsrecht dingliche Wirkung, wenn auch im Deckungsverhältnis, also zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer bestimmt ist, dass der Dritte unwiderruflich zum Bezug der Versicherungsleistung berechtigt sein soll (s. zu alledem BGH, Urteil vom 25. April 1975 - IV ZR 63/74 - VersR 1975, 706 unter 1 a und b)."

    Charakteristikum eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist mithin der sofortige Erwerb des Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag (Prölss/Martin, VVG, 28.Aufl. 2010, Rn. 12 zu § 159 sowie in VVG, 27.Aufl. 2004, Rn. 7 zu § 166; Teslau/Prang im Handbuch Versicherungsrecht aaO. Tz 486 zu § 14, S. 1755; Brömmelmeyer im Versicherungsrechts-Handbuch, hrsg. von Beckmann, 2. Aufl. 2009, Tz. 234 zu § 42, S. 2597). Im Versicherungsfall "Tod" bedeutet dies, dass der Anspruch auf die Versicherungsleistung niemals zum Vermögen des Erblassers gehörte und daher auch nicht Teil der Insolvenzmasse wird (Benkel/Hirschberg, ALB- und BUZ-Kommentar aaO. Rn. 325 zu ALB 2008 § 13). Die Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung ist eine Erklärung des Versicherungsnehmers, hier also des Erblassers, gegenüber dem Versicherer und beinhaltet den Verzicht seines Rechtes, die Bezugsberechtigung zu ändern. Der Erblasser hat vorliegend unwiderruflich bestimmt, was sich auch so unmittelbar aus dem Versicherungsschein ergibt, dass Bezugsberechtigte die Frau sein soll, mit der er zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet ist, wobei er sich zu Nutze gemacht hat, dass die Person des Begünstigten im Versicherungsschein nicht namentlich benannt werden muss. Die Beklagte hat nach den allein maßgeblichen Regelungen im Versicherungsvertrag eine versicherungsrechtlich gesicherte Rechtsposition erhalten. Der Erwerb eines unwiderruflichen Bezugsrechts ist "anfechtungsfest", wenn danach mehr als vier Jahre bis zur Eröffnung des (Nachlass-) Insolvenzverfahrens vergehen (Anm. Kummer zum BGH Urteil vom 23.10.2003 zu Az. IX ZR 252/01 in JURIS Praxis-Report). Dass die Beklagte keinen Anspruch mehr auf die Versicherungsleistung gehabt hätte, wenn sie zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht mehr mit dem Versicherungsnehmer verheiratet gewesen wäre, ist insoweit ohne Bedeutsamkeit für die Frage, ob ihr ein widerrufliches oder unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt wurde. Dass die Bezugsberechtigung einen bestimmten personenrechtlichen Status zur Grundlage hat, welcher wiederum grundsätzlich veränderbar ist, ist für die hier zu treffende Wertung ohne Bedeutsamkeit; denn versicherungsrechtlich war der Beklagten die Versicherungsleistung mit Einräumung des Bezugsrechts eingeräumt worden und konnte vertragsrechtlich nicht mehr geändert werden. Die Rechtsprechung stellt für die Frage der Insolvenzanfechtung allein und ausschließlich auf die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten ab (siehe hierzu auch Urteil des BGH vom 29.01.1981 zu Az. IV a ZR 80/80).

    Die weitere Argumentation des Klägers, eine gesicherte Rechtsstellung der Beklagten sei auch deshalb nicht gegeben, weil der Versicherungsnehmer es zum Beispiel in der Hand gehabt habe, den Versicherungsvertrag zu kündigen oder die Versicherungssumme herabzusetzen, macht deutlich, dass möglicherweise die versicherungsrechtliche Rechtslage nicht richtig eingeschätzt wird. Es ist nämlich gesicherter Erkenntnisstand, dass auch bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht der Versicherungsnehmer Vertragspartner des Versicherers bleibt und er das Dispositionsrecht über den Vertrag behält, diesen also insbesondere kündigen oder in eine prämienfreie Versicherung umwandeln kann (Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. 2010, Rn. 12 zu § 159; Meixner/Steinbeck, Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl. 2011 S. 21). Versicherungsrechtlich ist allein entscheidend, ob der Versicherungsnehmer noch über den Anspruch auf die Versicherungsleistung verfügen kann. Kann er dies nicht, fällt der Anspruch auch nicht in die (Nachlass-) Insolvenzmasse; denn der Anspruch steht originär dem Bezugsberechtigten zu. Der Kläger selbst stellt nicht in Abrede, dass er ein unwiderrufliches Bezugsrecht der Beklagten nicht anfechten kann. Seiner Argumentation, ihr Bezugsrecht müsse entgegen den Verlautbarungen im Versicherungsschein insolvenzrechtlich als widerruflich angesehen werden, kann aus den vorstehenden und nach Senatsansicht auch gleichsam zwingenden Gründen nicht gefolgt werden. Das Insolvenzrecht muss dem Versicherungsvertragsrecht folgen.

    Auch in der klägerseits immer wieder zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 23.10.2003 wird auf die versicherungsrechtliche Qualität der Bezugsberechtigung (widerruflich oder unwiderruflich) hinsichtlich der Berechtigung zur Insolvenzanfechtung abgestellt. Nichts anderes ergibt sich aus der ebenfalls klägerseits in Bezug genommenen Entscheidung vom 29.01.1981. Dort wird den Rechtserwägungen die Aussage vorangestellt: "Entscheidend ist der bei der Festlegung des Bezugsberechtigten vorhandene und der Versicherung gegenüber auch zum Ausdruck gekommene Wille des Versicherungsnehmers" (Tz. 18 bei JURIS). Dieser ist vorliegend eindeutig dahin gehend geäußert worden, dass die Ehefrau zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (originär) Begünstigte sein soll.

    Der Senat kann die aus seiner übereinstimmenden Ansicht unbegründete Berufung auch im Beschlussweg zurückweisen, weil er gegen seine Entscheidung nicht die Revision zulassen muss; denn er setzt sich mit seiner Entscheidung nicht in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Rechtslage ist auch durch die einschlägige Rechtsprechung hinreichend geklärt.

    Zu der beabsichtigten Zurückweisung der Berufung kann der Kläger

    bis zum 4. November 2011

    Stellung nehmen. Es wird darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung kostenprivilegiert ist.

    Hinweise

    Rechtskraft: ja

    Vorschriften§ 134 InsO