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  • 22.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221284

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 28.09.2020 – 16 U 53/20

    1.

    Wenn für die Erstattungsfähigkeit eines Hilfsmittels (hier: Sportprothese für Unterschenkel) gefordert ist, dass es eine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildert oder ausgleicht, so wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer annehmen, dass eine Erstattungsfähigkeit gegeben ist, wenn das Hilfsmittel dazu geeignet ist, seine normalen (gesunden) Körperfunktionen wiederherzustellen oder sich dem jedenfalls anzunähern.
    2.

    Zu der gewöhnlichen Funktion eines Unterschenkels gehört es auch, damit zu laufen und zu springen oder zu schwimmen und Bewegungsspiele auszuüben; derlei Betätigung ist Ausdruck normaler, zulässiger und weit verbreiteter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, weshalb Hilfsmittel zu erstatten sind, die diese Funktionen wiederherstellen.
    3.

    Will ein Versicherer Hilfsmittel für etwas so weit Verbreitetes wie den Sport ausschließen oder begrenzen, ist dies unzweideutig in den Bedingungen zum Ausdruck zu bringen.




    Zur Erstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Sportprothesen in der privaten Krankenversicherung
    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen sowie unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28. April 2020 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Kosten für die Versorgung mit einer Schwimmprothese gemäß dem Kostenvoranschlag Nr. 126860 des Sanitätshauses K. über 7.956,73 € zu einem Betrag von 7.161,06 € (einschließlich insoweit schon genehmigter 4.278,15 €) und mit einer Sportprothese gemäß dem Kostenvoranschlag Nr. 126859 desselben Unternehmens über 10.653,79 € zu einem Betrag von 9.588,41 € zu erstatten.

    Weiter wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 650,34 € zu erstatten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 7. April 2018.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 13% und die Beklagte 87%.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Gründe

    I.

    Der 1970 geborene Kläger verlor infolge eines Verkehrsunfalls seinen linken Unterschenkel. Er unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung nach den MB/KK 2009 mit Tarifbedingungen, die hinsichtlich von Hilfsmitteln wie folgt lauten:

    Erstattungsfähig sind auch Aufwendungen für medizinisch notwendige Hilfsmittel.

    Als Hilfsmittel gelten technische Mittel oder Körperersatzstücke (kein Zahnersatz), die eine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildern oder ausgleichen sowie lebenserhaltende Hilfsmittel. (...)

    Erstattet werden medizinisch notwendige Hilfsmittel bis zu einem Rechnungsbetrag von 1.200 € zu 100 %. Hilfsmittel, die einen Rechnungsbetrag von 1.200 € pro Hilfsmittel übersteigen, werden zu 90 % im tariflichen Umfang erstattet.

    Für einzelne Hilfsmittel gelten folgende Höchstrechnungsbeträge:

    - (...)

    - Prothesen bis zu einem Rechnungsbetrag von 15.000 € pro Prothese

    - (...)

    Nicht erstattungsfähig sind Hilfsmittel mit geringem therapeutischem Nutzen und solche, die dem Fitness- und/oder Wellnessbereich zuzuordnen sind. (...)

    Im Juni 2016 wurden dem Kläger nach dem unfallbedingten Verlust seines linken Unterschenkels eine sog. Unterschenkel-Definitivprothese (Alltagsprothese) ärztlich verordnet, daneben als erforderlich eine wasserabweisende Prothese inklusive Prothesenfuß (Anlagen K 3) und eine Sportprothese (Anlagen K 1). Die Erstattung der Kosten für die Alltagsprothese, die über ein mikroprozessorgesteuertes Fußteil verfügt, sagte die Beklagte zu. Die Kostenübernahme für die "wasserfeste Gehhilfe" und die Sportprothese lehnte sie zunächst als medizinisch nicht notwendig ab. Auf anwaltliche Einschaltung erkannte sie für die Badeprothese von 7.956,73 € (gemäß Kostenvoranschlag Nr. 126860, Anlage K 11) 4.278,15 € an, dabei anstelle eines sog. F-Prothesenfußes (der, speziell für das Tragen von Schwimmflossen und das Kraulschwimmen, durch Knopfdruck im Knöchelgelenk von einer 0°-Stellung in eine 70 °-Fußabwärtsstellung fixiert werden kann) 535,- € für einen schlichteren Fuß. Die Übernahme der Kosten für die Sportprothese von 10.653,79 € (gemäß Kostenvoranschlag Nr. 126859, Anlage K 10) mit einem sog. C.-Sportfuß (einer doppelten Carbon-Sprungfeder [Lichtbilder Bl. ], wie sie etwa behinderte Sprinter verwenden) lehnte sie weiterhin ab.

    Mit seiner im März 2018 erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die vollen Kosten aus beiden Kostenvoranschlägen, also restliche 14.332,37 € zu übernehmen habe, daneben die Erstattung von 1.184,05 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Beide Prothesen seien, so hat er geltend gemacht, medizinisch notwendig. Die wasserfeste Prothese benötige er zum Aufenthalt im Nassbereich, sowohl zum sicheren Ausstieg beim Duschen oder aus der Wanne, die Sportprothese dazu, seinen Hobbys wieder nachzugehen, zu denen u.a. Laufen (Halb-Marathon) Fußball, Kraftsport, Badminton und Beachvolleyball gehörten.

    Die Beklagte hat sich dem entgegengestellt. Der Kläger, so hat sie eingewandt, benötige nicht für jedwede Alltagssituation verschiedene Prothesen; seine sportlichen Aktivitäten hat sie mit Nichtwissen bestritten. Was die wasserfeste Prothese angehe, so müsse diese lediglich im Nassbereich bestehen können; Komponenten, die salzwasserresistent seien oder sportliche Aktivitäten förderten wie der F.- Prothesenfuß, überstiegen im Sinne von § 5 Abs. 2 MB/KK 2009 das medizinisch notwendige Maß einer Versorgung (Bl. 46). Die Sportprothese sei schon nicht medizinisch notwendig; sie diene nicht lediglich der Mobilisierung, sondern solle dem Kläger die Durchführung sportlicher Aktivitäten erleichtern und sei damit - auch wenn dem Kläger zuzugestehen sei, dass sich diese oftmals gebräuchliche und erläuterungsbedürftige (und auch von ihr nicht weiter erläuterte) Formel insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht durchgesetzt habe - der nicht gedeckten persönlichen Lebensführung zuzuordnen.

    Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers,

    dass die Sportprothese seine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildere oder ausgleiche und nicht der persönlichen Lebensführung im Rahmen des Fitness- oder Wellnessbereich zuzuordnen sei,

    und die Behauptung der Beklagten,

    die Badeprothese übersteige das medizinisch notwendige Maß, da sie mehr als die medizinisch notwendigen Funktionen enthalte und eine Liner-Versorgung nicht notwendig sei.

    Die Sachverständige Z., Fachärztin für physikalische und rehabilitative Medizin am BG Klinikum Hamburg, hat dazu in ihrem Gutachten vom 14. Juli 2019 ausgeführt, dass der C.--Prothesenfuß prinzipiell als Alltagsprothese geeignet sei und gleichzeitig die Bedürfnisse bei Fitness und Wellness erfülle. Der F.--Prothesenfuß sei speziell für das Tragen von Schwimmflossen und das Kraulschwimmen konzipiert und für das Gehen auf nassem Gelände, im Sand, im Bad und in einer Schwimmhalle nicht notwendig; eine Liner-Versorgung entspreche dem neuesten Stand der Orthopädietechnik.

    Im Termin vom 10. März 2020 hat sie dazu erläutert, dass die Alltagsprothese mit dem mikroprozessorgesteuerten Fußteil relativ schwer sei und keine rückhebelnde Wirkung entfalte, sodass man mit dieser vielleicht zwei Schritte schneller gehen könne, wohingegen die Carbon-Sportprothese mit aufeinander abgestimmtem Schaft und Fußpassteil ein schnelleres Gehen und auch Sprinten ermögliche. Es komme auch durchaus in Betracht, diese (anders als die Alltagsprothese, mit der Wasser und auch Sand zu meiden seien) zugleich auch als Badeprothese zu nutzen, auch wenn sie keinen schwimmunterstützenden Fuß habe.

    Daraufhin hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger die Kosten für die Versorgung mit einem wasserfesten Prothesenschaft gemäß dem Badeprothesen-Kostenvoranschlag zu erstatten, dies allerdings ohne den F.--Prothesenfuß, dafür aber mit dem C.--Prothesenfuß, und sie weiter zur Zahlung von 650,34 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt; im Übrigen hat es bei einer Kostenquote von 58:42 zu Lasten des Klägers die Klage abgewiesen.

    Nach den Bedingungen, so hat es ausgeführt, werde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erwarten, einen Aufwendungsersatzanspruch für solche Hilfsmittel zu erlangen, die möglichst weitgehend einen Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Standes des medizinischen und technischen Fortschritts erreichten. Im Hinblick auf den Ausschluss von Hilfsmitteln, die dem Fitness- und Wellnessbereich zuzuordnen sind, werde er erkennen, dass die Versicherung eine körperliche Behinderung nicht in jeder erdenklichen Weise ausgleichen könne; er werde aber erwarten, dass jedenfalls für die alltäglichen Bedürfnisse ihm ein möglichst vollständiger Funktionsausgleich gewährt werde, um die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben zu beseitigen oder zu mildern. Ausgehend von seinen besonderen Bedürfnissen könne er einen möglichst weitgehenden Ausgleich seiner Behinderung verlangen, um ihn möglichst an das Leben eines Nichtbehinderten anzugleichen, nicht jedoch Ersatz für Prothesen, die zum Einsatz für sehr spezielle, nicht im Alltag erforderliche Funktionen vorgesehen sein.

    In der Rechtsprechung sei ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine Bade- bzw. wasserfeste Prothese anerkannt; denn es handele sich nicht um die Wahrnehmung einer ausgefallenen Sportart, sondern einen Teil des alltäglichen Lebens, der für Nichtbehinderte selbstverständlich sei. Das umfasse auch die dem Stand der Technik entsprechende Liner-Versorgung. Allerdings werde mit dem F.--Prothesenfuß mit seiner ganz speziellen, über die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens hinausgehende Funktion für das Kraulschwimmen und Tauchen die Grenze zu den nicht erstattungsfähigen Hilfsmitteln des Freizeit- und Wellnessbereiches überschritten, da nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht sichergestellt sei, dass diese Funktionen damit besser auszuführen seien als mit einer normalen Bade- oder auch Sportprothese.

    Dagegen könne er zu dem wasserfesten Prothesenschaft den gesonderten C.--Prothesenfuß erstattet verlangen. Dabei handele es sich nicht um eine reine Sportprothese, sondern eine Alltagsprothese, die gegenüber der bereits vorhandenen Prothese weitere Bewegungsmöglichkeiten erlaube wie Laufen und Sprinten und damit auch sportliche Aktivitäten, die zu den Grundbedürfnissen eines mobilen Menschen zählten und daher keinen reinen Freizeit- und Wellnesscharakter hätten. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass der Kläger neben dem wasserfesten Prothesenschaft einen weiteren Prothesenschaft für das Sportfußpassteil benötige; denn das C.--Fußpassteil könne nach den Ausführungen der Sachverständigen auch zum Schwimmen genutzt werden. Damit werde dem Interesse des Klägers an einer möglichst weitgehenden Ausgleichung seiner Behinderung einerseits und dem Kostenbegrenzungsinteresse der Beklagten andererseits Rechnung getragen.

    Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien.

    Die Beklagte, die eine vollständige Klagabweisung erreichen möchte, macht geltend, die verlangte Badeprothese stelle eine Übermaßversorgung dar, die verlangte Sportprothese sei dem Fitness- und Wellnessbereich zuzuordnen.

    Was die letztere angehe, so erschließe sich aus der Klauselgestaltung nicht, dass, wie das Landgericht meine, ein möglichst vollständiger Funktionsausgleich für alltägliche Bedürfnisse gewährt werden solle. Die Ausgleichs- und Abmilderungsfunktion beziehe sich vielmehr lediglich auf den mobilen Alltagsgebrauch und nicht darauf, die sportliche Betätigung zu erleichtern, die dem Bereich der Freizeit und Wellness zufalle. Die Alltagsprothese, die normales Gehen und schnelleres Schrittgehen ermögliche, biete einen weitgehenden Ausgleich der Behinderung, insbesondere im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers für das Stehen und Sitzen. Zu den mobilen Grundbedürfnissen eines Menschen zählten weder Sprinten noch Joggen oder weitere sportliche Betätigungen. Die Lesart des Landgerichtes öffne Tür und Tor dafür, dass die Beklagte letztlich für jede sportliche Betätigungsform eine passende Alltagsprothese zur Verfügung zu stellen habe.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

    sowie

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch die Kosten für eine Schwimmprothese gemäß Kostenvoranschlag Nr. 126860 des Sanitätshauses K. von 7.956,73 € (abzüglich insoweit genehmigter 4.278,15 €) zu erstatten.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

    Der Kläger verteidigt, soweit zu seinen Gunsten ergangen, die angefochtene Entscheidung. Zu seiner eigenen Berufung bringt er vor, die Entscheidung des Landgerichtes lese sich, was dessen Ausführungen zum Schwimm-Prothesenfuß angehe, wie eine Bauchentscheidung und lasse eine juristische Subsumtion vermissen. Richtigerweise sei auch diese Prothese medizinisch erforderlich im Rechtssinne; die Möglichkeit des Klägers, schwimmen zu gehen, sei als sportliche Aktivität objektive medizinische Erforderlichkeit. Im Übrigen sei nicht nur beim Kraulen, sondern auch beim Rücken- und Brustschwimmen ein gesunder Fuß nicht dauerhaft angewinkelt. Es sei nicht erforderlich, dass ein verwendetes Hilfsmittel in sämtlichen Lebensbereichen eingesetzt werden könne.

    Die Beklagte verteidigt, soweit zu ihren Gunsten ergangen, ebenfalls die angefochtene Entscheidung. Sie entspreche der BGH-Rechtsprechung zur Übermaßregelung, wonach bei der Auswahl unter mehreren, den medizinischen Zweck in gleicher Weise und ausreichend erfüllenden Hilfsmitteln kostenschonend vorgegangen und die Wahl auf das medizinisch Notwendige beschränkt werde.

    II.

    Die Berufung des Klägers hat weitestgehend Erfolg, diejenige der Beklagten im Ergebnis keinen, § 513 Abs. 1 ZPO.

    Der Kläger kann aus der bei der Beklagten unterhaltenen Krankheitskostenversicherung sowohl die Übernahme der Kosten für die Schwimmprothese als auch für die Sportprothese verlangen, §§ 1 Abs. 1, Abs. 2, 4 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 5 Abs. 1 MB/KK 2009 i.V.m. den Tarifbedingungen, dies allerdings nur zu jeweils 90%.

    Nach § 1 Abs. 1 MB/KK 2009 bietet der Versicherer Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannten Ereignisse. Im Versicherungsfall erbringt er in der Krankheitskostenversicherung Ersatz von Aufwendungen für Heilbehandlung und sonst vereinbarte Leistungen. Nach § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Gemäß § 4 Abs. 1 MB/KK 2009 ergeben sich Art und Höhe der Versicherungsleistungen aus dem Tarif mit Tarifbedingungen. Nach Abs. 2 steht der versicherten Person die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei. Nach § 4 Abs. 3 müssen u.a. Hilfsmittel von einem behandelnden Arzt verordnet werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 2009 kann der Versicherer, wenn eine Maßnahme das medizinisch notwendige Maß übersteigt, seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen.

    Nach den Tarifbedingungen sind auch Aufwendungen für medizinisch notwendige Hilfsmittel erstattungsfähig. Als Hilfsmittel gelten u.a. Körperersatzstücke, die eine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildern oder ausgleichen; dazu zählen auch - (mit Höchstgrenzen) ausdrücklich genannte - Prothesen. Nicht erstattungsfähig sind Hilfsmittel mit geringem therapeutischem Nutzen und solche, die dem Fitness- und/oder Wellnessbereich zuzuordnen sind.

    Hiernach sind sowohl die Bade- als auch die Sportprothese als erstattungsfähig anzusehen.

    1.

    Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 22. April 2015 - IV ZR 419/13, Rn. 12 m.w.N.).

    Wenn ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sich mit den Regelungen über Hilfsmittel beschäftigt, findet er, dass dort auch Körperersatzstücke - und insbesondere bis zu einem Höchstrechnungsbetrag von 15.000,- € pro Stück auch Prothesen - erstattungsfähig sind, die die körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildern oder ausgleichen, dies allerdings nicht, wenn die Hilfsmittel dem Fitness- und/oder Wellnessbereich zuzuordnen sind.

    Mit Blick darauf, dass der Versicherungsfall in seiner Krankheitskostenversicherung die medizinisch notwendige Heilbehandlung im Krankheitsfall und auch wegen Unfallfolgen ist und in einem solchen Fall Heilbehandlungen und sonstige Leistungen erstattet werden, wird er davon ausgehen, dass hinsichtlich aller erstattungsfähigen Leistungen der Maßstab für die medizinische Notwendigkeit zur Beseitigung oder Linderung einer Krankheit oder Unfallfolge der gesunde bzw. unversehrte Mensch sein soll; darin wird er sich dadurch bestärkt sehen, dass die Erstattungsfähigkeit davon abhängt, dass ein Arzt, der qua seiner Profession über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Krankheit befindet, die Leistung für notwendig befindet. Wenn er dann liest, dass für ein Hilfsmittel gefordert ist, dass es eine körperliche Beeinträchtigung unmittelbar mildert oder ausgleicht, so wird er annehmen, dass eine Erstattungsfähigkeit gegeben ist, wenn das Hilfsmittel dazu geeignet ist, seine normalen (gesunden) Körperfunktionen wiederherzustellen oder sich dem jedenfalls anzunähern. Im Hinblick auf einen ihm fehlenden Unterschenkel wird er als dessen normale Funktionen nicht nur die Fähigkeit verstehen, zu gehen und zu stehen, sondern auch etwa damit zu laufen und zu springen oder zu schwimmen und Bewegungsspiele auszuüben; denn derlei vermag ein unversehrter Unterschenkel, und derlei Betätigung ist Ausdruck normaler, zulässiger und weit verbreiteter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (vgl. zur Teilhabe an den genannten Lebensbereichen [in dem Fall ging es um eine Badeprothese zum Schwimmbadbesuch], die vom Leistungsversprechen des Versicherers gedeckt ist, BGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - IV ZR 181/14, Rn. 13 bei juris).

    Wenn der Versicherungsnehmer sich dann, da ihm an solchen sportlichen Optionen gelegen ist, fragt, ob die hierfür benötigten Prothesen womöglich vom Versicherungsumfang ausgeschlossen sind, weil sie nicht erstattungsfähige Hilfsmittel mit geringem therapeutischem Nutzen und solche sind, die dem Fitness- und/oder Wellnessbereich zuzuordnen sind, so wird er diese Frage verneinen. Er kann den Bedingungen nicht entnehmen, dass sich die Leistungen seines Versicherers womöglich nur auf Hilfsmittel zur Befriedigung allgemeiner mobiler Grundbedürfnisse des Alltags beschränken sollen und alle darüber hinaus gehenden Funktionen als Momente der persönlichen Lebensführung seine Sache sein sollen; denn davon steht dort nichts. Er wird sich vielmehr sagen, dass sein Versicherer, wenn er seine Eintrittspflicht auf einen generell erforderlichen Minimalstandard hätte begrenzen und notwendige Hilfsmittel für etwas so weit Verbreitetes wie etwa den Sport hätte ausschließen wollen, das klar und einfach ausgesagt hätte. Zu etwas anderem wird er auch nicht im Hinblick darauf gelangen, dass Hilfsmittel nicht erstattet werden, die dem Fitness- und/oder Wellnessbereich zuordnen sind. Wenn er sich überhaupt einen klaren Begriff von diesem in den Bedingungen (und auch von der Beklagten im Prozess) nicht näher eingegrenzten "Bereich" machen kann, wird er sich sagen, dass es bei Fitness und Wellness um Aktivitäten der Körperoptimierung, des "Body-Shaping" und des Wohlbefindens geht, und er wird, wenn er sieht, dass zugleich auch Hilfsmittel mit geringem therapeutischem Nutzen ausgeschlossen sind, für ausgeschlossen damit Mittel ansehen, die nur "nett zu haben" sind und eher dem "Look" und dem "Lifestyle" dienen denn der Funktion, seinen körperlichen Defiziten abzuhelfen. Dass sein Versicherer für solche "Wohlfühl"-Leistungen "on top", die auch nicht gut als erforderlich angesehen werden können, nicht wird einstehen wollen, wird ihm einleuchten.

    Jedenfalls ist - und das genügt, weil unklare Geschäfts- und also auch Versicherungsbedingungen (unterstellt, dass sie in der Lesart der Beklagten überhaupt wirksam sind) im Zweifel zu Lasten des Verwenders auszulegen sind, § 305c Abs. 2 BGB - eine solche Auslegung der Bedingungen ohne weiteres möglich. Sie enthalten keine Beschränkung auf die Befriedigung allein mobiler Grundbedürfnisse, beschreiben auch nicht einen unversicherten Bereich persönlicher Lebensführung und sind mit dem Ausschluss von Hilfsmitteln mit geringem therapeutischem Nutzen (woran wird das gemessen, womit verglichen?) und solchen des Fitness- und/oder Wellness-Bereichs (den zu beschreiben die Beklagte nicht ansatzweise unternimmt) unscharf. Wenn das zur Folge hat, dass die Beklagte "letztlich für jede sportliche Betätigungsform eine passende Alltagsprothese zur Verfügung zu stellen" habe, so ist das auf der Grundlage ihrer Bedingungen von ihr selbst zu verantworten und nicht von ihren Versicherungsnehmern, die von Gesetzes wegen, § 192 Abs. 1 VVG, vorbehaltlich zulässiger und nachvollziehbarer Einschränkungen die Abdeckung der medizinisch gebotenen Hilfe nach Maßgabe - begründend und limitierend - ihrer jeweiligen konkreten gesundheitlichen Gegebenheiten und Bedürfnisse erwarten können.

    2.

    Dies vorausgeschickt, erweist sich zunächst die Sportprothese als ersatzfähig, deren vollständigen Ersatz der Kläger - auch wenn der vom Senat formulierte Antrag dies nicht ausdrücklich beschreibt, aber entsprechend auszulegen ist - auch in zweiter Instanz begehrt.

    Sie ist gemäß § 4 Abs. 3 MB/KK 2009 ärztlich verordnet.

    Sie ist auch medizinisch notwendig. Denn sie ermöglicht es dem Kläger, krankheitsbedingte Defizite seines Körpers zu relativieren oder zu überwinden, nämlich damit zu laufen, zu rennen, zu springen und Bewegungsspiele auszuüben.

    Sie ist auch nicht etwa im Tarif des Klägers ausgeschlossen. Denn, wie schon ausgeführt, ergeben die Tarifbedingungen einen Ausschluss für Hilfsmittel, die dem Sport dienen, nicht oder jedenfalls nicht mit genügender Klarheit und Eindeutigkeit.

    Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Versorgung im Sinne von § 5 Abs. 2 MB/KK 2009 übermäßig wäre. Nach dieser Bestimmung kann der Versicherer, wenn eine Maßnahme das medizinisch notwendige Maß übersteigt, seine Leistungen auf einen angemessenen Betrag herabsetzen. Eine Übermaßbehandlung in diesem Sinne ist gegeben, wenn eine Krankheit mit überflüssigen Maßnahmen bekämpft wird oder wenn die Maßnahme eine Besserung oder Linderung nicht mehr bewirken kann (vgl. Prölss/Martin-Voit, VVG, Kommentar, 30. Auflage, § 5 MB/KK 2009, Rn. 29). Im Falle von Hilfsmitteln muss der Versicherer, um sich auf diese Leistungseinschränkung berufen zu können, darlegen und beweisen, dass bei einem an sich notwendigen Hilfsmittel bestimmte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale medizinisch nicht notwendig sind. Darüber hinaus muss er auch darlegen und beweisen, dass ein Hilfsmittel ohne diese Ausstattungsmerkmale oder Funktionen, welches ebenfalls - gemessen an den Bedürfnissen des Versicherungsnehmers - das medizinisch notwendige Maß erfüllt, zu einem niedrigeren Preis auf dem Markt erhältlich ist (vgl. das von der Beklagten für ihre Auffassung zitierte Urteil des BGH vom 22. April 2015 - IV ZR 419/13, Rn. 19). Um all das geht es hier nicht. Dass die Sportprothese im Hinblick auf das legitime Ziel des Klägers, Sport ausüben zu können, überflüssig wäre, behauptet die Beklagte schon nicht, auch nicht, dass die Prothese dem Bedürfnis des Klägers nicht würde abhelfen können. Ebenso wenig geht es darum, dass die Prothese Merkmale aufwiese, die über ihre eigentliche Funktion, möglichst uneingeschränkt sich sportlich bewegen zu können, hinausginge, und schließlich wird auch nicht behauptet, dass es insoweit ein vergleichsweise genauso leistungsfähiges günstigeres Modell gäbe. Dass die Ausübung von Bewegungssport an Land mit der dem Kläger bereits zur Verfügung stehenden Alltagsprothese nicht möglich ist, steht aufgrund der Beweisaufnahme fest und wird von der Beklagten auch nicht (mehr) in Abrede gestellt.

    3.

    Als ersatzfähig erweist sich auch die Badeprothese.

    Auch sie ist zunächst ärztlich verordnet.

    Sie ist ebenfalls - und dies einschließlich des F.--Prothesenfußes - auch medizinisch notwendig im Sinne der Tarifbedingungen. Zu den regulären Funktionen eines vollständigen Unterschenkels gehört, ihn beim Schwimmen (einer Tätigkeit, der nahezu die gesamte Gesellschaft in der einen oder anderen Weise in wenn auch unterschiedlicher Regelmäßigkeit und Intensität nachgeht) dergestalt einzusetzen, dass man sich - beim Brustschwimmen - mit dem Schwung des Unterschenkels und dem Druck der Fußsohle abstößt und dass man - beim Kraulschwimmen - mit ausgestrecktem Bein und langgestrecktem Fuß sich stabilisiert und "Tempo macht". Eine Prothese, die das vermag, ist zweifellos geeignet, die durch den Verlust des Unterschenkels bedingte körperliche Beeinträchtigung im Hinblick auf diese Funktionen eines gesunden Beines unmittelbar zu mildern und auszugleichen.

    Sie unterfällt - mag man auch sportlich ausgerichtetes Kraulschwimmen als eine Art "special interest" ansehen können - nicht dem Ausschluss der "Zuordnung" zum "Fitness und/oder Wellnessbereich"; denn sie betrifft nicht lediglich eine an Äußerlichkeiten orientierte Körperoptimierung, einen Lifestyle oder sonst lediglich das persönliche Wohlbefinden, sondern betrifft die Bedingung der Möglichkeit, an einer bestimmten, keineswegs völlig außergewöhnlichen Form gesellschaftlichen Lebens wie ein Unversehrter teilhaben zu können.

    Dass die Schwimmprothese mit dem Schwimmfuß übermäßig im Sinne von § 5 Abs. 2 MB/KK 2009 wäre, macht die Beklagte schon nicht geltend.

    4.

    Allerdings sind die Leistungsansprüche des Klägers in gewissem Umfang begrenzt. Denn nach den Tarifbestimmungen werden Hilfsmittel, die einen Rechnungsbetrag von 1.200,- € pro Hilfsmittel übersteigen, zu 90 % im tariflichen Umfang erstattet. Danach beläuft sich der Erstattungsbetrag für die Sportprothese, die 10.653,79 € kosten soll, auf 9.588,41 €, derjenige (noch streitige) für die Badeprothese (aus 7.956,73 € x 90% = 7.161,06 € - 4.278,15 € =) auf 2.882,91 €.

    5.

    Daneben kann der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen, §§ 286, 245 BGB.

    Die Beklagte befand sich mit der Regulierungszusage in Verzug, nachdem sie - vor der Einschaltung der klägerischen Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 15. Juli 2016 (Anlage K 5, Bl. 17) ihre Leistungspflicht bezüglich Bade- und Sportprothese unzweideutig abgelehnt hatte. Der Höhe nach bleibt es indes, nachdem der Kläger weder mit seinem Antrag noch inhaltlich die Entscheidung des Landgerichts angreift, bei den zuerkannten 650,34 €.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO.