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  • 10.02.2023 · IWW-Abrufnummer 233701

    Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 05.08.2022 – 5 U 15/22

    1. Beharrt der Versicherungsnehmer auch nach zutreffender Erläuterung der seit 1. Januar 2008 geltenden Rechtslage weiterhin auf der Wirksamkeit des von ihm erklärten "Widerspruchs" nach § 5a VVG a.F. und einer Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen, kann diese Erklärung im nachfolgenden Rechtsstreit nicht als Widerruf nach §§ 8, 152 VVG behandelt werden.

    2. Der Nachweis der Aushändigung der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VVG genannten Unterlagen kann als geführt anzusehen sein, wenn entsprechende Erklärungen im Antragsformular mangels näherer Erläuterung zu einem abweichenden Hergang nicht ausgeräumt und im Rechtsstreit einerseits - pauschal - der Erhalt dieser Unterlagen in Abrede gestellt, andererseits aber auch darin angeblich fehlende Einzelinformationen gerügt werden.

    3. Zur Rechtswirksamkeit einer mit dem Versicherungsschein übermittelten Widerrufsbelehrung, die dem gesetzlichen Muster entspricht, wenn das Antragsformular bereits einen verkürzten Hinweis auf das Widerrufsrecht und auf die noch zu erteilende "ausführliche Belehrung" enthielt.


    Oberlandesgericht Saarbrücken

    Beschluss vom 05.08.2022


    Tenor:

    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 30. Dezember 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 312/20 - einstimmig ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
    2. Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Rentenversicherungsvertrages mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatz- und Unfallzusatzversicherung (Versicherungsschein Nr. ... vom 30. November 2012). Der vom Kläger am 29. November 2012 unterzeichnete Antrag (Anlage B1) mit Versicherungsbeginn 1. Dezember 2012 und einer Beitragszahlungsdauer von 37 Jahren in der Leibrentenversicherung enthielt unter "Wichtige Hinweise und Schlusserklärungen" u.a. folgenden Hinweis (in Fettdruck):

    Nach §§ 8, 152 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) können Sie diesen Antrag innerhalb von 30 Tagen widerrufen. Die Widerrufsfrist beginnt nicht vor Zugang des Versicherungsscheins. Eine ausführliche Belehrung über das Widerrufsrecht und die Rechtsfolgen erhalten Sie mit dem Versicherungsschein.

    Außerdem fanden sich dort u.a. Erklärungen, dass der Versicherungsschutz auch dann zum beantragten Datum beginnen solle, wenn die Widerrufsfrist zu diesem Termin noch nicht abgelaufen ist, sowie eine Bestätigung über den Erhalt verschiedener Unterlagen (u.a. Rentenversicherung-Produktinformationsblatt, LR-Modellrechnung, Allgemeine und Besondere Versicherungsbedingungen ABART-T 01/2012 mit Anhang, BUZV 01/2012, BUZ-B 01/2012, BBL 01/2012, Vertragsinformationen). Mit dem Versicherungsschein wurde dem Kläger folgende, im Begleitschreiben gesondert erwähnte Widerrufsbelehrung übermittelt:

    Widerrufsbelehrung

    Widerrufsrecht

    Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, nachdem Sie den Versicherungsschein, die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der VVG-Informationspflichtenverordnung und diese Belehrung jeweils in Textform erhalten haben.

    Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:

    (...)

    Widerrufsfolgen

    Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der Versicherungsschutz und wir erstatten Ihnen den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn Sie zugestimmt haben, dass der Versicherungsschutz vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt. Den Teil der Prämie, der auf die Zeit bis zum Zugang des Widerrufs entfällt, dürfen wir in diesem Fall einbehalten; dabei handelt es sich bei Verträgen mit laufender Beitragszahlung um den Betrag, der sich aus der Anzahl der Tage, an denen Versicherungsschutz bestanden hat, multipliziert mit 1/360 des auf das Jahr berechneten Beitrags, ergibt. Den Rückkaufswert und die Überschussanteile nach § 169 des Versicherungsvertragsgesetzes zahlen wir Ihnen aus. Die Erstattung zurückzuzahlender Beträge erfolgt unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs. Beginnt der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist, hat der wirksame Widerruf zur Folge, dass empfangene Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben sind.

    Besondere Hinweise

    Ihr Widerrufsrecht erlischt, wenn der Vertrag auf Ihren ausdrücklichen Wunsch sowohl von Ihnen als auch von uns vollständig erfüllt ist, bevor Sie Ihr Widerrufsrecht ausgeübt haben.

    Ende der Widerrufsbelehrung.

    Während der Vertragslaufzeit beantragte der Kläger wiederholt den Abschluss von "Unterbrechungsvereinbarungen", zuletzt führte er den Vertrag beitragsfrei fort, mit Schreiben vom 16. Juni 2020 erklärte er (wörtlich), dass er dem Vertrag "widerspreche", und bat um Rückzahlung geleisteter Beiträge. Der Beklagte wies das zurück und hielt daran auch nach einem erneuten "Widerspruch" der Prozessbevollmächtigten des Klägers (Schreiben vom 31. Juli 2020) fest.

    Der Kläger hat seinen "Widerspruch" nach § 5a VVG a.F. für wirksam, insbesondere rechtzeitig, gehalten und hierzu behauptet, weder die Versicherungsbedingungen noch die Verbraucherinformationen erhalten zu haben, insbesondere hätten darin Angaben zur Antragsbindungsfrist (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 VVG-InfoV), zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG-Info-V) und zu den Berechnungsgrundsätzen der Überschussermittlung und Überschussbeteiligung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV) gefehlt. Auch die erteilte Belehrung sei unwirksam, nämlich nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben gewesen, zudem stehe sie im Widerspruch zur "Belehrung" auf Seite 8 des Antrages, die abweichend über den Lauf der Widerrufsfrist informiere, weshalb die gesetzliche Wirksamkeitsfiktion nicht eingreife. Mit dieser Begründung und weiterem Vortrag auch zur Berechnung des Anspruchs hat er die Feststellung gemäß § 256 Abs. 2 ZPO beantragt, dass dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages wirksam widersprochen worden sei sowie, im Wege der Stufenklage, Auskunft und Zahlung verlangt. Der Beklagte hat die Zwischenfeststellungsklage für unzulässig und den Widerruf für verfristet gehalten. Der Kläger habe bereits bei Antragstellung sämtliche in der Schlusserklärung genannten Dokumente erhalten, diese seien ihm wie darin bestätigt, in digitaler Form auf CD/USB übergeben und außerdem mit dem Versicherungsschein nochmals in Papierform übersandt worden. Die dort gut erkennbar beigefügte Widerrufsbelehrung sei kraft gesetzlicher Fiktion wirksam gewesen; dies werde durch den vorherigen Hinweis im Antragsformular nicht in Frage gestellt. Im Übrigen habe der Kläger angesichts wiederholter Beitragsaussetzung und Wideraufnahme des Vertrages sein Widerspruchsrecht verwirkt.

    Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 168 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat die Zwischenfeststellungsklage bereits für unzulässig und die Stufenklage insgesamt für unbegründet erachtet, weil der vom Kläger erstmals im Jahre 2020 erklärte Widerruf verfristet gewesen sei. Nach den Umständen sei erwiesen, dass der Kläger bei Vertragsschluss alle maßgeblichen Vertragsunterlagen erhalten habe und diese auch inhaltlich vollständig gewesen seien. Auch die mit dem Versicherungsschein übersandte Belehrung sei unbeschadet des abweichenden Hinweises aus dem Versicherungsantrag kraft gesetzlicher Fiktion wirksam erteilt worden.

    Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er weiterhin insbesondere die Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung sowie die Unvollständigkeit der ihm erteilten Informationen geltend macht.

    Der Kläger beantragt,

    das am 30. Dezember 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken zu ändern und wie folgt neu zu fassen:

    1. Es wird festgestellt (als Zwischenfeststellungsklage), dass dem Zustandekommen des Vertrags mit der Nummer ... zwischen dem Kläger und der Beklagten wirksam widersprochen wurde.

    2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger bezüglich des unter 1. genannten Versicherungsvertrags geordnet Auskunft darüber zu erteilen:

    a) auf welche einzelnen Bestandteile (wie z.B. Verwaltungskosten, Abschlusskosten, Risikokosten, Sparbetrag der für den Mandanten angelegt wurde) die von dem Kläger gezahlten Prämien aufgeteilt wurden und wie hoch diese Anteile (absolut oder prozentual) sind,

    b) soweit die Aufteilung auf die einzelnen Bestandteile nicht über die gesamte Prämienzahlungszeitraum gleichblieben, mitzuteilen, für welche Monate oder Beitragszahlungen welche Aufteilung (absolut oder prozentual) stattfand,

    c) wann welche Anteile der gezahlten Prämien (Kosten) abgeflossen - also nicht mehr im Vermögen der Beklagten vorhanden waren - sind und wohin diese abflossen,

    d) wie die nicht oder noch nicht abgeflossenen Anteile der gezahlten Prämien in der gesamten Zeit in welcher diese Anteile im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind - nach Zeitraum aufgeschlüsselt - konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen - nach Zeitraum aufgeschlüsselt - erwirtschaftete,

    e) welche eigenen Gelder aufgrund des Erhaltes der Prämien eingespart wurden in der gesamten Zeit, in welcher die Prämien im Vermögen der Beklagten vorhanden waren bzw. sind - nach Zeitraum aufgeschlüsselt - konkret verwendet bzw. eingesetzt wurden und welche Nutzungen die Beklagte mit den einzelnen Beträgen - nach Zeitraum aufgeschlüsselt - erwirtschaftete.

    3. Die Beklagte wird verurteilt, die Richtigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt zu versichern.

    4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger alle gezahlten Prämien abzüglich bereits ausgezahlter Beträge und abzüglich der tatsächlich angefallenen Risikokosten und zuzüglich tatsächlich gezogener Nutzungen (deren Höhe erst nach erfolgter Auskunft berechnet werden kann) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.072,77 EUR freizustellen.

    Der Beklagte trägt auf Zurückweisung der Berufung an. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift erster Instanz Bezug genommen.

    II.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Das Rechtsmittel bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

    1.

    Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Versicherungsvertrages nach dem vom Kläger erklärten "Widerspruch" gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Ein Widerspruchsrecht (§ 5a VVG a.F.) besteht vorliegend nicht, weil der Versicherungsvertrag nach Inkrafttreten des seit 1. Januar 2008 geltenden Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) abgeschlossen wurde, das ein solches Recht nicht mehr vorsieht. Als Widerruf nach den §§ 8, 152 VVG wäre die Erklärung aus den Schreiben vom 16. Juni 2020 und vom 31. Juli 2020 nicht fristgemäß erfolgt. Dementsprechend kann der Kläger weder die Feststellung verlangen, dass der Vertrag durch den "Widerspruch" beendet wurde, noch stehen ihm aus der Rückabwicklung dieses Vertrages Zahlungs- und dies vorbereitende Auskunftsansprüche zu.

    a)
    In prozessualer Hinsicht kann zunächst dahinstehen, ob das Landgericht die Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zu Recht schon mangels Feststellungsinteresses für unzulässig erachtet hat. Das Fehlen des Feststellungsinteresses hindert nämlich nicht die Abweisung der Klage als unbegründet, wenn sich dies aus Feststellungen zu einem anderen Streitgegenstand - wie hier gemäß nachstehenden Ausführungen - ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02, NJW 2004, 766 unter II.2.a). Daher ist die Klageabweisung durch das Landgericht insoweit richtig, auch wenn es in den Gründen (nur) auf die Unzulässigkeit der Klage abgestellt hat. Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Landgericht die mit dem Feststellungsantrag in objektiver Klagehäufung (§ 260 ZPO) verbundene Stufenklage (§ 254 ZPO) insgesamt abgewiesen und nicht zunächst durch Teilurteil nur über den Auskunftsantrag des Klägers entschieden hat. Steht nämlich - wie hier gemäß nachstehenden Ausführungen - fest, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt, ist die Stufenklage insgesamt abzuweisen unabhängig davon, dass sie sich gegenwärtig noch in der ersten Stufe befindet (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 28. November 2001 - VIII ZR 37/01, NJW 2002, 1042, 1043; Senat, Urteil vom 12. Januar 2022 - 5 U 15/21; OLG Hamm, VersR 2022, 226).

    b)
    In der Sache erscheint die Klage schon aus Rechtsgründen unschlüssig, weil das vom Kläger für sich - ausdrücklich - in Anspruch genommene "Widerspruchsrecht" nach § 5a VVG a.F. nicht besteht. Da der Versicherungsvertrag im Jahre 2012 abgeschlossen wurde, unterliegt er - als sog. Neuvertrag - ausschließlich dem seit 1. Januar 2008 geltenden (neuen) Versicherungsvertragsgesetz, das ein solches Widerspruchsrecht nicht mehr vorsieht. Der Senat sieht unter den - besonderen - Umständen des vorliegenden Einzelfalles auch keinen Anlass, den vom Kläger ausdrücklich und wiederholt - nur - erklärten "Widerspruch" in einen - nach §§ 8, 152 VVG hier allein möglichen - Widerruf auszulegen (§ 133, 157 BGB) oder umzudeuten (§ 140 BGB). Soweit für das alte Recht anerkannt ist, dass eine auf Vertragslösung gerichtete Erklärung ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "nach § 5a VVG" auch als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. ausgelegt werden kann, wenn darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2016 - IV ZR 24/14, RuS 2016, 556), liegt ein solcher Fall hier nicht vor; vielmehr hat der - anwaltlich beratene - Kläger selbst, nachdem ihn der Beklagte mit Schreiben vom 2. Juli 2020 unter zutreffender Erläuterung der Rechtslage auf die Unanwendbarkeit des § 5a VVG a.F. und vorsorglich auch auf die Verfristung eines etwaigen Widerrufsrechts aus §§ 8, 152 VVG hingewiesen hatte, weiterhin - nur - an dem "Widerspruch" festgehalten, dabei auch ausdrücklich klargestellt, dass keine Kündigung des Vertrages, sondern eine Rückzahlung sämtlicher Beiträge nebst gezogener Nutzungen erfolgen solle, und auch im Rechtsstreit bis zuletzt auf Feststellung der Wirksamkeit des "Widerspruchs" und auf Rückabwicklung nach den für das Widerspruchsrecht geltenden bereicherungsrechtlich Grundsätzen angetragen, die sich von den Rechtsfolgen eines Widerrufs nach neuem Recht (§§ 9, 152 VVG) erheblich unterscheiden. All diese besonderen Umstände schließen es aus, im vorliegenden Einzelfall den unwirksamen "Widerspruch" des - rechtskundig beratenen - Klägers entgegen dessen nachdrücklich geäußerten Willen als Widerruf im Sinne der §§ 8, 152 VVG zu behandeln.

    c)
    Dessen unbeschadet, hat das Landgericht den von ihm als Widerruf angesehenen, erstmals im Jahre 2020 erklärten "Widerspruch" des Klägers zu Recht für verfristet gehalten, weil er nicht binnen der 30-tägigen Widerrufsfrist des § 152 Abs. 1 VVG erklärt wurde, die hier im Jahre 2012 wirksam in Gang gesetzt worden ist. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 VVG setzt der Lauf der Widerrufsfrist voraus, dass dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 VVG und eine deutlich gestaltete Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs zugegangen sind. Diese Anforderungen sind - entgegen der Auffassung der Berufung - erfüllt:

    aa)
    Soweit der Kläger erstinstanzlich noch geltend gemacht hatte, dass ihm außer dem von ihm vorgelegten Versicherungsschein keine Unterlagen, insbesondere nicht die Informationen nach § 7 Abs. 2 VVG übergeben worden seien, verweist der Senat vorab auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung, die von der Berufung - zu Recht - auch nicht angegriffen werden. Bei genauer Betrachtung hat der Kläger, der als Anlage zur Klageschrift einen ungeordneten "Wust" an einzelnen Vertragsunterlagen vorgelegt hat, die ihm in dieser ungeordneten Form gewiss nicht übersandt wurden, die von dem Beklagten unter Verweis auf die Schlusserklärung im Antragsformular dezidiert behauptete Übergabe der im Einzelnen dort aufgezählten Unterlagen schon nicht ausreichend bestritten (§ 138 Abs. 3 ZPO; vgl. zuletzt OLG Karlsruhe, VersR 2022, 872). Jedenfalls durfte sich das Landgericht hier angesichts der Umstände, insbesondere der vom Kläger im Antragsformular abgegebenen Erklärungen, die mangels näherer Erläuterungen zu einem abweichenden Ablauf nicht ausgeräumt wurden, aber auch wegen seines widersprüchlichen Vortrages, der einerseits - pauschal - den Erhalt in Abrede stellt, andererseits aber auch darin fehlende Einzelinformationen rügt, mit Recht davon überzeugen, dass diesem mit Antragstellung auch alle dort genannten Vertragsinformationen übergeben wurden (§ 529 Abs. 1 ZPO).

    bb)
    Auch vom Kläger gerügte inhaltliche Mängel der Vertragsinformationen nach § 7 Abs. 2 VVG, die das Landgericht stillschweigend für unbegründet erachtet hat, liegen hier nicht vor. Konkrete Beanstandungen, die mit der Klageschrift geltend gemacht wurden (Bl. 39 ff. GA) betreffen ohnehin nur angeblich fehlende Angaben zur Antragsbindungsfrist (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 VVG-InfoV), zur Höhe der in die Prämie einkalkulierten Kosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VVG-Info-V) und zu den Berechnungsgrundsätzen der Überschussermittlung und Überschussbeteiligung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 VVG-InfoV); die auch mit der Berufung erneut aufgegriffene - schlichte - Wiedergabe des Verordnungstextes im Übrigen genügt dagegen nicht als Sachvortrag, um noch weitere inhaltliche Mängel der Vertragsinformation aufzuzeigen. Dass - und wo - die einzelnen geschuldeten Informationen und insbesondere die drei einzigen vom Kläger konkret als fehlend gerügten Hinweise in ihren Vertragsunterlagen enthalten waren, hat der Beklagte mit seiner Berufungserwiderung unter Verweis auf die entsprechenden Unterlagen (insbes. Verbraucherinformation, Anlage B9; Produktinformationsblatt, Anlage B2) im Einzelnen dargelegt. Dass die dem Kläger erteilten Informationen unzureichend gewesen sein sollen, vermag der Senat auf Grundlage seines Vorbringens nicht zu erkennen; insbesondere genügten die Angaben im Produktinformationsblatt zu den in die Prämie einkalkulierten Kosten ("in Euro"), auf die in den Verbraucherinformationen zulässigerweise verwiesen wird, den Anforderungen der VVG-InfoV in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung (vgl. Begr. VVG-InfoV, BAnz 2008, 98, 100 = VersR 2008, 186, 188; Schneider, in: Prölss/Martin, VVG 31. Aufl., Vor § 150 Rn. 63). Danach betragen die Abschluss- und Vertriebskosten insgesamt 3.206,33 Euro; auch die weiteren mit dem Vertrag einhergehenden Verwaltungskosten werden für die Dauer des Vertrages jährlich im Einzelnen konkret angegeben.

    cc)
    Die mit der Berufung wiederholte Rüge des Klägers, die mit dem Versicherungsschein unstreitig erteilte Widerrufsbelehrung sei unzureichend gewesen, greift nicht durch; das Gegenteil ist der Fall.

    (1)
    Die Belehrung war "deutlich gestaltet" im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG. Nach Sinn und Zweck des Belehrungserfordernisses verlangt dies, dass die Belehrung in den Vertragsunterlagen nicht untergehen darf, sondern so deutlich hervorzuheben ist, dass sie dem Versicherungsnehmer nicht entgehen kann, selbst wenn er nicht danach sucht (OLG Hamm, VersR 2022, 226; Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 8 Rn. 17; vgl. auch BGH, Beschluss vom 14.05.2015 - IV ZA 5/14, VersR 2014, 824). Die vom Kläger selbst vorgelegte, mit dem Versicherungsschein erteilte Belehrung (Anlagen zur Klageschrift; auch: Anlage B13) erfüllt diese Anforderungen ersichtlich, wie das Landgericht richtig annimmt und wogegen die Berufung auch nichts Durchgreifendes mehr erinnert.

    (2)
    Die Belehrung war entgegen dem Berufungsvorbringen auch inhaltlich - insbesondere hinsichtlich des Fristbeginns - ordnungsgemäß. Dies folgt hier schon daraus, dass der Beklagte für die Widerrufsbelehrung das - den einzelnen Gestaltungshinweisen entsprechend vervollständigte - gesetzliche Muster nach § 8 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. der Anlage zum VVG (in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblichen Fassung vom 27. Juli 2011) verwendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2014 - IV ZA 5/14, VersR 2014, 824; Schneider, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 152 Rn. 5); dessen unbeschadet bestünden an der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Informationen auch sonst keine Zweifel. Vergeblich erneuert die Berufung die schon früher geäußerten Bedenken des Klägers, die dieser aus dem sprachlich abweichenden Hinweis auf das Widerspruchsrecht aus dem Antragsformular ableitet. Wenn - wie hier - eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß ist, kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2015 - IV ZR 71/14, juris; Senat, Urteil vom 5. November 2021 - 5 U 32/21, VersR 2022, 228). Das ist hier jedoch nicht der Fall gewesen. Vollkommen zu Recht verweist das Landgericht darauf, dass in dem Antragsformular unmissverständlich auf die noch zu erteilende Belehrung hingewiesen wurde. Auch angesichts der Eindeutigkeit der daraufhin ankündigungsgemäß mit dem Versicherungsschein erteilten Belehrung, auf die auch in dem Policenbegleitschreiben gesondert hingewiesen wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verbraucher wie der Kläger deshalb von einem zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres noch möglichen Widerruf abgehalten worden wäre.

    d)
    Auf die in der Berufungsbegründung eingehend thematisierte Frage, ob Ansprüche des Klägers im Übrigen auch verwirkt wären, kommt es nach all dem nicht an. Entsprechendes gilt - erst recht - für die weiteren Erwägungen zu einer (vermeintlichen) Unwirksamkeit der gesetzlichen Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs.

    2.

    Andere Gründe, die die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen könnten, zeigt die Berufung nicht auf. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung zurückzuweisen.

    Der Kläger hat Gelegenheit, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen. Ihm wird - auch aus Kostengründen, vgl. KV Nr. 1222 GKG - nahegelegt, innerhalb dieser Frist die Rücknahme der Berufung zu erwägen.

    RechtsgebieteVVG, ZPOVorschriften§ 8 VVG, § 8 Abs. 2 Nr. 1 VVG, § 152 VVG, § 522 Abs. 2 ZPO, aF § 5a VVG