Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 23.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242827

    Oberlandesgericht Koblenz: Urteil vom 08.11.2023 – 10 U 1716/22

    Einem Versicherungsnehmer, der den Antrag auf Abschluss einer kapitalbildenden Lebensversicherung vor dem 29.07.1994 gestellt hat, steht ein Widerrufsrecht unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung zu, sofern die Voraussetzungen nach Art. 16 § 11 des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG vom 21.07.1994 erfüllt sind; § 5a VVG sowie § 8 Abs. 5 VVG in der seit dem 29.07.1994 geltenden Fassung sind in diesem Fall nicht anzuwenden.


    Oberlandesgericht Koblenz 

    Urteil vom 08.11.2023


    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte: ...
    gegen
    ...
    - Beklagter und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte: ...

    wegen Rückabwicklung von Lebensversicherungen

    hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch ... auf Grund des Sachstands vom 04.10.2023 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 23.09.2022 wird zurückgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund der Entscheidungen vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 41.670,96 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Kläger begehrt die Rückabwicklung von drei Lebensversicherungsverträgen.

    Der Kläger beantragte am 20.07.1994 bei dem Beklagten den Abschluss von drei kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen.

    Im Antragsformular befand sich jeweils unter der Ziffer IX. ("Schlusserklärungen") Nr. 2. ein umrandetes Feld, das mit in Fettdruck gehaltener Schrift mit Widerrufsrecht überschrieben war und folgende Belehrung enthielt (vgl. zur Gestaltung und den Einzelheiten Anlage B 1):

    "Ich kann meinen Antrag auf Kapital-Lebensversicherung und Unfallversicherung innerhalb von 10 Tagen nach seiner/ihrer Unterzeichnung widerrufen, und zwar auch dann, wenn der Versicherer ihn/sie bereits angenommen hat. Mein Widerruf wird nur wirksam, wenn er in schriftlicher Form innerhalb der genannten Fristen beim Versicherer eingegangen ist. (Vgl. auch Nr. 2.3 und 3.4 auf der Rückseite)."

    Der Beklagte nahm die Anträge mit Übersendung der jeweils am 04.08.1994 ausgestellten Versicherungsscheine (vgl. Anlagen K1, K8 und K 13) an. Mit Schreiben vom 08.03.2018 (Anlage K6) widersprach der Kläger dem Zustandekommen aller Verträge und erklärte vorsorglich jeweils den Rücktritt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Verträge seien nicht durch die erklärten Gestaltungsrechte erloschen, denn es sei dem Kläger jedenfalls nach § 242 BGB verwehrt, gegen den Beklagten Ansprüche aus einer Vertragsrückabwicklung geltend zu machen. Denn bei einer Gesamtschau aller drei Verträge erweise sich die Ausübung der Gestaltungsrechte als grob widersprüchlich und treuwidrig. So habe der Kläger seine Ansprüche für den Todesfall aus dem Vertrag mit der Endnummer -... abgetreten. Zudem habe er hinsichtlich dieses Vertrages nachträglich den Einschluss einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung mit dem Beklagten vereinbart. Darüber hinaus habe er bei den Verträgen mit den Endziffern -... und -... der vereinbarten Dynamik widersprochen und jeweils eine Beitragsfreistellung beantragt. Schließlich habe der Kläger die Verträge 23 Jahre beanstandungslos durchgeführt.

    Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er sei nicht über sein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. belehrt worden. Dies gelte hilfsweise auch für das ab dem 29.07.1994 geltende Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. Diese Vorschrift sei auch anwendbar - und nicht § 8 Abs. 4 VVG (Widerrufsrecht) in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung -, da es für die Frage des anwendbaren Rechts auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankomme, der aber erst nach der Gesetzesänderung erfolgt sei. Der Beklagte hätte daher der Gesetzesänderung Rechnung tragen und ihn bei Übersendung der Versicherungsscheine über sein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. in der seit dem 29.07.1994 geltenden Fassung belehren müssen, was er jedoch nicht getan habe. Unabhängig davon sei die ihm bei Antragstellung erteilte Belehrung formal nicht ordnungsgemäß gewesen, da sie nicht drucktechnisch hervorgehoben gewesen sei. Es seien auch keine Umstände gegeben, die eine Verwirkung der Ausübung von Gestaltungsrechten begründen könnten.

    Der Kläger beantragt,

    das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von gesamt 41.670,96 €, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu bezahlen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Dem Kläger habe kein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a.F. zugestanden, da den Verträgen jeweils von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigte Bedingungen zugrunde gelegen hätten. Deswegen sei für den Vertrag auch das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG a.F. (entsprechend) der bis zum 28.07.1994 geltenden Rechtslage) einschlägig, über das der Kläger bei Antragstellung formell und inhaltlich ordnungsgemäß belehrt worden sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf alle zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat mit Beschluss vom 25.07.2023 (Bl. 148 - 154 eA/OLG) darauf hingewiesen, dass die Berufung aus seiner Sicht keinen Erfolg haben dürfte. Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

    II.

    Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Rückzahlung gezahlter Prämien gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB und Herausgabe von Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1 BGB zu. Die von ihm gegen das Zustandekommen der Verträge erklärten Widersprüche waren unwirksam, da ihm schon kein Widerspruchsrecht zustand. Gleiches gilt, soweit sich der Kläger auf ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG in der seit dem 29.07.1994 geltenden Fassung beruft. Vielmehr hatte der Kläger lediglich ein Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung, über das er ordnungsgemäß belehrt worden ist und welches er nicht fristgerecht ausgeübt hat.

    1.

    Zunächst kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er sei nicht über sein Widerspruchsrecht im Sinne von § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG in der ab dem 29.07.1994 geltenden Fassung des VVG belehrt worden, weswegen ihm noch zum Zeitpunkt seiner Erklärung vom 08.03.2018 ein Widerspruchsrecht zugestanden habe. Denn § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. war auf die im Streit stehenden Verträge nicht anwendbar, so dass der Kläger kein Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. hatte.

    a.

    Nach Artikel 16, § 11 des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG vom 21.07.1994 (Bundesgesetzblatt 1994, Teil 1, S. 1630) findet auf Versicherungsverträge, die bis zum 31.12.1994 zu von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen wurden, § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag - der gemäß Artikel 2 neu eingefügt wurde - keine Anwendung.

    b.

    Diese Voraussetzung liegt hier vor. Der Beklagte hat nachgewiesen, dass die von ihm verwendeten Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung von dem seinerzeit zuständigen Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen genehmigt waren. Der Beklagte hat dazu nunmehr eine Auskunft der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom 29.09.2016 (vgl. Bl. 135 eA/OLG) vorgelegt, die diese in einem anderen Verfahren erteilt hat. Dort hat die BaFin mitgeteilt, dass die aus der dortigen Gerichtsakte ersichtlichen Bedingungen - Allgemeine Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung, Stand: 7/92 - mit Schreiben vom 31.07.1992 unter dem Aktenzeichen ... genehmigt worden seien. Daraus folgt, dass sich das Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 31.07.1992 (Anlage BLD 25) auf die Versicherungsbedingungen Stand 7/92 bezieht. Diese hat der Beklagte auch bei den hiesigen Lebensversicherungen verwendet. Denn die vom Kläger vorgelegten Bedingungen weisen auf der ersten Seite am Ende - unten links - jeweils aus, dass es sich um Bedingungen Stand 7/92 handelt (vgl. dazu Anlagen K2, Bl. 16.3 eA/LG; K 9, Bl. 16.47 eA/LG und K14, Bl. 16.83 eA/LG) und damit um von der Aufsichtsbehörde genehmigte Bedingungen.

    2.

    Der Kläger kann auch kein Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 VVG in der ab dem 29.07.1994 gültigen Fassung herleiten. Maßgeblich ist vielmehr das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der vom 17.12.1990 bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung.

    a.

    Die Besonderheit des vorliegenden Sachverhaltes liegt darin begründet, dass der Kläger seine Anträge auf Abschluss der Lebensversicherungsverträge am 20.07.1994 und damit vor der Änderung des VVG gestellt hat. Diese hat der Beklagte ausweislich des aus den Versicherungsscheinen jeweils ersichtlichen Datums frühestens am 04.08.1994 und damit nach Änderung des VVG angenommen. Insoweit stellt sich die Frage, auf welche Fassung des VVG in diesem Fall abzustellen ist. Dies ist deswegen von entscheidender Bedeutung, weil sich die Voraussetzungen des zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 8 Abs. 4 VVG geltenden Widerrufsrechts und des zum Zeitpunkt der Vertragsannahme sich aus § 8 Abs. 5 VVG ergebenden Rücktrittsrechts maßgeblich unterscheiden. Während nach § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung die Widerrufsfrist zehn Tage ab Unterzeichnung des Versicherungsantrages betrug, galt für das ab dem 29.07.1994 eingeführte Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG eine Frist von vierzehn Tagen nach Abschluss des Vertrages. Zudem war für die Einhaltung der Frist nach § 8 Abs. 4 VVG der Eingang der Erklärung beim Versicherer maßgeblich, während nach § 8 Abs. 5 VVG zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung genügte.

    b.

    Der Senat ist der Auffassung, dass dem Kläger ein Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung zustand.

    aa.

    So wird in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall, dass § 5a VVG wegen der Verwendung von der Aufsichtsbehörde genehmigter Versicherungsbedingungen nicht zur Anwendung kommt, auch nicht auf § 8 Abs. 5 VVG abgestellt, sondern auf § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung. So hat das OLG Frankfurt § 8 Abs. 4 VVG auch dann in einem Fall für anwendbar angesehen, in dem der Antrag erst nach dem 28.07.1994 (am 29.10.1994) gestellt worden war. Es hat sich dabei nicht einmal mit der Frage befasst, ob in diesem Fall § 8 Abs. 5 VVG in der ab dem 29.07.1994 geltend Fassung zur Anwendung kommen könnte (vgl. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 03.03.2016 - 15 U 37/15 [Anlage BLD 26]). Auch das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Rechtsstreit, in dem der Antrag am 26.11.1994 - und damit ebenfalls erst nach der Gesetzesänderung - gestellt wurde und der Versicherer genehmigte Versicherungsbedingungen verwendet hat, für die Widerrufsmöglichkeit auf § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung abgestellt und dabei ebenfalls eine Anwendung von § 8 Abs. 5 VVG nicht angesprochen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.08.2015 - 9 U 82/14 [Anlage BLD 27] - sowie nachfolgender, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisender Beschluss des BGH vom 19.06.2016 - IV ZR 441/15 [Anlage BLD 28]). Das Oberlandesgericht Dresden hat dazu (Antragstellung war im dortigen Fall der 10.11.1994) ausgeführt, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 5 VVG in der seit dem 29.07.1994 geltenden Fassung bei Lebensversicherungen zwar ein Rücktrittsrecht vorsehe. Nach § 8 Abs. 6 VVG finde diese Regelung des § 8 Abs. 5 VVG 1994 allerdings keine Anwendung, soweit der Versicherungsnehmer ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG habe. Diese Regelung sei Folge dessen, dass der Gesetzgeber dem Versicherungsnehmer beim Vertragsschluss im Policenmodell nicht kumulativ ein Widerspruchs- und Widerrufs- bzw. Rücktrittsrecht einräumen wollte. Hieraus folge, dass dem Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung bei einem bis zum 31.12.1994 erfolgten Vertragsschluss im Policenmodell weder ein Widerspruchsrecht nach § 5a VVG 1994 noch ein Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG 1994 zustehe, wenn dem Versicherungsvertrag Versicherungsbedingungen zugrunde liegen, die durch die Aufsichtsbehörde genehmigt worden sind (vgl. dazu OLG Dresden, Beschluss vom 03.01.2019 - 4 U 1303/18, BeckRS 2019, 1471 Rn. 4; so auch Senat, Urteil vom 04.01.2017 - 10 U 1037/15).

    Für eine Anwendbarkeit von § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung spricht für den Senat, dass der Gesetzgeber gesehen hat, dass wegen der knappen Übergangszeit zwischen Verabschiedung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten einerseits, der notwendigen technischen Vorbereitungszeit zur Umsetzung dieses Gesetzes in die Vertriebspraxis der Versicherer andererseits die Einräumung einer Übergangsfrist unumgänglich sei (vgl. zur Gesetzesbegründung Bundestags-Drucksache 12/7595 zum Entwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG, Artikel 13 [Übergangs- und Schlussbestimmungen] Bl. 114). Dies hat er zum einen im Hinblick auf den neuen Artikel 13 § 1a betont und es für sachlich angemessen erachtet, hinsichtlich der Aufklärungs- und Informationspflichten den alten Rechtszustand insoweit aufrechtzuerhalten, als die Versicherungsunternehmen vor dem 01.07.1994 genehmigte Versicherungsbedingungen verwenden. Zum anderen hat er zum neuen Artikel 13 § 10 ebenfalls ausgeführt, dass die Einräumung einer Übergangsfrist unumgänglich sei. Soweit der Versicherer daher Versicherungsprodukte aufgrund bereits genehmigter Versicherungsbedingungen vertreibe, könne es für die Übergangsphase beim bisherigen Rechtszustand verbleiben. Auf eine Anwendung von § 5a VVG könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann nicht verzichtet werden, wenn der Versicherer neue, nicht von der Aufsichtsbehörde genehmigte Versicherungsbedingungen verwende.

    Aus beiden Begründungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Versicherern wegen der knappen Zeit zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes eine Übergangszeit bis zum 31.12.1994 einräumen wollte. Er hat dabei in beiden Fällen deutlich gemacht, dass es bei dem alten Rechtszustand verbleiben soll, wenn der Versicherer weiterhin genehmigte Versicherungsbedingungen verwendet. Auch wenn sich in der Begründung zu den Übergangs- und Schlussbestimmungen keine ausdrücklichen Ausführungen dazu befinden, was für die Änderung des § 8 gelten sollte, so ist für den Senat kein Grund ersichtlich, weshalb es bei der Verwendung von genehmigten Versicherungsbedingungen nicht auch insoweit bis zum 31.12.1994 beim alten Rechtszustand verbleiben sollte. Denn auch die Umstellung der Belehrung über das Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 4 VVG, die bereits bei Antragstellung zu erteilen war, in ein Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG war für den Versicherer mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Dies zeigt sich anschaulich schon in dem vorliegenden Sachverhalt, weil der Beklagte in diesem Fall gehalten gewesen wäre, den Kläger bei Übersendung des Versicherungsscheins nochmals über das nunmehr geltende Rücktrittsrecht zu belehren.

    bb.

    Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich aus den Übergangs- und Schlussbestimmungen in Artikel 13 für diesen Fall keine Regelung herleiten lässt, würde sich die Frage, welche Gesetzesfassung Anwendung findet, nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Kollisionsrechts richten. Daraus folgt, dass der Versicherungsvertrag, der durch Zugang der in dem Versicherungsschein enthaltenen Annahmeerklärung des Beklagten zustande gekommen ist, und die daraus folgenden Rechtswirkungen grundsätzlich nach der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Rechtslage beurteilt werden müssen, während andererseits zur Vermeidung einer - verfassungsrechtlich problematischen - Rückwirkung in der Vergangenheit vorgenommene Rechtshandlungen weiterhin dem früheren Recht unterliegen und Vorschriften, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch danach keine Anwendung finden. Demnach behält eine bei Antragstellung erteilte ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ihre Wirkung auch dann, wenn der Versicherer den vom Versicherungsnehmer unterzeichneten Antrag erst später - nach einer Gesetzesänderung - annimmt. Denn mehr als ein zum Zeitpunkt der Belehrungserteilung gesetzeskonformes Handeln kann von der Versicherung nicht verlangt werden (vgl. dazu OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.11.2021 - 5 U 32/21, BeckRS 2021, 39357 für einen vergleichbaren Sachverhalt; siehe dazu auch Hönle in Staudinger, EGBGB, Neubearbeitung 2018, Art. 170 Rn. 4). Der Senat vermag sich daher auch nicht der anderweitigen Auffassung des OLG Rostock anzuschließen (Hinweisbeschluss vom 05.03.2021 - 4 U 151/20, BeckRS 2021, 24175). Denn das OLG Rostock setzt sich nicht mit der Frage auseinander, weshalb eine bei Antragstellung dem geltenden Recht entsprechende Belehrung (siehe dazu nachfolgend unter 3.) über das Widerrufsrecht ohne Bedeutung bleiben soll.

    3.

    Unter Anwendung von § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung hat der Kläger sein Widerrufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt.

    a.

    Nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. konnte ein Versicherungsnehmer innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung schriftlich widerrufen, wenn ein Versicherungsvertrag mit einer längeren Laufzeit als ein Jahr abgeschlossen wurde. Maßgeblich für die Wahrung der Frist war der Eingang der schriftlichen Widerrufserklärung bei dem Versicherer.

    b.

    Binnen dieser Frist von zehn Tagen nach Antragstellung hat der Kläger jedoch keinen der drei Verträge widerrufen, obwohl er gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. ordnungsgemäß und schriftlich bei Antragstellung über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

    aa.

    Seinem Wortlaut nach enthielt § 8 Abs. 4 VVG a.F. zwar keine über die Schriftlichkeit hinausgehenden Vorgaben zur Form der Belehrung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss eine gesetzlich angeordnete Belehrung, damit sie ihren Zweck erreichen kann, jedoch inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Weiter erfordert der Zweck einer solchen Vorschrift, dem auch der Sinngehalt des Wortes "Belehrung" entspricht, eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Deshalb kann nur eine Erklärung, die darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das Wissen, um das es geht, zu vermitteln, als Belehrung angesehen werden (BGH, Urteil vom 16.10.2013 - IV ZR 52/12, BeckRS 2013, 18783 Rn. 14 m.w.Nachw.).

    bb.

    Diesen Anforderungen genügte die Belehrung, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. dazu Senat, Urteil vom 04.01.2017, aaO und Hinweisbeschluss vom 08.11.2016 - 10 U 783/16). Sie ist in der über dem Unterschriftenfeld befindlichen Rubrik "Schlusserklärungen" durch eine Umrahmung und die darin in Fettdruck gehaltene Überschrift "Widerrufsrecht" gut sichtbar und aufgrund ihrer Platzierung auch nicht leicht zu übersehen. Inhaltlich entsprach sie zudem den gesetzlichen Anforderungen.

    4.

    Demnach hat das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auf die Frage, ob es dem Kläger gemäß § 242 BGB verwehrt ist, gegen den Beklagten Ansprüche aus einer Vertragsrückabwicklung geltend zu machen, kommt es daher nicht mehr an.

    5.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    6.

    Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

    7.

    Die Revision wird nicht zugelassen, da ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegt. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Senat hat sich bei seiner Entscheidung der Auffassung anderer Oberlandesgerichte angeschlossen. Ein Zulassungsgrund folgt auch nicht daraus, dass das OLG Rostock eine andere Einschätzung vertritt. Denn das OLG Rostock hat seine Auffassung in einem Hinweisbeschluss geäußert. Die Abweichung von einer in einem Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung erfordert aber noch keine Zulassung wegen einer Divergenz (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20.11.2019 - 1 BvR 2400/17, GRUR 2020, 419 - zitiert nach beck-online). Zudem ist das OLG Karlsruhe in der bereits angeführten Entscheidung für den vorliegenden Sachverhalt ebenfalls von einer Anwendbarkeit von § 8 Abs. 4 VVG in der bis zum 28.07.1994 geltenden Fassung ausgegangen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof in der ebenfalls zitierten Entscheidung zurückgewiesen, was für den Senat dafür spricht, dass der Bundesgerichtshof diese rechtliche Bewertung nicht beanstandet hat. Schließlich hat sich das OLG Rostock auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, weshalb eine bei Antragstellung dem geltenden Recht entsprechende Belehrung über das Widerrufsrecht ohne Bedeutung bleiben soll.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 8 Abs. 4 (i.d.F. bis 28.07.1994) VVG, § 8 Abs. 5 (i.d.F. seit 29.07.1994) VVG