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  • 29.10.2014 · IWW-Abrufnummer 143165

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 23.05.2014 – 6 U 210/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Kammergericht Berlin

    Beschl. v. 23.05.2014

    Az.: 6 U 210/13

    In dem Rechtsstreit

    C###### K######### a.G. ./. K##

    hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard, den Richter am Kammergericht Ninnemann und die Richterin am Kammergericht Beckstett am 23. Mai 2014

    b e s c h l o s s e n :
    Tenor:

    1.

    Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten vom 20. Dezember 2013 gegen das am 29. November 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung ist, dass dem Rechtsmittel im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zukommt.

    Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil durch Aufrechterhaltung des gegen den Beklagten ergangenen Versäumnisurteils festgestellt, dass das Krankheitskostenversicherungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Rücktrittserklärungen des Beklagten beendet wurde, sondern fortbesteht. Die Rücktrittserklärungen seien gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG unwirksam, weil der Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über alle Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt habe, wozu die Belehrung über die Leistungsfreiheit für bereits eingetretene Versicherungsfälle auch im Falle einer Vertragsänderung gemäß § 19 Abs. 4 VVG - wie etwa bei rückwirkender Einführung eines Leistungsausschlusses - gehöre. Dieses Belehrungserfordernis entfalle auch nicht bei Arglist, so dass offen bleiben könne, ob der Kläger anzeigepflichtige Behandlungen arglistig verschwiegen habe.

    Nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. März 2014 - IV ZR 306/13 (VersR 2014, 565 - 567) die Frage, ob sich der arglistige Versicherungsnehmer im Rahmen des Rücktritts des Versicherers auf eine fehlende oder unzureichende Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 VVG berufen kann, verneint hat, kann die Entscheidung zwar nicht mehr mit der vom Landgericht gegebenen Begründung aufrecht erhalten werden. Der Senat folgt zwar auch der Auffassung des Landgerichts zur Unwirksamkeit der Belehrung nicht (1). Des Weiteren liegt auch kein Fall vor, der wegen Arglist des Versicherungsnehmers die Prüfung der weiteren Voraussetzungen des Rücktrittsrechts gemäß § 19 VVG wegen Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht entbehrlich machen könnte (2). Diese weiteren Voraussetzungen sind nicht gegeben, so dass der Rücktritt im Ergebnis nicht wirksam war (3).

    (1) Gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG stehen dem Versicherer die Rechte aus einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat. Der Senat folgt der hierzu vertretenen Auffassung des Landgerichtes nicht, wonach die Belehrung der Beklagten in dem Antragsformular (Anlagen K 1 und B 6) schon deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche, weil die Beklagte in Ziffer 11 Nr. 3 der Hinweise nicht gesondert darauf hinwies, dass nicht nur der Rücktritt, sondern auch die Vertragsanpassung zu einem Wegfall des Versicherungsschutzes für bereits eingetretene Versicherungsfälle führen kann. Vielmehr entspricht die Belehrung der Beklagten in inhaltlicher Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen. Auch in formaler Hinsicht ist sie nicht zu beanstanden.

    a) Eine "gesonderte Mitteilung" erfordert kein Extrablatt, sondern eine von den allgemeinen Vertragsunterlagen getrennte Form des Hinweises. Die Belehrung wird ihrer Warnfunktion vielmehr gerade dann gerecht, wenn sie dem Versicherungsnehmer im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den an ihn gerichteten Fragen zur Kenntnis gebracht wird (BGH, Urteil vom 9.1.2013 IV ZR 197/11 Rz. 16 bis 20); sie muss allerdings drucktechnisch als auch hinsichtlich der Platzierung so ausgestaltet sein, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann (BGH aaO. Rz. 22 bis 25). Diesen Anforderungen genügt die Belehrung der Beklagten. Denn sie hat die "Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen der Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht" in Ziffer 11 der "Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen" eingerahmt, so dass sie sich vom übrigen Text abhebt. Dem Übersehen des Hinweises in dem zweiseitigen, den Unterschriften nachfolgenden Text des Antragsformulars hat sie dadurch entgegengewirkt, dass sie sowohl den Gesundheitsfragen als auch den Schlusserklärungen und Unterschriften jeweils Kurzhinweise auf diese nachfolgende ausführliche Belehrung voran gestellt hat. Diese Hinweise sind fett gedruckt und befinden sich unterhalb der blauen Balken mit den Überschriften "Angaben zum Gesundheitszustand" und "Schlusserklärungen und Unterschriften", wie aus dem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.8.2013 eingereichten Blankoformular (Anlagen zu Bl. 82, im Anlagenband am Ende eingeheftet) ergibt.

    b) Auch inhaltlich ist die Belehrung nicht zu beanstanden. Schon in der Kurzbelehrung vor den Gesundheitsfragen wird dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung die vollständige und wahrheitsgemäße Information des Versicherers für den Bestand des Versicherungsvertrages hat, indem es dort heißt: "Die Gesundheitsfragen sind nach bestem Wissen sorgfältig, vollständig und richtig zu beantworten. Eine Verletzung Ihrer vorvertraglichen Anzeigpflicht kann den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen", und weiter: "Bitte beachten Sie hierzu die Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Ziffer 11. der Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen". In dem Hinweis vor den Schlusserklärungen und Unterschriften wird der Antragsteller zudem dazu aufgefordert, u. a. die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht in Ziffer 11 zu lesen. In Ziffer 11 stellt die Beklagte ausführlich die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigpflicht dar. Damit sind alle Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Belehrung gegeben.

    Der Wirksamkeit der Belehrung steht nicht entgegen, dass bei der Darstellung der Rechtsfolgen zur Vertragsanpassung unter der Unterziffer 3) nicht ausdrücklich der Hinweis enthalten ist, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss Vertragsbestandteil wird, der ein Risiko betrifft, das sich in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat. Denn diese Konsequenz ergibt sich auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dem erteilten Hinweis auf die Möglichkeit der rückwirkenden Anpassung und der Möglichkeit des Ausschlusses der Gefahrabsicherung für einen nicht angezeigten Umstand. Ein gesonderter Hinweis ist auch nicht im Hinblick darauf erforderlich, dass bei der Darstellung des Rücktritts unter Ziffer 1) der Hinweis auf den Wegfall des Versicherungsschutzes ausdrücklich gegeben wird. Dadurch wird dem Versicherungsnehmer nicht suggeriert, dass bei der Vertragsanpassung der Versicherungsschutz auch nicht teilweise entfallen kann, obwohl darüber belehrt wird, dass rückwirkend die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand entfallen kann. Bei der Erfüllung der Warnfunktion der Belehrung kommt es vielmehr entscheidend darauf an, dass dem Versicherungsnehmer im Grundsatz die negativen Folgen für seinen Versicherungsschutz im Falle von unwahren oder unvollständigen Angaben deutlich gemacht werden. Dies ist hier der Fall.

    Da die Belehrung über die Rechtsfolgen in sechs Unterziffern mit fettgedruckten Überschriften gegliedert ist, ist sie entgegen Marlow aaO. auch nicht deshalb unwirksam, weil die Warnfunktion in der Masse der erteilten Informationen unterginge. Sie entspricht - abgesehen von den aufgeführten Besonderheiten der Krankheitskostenversicherung und dem Hinweis auf die Möglichkeit der Anfechtung bei arglistiger Täuschung in Ziffer 5) - ab dem zweiten Absatz dem bei Marlow/Spuhl aaO. im Anhang S. 669 ff. abgedruckten GDV-Muster einer Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG. Der Verlust der Warnfunktion kommt hier zudem schon deshalb nicht in Betracht, weil die Warnung als solche in den vor den Gesundheitsfragen und der Unterschrift erteilten Kurzhinweisen enthalten ist und sich die ausführliche Darstellung in Ziffer 11) deshalb an diejenigen Antragsteller richtet, die die Warnung ernst genommen haben und sich gerade für die in Ziffer 11) dargestellte Bedeutung der Anzeigepflicht und die Details der Rechtsfolgen bei ihrer Verletzung interessieren.

    (2) Der Kläger hat die Gesundheitsfragen zwar falsch beantwortet hat. Die Würdigung der Umstände des vorliegenden Falls reicht jedoch auch unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten nicht aus, um dem Kläger eine arglistige Verletzung der Anzeigeobliegenheit vorwerfen zu können.

    Der Kläger hat bei der Frage zu A., ob in den letzten drei Jahren Untersuchungen oder Behandlungen stattfanden (mit der Zusatzfrage: wenn ja, welche, wann, wegen welcher Beschwerden, was wurde festgestellt?), nicht angegeben, dass er im Mai 2010 wegen einer Lumboischialgie in Behandlung war und eine Spritze erhalten hatte und im Juni 2010 untersucht worden war, obwohl er hiervon unzweifelhaft Kenntnis hatte. Einleuchtende Gründe dafür, weshalb er annehmen durfte, diese Behandlung und Untersuchung nicht angeben zu müssen, trägt er nicht vor. Dass er sie vergessen hätte, behauptet er nicht; dies scheidet auch aus, da sie bei Antragstellung erst vier bis fünf Monate zurück lagen. Soweit er geltend macht, die in der Rechnung vom 4. Juni 2010 über die Untersuchung aufgeführten Diagnosen "metabolisches Syndrom", "Prädiabetes" und "Hypertonie" seien ihm nicht bekannt gewesen, auch nicht deren Krankheitswert, die Ärztin Dr. Gottschalk habe ihm als Ergebnis der Vorsorgeuntersuchung lediglich telephonisch empfohlen, er solle seine Ernährung/seinen Lebenswandel umstellen und sein Gewicht reduzieren, ist dies nur insoweit von Bedeutung, als die Beklagte in der Zusatzfrage auch danach gefragt hat, wegen welcher Beschwerden er untersucht wurde und was festgestellt wurde. Diese Frage hätte der Kläger unter Zugrundelegung seines Vorbringens zur Vorsorgeuntersuchung zwar dahin beantworten dürfen, dass er keine Beschwerden hatte und die Untersuchung keine Erkrankung ergeben hat, er hätte jedoch die einmalige Lumboischialgiebehandlung und die Vorsorgeuntersuchung angeben müssen. Für eine arglistige Falschbeantwortung müsste aber darüber hinaus festgestellt werden, dass der Kläger auf die Entschließung der Beklagten Einfluss nehmen wollte und sich daher bewusst war, dass die Beklagte möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er die Wahrheit angeben würde (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage, § 22 VVG Rn. 4 m.w.N.). Hierfür trägt die Beklagte die Beweislast. Da es sich insoweit um eine innere Tatsache handelt, sind die von der Beklagten vorgetragenen Indizien zu würdigen. Sie beruft sich darauf (s. Bl. 63 f., 87), dass die nicht angegebene Untersuchung und Behandlung bei Antragstellung erst wenige Monate zurücklagen und der Kläger wegen der Lumboischialgie auch mit einer Spritze behandelt wurde. Daraus folgt jedoch noch nicht zugleich, dass der Kläger das Bewusstsein hatte, die Beklagte werde ihre Entscheidung über seinen Antrag von der Angabe dieser Umstände abhängig machen, und dass er hierauf Einfluss nehmen wollte. Dies liegt hier nicht auf der Hand, da es sich bei der Behandlung der Lumboischialgie unstreitig um eine einmalige Behandlung mit einer Spritze handelte und die Vorsorgeuntersuchung auch unter Zugrundelegung der Behauptung der Beklagten über die Mitteilung der Diagnose "metabolisches Syndrom" (als Folge von Überernährung und Bewegungsmangel) jedenfalls keine Behandlungsbedürftigkeit ergeben hatte. Gegen Arglist spricht auch, dass sich der Kläger noch vor Erhalt der Rücktrittserklärung der Beklagten vom 9. Mai 2012 wegen Nichtangabe einer Behandlung wegen eines "metabolischen Syndroms" (Anlage B 10) mit Schreiben vom 9. Mai 2009 (Anlage B 12) entrüstet an den Vorstand der Beklagten und den Ombudsmann wandte, weil er von seinem Betreuer gehört habe, die Beklagte wolle den Versicherungsvertrag wegen nicht wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen "kündigen" und er dabei freimütig alle in der Rechnung der behandelnden Ärztin aufgeführten Diagnosen mitteilte, wodurch er die Beklagte erst zu der weiteren Rücktrittserklärung vom 23. Mai 2012 (Anlage B 13) veranlasste. Der Inhalt dieses Schreibens spricht dafür, dass er bis zu diesem Zeitpunkt offenbar ohne "Arg" war und eine Rücktrittsberechtigung tatsächlich nicht nachvollziehen konnte.

    (3) Für die Wirksamkeit des Rücktritts gemäß § 19 Abs. 1 bis 5 VVG müsste daher festgestellt werden können, dass die Gesundheitsfragen zu A. Gefahrumstände betreffen, die für den Entschluss der Beklagten, den Vertrag mit dem Kläger mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, objektiv erheblich sind und der Kläger vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig handelte und die Beklagte den vertrag bei grober Fahrlässigkeit den Vertrag in Kenntnis der Umstände nicht mit einem anderen Inhalt geschlossen hätte (a), dass die Beklagte danach in Textform gefragt hat (b) und auch die Belehrung in Textform erfolgt ist (c).

    a) Die objektive Gefahrerheblichkeit der Lumboischialgie und der in der Rechnung vom 4. Juni 2010 aufgeführten Diagnosen hat die Beklagte in der Klageerwiderung dargelegt und durch die Vorlage der Anlagen B 15 und B 16 hinreichend substantiiert. Danach lasse sich den Risikoprüfungsgrundsätzen zum vereinbarten Tarif Economy entnehmen, dass in diesem Tarif nur Wagniserhöhungen bis maximal 50 % versicherbar seien. Die Beklagte verwende im Rahmen der Risikoprüfung die "Kölner Systematik der Krankheiten", wonach die nicht angezeigten Erkrankungen wie folgt beurteilt würden: "metabolisches Syndrom": individuelle Prüfung/99 Monate, Lumboischialgie: Zuschlag 40 %/48 Monate, "Prädiabetes": kein Angebot/99 Monate und "Hypertonie": Zuschlag 40 %/60 Monate. Eine bloße Vertragsanpassung wäre demnach nicht in Betracht gekommen. Zum Beweis hat sie die Zeugin W##### benannt (Bl. 43). Da der Kläger diese Diagnosen aber nur angeben musste, wenn er sie kannte, was mit Ausnahme der Lumboischialgie streitig ist, müsste die Beklagte zudem durch Vernehmung der behandelnden Ärztin Dr. G##### nachweisen, dass die Diagnosen dem Kläger mitgeteilt wurden. Allein die Tatsache, dass diese Diagnosen in der Rechnung vom 4. Juni 2010 aufgeführt waren, genügt hierfür nicht, da der Kläger unter Zugrundelegung seines Vorbringens keinen Anlass hatte, sich nach der Bedeutung der lateinischen Begriffe zu erkundigen. Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von diesen Diagnosen kann daher unter Zugrundelegung seines Vorbringens nicht unterstellt werden. Darüber hinaus wäre für den Vorsatz auch erforderlich, dass sich der Kläger der Gefahrerheblichkeit der nicht angezeigten Umstände bewusst war. Auch wenn man dies bejahen würde, fehlt es jedenfalls an den weiteren Voraussetzungen für den Rücktritt.

    b) Zweifelhaft ist schon, ob dem Kläger die Gesundheitsfragen im Sinne des § 19 Abs. 1 VVG in Textform gestellt wurden. Denn auch bei Zugrundelegung des Vortrags des Beklagten haben dem Kläger die Gesundheitsfragen im Antragsgespräch jedenfalls nicht in Form eines Schriftstücks vorgelegen, sondern die Gesundheitsfragen sollen an einem Laptop des Versicherungsvertreters ausgefüllt worden sein.

    aa) Für die Einhaltung der Textform muss die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Form abgegeben werden, in der die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht wird (§ 126 b BGB). Diesen Anforderungen genügen Verkörperungen auf Papier, Diskette, CD-Rom, aber auch in Emails oder einem Computerfax. Bei elektronisch übermittelten Erklärungen genügt, dass der Empfänger sie ausdrucken und speichern kann (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 73. Auflage, § 126 b Rn 3). Das Erfordernis der Textform hat generell den Zweck, die Erklärung im Interesse der Rechtssicherheit dauerhaft festzuhalten (Dokumentationsfunktion). Außerdem soll der Erklärungsempfänger zuverlässiger als durch das gesprochene Wort über einen bestimmten Inhalt informiert werden (Informationsfunktion). Daraus folgt, dass die Erklärung in lesbarer Form zugehen muss. Auch nach der ab dem 13. 6. 2014 geltenden Neufassung, mit der die Terminologie der Verbraucherrichtlinie angepasst wird, kommt es entscheidend darauf an, dass die Erklärung in lesbarer Form zugeht (Palandt-Ellenberger aaO. Rz. 7).

    bb) Daraus könnte - wie teilweise in der Literatur vertreten - geschlossen werden, dass das Vorlesen der Fragen durch den Agenten generell nicht reicht, selbst wenn die Fragen wörtlich vorgelesen wurden, der Versicherungsnehmer Gelegenheit zu Rückfragen hatte, im Anschluss der vom Agenten entsprechend den Antworten des Versicherungsnehmers ausgefüllte Antrag ausgedruckt und dem Versicherungsnehmer zur Durchsicht und Unterzeichnung vorgelegt wird. Dagegen spricht andererseits, dass es dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmotive bei der Neufassung der Vorschrift des § 19 VVG über die vorvertragliche Anzeigepflicht darum ging, dem Versicherungsnehmer das Risiko einer Fehleinschätzung, ob ein Umstand gefahrerheblich und damit anzeigepflichtig ist, abzunehmen (BT-Drs. 16/3945 S. 64). Er sollte nicht mehr - wie nach § 16 Abs. 1 S. 1 VVG a. F. - verpflichtet sein, alle ihm bekannten Umstände, die für die Gefahrübernahme erheblich sind, anzuzeigen, selbst wenn der Versicherer nicht danach gefragt hatte. Dies sollte die wichtigste Neuerung und damit Verbesserung der Stellung des Versicherungsnehmers bei der Neufassung der Anzeigepflicht sein (aaO.). Daraus folgt, dass es dem Gesetzgeber bei der Einführung der Textform nicht - jedenfalls nicht vornehmlich - um das Formerfordernis als solches ging, sondern um die hierdurch zu erzielende eindeutige Begrenzung der vom Versicherungsnehmer anzuzeigenden Umstände. Mit dieser Begrenzung der Anzeigepflicht konnte zugleich auch die bisherige Bestimmung in § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a. F. entfallen, wonach ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt hat, im Zweifel als gefahrerheblich gilt. Eine schriftliche Frage im Sinne dieser Vorschrift wurde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann als gegeben angesehen, wenn der Agent die Fragen vorgelesen und die Antworten in das Formular eingetragen hatte; der Versicherer musste aber nachweisen, dass die Fragen in einer Art und Weise mit dem Versicherungsnehmer durchgegangen worden sind, die einer sorgsamen, nicht unter Zeitdruck stehenden und gegebenenfalls durch klärende Rückfragen ergänzten Lektüre gleichsteht, der Agent dem Versicherungsnehmer die Fragen also zu "eigenverantwortlicher (mündlicher) Beantwortung" vorgelesen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11.7.1990 - IVa ZR 156/89, Rz. 18-21, 24, VersR 1990, 1002 [BGH 11.07.1990 - IV ZR 156/89]; Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 218/90 Rz. 15 -17, VersR 1991, 575 [BGH 13.03.1991 - IV ZR 218/90]; Urteil vom 24.11.2010 - IV ZR 252/08 Rz. 25 f., VersR 2011, 338).

    Diese Auslegung der Anforderung an die Schriftlichkeit der Antragsfrage lässt sich nach Auffassung des Senats auf das Textformerfordernis des § 19 Abs. 1 S. 1 VVG n. F. übertragen, weil - wie ausgeführt, der Gesetzgeber nicht eine Verschärfung der Form der Fragestellung im Auge hatte, sondern eine Begrenzung der Anzeigepflicht auf die Fragen des Versicherers. Werden die in Textform niedergelegten Fragen entsprechend den bisherigen Anforderungen an die Schriftlichkeit vorgelesen, wird der Versicherungsnehmer zuverlässig darüber informiert, welche Umstände aus der Sicht des Versicherers gefahrerheblich sind, er trägt damit nicht das Risiko der Fehleinschätzung, so dass das Ziel des Gesetzgebers erreicht ist und ein solches Vorlesen der Textform genügt (so auch Looschelders in Looschelders/Pohlmann, VVG, 2. Auflage § 19 Rn. 20; Langheid in Römer/Langheid, VVG, 4. Auflage, § 19 Rn. 56 m.w.N., auch zu abweichenden, strengeren Auffassungen in der Literatur; Knappmann in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungshandbuch, 2. Auflage 2009, § 14 Rn. 20; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Auflage § 19 Rn. 11). Die mit der Textform erstrebte Dokumentationsfunktion ist gewahrt, weil sich der Versicherer nur auf die Falschbeantwortung der in dem Text des Antragsformulars enthaltenen Fragen berufen kann. Dem Versicherungsnehmer müssen die Fragen jedoch auch in lesbarer Form zugehen (s. o. zu aa). Im Hinblick darauf ist es jedenfalls erforderlich, dass dem Versicherungsnehmer darüber hinaus die Fragen dauerhaft in lesbarer Form - als Papierdokument oder elektronisches Dokument - zur Verfügung gestellt werden (so Looschelders aaO.), dass ihm zumindest das vom Agenten ausgefüllte Formular vor der Unterzeichnung zur Durchsicht vorgelegt wird (so Schimikowski aaO. und Looschelders aaO. Rn. 21, letzterer allerdings nur für den - der Textform nicht entsprechenden - Fall, dass der Agent das Formular eigenständig ohne Rückfragen ausgefüllt hat) oder dass der Versicherungsnehmer die Fragen mitlesen kann, also verkörpert vor Augen hat (so LG Berlin, Urteil vom 25.1.2013 - 23 O 238/11, RuS 2014, 7 Rz. 49; Marlow in Marlow/Spuhl, Das neue VVG kompakt, Rn. 159) .

    Der Vortrag der für die Rücktrittsvoraussetzungen darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, wonach der Zeuge R####### dem Kläger die Gesundheitsfragen wortwörtlich vorgelesen habe und er dem Kläger vor der Beantwortung der Gesundheitsfragen ausreichend Zeit gegeben habe, das Antragsformular zu lesen, dürfte also für die Einhaltung der Textform nicht ausreichen, auch wenn man der strengen Auffassung, die ein Vorlesen generell nicht ausreichen lässt, nicht folgt .

    Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Software auf dem Laptop des Zeugen von dem Beklagten erstellt wurde oder ob es sich ggf. um eine freie Software handelt, kommt es nicht an. Denn auch Fragen, die von Dritten entworfen wurden, stellen sich im Verhältnis zum Versicherungsnehmer als Fragen des Versicherers im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 VVG dar, wenn dieser sie sich -indem er sie seinen Agenten zur Verfügung stellt- zu Eigen gemacht hat.

    c) Der Zugang in Textform ist unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten jedenfalls hinsichtlich der Belehrung nicht gewahrt. Denn weitere Voraussetzung der Wirksamkeit des Rücktritts ist, dass die Beklagte den Kläger auch in Textform über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt hat (§ 19 Abs. 5 VVG). Aufgrund der Warnfunktion der Belehrung reicht hier ein Zugang der Textform erst nach der Unterzeichnung des Antrags keinesfalls aus. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer die Textform der Belehrung jedenfalls spätestens vor der Unterzeichnung mit der Gelegenheit, die Richtigkeit seiner Angaben nochmals zu überprüfen, erhalten. Von einem Zugang der Belehrungen in Textform kann nicht ausgegangen werden, wenn der Versicherungsvertreter seinem Kunden vor der Beantwortung der von ihm aus seinem Laptop vorgelesenen Gesundheitsfragen lediglich die Gelegenheit gibt, das vielseitige Antragsformular in seinem Laptop zu lesen. In einem solchen Fall ist weder die Informationsfunktion noch die Dokumentationsfunktion der Textform gewahrt.

    Die Berufung ist damit nicht begründet.

    Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind erfüllt. Weder kommt der Rechtssache nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzliche Bedeutung zu (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung vorliegend eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO), weshalb auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

    2.

    Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen zweier Wochen Stellung zu nehmen oder aus Kostengründen eine Berufungsrücknahme zu erwägen.