20.04.2017 · IWW-Abrufnummer 193400
Kammergericht Berlin: Urteil vom 28.02.2017 – 6 U 65/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Berlin
Urt. v. 28.02.2017
Az.: 6 U 65/16
In dem Rechtsstreit
xxx
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2017 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichtes Berlin vom 24.3.2016 - 23 O 118/15 - unter weitergehender Zurückweisung der Berufung teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.591,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht restliche Rückzahlungsansprüche nach Widerruf des bei der Beklagten zum 1.6.1994 gemäß Versicherungsschein vom 10.5.1994 (Anlage K 2) abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrages geltend.
In dem Antrag auf Abschluss der Versicherung vom 3.5.1994 (Anlage K 1 zur Klageschrift und - in Farbe - zum Schriftsatz vom 7.7.2015, Bl. 35 d. A., befindlich im Anlagenband; auszugsweise Originaldurchschrift vorgelegt als Anlage BB1 der Berufungsbegründung, Bl. 76 a d. A.) belehrte ihn die Beklagte über das Widerrufsrecht von 10 Tagen in dem Bereich oberhalb der Unterschrift.
Auf die Kündigung des Vertrages durch den Kläger im November 2008 (Anlagen K 3 und B 3) zahlte die Beklagte gemäß Schreiben vom 3.12.2008 (Anlage B 4) einen Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung und Bewertungsreserven in Höhe von 25.018,94 Euro aus.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.12.2014 erklärte der Kläger den Widerruf des Vertrages (Anlage K 6). Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 20.1.2015 (Anlage K 7) forderte er die Beklagte vergeblich zur Zahlung einer marktüblichen Verzinsung der gezahlten Prämien bis zum 29.1.2015 in Höhe von 20.162,53 Euro auf (Anlage K 6).
Diese Forderung verfolgt er im vorliegenden Rechtsstreit weiter. Er ist der Auffassung, die Widerspruchsbelehrung sei nicht in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, so dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Seine Hauptforderung in Höhe von 20.162,53 Euro ergibt sich aus der Rückforderung der gezahlten Prämien in Höhe von 22.240,68 Euro, dem Abzug der erhaltenen Zahlung von 25.018,94 Euro und der Berechnung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die gezahlten Prämien mit insgesamt 22.940,79 Euro gemäß der Klageschrift S. 4 f. i. V. m. der Anlage K 10.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.162,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.2.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 1.701,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (28.4.2015) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Widerrufsbelehrung sei drucktechnisch hinreichend deutlich hervorgehoben. Jedenfalls sei der Anspruch verwirkt. Der Höhe nach könne der Kläger statt der geltend gemachten Zinsen allenfalls die aus den Sparbeiträgen erzielte Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7 verlangen, was einen Betrag von 9.369,77 Euro ergebe, wovon aber die Abschluss- und Verwaltungskosten abzuziehen seien (Klageerwiderung S. 6, Bl. 26 d. A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger in ausreichender Form über das Widerspruchsrecht belehrt worden sei und zudem der Verwirkungseinwand begründet sei. Auf das angefochtene Urteil vom 24.3.2016 wird verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe seiner erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.
Hilfsweise macht er sich - wie bereits in erster Instanz - das Vorbringen der Beklagte zur erzielten Nettorendite zu eigen, so dass der Klage jedenfalls in Höhe von 6.591,51 Euro stattzugeben sei.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteienvertreter wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum Teil in dem aus dem Urteilsausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet und die Klage weiterhin abzuweisen..
1. Der Kläger kann aufgrund seines Widerrufs die Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346 Abs. 1 BGB verlangen.
a) Dem Kläger stand ein fortdauerndes Widerrufsrecht zu, nachdem er nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 in der vom 1.1.1991 bis zum 28.7.1994 gültigen Fassung des VVG belehrt worden war. Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb das Widerrufsrecht nicht wirksam in Lauf setzen. Zwar war eine solche Hervorhebung vom Wortlaut des Gesetzes nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Zur Erreichung ihres gesetzlichen Zwecks muss die Belehrung aber inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, Urteil vom 16.10.2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 ff., Rn. 14 m.w.N.).
Die Form der Belehrung in dem Antragsformular genügt diesen Anforderungen nicht. Dies hat die auszugsweise Vorlage der Originaldurchschrift als Anlage BB1 mit der Berufungsbegründung (Bl. 76a) und deren Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung durch die Parteienvertreter und das Gericht ergeben. Denn sie ist zwar innerhalb des Textblocks nach dem letzten dicken horizontalen Trennstrich vor der Unterschrift enthalten und mit der blauen Nebenschrift "Widerrufsrecht" versehen. Dies genügt hier jedoch deshalb nicht, weil der nachfolgende vierzeilige Text innerhalb der dünneren Trennstriche hervorstechend in einem blaulila Farbton unterlegt ist und hierdurch die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die verbleibende Hervorhebung der vorangehenden beiden Zeilen auf hellgrauem Hintergrund mit der Widerrufsbelehrung durch die blaue Nebenschrift und den dickeren Trennstrich sind angesichts dessen nicht ausreichend, da auch die übrigen Passagen des Formulars entsprechend gegliedert sind. Diese Gliederungsmerkmale werden hier zudem optisch überlagert durch die Verwendung der weiteren Farbtöne blass hellblau und hellgrün, wobei die durch die hellgrüne Farbe auf der oberen Blatthälfte unterlegten Textteile und das blaulila unterlegte vierzeilige Textband unmittelbar unterhalb der Widerrufsbelehrung optisch besonders ins Auge fallen. Sie lassen die kleine zweieilige Widerrufsbelehrung vollkommen in den Hintergrund treten. Soweit andere Gerichte - wie von der Beklagten vorgetragen - eine abweichende Würdigung der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars der Beklagten, das hier in farbiger Originaldurchschrift vorliegt (Anlage BB 1), vorgenommen haben, folgt das hiesige Gericht dem aus den vorgenannten Gründen nicht.
b) Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung hat zur Folge, dass das Rücktrittsrecht erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung zu laufen beginnt (BGH a.a.O. Rn. 16 bis 22). Das Rücktrittsrecht ist nicht aufgrund vollständiger Erbringung der gegenseitigen Leistungen im Jahr 2008 erloschen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG. Denn eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen kommt nach deren Außerkrafttreten zum 1.1.2003 nicht mehr in Betracht (BGH, Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 101, 101 ff., Rn. 37 m.w.N.; Urteil vom 20.7.2016 - IV ZR 166/12, VuR 2016, 395, Rn. 15 zitiert nach Juris).
c) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Er hat das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). An diesem fehlt es hier. Die Beklagte kann kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilte (vgl. BGH, Urteil vom 7.5.2014 a.a.O. Rn. 39). Aus demselben Grund liegt auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung vor (vgl. BGH a.a.O. Rn. 40). Etwas anderes kann sich im Einzelfall ergeben, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Erforderlich sind dabei aber nach der Rspr. des BGH besonders gravierende Umstände, die den Schluss darauf zulassen, dass der Versicherungsnehmer in Kenntnis seines Lösungsrechtes vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 27.1.2016 - IV ZR 130/15 Rn. 16; Urteil vom 11.5.2016 - IV ZR 334/15 Rn. 16; Urteil vom 1.6.2016 - IV ZR 482/14 LS Nr. 2 und Rn. 24). Die jahre- oder jahrzehntelange normale Vertragsdurchführung allein genügt dafür nicht.
Auch der Umstand, dass der Widerruf erst vier Jahre nach der Kündigung des Vertrages erfolgte, rechtfertigt nicht die Annahme der Verwirkung. Denn mit der ausgesprochenen Kündigung wird gerade nicht der Eindruck erweckt, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen, sondern das Gegenteil zum Ausdruck gebracht. Eine vierjährige Korrespondenz nur wegen des Rückkaufswertes ist nicht konkret vorgetragen, sondern nur das Begehren des Klägers nach einem höheren Rückkaufswert mit Schreiben vom 24.10.2012 (Anlage K 4). Eine solche Korrespondenz würde aber ebenfalls keinen die Geltendmachung des Widerrufsrechtes ausschließenden Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten begründen, da sich aus ihr nur ergäbe, dass der Kläger mit dem ausgezahlten Rückkaufswert nicht einverstanden war.
2. Der Höhe nach sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die gegenseitig empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung zu beschränken, denn nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (BGH, Urteil vom 17.12.2014- IV ZR 260/14, VersR 2015, 224, [BGH 17.12.2014 - IV ZR 260/11] Rn. 30; Urteil vom 7.5.2014 a.a.O. Rn. 42-44). Der Kläger kann deshalb die Rückzahlung der Prämien und die Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen verlangen. a) Von dem Prämienrückforderungsanspruch wären indes auf die Risikoabsicherung entfallende Kostenanteile der Prämien abzugsfähig (BGH, Urteil vom 29.7.2015 - IV ZR 384/14 Rn. 35 ff.); solche hat die Beklagte jedoch nicht geltend gemacht. Hinsichtlich der mit der Klageerwiderung S. 6 vorgetragenen Abschluss- und Verwaltungskosten kann sich die Beklagte nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen (BGH a.a.O. Rn. 41 ff.); aus denselben Gründen entfällt auch nicht die Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 3 BGB.
b) Nach der Rspr. des BGH trifft den Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast für gezogene Nutzungen. Es bedarf eines Tatsachenvortrags, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (BGH, Urteil vom 29.7.2015 a.a.O. Rn. 46), insbes. nicht auf eine pauschale Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie hier erstinstanzlich mit der Anlage K 10 vorgelegt. Dem Versicherungsnehmer steht nach Widerruf, Widerspruch oder Rücktritt von kapitalbildenden Lebensversicherungen jedoch nach der Rspr. des BGH der mit der Anlage des Sparanteils der Prämien erzielte Gewinn als tatsächlich gezogene Nutzung zu, ohne dass hiervon Abschluss- oder Verwaltungskosten abgezogen werden (grundlegend BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33, Rn. 51; Urteil vom 24.2.2016 - IV ZR 512/14 Rn. 18; Urteil vom 11.5.2016 - IV ZR 348/15 Rn. 30). Nach dieser Rspr. ist es dem Versicherungsnehmer lediglich verwehrt, aus den für Risiko- und Abschlusskosten kalkulierten Prämienanteilen auch noch Nutzungen herauszuverlangen (BGH, Urteil vom 11.11.2015 a.a.O. Rn. 42, 44 f.). Dieser nunmehr std. Rspr. des BGH ist zu folgen, auch wenn über die Revision gegen das zuvor ergangene Urteil des Senates vom 13.2.2015 - 6 U 179/13 - (VersR 2015, 179-183), in der zum Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten von den Nutzungen eine andere Auffassung vertreten wurde (Rn. 48 zitiert nach Juris), nicht entschieden ist.
Dem Kläger stehen daher über den Prämienrückzahlungsanspruch hinaus die von der Beklagten vorgetragenen Nutzungen in Höhe von 9.369,77 Euro zu. Denn die Beklagte hat zu den Nutzungen bereits in der Klageerwiderung vom 28.5.2015 S. 6 (Bl. 26) vorgetragen, die nach Abzug von Verwaltungs- und Abschlusskosten verbleibenden Versicherungsbeiträge des Klägers seien nach Zahlung mit ihrer jeweiligen Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7 "genutzt" worden, es habe sich ein Gesamtbetrag von 9.369,77 Euro ergeben. Dieses Vorbringen hat der Kläger mit der Replik vom 7.7.2015 zwar bestritten, sich jedoch hilfsweise zu eigen gemacht (Bl. 36 d. A.). Auf dieser Basis kann er daher auch noch in der zweiten Instanz einen Nutzungsherausgabeanspruch in der von der Beklagten vorgetragenen Höhe weiterverfolgen.
Weitergehende Nutzungsherausgabeansprüche stehen dem Kläger nicht zu, da sein erstinstanzliches Begehren einer pauschalen Verzinsung der Prämien mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz unschlüssig war. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren mit dem Schriftsatz vom 13.6.2016 eine neue Zinsberechnung vorgelegt hat auf der Grundlage der von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 28.5.2015 vorgetragenen Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7, jedoch unter gleichmäßigem Abzug anteiliger Abschluss- und Verwaltungskosten von den gezahlten Prämien über die gesamte Vertragslaufzeit (Bl. 96 ff.), mit dem Ergebnis eines die von der Beklagten vorgetragenen Nutzungen um ca. 4.000 Euro übersteigenden Betrages, ist dieses neue, von der Beklagten bestrittene Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Denn der Kläger hatte seit der Klageerwiderung bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 24.3.2016 hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, eine neue Berechnung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich im Jahr 2015 ergangenen Rechtsprechung des BGH zur Höhe des Nutzungsherausgabeanspruchs bei Rückabwicklung von kapitalbildendenden Lebensversicherungsverträgen wegen fehlerhafter Belehrung über das Widerspruchs-/Rücktritts- oder Widerrufsrecht (Urteil vom 11.11.2015 a.a.O. Rn. 40 ff.) vorzulegen. Eines gesonderten gerichtlichen Hinweises bedurfte es nicht, da die Entscheidung im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 12.2.2016 S. 7 zitiert ist (Bl. 51) und den mit der gerichtlichen Durchsetzung von Rückabwicklungsansprüchen der Versicherungsnehmer kapitalbildender Lebensversicherungsverträgen befassten Rechtsanwälten seit der Veröffentlichung ohnehin bekannt war. Unabhängig davon ist es nach der Rspr. des BGH nicht ausreichend, wenn der Versicherungsnehmer zur Darlegung von Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil der Prämien auf die ausweislich der Geschäftsberichte der Versicherer erzielte Nettoverzinsung Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 24.2.2016 - IV ZR 512/14 Rn. 27 a. E.). Die Rechtsprechung des BGH zu nicht von vornherein ausgeschlossenen Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil der Prämien darf nämlich nicht dahin (miss-)verstanden werden, dass der Versicherer aus diesem Anteil generell Nutzungen in Höhe seiner Nettorenditen herauszugeben hätte, womit unterstellt würde, der Versicherer habe aus dem Verwaltungskostenanteil denselben Gewinn erzielt wie aus dem Sparanteil der Prämien. Denn die kalkulierten Verwaltungskosten stehen dem Versicherer nur dann und insoweit als wirtschaftlich nutzbarer Vermögenswert zur Verfügung, als die Kosten nicht verbraucht werden für die "Verwaltung", also die Gehälter, Gebäude, Ausstattung etc., und hierdurch ein etwaiger Kostenüberschuss bei vorsichtiger Kalkulation erzielt wird. Abgesehen davon wäre die neue Berechnung ohnehin auch deshalb nicht geeignet, die Richtigkeit der von der Beklagten vorgetragenen Höhe der Nutzungen in Frage zu stellen, weil in der neuen Berechnung des Klägervertreters gleichmäßig Abschluss- und Verwaltungskosten über die gesamte Vertragslaufzeit verteilt werden. Eine solche gleichmäßige Verteilung berücksichtigt jedoch nicht, dass die Verwaltungskosten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlicher Höhe anfallen können und dass die Abschlusskosten bereits bei Vertragsschluss angefallen sind, so dass sie für einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen nach § 818 Abs.1 BGB nicht über die gesamte tatsächliche Vertragslaufzeit verteilt werden können, sondern von den anfänglich gezahlten Prämien in voller Höhe abzuziehen wären.
c) Im Ergebnis ist damit von dem Prämienrückforderungsanspruch in Höhe von 22.240,68 Euro und dem Anspruch auf Nutzungsherausgabe in der von der Beklagten vorgetragenen Höhe von 9.369,77 Euro der von der Beklagten im Jahre 2008 ausgezahlte Rückkaufswert abzuziehen, so dass sich der vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Betrag von 6.591,51 Euro ergibt. Der Berücksichtigung von Nutzungen steht nicht entgegen, dass diese bereits in dem Auszahlungsbetrag enthalten sind, da sich der Kläger diesen Auszahlungsbetrag in voller Höhe anrechnen lässt. Soweit der BGH in dem Urteil vom 1.6.2016 - IV ZR 482/14 Rn. 27 f. eine abweichende Berechnung vorgenommen hat, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, in der er eine Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung nicht thematisiert hat, so dass diese Entscheidung keinen hinreichenden Anlass bietet, von der bis dahin ergangenen Rechtsprechung und der vorgenommenen Berechnung abzuweichen (ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2016 - 12 U 130/16 Rn. 25, zitiert nach juris).
3. Die geltend gemachten Verzugszinsen sind weitgehend nicht begründet. Durch die mit Schriftsatz vom 20.1.2015 (Anlage K 7) gesetzte Zahlungsfrist bis zum 29.1.2015 ist die Beklagte nicht gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 BGB in Verzug geraten, da dem Kläger der vorprozessual und mit der Klageschrift geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung der Prämien mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht zusteht (s. o.). Zinsen auf die Hauptforderung kann der Kläger daher nur in Form von Rechtshängigkeitszinsen seit Klagezustellung (§ 291 BGB) verlangen.
4. Der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten nebst Zinsen ist nicht begründet, da diese bereits mit der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten zur Erhebung des Widerspruchs und damit vor Verzugseintritt entstanden sind.
5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da durch die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen die grundlegenden Fragen auch zu den Rechtsfolgen des Widerspruchsrechts gemäß § 5 a VVG a. F. geklärt sind, auch wenn im Einzelfall Tatsacheninstanzen anders entschieden haben.
Urt. v. 28.02.2017
Az.: 6 U 65/16
In dem Rechtsstreit
xxx
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 17.01.2017 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichtes Berlin vom 24.3.2016 - 23 O 118/15 - unter weitergehender Zurückweisung der Berufung teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.591,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht restliche Rückzahlungsansprüche nach Widerruf des bei der Beklagten zum 1.6.1994 gemäß Versicherungsschein vom 10.5.1994 (Anlage K 2) abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrages geltend.
In dem Antrag auf Abschluss der Versicherung vom 3.5.1994 (Anlage K 1 zur Klageschrift und - in Farbe - zum Schriftsatz vom 7.7.2015, Bl. 35 d. A., befindlich im Anlagenband; auszugsweise Originaldurchschrift vorgelegt als Anlage BB1 der Berufungsbegründung, Bl. 76 a d. A.) belehrte ihn die Beklagte über das Widerrufsrecht von 10 Tagen in dem Bereich oberhalb der Unterschrift.
Auf die Kündigung des Vertrages durch den Kläger im November 2008 (Anlagen K 3 und B 3) zahlte die Beklagte gemäß Schreiben vom 3.12.2008 (Anlage B 4) einen Rückkaufswert einschließlich Überschussbeteiligung und Bewertungsreserven in Höhe von 25.018,94 Euro aus.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 3.12.2014 erklärte der Kläger den Widerruf des Vertrages (Anlage K 6). Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 20.1.2015 (Anlage K 7) forderte er die Beklagte vergeblich zur Zahlung einer marktüblichen Verzinsung der gezahlten Prämien bis zum 29.1.2015 in Höhe von 20.162,53 Euro auf (Anlage K 6).
Diese Forderung verfolgt er im vorliegenden Rechtsstreit weiter. Er ist der Auffassung, die Widerspruchsbelehrung sei nicht in drucktechnisch deutlicher Form erfolgt, so dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Seine Hauptforderung in Höhe von 20.162,53 Euro ergibt sich aus der Rückforderung der gezahlten Prämien in Höhe von 22.240,68 Euro, dem Abzug der erhaltenen Zahlung von 25.018,94 Euro und der Berechnung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die gezahlten Prämien mit insgesamt 22.940,79 Euro gemäß der Klageschrift S. 4 f. i. V. m. der Anlage K 10.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.162,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.2.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 1.701,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (28.4.2015) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Widerrufsbelehrung sei drucktechnisch hinreichend deutlich hervorgehoben. Jedenfalls sei der Anspruch verwirkt. Der Höhe nach könne der Kläger statt der geltend gemachten Zinsen allenfalls die aus den Sparbeiträgen erzielte Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7 verlangen, was einen Betrag von 9.369,77 Euro ergebe, wovon aber die Abschluss- und Verwaltungskosten abzuziehen seien (Klageerwiderung S. 6, Bl. 26 d. A.).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger in ausreichender Form über das Widerspruchsrecht belehrt worden sei und zudem der Verwirkungseinwand begründet sei. Auf das angefochtene Urteil vom 24.3.2016 wird verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er beantragt, die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe seiner erstinstanzlichen Anträge zu verurteilen.
Hilfsweise macht er sich - wie bereits in erster Instanz - das Vorbringen der Beklagte zur erzielten Nettorendite zu eigen, so dass der Klage jedenfalls in Höhe von 6.591,51 Euro stattzugeben sei.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteienvertreter wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum Teil in dem aus dem Urteilsausspruch ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet und die Klage weiterhin abzuweisen..
1. Der Kläger kann aufgrund seines Widerrufs die Rückabwicklung des Vertrages gemäß § 346 Abs. 1 BGB verlangen.
a) Dem Kläger stand ein fortdauerndes Widerrufsrecht zu, nachdem er nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht gemäß § 8 Abs. 4 in der vom 1.1.1991 bis zum 28.7.1994 gültigen Fassung des VVG belehrt worden war. Die im Antragsformular enthaltene Belehrung war nicht ausreichend drucktechnisch hervorgehoben und konnte deshalb das Widerrufsrecht nicht wirksam in Lauf setzen. Zwar war eine solche Hervorhebung vom Wortlaut des Gesetzes nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Zur Erreichung ihres gesetzlichen Zwecks muss die Belehrung aber inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, Urteil vom 16.10.2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 ff., Rn. 14 m.w.N.).
Die Form der Belehrung in dem Antragsformular genügt diesen Anforderungen nicht. Dies hat die auszugsweise Vorlage der Originaldurchschrift als Anlage BB1 mit der Berufungsbegründung (Bl. 76a) und deren Inaugenscheinnahme in der mündlichen Verhandlung durch die Parteienvertreter und das Gericht ergeben. Denn sie ist zwar innerhalb des Textblocks nach dem letzten dicken horizontalen Trennstrich vor der Unterschrift enthalten und mit der blauen Nebenschrift "Widerrufsrecht" versehen. Dies genügt hier jedoch deshalb nicht, weil der nachfolgende vierzeilige Text innerhalb der dünneren Trennstriche hervorstechend in einem blaulila Farbton unterlegt ist und hierdurch die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die verbleibende Hervorhebung der vorangehenden beiden Zeilen auf hellgrauem Hintergrund mit der Widerrufsbelehrung durch die blaue Nebenschrift und den dickeren Trennstrich sind angesichts dessen nicht ausreichend, da auch die übrigen Passagen des Formulars entsprechend gegliedert sind. Diese Gliederungsmerkmale werden hier zudem optisch überlagert durch die Verwendung der weiteren Farbtöne blass hellblau und hellgrün, wobei die durch die hellgrüne Farbe auf der oberen Blatthälfte unterlegten Textteile und das blaulila unterlegte vierzeilige Textband unmittelbar unterhalb der Widerrufsbelehrung optisch besonders ins Auge fallen. Sie lassen die kleine zweieilige Widerrufsbelehrung vollkommen in den Hintergrund treten. Soweit andere Gerichte - wie von der Beklagten vorgetragen - eine abweichende Würdigung der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars der Beklagten, das hier in farbiger Originaldurchschrift vorliegt (Anlage BB 1), vorgenommen haben, folgt das hiesige Gericht dem aus den vorgenannten Gründen nicht.
b) Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung hat zur Folge, dass das Rücktrittsrecht erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung zu laufen beginnt (BGH a.a.O. Rn. 16 bis 22). Das Rücktrittsrecht ist nicht aufgrund vollständiger Erbringung der gegenseitigen Leistungen im Jahr 2008 erloschen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG. Denn eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen kommt nach deren Außerkrafttreten zum 1.1.2003 nicht mehr in Betracht (BGH, Urteil vom 7.5.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 101, 101 ff., Rn. 37 m.w.N.; Urteil vom 20.7.2016 - IV ZR 166/12, VuR 2016, 395, Rn. 15 zitiert nach Juris).
c) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben, § 242 BGB. Er hat das Widerrufsrecht nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). An diesem fehlt es hier. Die Beklagte kann kein schutzwürdiges Vertrauen in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilte (vgl. BGH, Urteil vom 7.5.2014 a.a.O. Rn. 39). Aus demselben Grund liegt auch keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung vor (vgl. BGH a.a.O. Rn. 40). Etwas anderes kann sich im Einzelfall ergeben, wenn der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
Erforderlich sind dabei aber nach der Rspr. des BGH besonders gravierende Umstände, die den Schluss darauf zulassen, dass der Versicherungsnehmer in Kenntnis seines Lösungsrechtes vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 27.1.2016 - IV ZR 130/15 Rn. 16; Urteil vom 11.5.2016 - IV ZR 334/15 Rn. 16; Urteil vom 1.6.2016 - IV ZR 482/14 LS Nr. 2 und Rn. 24). Die jahre- oder jahrzehntelange normale Vertragsdurchführung allein genügt dafür nicht.
Auch der Umstand, dass der Widerruf erst vier Jahre nach der Kündigung des Vertrages erfolgte, rechtfertigt nicht die Annahme der Verwirkung. Denn mit der ausgesprochenen Kündigung wird gerade nicht der Eindruck erweckt, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen, sondern das Gegenteil zum Ausdruck gebracht. Eine vierjährige Korrespondenz nur wegen des Rückkaufswertes ist nicht konkret vorgetragen, sondern nur das Begehren des Klägers nach einem höheren Rückkaufswert mit Schreiben vom 24.10.2012 (Anlage K 4). Eine solche Korrespondenz würde aber ebenfalls keinen die Geltendmachung des Widerrufsrechtes ausschließenden Vertrauenstatbestand auf Seiten der Beklagten begründen, da sich aus ihr nur ergäbe, dass der Kläger mit dem ausgezahlten Rückkaufswert nicht einverstanden war.
2. Der Höhe nach sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die gegenseitig empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die Rücktrittsfolgen sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang der Rücktrittserklärung zu beschränken, denn nur eine Rückwirkung entspricht dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot (BGH, Urteil vom 17.12.2014- IV ZR 260/14, VersR 2015, 224, [BGH 17.12.2014 - IV ZR 260/11] Rn. 30; Urteil vom 7.5.2014 a.a.O. Rn. 42-44). Der Kläger kann deshalb die Rückzahlung der Prämien und die Herausgabe der tatsächlich gezogenen Nutzungen verlangen. a) Von dem Prämienrückforderungsanspruch wären indes auf die Risikoabsicherung entfallende Kostenanteile der Prämien abzugsfähig (BGH, Urteil vom 29.7.2015 - IV ZR 384/14 Rn. 35 ff.); solche hat die Beklagte jedoch nicht geltend gemacht. Hinsichtlich der mit der Klageerwiderung S. 6 vorgetragenen Abschluss- und Verwaltungskosten kann sich die Beklagte nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen (BGH a.a.O. Rn. 41 ff.); aus denselben Gründen entfällt auch nicht die Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 3 BGB.
b) Nach der Rspr. des BGH trifft den Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast für gezogene Nutzungen. Es bedarf eines Tatsachenvortrags, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (BGH, Urteil vom 29.7.2015 a.a.O. Rn. 46), insbes. nicht auf eine pauschale Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, wie hier erstinstanzlich mit der Anlage K 10 vorgelegt. Dem Versicherungsnehmer steht nach Widerruf, Widerspruch oder Rücktritt von kapitalbildenden Lebensversicherungen jedoch nach der Rspr. des BGH der mit der Anlage des Sparanteils der Prämien erzielte Gewinn als tatsächlich gezogene Nutzung zu, ohne dass hiervon Abschluss- oder Verwaltungskosten abgezogen werden (grundlegend BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33, Rn. 51; Urteil vom 24.2.2016 - IV ZR 512/14 Rn. 18; Urteil vom 11.5.2016 - IV ZR 348/15 Rn. 30). Nach dieser Rspr. ist es dem Versicherungsnehmer lediglich verwehrt, aus den für Risiko- und Abschlusskosten kalkulierten Prämienanteilen auch noch Nutzungen herauszuverlangen (BGH, Urteil vom 11.11.2015 a.a.O. Rn. 42, 44 f.). Dieser nunmehr std. Rspr. des BGH ist zu folgen, auch wenn über die Revision gegen das zuvor ergangene Urteil des Senates vom 13.2.2015 - 6 U 179/13 - (VersR 2015, 179-183), in der zum Abzug von Abschluss- und Verwaltungskosten von den Nutzungen eine andere Auffassung vertreten wurde (Rn. 48 zitiert nach Juris), nicht entschieden ist.
Dem Kläger stehen daher über den Prämienrückzahlungsanspruch hinaus die von der Beklagten vorgetragenen Nutzungen in Höhe von 9.369,77 Euro zu. Denn die Beklagte hat zu den Nutzungen bereits in der Klageerwiderung vom 28.5.2015 S. 6 (Bl. 26) vorgetragen, die nach Abzug von Verwaltungs- und Abschlusskosten verbleibenden Versicherungsbeiträge des Klägers seien nach Zahlung mit ihrer jeweiligen Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7 "genutzt" worden, es habe sich ein Gesamtbetrag von 9.369,77 Euro ergeben. Dieses Vorbringen hat der Kläger mit der Replik vom 7.7.2015 zwar bestritten, sich jedoch hilfsweise zu eigen gemacht (Bl. 36 d. A.). Auf dieser Basis kann er daher auch noch in der zweiten Instanz einen Nutzungsherausgabeanspruch in der von der Beklagten vorgetragenen Höhe weiterverfolgen.
Weitergehende Nutzungsherausgabeansprüche stehen dem Kläger nicht zu, da sein erstinstanzliches Begehren einer pauschalen Verzinsung der Prämien mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz unschlüssig war. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren mit dem Schriftsatz vom 13.6.2016 eine neue Zinsberechnung vorgelegt hat auf der Grundlage der von der Beklagten mit der Klageerwiderung vom 28.5.2015 vorgetragenen Nettoverzinsung gemäß der Anlage B 7, jedoch unter gleichmäßigem Abzug anteiliger Abschluss- und Verwaltungskosten von den gezahlten Prämien über die gesamte Vertragslaufzeit (Bl. 96 ff.), mit dem Ergebnis eines die von der Beklagten vorgetragenen Nutzungen um ca. 4.000 Euro übersteigenden Betrages, ist dieses neue, von der Beklagten bestrittene Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Denn der Kläger hatte seit der Klageerwiderung bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 24.3.2016 hinreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, eine neue Berechnung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich im Jahr 2015 ergangenen Rechtsprechung des BGH zur Höhe des Nutzungsherausgabeanspruchs bei Rückabwicklung von kapitalbildendenden Lebensversicherungsverträgen wegen fehlerhafter Belehrung über das Widerspruchs-/Rücktritts- oder Widerrufsrecht (Urteil vom 11.11.2015 a.a.O. Rn. 40 ff.) vorzulegen. Eines gesonderten gerichtlichen Hinweises bedurfte es nicht, da die Entscheidung im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 12.2.2016 S. 7 zitiert ist (Bl. 51) und den mit der gerichtlichen Durchsetzung von Rückabwicklungsansprüchen der Versicherungsnehmer kapitalbildender Lebensversicherungsverträgen befassten Rechtsanwälten seit der Veröffentlichung ohnehin bekannt war. Unabhängig davon ist es nach der Rspr. des BGH nicht ausreichend, wenn der Versicherungsnehmer zur Darlegung von Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil der Prämien auf die ausweislich der Geschäftsberichte der Versicherer erzielte Nettoverzinsung Bezug nimmt (BGH, Urteil vom 24.2.2016 - IV ZR 512/14 Rn. 27 a. E.). Die Rechtsprechung des BGH zu nicht von vornherein ausgeschlossenen Nutzungen aus dem Verwaltungskostenanteil der Prämien darf nämlich nicht dahin (miss-)verstanden werden, dass der Versicherer aus diesem Anteil generell Nutzungen in Höhe seiner Nettorenditen herauszugeben hätte, womit unterstellt würde, der Versicherer habe aus dem Verwaltungskostenanteil denselben Gewinn erzielt wie aus dem Sparanteil der Prämien. Denn die kalkulierten Verwaltungskosten stehen dem Versicherer nur dann und insoweit als wirtschaftlich nutzbarer Vermögenswert zur Verfügung, als die Kosten nicht verbraucht werden für die "Verwaltung", also die Gehälter, Gebäude, Ausstattung etc., und hierdurch ein etwaiger Kostenüberschuss bei vorsichtiger Kalkulation erzielt wird. Abgesehen davon wäre die neue Berechnung ohnehin auch deshalb nicht geeignet, die Richtigkeit der von der Beklagten vorgetragenen Höhe der Nutzungen in Frage zu stellen, weil in der neuen Berechnung des Klägervertreters gleichmäßig Abschluss- und Verwaltungskosten über die gesamte Vertragslaufzeit verteilt werden. Eine solche gleichmäßige Verteilung berücksichtigt jedoch nicht, dass die Verwaltungskosten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlicher Höhe anfallen können und dass die Abschlusskosten bereits bei Vertragsschluss angefallen sind, so dass sie für einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen nach § 818 Abs.1 BGB nicht über die gesamte tatsächliche Vertragslaufzeit verteilt werden können, sondern von den anfänglich gezahlten Prämien in voller Höhe abzuziehen wären.
c) Im Ergebnis ist damit von dem Prämienrückforderungsanspruch in Höhe von 22.240,68 Euro und dem Anspruch auf Nutzungsherausgabe in der von der Beklagten vorgetragenen Höhe von 9.369,77 Euro der von der Beklagten im Jahre 2008 ausgezahlte Rückkaufswert abzuziehen, so dass sich der vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Betrag von 6.591,51 Euro ergibt. Der Berücksichtigung von Nutzungen steht nicht entgegen, dass diese bereits in dem Auszahlungsbetrag enthalten sind, da sich der Kläger diesen Auszahlungsbetrag in voller Höhe anrechnen lässt. Soweit der BGH in dem Urteil vom 1.6.2016 - IV ZR 482/14 Rn. 27 f. eine abweichende Berechnung vorgenommen hat, handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, in der er eine Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung nicht thematisiert hat, so dass diese Entscheidung keinen hinreichenden Anlass bietet, von der bis dahin ergangenen Rechtsprechung und der vorgenommenen Berechnung abzuweichen (ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.12.2016 - 12 U 130/16 Rn. 25, zitiert nach juris).
3. Die geltend gemachten Verzugszinsen sind weitgehend nicht begründet. Durch die mit Schriftsatz vom 20.1.2015 (Anlage K 7) gesetzte Zahlungsfrist bis zum 29.1.2015 ist die Beklagte nicht gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 BGB in Verzug geraten, da dem Kläger der vorprozessual und mit der Klageschrift geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung der Prämien mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht zusteht (s. o.). Zinsen auf die Hauptforderung kann der Kläger daher nur in Form von Rechtshängigkeitszinsen seit Klagezustellung (§ 291 BGB) verlangen.
4. Der Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten nebst Zinsen ist nicht begründet, da diese bereits mit der Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten zur Erhebung des Widerspruchs und damit vor Verzugseintritt entstanden sind.
5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, da durch die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs inzwischen die grundlegenden Fragen auch zu den Rechtsfolgen des Widerspruchsrechts gemäß § 5 a VVG a. F. geklärt sind, auch wenn im Einzelfall Tatsacheninstanzen anders entschieden haben.
RechtsgebietLebensversicherungenVorschriften§ 8 Abs. 4 a.F. VVG